Sonntag, November 30, 2008

Quarantäne - Copy and Paste


USA 2008

+++1/2

Die Abstände zwischen Original und Remake werden immer kürzer. Erst im Mai startete der spanische Blair-Witch-Zombie-Mix [Rec] in unseren Kinos, da kündigt sich für Ende des Jahres bereits die fast schon obligatorische amerikanische Neuverfilmung an. Quarantäne lautet der Name der Kopie, für die man unter anderem die schreierprobte Jennifer Carpenter (Der Exorzismus der Emily Rose), Hostel-Star Jay Hernandez und Ally McBeal-Ensemblemitglied Greg Germann gewinnen konnte.

Die Fernsehreporterin Angela Vidal (Jennifer Carpenter) und ihr Kameramann (Steve Harris) besuchen eine Feuerwache des Los Angeles Fire Departement. Sie sollen für eine TV-Sendung den Alltag der Männer dokumentieren und sie auf ihren Einsätzen begleiten. Zunächst deutet alles auf eine recht ruhige und ereignislose Nacht hin. Auch ein eingehender Notruf klingt sehr nach Routine. Ein Mann rief die Feuerwehr zur Hilfe, weil er aus der Nachbarwohnung laute, schmerzverzerrte Schreie vernahm. Am Einsatzort angekommen berichten bereits mehrere Bewohner den Rettungskräften von einer alten, geistig verwirrten Frau, die kurz zuvor noch um Hilfe geschrien haben soll. Nachdem sich die Feuerwehrmänner Zutritt zu der Wohnung verschafft haben, eskaliert die Situation. Und ehe sich Angela und ihr Kameramann versehen, sind sie mittendrin in einem blutigen Albtraum, der immer neue Fragen aufwirft. Was genau ist in dem Haus vorgefallen? Was löste das aggressive Verhalten bei der alten Frau aus? Und warum nur wurde das gesamte Gebäude von den Behörden unter Quarantäne gestellt?

Zugegeben, die Antworten dürften selbst denjenigen, die das Original nicht gesehen haben, keineswegs schwer fallen. Aber darum geht es eigentlich auch gar nicht. Quarantäne ist kein Mystery-Puzzlespiel sondern wie sein nahezu identischer Zwilling als direkter Angriff auf unsere Urängste konzipiert. Die Angst vor dem Unbekannten, vor räumlicher Enge, vor dem Dunkeln und vor dem Verlust des eigenen Verstandes sind nur einige der Ziele, die dieser im pseudo-realistischen Dokumentarstil á la Blair Witch Project gehaltene Horrorfilm ins Visier nimmt. Dabei legt der Film nach seiner bewusst belanglosen wie entspannten Exposition ein höllisches Tempo vor. Gerade die letzten 20 Minuten haben es in sich. Auch wenn manche der Schockeffekte nicht ganz unerwartet auf den Zuschauer hereinbrechen – die Szene nach dem Öffnen der Dachluke sei hier beispielhaft genannt –, dürfte sich dieser doch desöfteren fest an seinen Kinositz klammern.

Gewöhnungsbedürftig ist selbst für Fans eines Cloverfield die doch arg verwackelte Handkameraoptik des Films. Sogar in ruhigen Passagen scheint sich der Kameramann einen Spaß aus dem Spiel mit Zoom und Schärferegler zu machen. Fairerweise sei erwähnt, dass bereits das spanische Original mit visueller Epilepsie zu kämpfen hatte – vielleicht der einzige Malus eines ansonsten fast perfekten kleinen Schockers. Dafür scheinen die Effekte noch eine Spur überzeugender und eleganter in das digitale Bild hinein kopiert worden zu sein.

Über den Sinn von Remakes lässt sich trefflich streiten, schließlich können diese es nur in den seltensten Fällen mit der Qualität ihrer meist weniger bekannten Vorbilder aufnehmen. Besonders schlimm wird es, wenn ursprünglich effektive Genre-Beiträge aus Asien und Europa in die Räder der amerikanischen Remake-Maschinerie geraten, wo man sie nicht selten ihrer Ecken und Kanten beraubt und auf die Sehgewohnheiten des Mainstreams hin kastriert. Im vorliegenden Fall kann zumindest in dieser Hinsicht Entwarnung gegeben werden. Letztlich entpuppt sich Quarantäne als 1-zu-1-Kopie, bei dem sich die wenigen Änderungen auf Nebensächlichkeiten beschränken. An der Dramaturgie, der Figurenkonstellation sogar am Ablauf vieler Szenen und am Timing der Schocks nahm Regisseur John Erick Dowdle allenfalls kleine Schönheitskorrekturen vor. Immerhin wirken die Hausbewohner nicht mehr ganz so überdreht. Traten manche von ihnen in [Rec] noch als Comic Relief in Erscheinung, bemüht sich Dowdle nunmehr um eine glaubwürdigere Darstellung.

Der von Original wie Remake postulierte Authentizitätsgedanke verlangt nach einer möglichst ungefilterten Rezeption. Eine Synchronisation erweist sich dabei als störend. Man sollte sich Quarantäne, wenn möglich, daher in der englischen Originalfassung ansehen. Wer allerdings bereits die spanische Vorlage kennt, für den hält Dowdle keine überzeugenden Argumente bereit, die eine zweite Sichtung lohnenswert erscheinen lassen.

Anmerkung: Die Wertung setzt voraus, dass einem das Original nicht bekannt ist! Ansonsten darf man sicherlich 20 bis 25 Prozentpunkte abziehen.

Für BlairWitch.de.

7 Comments:

Anonymous Anonym said...

Gab es Veränderungen in den letzten 20 Minuten? Die fand ich im Original grandios effektiv und habe mich schon ewig nicht mehr so gefürchtet im Kino.

November 30, 2008 7:04 PM  
Anonymous Anonym said...

Nicht nur 20 - 25 % muss man dann abziehen, wenn man das Original kennt, sondern weitaus mehr.

November 30, 2008 8:04 PM  
Blogger Marcus kleine Filmseite said...

@ moviescape

nein, keine wesentlichen. der film ist, wie ich schrieb, ein nahezu 1-zu-1-remake.

@ spidy

natürlich fehlt der überraschungseffekt, darüber braucht man nicht zu diskutieren. prozentdiskussionen möchte ich jetzt aber nicht führen ;)

November 30, 2008 10:44 PM  
Anonymous Anonym said...

@marcus: Ich will auch keine Prozentdiskussion führen, Quarantäne ist so wie Fußpilz, sowas will man nicht haben, klar für den amerikanischen Markt kann ich es verstehen, aber hier braucht man nicht in so kurzer Zeit ein 1zu1 Remake, da sollte man beim Original bleiben, dass gut war. Quarantäne ist völlig nutzlos, den hätte man eventuell hier als DVD-Premiere erscheinen lassen sollen. Ich fand das Ding fürchterlich.

Dezember 01, 2008 6:50 PM  
Anonymous Anonym said...

Macht der Film für jemanden der [REC] gesehen hat, überhaupt Sinn?
Wenn es eine 1zu1-Kopie ist, kann man sich auch einfach [REC] nochmals anschauen.
Dieser Film ist genauso sinnlos wie Funny Games US, der für Leute die das Original kennen ja auch nichts neues zu bieten hatte.

Dezember 06, 2008 8:23 AM  
Blogger Marcus kleine Filmseite said...

@ jens

ein ganz klares NEIN! da kannst Du Dir den film getrost schenken (hätte ich am liebsten auch gemacht).

Dezember 06, 2008 2:00 PM  
Anonymous kay said...

Der film läuft gerade auf pro7 und ich dachte so 'momomomoment! Das kommt mir doch bekannt vor. Ist das nicht .rec?' Ich schaltete den Videotext ein um nach zuschauen. Doch dort stand 'Quarantäne' und ich so 'Häh?'. Einmal gegoogelt und ich kam auf Marcus kleine Filmseite :) ich wusste nicht mal das es ein .rec remake gibt. Ach ich bin ebenfalls der Meinung das dieses absolut überflüssig ist.

Juni 13, 2011 12:23 AM  

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