96 Hours - Wie Du mir, so ich Dir
F 2008
+++1/2
Gute Thriller sind rar gesät. Der von Luc Besson miterdachte und co-produzierte 96 Hours ist so einer. Tarnt sich der Film anfangs noch als eher ruhige Charakterstudie, verwandelt er sich nach einer halben Stunde in ein knallhartes Action-Drama. Bei der Odyssee durch die Pariser Unterwelt kennt der von Liam Neeson glaubhaft verkörperte CIA-Agent kein Erbarmen. Um seine von osteuropäischen Menschenhändlern verschleppte Tochter zurück zu bekommen, ist ihm jedes Mittel recht. Regisseur Pierre Morel verzichtet weitgehend auf inszenatorische Spielereien und outet sich so ganz nebenbei als Fan alter Exploitation- und Selbstjustiz-Klassiker.
Filmkritik:
Das Böse ist immer und überall. Diese Meinung vertritt zumindest Bryan Mills (Liam Neeson). Und der muss es wissen. Immerhin arbeitete Bryan jahrelang als Agent der CIA. Der Job ließ nur wenig Raum für ein Privatleben. Seine Ehe zerbrach und auch der Kontakt zu seiner Tochter Kim (Maggie Grace) beschränkte sich meist auf einige kurze Besuche. Dabei gibt es für ihn nichts Wichtigeres als sie. Umso misstrauischer ist er, als sie ihn darum bittet, mit einer Freundin nach Paris reisen zu dürfen. Unter der Bedingung, dass Kim sich regelmäßig bei ihm meldet, lässt er sich schließlich überzeugen. Bereits kurze Zeit später sitzen Kim und Freundin Amanda (Katie Cassidy) im Flugzeug, zurück bleiben Bryan und ein ungutes Gefühl.
Dessen Befürchtungen, seien es die Instinkte eines liebenden Vaters oder einfach nur das Ergebnis seiner Berufserfahrung, sollen schon bald traurige Realität werden. Nachdem sich ein Lockvogel das Vertrauen der Mädchen erschlichen hat, suchen einige dunkle Gestalten Kim und Amanda in ihrem Appartement auf. In höchster Not gelingt es Kim, ihrem Vater von dem Überfall zu berichten und eine ungefähre Täterbeschreibung durchzugeben. Dann bricht der Kontakt ab. Ohne zu zögern reist Bryan seiner Tochter nach. Ein Freund konnte die Männer inzwischen anhand ihrer Stimmen als Albaner identifizieren. Viel mehr als diese Information hat Bryan zunächst jedoch nicht, als er in Paris eintrifft. Und dennoch wirkt er fest entschlossen, Kim zu finden und die Schuldigen zu Rechenschaft zu ziehen.
96 Hours – der Titel spielt auf die Zeit an, die Bryan bleibt, um seine Tochter zu finden – macht Schluss mit vielen faulen Kompromissen des modernen Action-Kinos. Der von Luc Besson protegierte und mitproduzierte Film knüpft an die Tradition harter Selbstjustizthriller der siebziger und achtziger Jahre an. Vor allem an die Direktheit und Kaltschnäuzigkeit eines Dirty Harry fühlt man sich unweigerlich erinnert, wenn Bryan wie ein Besessener die Pariser Unterwelt aufmischt. Keine Gnade kennt er mit jenen, die sich ihm in den Weg stellen. Wo andere Genre-Vertreter, nur um womöglich politisch korrekt zu sein, auf kulturelle wie nationale Geflogenheiten Rücksicht nehmen, scheuen Besson und sein Co-Autor Robert Mark Kamen nicht vor eindeutigen Statements zurück. Das Bild, das 96 Hours von Europa und speziell den Osteuropäern zeichnet, ist wenig schmeichelhaft und trieft nur so von Klischees. Ähnlich wie in Eli Roths Horror-Schocker Hostel werden ganz gezielt amerikanische Ressentiments und Vorurteile bedient. Dass darin vor allem eine Kritik an der simplen Weltsicht des letzten US-Präsidenten und mancher seiner Landsleute zum Ausdruck kommt, scheint beabsichtigt. Wie zum Beweis dürfen sich zum Ende hin sogar Araber mit Bryan duellieren. Diese sind nicht wenigen Amerikanern noch unheimlicher als der durchschnittliche Osteuropäer.
Die Rache-Thematik eignet sich nicht erst seit Exploitation-Klassikern wie Last House on the Left und Thriller als verlässlicher Auslöser hitziger Debatten und gezielter Provokationen. Obwohl sich über die Jahre die Aufregung diesbezüglich gelegt hat, reagiert insbesondere die deutsche Bundesprüfstelle heute oftmals noch allergisch, wenn Filme Selbstjustiz zeigen oder unterschwellig befürworten. Insofern verwundert es schon, dass 96 Hours trotz expliziter Folter-Szenen bereits eine Freigabe ab 16 Jahren erhalten hat. Nicht nur erscheint Bryans Handel moralisch fragwürdig, auch in der Wahl seiner Mittel ist der Ex-CIA-Agent wenig zimperlich.
Ungeachtet der ethischen Grauzone, die der Film betritt, funktioniert 96 Hours als hoch emotionaler Thriller erstaunlich gut. Dabei liegen die Stärken des von Besson und Kamen erdachten Konzepts vor allem in dessen Geradlinigkeit. Die Action ist hart, schnörkellos und auf eine angenehme Weise altmodisch. Zudem erweist sich Liam Neeson allein schon aufgrund seiner physischen Präsenz als Idealbesetzung für den Part des zu allem entschlossenen Vaters. Ein weiterer cleverer Schachzug betrifft den Aufbau des Plots. Die erste halbe Stunde übt sich Regisseur Pierre Morel noch in Zurückhaltung. Das Tempo ist mäßig, der Ton nachdenklich, fast melancholisch. Kaum etwas deutet zu diesem Zeitpunkt darauf hin, welch viszerale Kraft die Geschichte nur wenig später entwickeln wird. Was folgt, ist ein Schlag ins Gesicht, den man so schnell nicht vergisst.
1 Comments:
Ein genialer Film - lief auch gerade erst bei SKY. Hab ihn inzwischen mehrfach gesehen. Geht am Anfang ein wenig langsam los - aber dann geht das Feuerwerk los. Ist einer meiner Lieblingsfilme geworden und Liam Neeson passt auf die Rolle als rächender Familienvater perfekt.
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