Rachels Hochzeit - Die kleine Schwester
USA 2008
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Eine junge, drogenabhängige Frau (Anne Hathaway) kehrt für wenige Tage anlässlich der Hochzeit ihrer Schwester nach Hause zurück. Es dauert nicht lange und schon brechen alte Wunden und Konflikte innerhalb der eigenen Familie wieder auf. Nach Ausflügen in den Dokumentar- und Musikfilm versucht sich Regisseur Jonathan Demme mit Rachels Hochzeit an einer im puristischen „Dogma“-Stil gehaltenen Charakterstudie. Deren emotionales Zentrum ist eine souverän aufspielende Anne Hathaway, die hier wunderbar gegen ihr Sauberfrau-Image besetzt wurde, was ihr unlängst eine Oscar-Nominierung als „Beste Hauptdarstellerin“ einbrachte.
Filmkritik:
Familienfeste scheinen prädestiniert dafür zu sein, aufgestaute Konflikte und Animositäten an die Oberfläche zu befördern. Der dänische Filmemacher Thomas Vinterberg präsentierte mit seinem Dogma-Beitrag Das Fest einst die zugegeben extreme Variante eines familiären Ausnahmezustands, bei dem am Ende vor allem blanker Hass und Verachtung zum Vorschein kamen. Soweit lässt es Oscar-Preisträger Jonathan Demme nicht kommen. In Rachels Hochzeit, immerhin seinem ersten Spielfilm seit über vier Jahren, ist der familiäre Zusammenhalt trotz manch hart ausgetragener Aussprache nie wirklich in Gefahr.
Obwohl der Titel etwas anderes vermuten lässt, ist nicht Rachel (Rosemarie DeWitt) sondern ihre jüngere Schwester Kym (Anne Hathaway) die eigentliche Hauptfigur der Geschichte. Kym ist zugleich das schwarze Schaf der Familie. Schon früh fing sie an, exzessiv zu trinken und Drogen zu nehmen – mit verheerenden Folgen. Anders als ihre Schwester fühlte sie sich zudem oft missverstanden und ausgegrenzt. Nun heiratet diese Schwester und Kym darf aus diesem Anlass für einige Tage die Entzugsklinik verlassen. Wieder zu Hause dauert es nicht lange, bis erneut ein Streit zwischen ihr und Rachel ausbricht. Auch die ständige Überwachung durch den Vater (Bill Irwin), sein Misstrauen ihr gegenüber, lässt in Kym ein ungutes Gefühl aufkommen. Dass sie kaum einen Schritt unbeobachtet tun kann und sich alles wieder einmal nur um Rachel dreht, ist für sie eine äußerst schmerzhafte Erfahrung.
Anders als einer Lee Holloway – Maggie Gyllenhaals Charakter aus Secretary – fehlt Kym ein Ventil, um die eigene Angst kontrolliert abzulassen. Stattdessen tritt sie die Flucht an, in der vagen Hoffnung zumindest bei ihrer Mutter (Debra Winger) auf Verständnis und Zuspruch zu treffen. Währenddessen laufen die Vorbreitungen für die Hochzeit mehr oder weniger nach Plan. Irgendwann ist auch Kym wieder zurück und die Feierlichkeiten können beginnen.
Die stilistische Nähe zu den Arbeiten der Dogma-Reihe ist in Rachels Hochzeit in jeder Szene evident. Der zuletzt als Dokumentar- und Konzertfilmer tätige Demme setzt auf eine bewegliche Handkamera und verzichtet dabei gänzlich auf künstliches Licht sowie klassische Filmmusik. Der hieraus resultierende Heimvideo-Touch, das Gefühl der Authentizität, weil man glaubt, als Gast einer echten Hochzeit beizuwohnen, produziert mitunter jedoch auch eine Menge Leerlauf. So reiht sich beim „Probeessen“ am Vorabend der Hochzeit eine langweilige Tischrede an die nächste. Die ganze Szene scheint kein Ende nehmen zu wollen, was zwar realistisch sein mag, gleichzeitig die Geduld des Zuschauers aber auf eine harte Probe stellt. Auch die eigentliche Hochzeit wird von Demme mit Aufnahmen des tanzenden Party-Volks unnötig in die Länge gezogen. Insgesamt ließe sich der Film problemlos um über eine halbe Stunde kürzen, ohne dass damit irgendein Substanzverlust verbunden wäre.
Interessant wird es immer, wenn Demme sich von seinen Ambitionen als Hochzeits-Dokumentarfilmer löst und Kyms Gefühlswelt in den Mittelpunkt rückt. Die zumeist auf unverfängliche Komödien abonnierte Anne Hathaway dankt es ihm mit einer zerbrechlichen Darstellung, in der sich die ganze Unsicherheit und Verletzlichkeit ihres Filmcharakters widerspiegelt. Kym hat bei aller vorgeschobenen Coolness nämlich bis heute mit einer schweren Schuld zu kämpfen, deren Ursache erst allmählich enthüllt wird. Souverän meistert Hathaway das enorme Pensum emotionaler Höhen und Tiefen. Selbst wenn letztlich so mancher Konflikt in der ausgelassenen Party-Stimmung untergeht, ist der Film weit davon entfernt, seinen Figuren ein verlogenes Happy End aufzuzwingen. Als Kym wieder in die Entzugsklinik aufbricht, warten viele Wunden weiterhin auf ihre Heilung.
Für Programmkino.de.
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