Mittwoch, Dezember 08, 2010

Monsters - Ein Film über uns


GB 2010

++1/2


Manche Filmtitel sind mehr als irreführend. Monsters ist hierfür das beste Beispiel. Denn wer nur nach dem Titel geht und eine actionreiche Survival-Jagd erwartet, sieht sich getäuscht. Das Debüt des britischen Filmemachers und Effektkünstlers Gareth Edwards ist mehr Drama als Monsterfilm, mehr Liebesgeschichte als Horror und mehr kritische Reflexion als spannungsgeladener Thriller. Die zitierten Monster – eine Kranken-ähnliche, außerirdische Lebensform, die mit dem Absturz einer NASA-Kapsel vor sechs Jahren im Grenzland zwischen Mexiko und den USA gelandet ist – spielen dabei eigentlich nur eine Nebenrolle. In Wahrheit dreht sich Edwards Ultra-Low-Budget-Produktion um zwei verlorene Seelen, die sich auf ihrer gemeinsamen Rückreise in die Staaten allmählich näher kommen.

Diese Zwei, damit sind der Fotograf Andrew (Scoot McNairy) und die wohl behütet aufgewachsene Millionärstochter Samantha (Whitney Able) gemeint, bilden eine Schicksalsgemeinschaft, seit sich beide in Mexiko das erste Mal begegneten. Andrew erhält von Samanthas Vater den Auftrag, die Tochter auf ihrer Heimreise zu begleiten. Die Zeit drängt, immerhin wollen die USA schon bald die Grenze zu dem infizierten Gebiet ganz schließen. Zunächst versuchen Andrew und Samantha, mittels Fähre über den Golf von Mexiko nach Hause zu gelangen. Dieses Vorhaben scheitert jedoch, so dass beiden nichts anderes übrig bleibt (Warum eigentlich? Was ist mit einem Flugzeug?), als den gefährlichen Landweg zu nutzen. Dazu müssen sie auch die von den Aliens bevölkerte Zone durchqueren.

Edwards machte aus der Not eine Tugend. Da ihm die finanziellen Mittel für eine aufwändige Materialschlacht oder einen teuren Science-Fiction-Film erst gar nicht zur Verfügung standen, war die Gefahr, dass sich Monsters in einen seelenlosen Special-Effects-Trip verwandeln könnte, praktisch nicht vorhanden. Was man im Film hingegen an fertigen Effekten sieht, ist vielmehr das Ergebnis genialer Photoshop-Spielereien, die Edwards allesamt in Eigenregie kreierte. Schon dafür muss man dem Nachwuchstalent Respekt und Anerkennung zollen. Die an riesige Tintenfische erinnernden Aliens hinterlassen – wenn sie dann einmal in Großaufnahme zu sehen sind – einen durchaus plastischen Eindruck und auch den einkopierten Schiffs- und Autowracks sieht man ihre virtuelle Identität keineswegs an.

Die außerirdischen Gäste, über die man kaum etwas erfährt, bilden letztlich nur die Kulisse für ein vergleichsweise ruhiges, fast schon unspektakuläres Dschungel-Abenteuer, das seine Unaufgeregtheit zwischenzeitlich etwas zu sehr auskostet. Was der Geschichte an Schwung und Tempo fehlt, hofft Edwards offenbar mit Authentizität und Nähe ausgleichen zu können. Leider geht diese Rechnung nicht immer ganz auf. Vor allem Andrews Verhalten erscheint wie bei seinem alkoholindizierten One Night Stand des Öfteren nur sehr eingeschränkt plausibel. Auch dauert es eine Weile, bis Monsters seine beiden Protagonisten aus der zunächst weit offenen Schublade des profitgeilen Fotografen und der verwöhnten Millionärstochter herausholt. Nach knapp zwei Drittel des Films etabliert Edwards dann jedoch über ganz wenige Schlüsselszenen allmählich eine intensivere Beziehung zwischen uns und seinen Figuren. Der gemeinsam erlebte Sonnenuntergang auf der Azteken-Pyramide, so kitschig dieses Ereignis mit Sicherheit auch ist, bringt nicht nur Andrew und Samantha einander näher. Plötzlich blicken auch wir mit anderen Augen auf zwei Menschen, deren weiteres Schicksal sich in diesen Momenten zu entscheiden scheint.

Der um Authentizität und Realismus bemühte, dokumentarische Look passt recht gut zu der gut gemeinten Öko-Botschaft des Films. Edwards sympathisiert mit den offenbar doch recht friedlichen Riesenkreaturen, die ihre Lebensweise bereits an das Ökosystem des mexikanischen Dschungels angepasst haben. So wächst ihr Nachwuchs in kleinen, an den Stämmen der Bäume abgelegten Kapseln heran. Obwohl sie ausgewachsen so groß wie ein zehnstöckiges Gebäude sind, geht von ihnen allenfalls zu Beginn ein Gefühl der Bedrohung aus. Eine in den Abendstunden unternommene Flussfahrt in einem wackligen Holzboot deutet kurzzeitig das von Edwards nicht wirklich ausgeschöpfte Suspense-Potenzial seines viel zu braven Alien-Versteckspiels an. Wenn aus dem Wasser plötzlich eines dieser geheimnisvollen Geschöpfe aufsteigt, stockt nicht nur Andrew und Samantha der Atem.

Mutig ist es schon, wenn ein Film seine im Titel angelegte Prämisse derart konsequent unterläuft und sich um Erwartungen nicht das Geringste schert. In der Verpackung eines vermeintlichen Alien-Thrillers steckt hier ein durchweg unschuldiger, keuscher Liebesfilm, der seine beiden Protagonisten allenfalls schüchterne Blicke austauschen lässt. Garniert wird die Dschungel-Romanze mit opportuner Kritik an der rigiden Einwanderungspolitik des Westens und seiner nicht erst seit 9/11 praktizierten Bunkermentalität. Man ahnt schließlich, warum Edwards sein Werk so und nicht anders genannt hat. Was er uns sagen will, ist einfach: Die Monster sind nicht die Anderen, die Monster, das sind wir.

Erschienen bei BlairWitch.de.