Running Scared - Ein Hauch von Nichts
Running Scared USA 2006
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Kaum zu glauben, dass hinter der Kamera beim Action-Wettlauf-Mob-Thriller „Running Scared“ der gleiche Wayne Kramer steht, der zwei Jahre zuvor noch den melancholischen „The Cooler“ über einen notorischen Pechvogel drehte. Denn im Gegensatz zu „The Cooler“, ein kleiner Film, der wusste, dass er dies war, gibt sich „Running Scared“ als großspuriger Genremix aus, der hinter einer durchgestylten Fassaden so öde wie die berühmten Potemkinschen Dörfer daherkommt.
Gleich mit der ersten Szene wirft uns Kramer in die Handlung hinein, als ob er sich filmisch vor seinem Publikum den Siff aus der eigenen Nase rotzen müsste. Nach einem immer gern genommenen Anreißer, der zeigt, dass ein kleiner an Asthma leidender Junge scheinbar aus dem Bauch blutet, dreht Kramer die Uhr 18 Stunden zurück. Nach einem harten „Sin City“-ähnlichen Shootout zwischen Gangstern, korrupten Bullen und noch mehr Gangstern, wird dem Bandenmitglied Joey Gazelle (Paul Walker) aufgetragen, die dabei benutzen Waffen verschwinden zu lassen. Immerhin haben die Jungs gerade sogar einen Cop kalt gemacht. Zu Hause angekommen versteckt Joey die Knarren in einem scheinbar sicheren Verschlag. Dummeweise kriegt der russische Nachbarsjunge Oleg (Cameron Bright) Wind von der Sache. Nach einem Streit mit seinem Stiefvater greift der Junge zum Corpus delicti, was Joey in arge Schwierigkeiten bringt. Fortan hetzt er dem fahnenflüchtigen Oleg hinterher, gejagt von der Polizei und der russichen Mafia.
Zwei Filme kommen einem sofort ins Gedächntis, wenn die ersten Bilder über die Leinwand flimmern. Neben dem bereits erwähnten „Sin City“ und seiner Ästhetisierung roher Gewalt wird auch das Rache-Thema der Marvel-Verfilmung „The Punisher“ immer mal wieder aufgenommen. Und es gibt hierbei verdammt viele zweilichtige Typen, die dem einen oder anderen noch etwas krumm nehmen und eine Rechnung zu begleichen haben. Wie uns andere schon lehrten, wird Rache bekanntlich kalt serviert, und so zelebriert auch Regisseur und Autor Kramer das Sterben vor schönem Hintergrund. Gestorben wird hier an jeder Ecke, möglichst blutig und in Nahaufnahme. Dabei sorgen die dynamische Kamerafahrten und die an Videoclips erinnernden Ausleuchtung für eine falsche Idealisierung von Gewalt. Es fehlt, wie noch in „Sin City“, an einem sichtbaren „Zuviel“ des Ganzen, womit der Film keine ironische Distanz zulässt. Sowas geht nur selten gut („The Devil’s Rejects“ als ein Beispiel mit seiner Vorbeugung vor den cineastisch düsteren 70er Jahren). Meistens erweckt das den Eindruck, das zur Schau stellen von Körperflüssigkeiten solle nur das Nichts an Handlung und den eingeschränkten Grundstock an Motiven überdecken.
Überhaupt kann der Eindruck entstehen, dass Kramer mangels eigener Ideen auf das Vorbild „Sin City“ starrt. Sogar eine Marv nicht unähnliche Zuhälterpersönlichkeit darf hier in weißem Plüsch auftreten. Mehr als einen Lacher gibt dieser aber auch nicht ab, ganz im Unterschied zu „Romantic M“. Nur zu gern würde man „Running Scared“ das Spiel mit den Muskeln abnehmen, doch leider wird spätestens nach einem Drittel überdeutlich (also nach rund 40 Minuten, denn zwei Stunden dauert der angeblich so harte Spuk), dass sich Kramer längst nur noch von einer Szene zur nächsten schleppt. Es ist ein Fortgang der Story nach dem immer gleichen ermüdenden Schema: Erst kommt Joey in Nähe der begehrten Tatwaffe, dann ist diese wieder verschwunden, und unser herzensguter „Bad Boy“ muss mitsamt kindlichem Anhang erneut die Verfolgung aufnehmen.
Auf langen Strecken kommt auch der beste Autofahrer schon mal von der Ideallinie ab, weshalb es nicht verwundert, dass auch „Running Scared“ geschmacklose Schwenker in für den eigentlichen Plot nicht notwendige Gefilde unternimmt. Auf diese Weise lenkt Kramer einerseits von dem dünnen Konzept ab, andererseits wird einem als Zuschauer zugleich die scheinbare mit den Händen zu greifende Verzweiflung des Autors in ihrem ganzen Ausmaß bewußt. Was sollte bloß diese vollkommen deplazierte Pädophilien-Kiste mitsamt ihrer unreflektierten gefährlichen Selbstjustiz-Beweihräucherung? Nur Kramer kennt die Antwort. Verraten wird er sie uns dennoch wohl kaum, käme es doch einem Eingeständnis der eigenen kreativen Unzulänglichkeit gleich. Über die gesamte Lauflänge irrt Joey und mit ihm der Zuschauer durch eine bleigetränkte Nacht, die schon im Dunkeln vor Drehbuchfehlern und Logikschwächen derart hell erstrahlt, dass selbst „11:14“ oder „L.A. Crash“ daneben glaubwürdig erscheinen.
Mindestens genauso peinlich mutet das Spiel von Möchtegern-Raser/Surfer Paul Walker an. Ganz so, als ob man ihm vor jeder Szene „Paul, Du bist jetzt ganz wütend! Hau gegen jede Wand, die Du siehst und benutzt das böse F-Wort, wo Du nur kannst!“ ins Ohr geflüstert hat, hampelt der hier ganz auf hart dressierte Schönling durch die Szenerie. Diese derbste Art des Overacting lasse ich nur Musicals, ZAZ-Komödien und richtigem Schund wie „Braindead“ durchgehen. Aber da „Running Scared“, wie das zu mythischen Klängen unterlegte Finale beweist, sogar ernsthaft die dramatische Karte spielt, ist diese Holzhammer-Performance einfach unerträglich. Zu Walker gesellen sich auch die Kollegen Palminteri, Roden und der kleine Knirps Cameron Bright (bekannt aus „Birth“), alles ist um Längen zu dick aufgetragen.
Die zum Teil begeisternden Reviews, die der Film bislang erhalten hat, loben unisono die technische Realisation der hier praktizierten kalkulierten Bildergeilheit. Sie verschweigen dabei die Einfallslosigkeit und Gewaltfixiertheit der Story, ebenso wie die in nahezu jedem „Dialog“ zynisch abgefeierte Homophobie der Charaktere. Wenn die Gangster nicht gerade in den Ar*** gef***t werden, weil die Cops ihren Schw*** da reinstecken, krieg es die Frau der verw***en Schwuchtel natürlich in den Ar*** besorgt. Ein weiterer Kommentar erübrigt sich.
Zuerst erschienen bei kino.de.
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