Mittwoch, März 15, 2006

The New World - Ein Genie im Größenwahn


The New World USA 2005

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1607, Virginia. Oder das, was man heute als Virginia kennt. Die englische Flotte erreicht die neue Welt. Die erste Kontaktaufnahme mit den Eingeborenen fällt freundlich, aber zurückhaltend aus. Doch recht bald erwachsen aus der erzwungenen Nachbarschaft von stolzen Europäern und naturverbundenen „Indianern“ erste Spannungen und Konflikte. Als der Stammeshäuptling den zur Erkundung ausgesandten Captain John Smith (Colin Farrell) in Gefangenschaft nimmt, ist dies der Beginn einer der ungewöhnlichsten Liebesbeziehungen des Kinos. Smith ist beeindruckt von der schönen Tochter (Q’Orianka Kilcher) des Häuptlings. Ohne große Worte lernen sich beide zu verstehen. Sie fühlen, dass ein unsichtbares Band sie verbindet, eine tiefe Empathie, die alsbald auf eine harte Probe gestellt werden soll.

Terrence Malick lässt sich gerne Zeit. Das gilt nicht nur für das, was ein Malick-Film zeigt, sondern auch für die Entstehung des Films selbst. Im Schnitt alle 10 Jahre findet eins seiner Werke den Weg ins Kino. Nach einem Ausflug in den Südpazifik zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs in „Der schmale Grad“ hat es den Maestro nun also ins unerforschte Amerika verschlagen. Die im Vorgänger angedeuteten Stilmittel, Voice Over und schwelgerische Kamerafahrten, finden in „The New World“ einen mehr als exzessiven Gebrauch. Wenn die schöne Stammestochter nicht in poetischer Spiritualität versunken das Dasein im Allgemeinen und ihr Schicksal im Speziellen reflektiert, berauscht sich Malick an den zugegeben beeindruckenden Bildern von Kameramann Emanuel Lubezki. Dieser fing ausschließlich mit natürlichem Licht eine von Zerstörung und Ausbeutung gefährdete scheinbar unbefleckte Natur ein. Jede Einstellung ein Stillleben, jedes Bild ein Augenschmauß. Die Idealisierung einer Landschaft und ihrer Bewohner kann man direkter kaum einfangen.

Malick setzt des Öfteren zu ganzen Bildstafetten an, Collagen aus Licht und sphärischer Musikuntermalung aus der Feder von James Horner, die mit immer schnelleren Schnitten einem Rausch der Sinne schon sehr nahe kommen. Ein Erlebnis, was es wenn dann auf der Kinoleinwand zu erleben gilt. Alles andere käme einer visuellen Vergewaltigung gleich. So einzigartig hier Bild- und Klangräume aufgemacht werden, so ermüdend ist dieses langsame Abgleiten in einen halbwachen, halbträumerischen Zustand. Irgendwo entlang dieser Grenze will „The New World“ wandeln, um den Antagonismus zwischen dem Wilden und dem Domestizierten, dem Geistigen und dem Körperlichen, der „neuen“ und der alten Welt zu illustrieren. Film als Umsetzung einer Theorie oder einer Idee zu verstehen und dabei alles andere, was Kino auch sein kann, zu vergessen, erscheint radikal und mutig. Bei Malick ist es wohl mittlerweile auch eine Masche, die in ihrer Vorhersehbarkeit langweilt. Hätte ein Spielberg oder ein Jackson mit ihren plotgetriebenen Erzählweise einen Film wie „The New World“ abgeliefert (wovon ihre Agenten sie bereits abgebracht hätten), wäre das Ergebnis zwar nicht interessanter aber zumindest überraschender ausgefallen.

Stattdessen lässt Malicks Drehbuch Story Story sein und sperrt eine packende Narration dort ein, wo sie garantiert niemand mehr findet. Malick selber am wenigsten. Die Sogkraft der naturbelassenen Bilder lässt spätestens dann nach, wenn Smith und die namenlose Schönheit zum x-ten Mal in den Feldern und Wäldern wie Hippie-Jünger herumtänzeln, sich dabei wortlos anschmachten oder bedeutungsschwanger in den Himmel starren. Jede einzelne Geste will berühren und dabei laut einem „Seht her, welch große Kunst!“ entgegen schreien. Schreien ist tatsächlich der treffende Ausdruck, denn der Anspruch, der der Film wie eine Monstranz vor sich herträgt, ist letztlich nur enervierend einschläfernd. Bereits nach einer knappen Stunde ist es, als ob dieser Ausflug in eine andere Welt kein Ende nehmen will. Von Interesse für die beiden Protagonisten und ihr gemeinsames Schicksal kann da schon lange keine Rede mehr sein. Im spirituellen Klangbrei verlor sich auch meine Empathie und Anteilnahme.

Dabei hätte es gerade die Newcomerin Q’Orianka Kilcher verdient, dass sich der Zuschauer für ihre tolle intuitive Darstellung begeistert. Mit ihren 16 Jahren hat sie mehr Präsenz als alle ihrer erfahrenen Schauspielkollegen zusammen. Christian Bale gebührt dafür bereits jetzt der Preis für den „lustlosesten Auftritt in einem zu langen Ego-Trip eines einst brillanten Regisseurs“. Über Colin Farrells Leistung lege ich lieber den Mantel des Schweigens. Oder hält er selber den immer gleichen monotonen Dackelblick für ein Merkmal großer Schauspielkunst?

The New World“ mag ehrenvolle Absichten hegen und dem Zuschauer ein mystisches Kinoerlebnis bescheren wollen. Leider bleibt es bei dieser Absicht. Malick erliegt endgültig dem egozentrischen Größenwahn, anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, wieso er einen Film im Hinblick auf eine möglichst monotone einschläfernde Konsumierbarkeit konzipiert hat. Hoffentlich findet er bis zu seinem nächsten Projekt irgendjemand, dem ihm erklärt, dass man Kunst nicht erzwingen und den Zuschauer nicht mit plakativem Geschwätz langweilen sollte.

Erschienen bei kino.de.

2 Comments:

Blogger Scarlettfan said...

Hähä, den letzten Satz Deines Textes könnte man prima rauskopieren und wort wörtlich in einen V FOR VENDETTA-Verriss einfügen. *g*

Ich mach ja keinen Hehl daraus, dass ich THE NEW WORLD klasse fand. Nach "Frühling, Sommer,..." war es wieder mal an der Zeit, dass ein Film in die Kinos kommt, den man mit dem Begriff "Meditations-Kino" umschreiben könnte. Bis auf Colin Farells unsägliches "Schauspiel" ein perfekter Film, wie ich finde. Fantastisch, wie THE NEW WORLD den Zuschauer in einen fast schon Trance-ähnlichen Zustand versetzt (und die pathetischen Voice Over passen da wie die Faust aufs Auge).

Vielleicht schreibe ich die Tage noch eine ausführlichere Stellungnahme in meinem Blog, aber im Moment habe ich irgendwie keine Lust, überhaupt etwas zu schreiben.

März 21, 2006 6:56 PM  
Blogger Marcus kleine Filmseite said...

Du bist aber fies! *g*

"meditations-"kino" ist der film sicherlich, doch das kann man positiv wie negativ auslegen. zumal ich so gar nciht an den charakteren dran war, dass mir die schwelgerische optik und malicks sicher kunstvolle verwebung von kamera, musik und schnitt nicht ausreichten.

März 23, 2006 2:49 PM  

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