Children of Men - Ein Monster von Film
USA 2006
+++1/2
Engagiertes politisches Kino! Der Mexikaner Alfonso Cuarón wechselte nach seiner viel beachteten Harry Potter-Verfilmung mit Children of Men in das Genre des düsteren Endzeit-Thrillers. Die Adaption des gleichnamigen Romans von P.D. James überrascht mit einer radikal-semidokumentarischen Ästhetik. Cuarón besaß den Mut, konsequent alte Sehgewohnheiten beiseite zu legen. Ein Wagnis, das zumindest im Bereich der aufwändig produzierten Studiofilme seinesgleichen sucht.
FILMKRITIK:
Die Menschheit droht in Chaos und Anarchie zu versinken, weil sie aus unerklärlichen Gründen die Fähigkeit zur Reproduktion verloren hat. Seit über 18 Jahren ist kein Kind mehr geboren worden. Immer weitere Länder verkommen angesichts dieser ausweglosen Situation zu einem Spielfeld von gewaltbereiten Gruppen, Separatisten und Kriminellen. Einzige Ausnahme: Großbritannien. Mit harter Hand regiert dort ein totalitäres Regime. Dem Zustrom von Flüchtlingen aus aller Welt begegnet die Regierung mit der Einrichtung von Internierungslagern und militanten Abwehrmaßnahmen.
Während sich einige Menschen radikalisieren und den Widerstand gegen das Militärregime organisieren, flüchten sich wiederum andere in Sarkasmus und Apathie. So auch Theo (Clive Owen). Der Regierungsagent und ehemalige Aktivist hat nach dem Tod seines Sohnes die Entscheidung getroffen, ein unauffälliges und angepasstes Leben zu führen. Nur die Besuche bei seinem alten Freund Jasper (Michael Caine) stellen für ihn eine angenehme Abwechslung in einem ansonsten tristen Alltag dar. In dem Moment, als vermummte Männer Theo in einen Van ziehen und kidnappen, soll sich für ihn jedoch alles ändern. Er trifft seine Ex-Frau Julian (Julianne Moore) wieder. Sie führt eine Bewegung an, die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt. Theo soll für eine junge Frau mit Namen Kee (Clare-Hope Ashitey) wichtige Reisedokumente besorgen. Denn Kee erwartet ein Kind. Es könnte das Wunder sein, auf das die ganze Welt so lange gewartet hat.
Regisseur Alfonso Cuarón erntete anlässlich der Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig viel Beifall für seine mutige und radikale Umsetzung eines Romans der britischen Mystery-Autorin P. D. James. Children of Men zeichnet in düsteren, apokalyptischen Bildern eine erschreckende Zukunftsvision, die glücklicherweise kaum Kompromisse zugunsten einer massentauglicheren Konsumierbarkeit eingeht. Die ausschließlich mit Handkameras gedrehten Szenen transportieren den Endzeitkampf auf Londons Straßen in einer Intensität, die an die berühmte Landung in der Normandie aus Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan erinnert – dieses Mal im Gewand eines futuristischen Thrillers in der Tradition von 12 Monkeys und 28 Days later. Da kleben Blutspritzer wie selbstverständlich für Minuten auf dem Kameraobjektiv. Die Gewaltexzesse zwischen Widerstandsgruppen und Militär finden nicht im Verborgenen statt, die Opfer und das Leid der Flüchtlinge füllen die gesamte Leinwand aus. Nur am Ende schenkt uns Cuarón einen Hoffnungsschimmer, damit wir nicht vollkommen desillusioniert und deprimiert das Kino verlassen müssen.
Aus einem ohnehin bereits adrenalintreibenden, temporeichen Plot ragen zwei ohne einen einzelnen Schnitt gefilmte Actionsequenzen besonders heraus, die mitsamt ihrer perfekten Choreographie noch lange in Erinnerung bleiben. Schon deshalb lohnt ein Kinobesuch. Wenn die tödlichen Einschläge näher kommen, und wir zugleich sehen, wie Menschen sozusagen am Fließband exekutiert werden, mutiert Children of Men zu einem Ritt auf der emotionalen Rasierklinge. Fast scheint es, als wolle Cuarón den Zuschauer in einer Art Schockstarre versetzen. Hierzu passt, dass er die musikalische Untermalung desöfteren zugunsten einer kraftvollen und bedrohlichen Soundkulisse aus MG-Salven und lautem Sirenengeheul zurücknimmt.
Obwohl mit dem Etikett „Science-Fiction“ versehen, ließe sich dieses Monster von Film ebenso gut als gesellschaftliche Parabel klassifizieren. Die Verweise auf das aktuelle Zeitgeschehen und die Historie des vergangenen Jahrhunderts sind evident. Krieg gegen den Terror, Clash of Cultures, das Verhältnis zwischen In- und Ausländern, alles Themen, die im Subtext mitschwingen und erklären, warum Children of Men vor allem eines ist: engagiertes politisches Kino.
Für Programmkino.de.
+++1/2
Engagiertes politisches Kino! Der Mexikaner Alfonso Cuarón wechselte nach seiner viel beachteten Harry Potter-Verfilmung mit Children of Men in das Genre des düsteren Endzeit-Thrillers. Die Adaption des gleichnamigen Romans von P.D. James überrascht mit einer radikal-semidokumentarischen Ästhetik. Cuarón besaß den Mut, konsequent alte Sehgewohnheiten beiseite zu legen. Ein Wagnis, das zumindest im Bereich der aufwändig produzierten Studiofilme seinesgleichen sucht.
FILMKRITIK:
Die Menschheit droht in Chaos und Anarchie zu versinken, weil sie aus unerklärlichen Gründen die Fähigkeit zur Reproduktion verloren hat. Seit über 18 Jahren ist kein Kind mehr geboren worden. Immer weitere Länder verkommen angesichts dieser ausweglosen Situation zu einem Spielfeld von gewaltbereiten Gruppen, Separatisten und Kriminellen. Einzige Ausnahme: Großbritannien. Mit harter Hand regiert dort ein totalitäres Regime. Dem Zustrom von Flüchtlingen aus aller Welt begegnet die Regierung mit der Einrichtung von Internierungslagern und militanten Abwehrmaßnahmen.
Während sich einige Menschen radikalisieren und den Widerstand gegen das Militärregime organisieren, flüchten sich wiederum andere in Sarkasmus und Apathie. So auch Theo (Clive Owen). Der Regierungsagent und ehemalige Aktivist hat nach dem Tod seines Sohnes die Entscheidung getroffen, ein unauffälliges und angepasstes Leben zu führen. Nur die Besuche bei seinem alten Freund Jasper (Michael Caine) stellen für ihn eine angenehme Abwechslung in einem ansonsten tristen Alltag dar. In dem Moment, als vermummte Männer Theo in einen Van ziehen und kidnappen, soll sich für ihn jedoch alles ändern. Er trifft seine Ex-Frau Julian (Julianne Moore) wieder. Sie führt eine Bewegung an, die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt. Theo soll für eine junge Frau mit Namen Kee (Clare-Hope Ashitey) wichtige Reisedokumente besorgen. Denn Kee erwartet ein Kind. Es könnte das Wunder sein, auf das die ganze Welt so lange gewartet hat.
Regisseur Alfonso Cuarón erntete anlässlich der Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig viel Beifall für seine mutige und radikale Umsetzung eines Romans der britischen Mystery-Autorin P. D. James. Children of Men zeichnet in düsteren, apokalyptischen Bildern eine erschreckende Zukunftsvision, die glücklicherweise kaum Kompromisse zugunsten einer massentauglicheren Konsumierbarkeit eingeht. Die ausschließlich mit Handkameras gedrehten Szenen transportieren den Endzeitkampf auf Londons Straßen in einer Intensität, die an die berühmte Landung in der Normandie aus Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan erinnert – dieses Mal im Gewand eines futuristischen Thrillers in der Tradition von 12 Monkeys und 28 Days later. Da kleben Blutspritzer wie selbstverständlich für Minuten auf dem Kameraobjektiv. Die Gewaltexzesse zwischen Widerstandsgruppen und Militär finden nicht im Verborgenen statt, die Opfer und das Leid der Flüchtlinge füllen die gesamte Leinwand aus. Nur am Ende schenkt uns Cuarón einen Hoffnungsschimmer, damit wir nicht vollkommen desillusioniert und deprimiert das Kino verlassen müssen.
Aus einem ohnehin bereits adrenalintreibenden, temporeichen Plot ragen zwei ohne einen einzelnen Schnitt gefilmte Actionsequenzen besonders heraus, die mitsamt ihrer perfekten Choreographie noch lange in Erinnerung bleiben. Schon deshalb lohnt ein Kinobesuch. Wenn die tödlichen Einschläge näher kommen, und wir zugleich sehen, wie Menschen sozusagen am Fließband exekutiert werden, mutiert Children of Men zu einem Ritt auf der emotionalen Rasierklinge. Fast scheint es, als wolle Cuarón den Zuschauer in einer Art Schockstarre versetzen. Hierzu passt, dass er die musikalische Untermalung desöfteren zugunsten einer kraftvollen und bedrohlichen Soundkulisse aus MG-Salven und lautem Sirenengeheul zurücknimmt.
Obwohl mit dem Etikett „Science-Fiction“ versehen, ließe sich dieses Monster von Film ebenso gut als gesellschaftliche Parabel klassifizieren. Die Verweise auf das aktuelle Zeitgeschehen und die Historie des vergangenen Jahrhunderts sind evident. Krieg gegen den Terror, Clash of Cultures, das Verhältnis zwischen In- und Ausländern, alles Themen, die im Subtext mitschwingen und erklären, warum Children of Men vor allem eines ist: engagiertes politisches Kino.
Für Programmkino.de.
5 Comments:
Hallo Marcus,
das mit den Sehgewohnheiten verstehe ich nicht ganz. Ich bin ja bekanntlich kein Fan von Wackelkamera, fand den Einsatz in CoM aber nicht übertrieben, da es meist eine Kamera*bewegung* war. Ansonsten finde ich den Film auch eher ... nunja ... "normal" gemacht, dennoch ist er mehr. Solch grandiose Szenen wie beispielsweise die Verfolgungsjagt mit dem Motorrad gibt es in anderen Filmen vereinzelt als Highlight. Hier reiht sich ein optischer Hammer an den nächsten. Wie haben die die Geburtsszene hinbekommen? Eine lange Einstellung vom Betreten des Raumes bis ... Ich bin immer noch beeindruckt! Da kann man schon mal die Höchstwertung zücken, auch wenn es nur im LAST SEEN von kino.de ist ;o)
Gruß
hi thoro!
ich fand schon, dass CoM mit den üblichen sehgewohnheiten auch des sf-genres bricht. ich schreibe ja, dass cuaron auf eine "handkamera" und nicht von eine "wackelkamera" setzt, was mich auch genervt hätte. diese subjektiven kamerafahrten ganz ohne schnitt, diese harten action-einlagen und dann dann wieder diese sanfte melancholie, einfach toll.
schade nur, dass der film so untergeht. da gibt es endlich mal wieder einen herausragenden sf-/action-film und kaum einer interessiert sich für ihn.
Beeindruckender Film. Auch wenn sich bei den langen Kamerafahrten wohl schon der ein oder andere unsichtbare Schnitt reingemogelt hat. Oder wo sind im Laufe der 2. langen Kamerafahrt die Blutspritzer auf dem Objektiv hin verschwunden?
Ich bin immer wieder überrascht wie viele Filme es gibt die ich einfach übersehe. Dieser Film war seid langer Zeit mal wieder etwas ganz besonderes. Klar, gibt es oft Filme die mich berühren oder überraschen aber bei diesem war von Allem etwas mehr drin. Richtig glücklich wurde ich bei der Flucht Szene vom Landhof, wie aus dem Nichts befindet man sich plötzlich in dieser hammergeilen Situation und verfolgt mit großer Anspannung das Geschehen. Das beste daran war, das der Regisseur auch hierbei auf Musikuntermalung verzichtet hat, was das Erkennen der wahren Größe dieser Szene verzögerte, einfach genial. Überhaupt, ist der ganze Film ein gelungenes Feuerwerk voller Optischer Raffinessen, so etwas sieht man leider viel zu selten. Die oft kritisierten Mängel bei der Story lassen mich hierbei völlig kalt. Für mich 100 %.
Haben gerande CoM gesehen. (viel zu spät!) Wie haben die die Geburtsszene hingekriegt?
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