Montag, März 12, 2007

Number 23 - 2chumach3rs Rückkehr


USA 2007

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Geschichten über Menschen, die langsam die Kontrolle über ihren Verstand verlieren, wohnt eine unbeschreibliche Tragik inne. Nicht mehr Realität von Fiktion unterscheiden zu können, nicht mehr Herr über die eigenen Sinne zu sein, das erschüttert unser gesamtes Koordinatensystem in seinen Grundfesten.

Auch in Joel Schumachers – Achtung – 23. (!) Regiearbeit stellt sich der Held (Jim Carrey) die Frage, wem er noch trauen kann und vor allem was überhaupt noch real ist. Denn als er von seiner Frau (Virginia Madsen) ein Buch mit dem geheimnisvollen Titel Number 23 eines unbekannten Autors geschenkt bekommt, beginnen sich die Dinge für den Hundefänger Walter in eine äußerst unangenehme Richtung zu entwickeln. Plötzlich glaubt er, dass es sein Leben ist, das in dem Roman beschrieben wird. Er liest von einer Kindheit, die seiner auf eine frappierenden Weise ähnelt, von einem Vater, der seinem Sohn niemals nahe war, von einer mysteriösen Nachbarin, die tot in ihrem Haus aufgefunden wurde und so weiter. Nur der Fortgang der Geschichte will nicht wirklich zur Walters Situation passen. Denn sein Alter Ego, eigentlich ein Cop, der einem Rätsel um die Zahl 23 auf der Spur ist, begeht darin ein schreckliches und folgenschweres Verbrechen.

Sukzessive führt uns der Film weg von Walters scheinbar bürgerlicher Existenz, hinein in die wilde, kalte und düstere Welt des Romans, die sich wie ein Virus in Walters Leben zu fressen scheint. Bald kann dieser keinen klaren Gedanken mehr fassen. Immerzu muss er an das Buch und die omnipräsente Zahl 23 denken. Wie Karl Koch in Hans-Christian Schmids Hacker-Drama 23 verfällt er der seltsamen Magie dieser zwei Ziffern. Egal ob Geburtstag, Hochzeitstermin, die Attentate vom 11. September oder der Hinrichtungstermin von Ted Bundy, alles lässt sich nach Walters Meinung auf die 23 zurückführen.

Schon lange hat Jim Carrey mit seinem Image als ewig gut gelaunter Spaßmacher und Grimassenschneider gebrochen. Die Truman Show und Vergiss mein nicht! markierten bislang die Höhepunkte seiner Karriere im Charakterfach. In Number 23 darf er – salopp formuliert – die Sau rauslassen und sich in dramatischen Posen, heftigen Gefühlsausbrüchen und finsterer Mimik ergehen. Wer vom Film folglich eine Überdosis Carrey erwartet, dürfte mit Sicherheit nicht enttäuscht werden. All diejenigen, die jedoch zugleich einen packenden und intelligenten Thriller sehen möchten, kommen nur begrenzt auf ihre Kosten. Number 23 gehört zu der Sorte von überambitionierten Genreproduktionen, die mit den letzten Minuten über Gebühr an Strahlkraft einbüßen.

Was zunächst als Mix aus klassischer Film Noir-Handlung im höchst ästhetischen Sin City-Look und einem offenkundig von Stephen King inspirierten Mystery-Puzzle überaus gut unterhält – Walters Paranoia setzt Schumacher über entfesselte Kamerafahrten und visuelle Entfremdungseffekte höchst eindrucksvoll in Szene – löst sich in einem über Gebühr melodramatischen Finale vollständig in Luft auf. Viel Lärm um fast Nichts. Ohne die Pointe an dieser Stelle zu verraten, kann gesagt werden, dass sich der Plot in eine Auflösung verrennt, die gleichsam banal und platt daherkommt. Alles garniert mit einer hoffnungsvollen Botschaft, welche das zuvor erstarrte Herz des Zuschauers wieder zum Schlagen bringen soll.

Dass sich der Film wie ein eitler Pfau vor seinem Publikum aufplustert und auf diese Weise mehr darstellen will als an Substanziellem tatsächlich in ihm steckt, erweist sich schlussendlich als das größte Manko. Carreys Blicke und Gesten werden ohne Unterlass mit bedeutungsschwangerer Musik unterlegt. Dabei funktioniert die Odyssee zwischen surrealem Pulp-Krimi und Shining-eskem Vexierspiel gerade solange, wie Schumacher vor allem seiner Lust für Bilder nachgeht und mit ironischen Zitaten an die bekannten Vorbilder spielt. Die Aufnahmen in der Wohnung der „Suicide Blonde“ stehen beispielhaft für eine fantasiereiche, distinguierte Ästhetik des Verfalls.

„I hope, they’ll never make a movie out of this!“ sagt Walter in weiser Voraussicht an einer Stelle zu seinem Sohn über das geheimnisvolle Buch. Soviel beherzte (Selbst-)Ironie bleibt leider die Ausnahme.

Erschienen bei BlairWitch.