Sonntag, Oktober 14, 2007

Trade - Willkommen in Amerika


USA 2007

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Jährlich werden Schätzungen zufolge über 800.000 Menschen gegen ihren Willen über Ländergrenzen hinweg verschleppt, um später als Sexsklaven missbraucht zu werden. Der erste US-Film des deutschen Nachwuchsregisseurs Marco Kreuzpaintner (Sommersturm) schildert das Schicksal eines mexikanischen Teenagers und einer jungen polnischen Mutter, die in den USA an den Meistbietenden verkauft werden sollen. Das von Roland Emmerich co-produzierte und mit Hollywood-Star Kevin Kline besetzte Werk kann sich nicht so recht entscheiden, ob es ein ernstzunehmendes Drama oder doch eher ein unterhaltsamer Thriller mit Buddy Movie-Touch sein will.

Filmkritik:

Endlose Häuser-Wüsten, ärmliche Vororte, die bekannten Wahrzeichen, Menschenmassen, organisiertes Chaos. Bereits im Vorspann wird uns Mexico-City als ein riesiger, alles verschlingender Moloch vorgestellt. Dort, wo – so suggerieren es jedenfalls die Bilder – Polizisten korrupt und Kriminelle allgegenwärtig sind, lebt die 13jährige Adriana (eine echte Entdeckung: Paulina Gaitan). Das Mädchen wird, als sie eines Morgens allein im Barrio unterwegs ist, von zwei Männern entführt und an einen geheimen Ort gebracht. Recht bald wird ihr bewusst, dass sie in die Hände eines straff organisierten Menschenhändlerrings geraten ist. Auch die junge Polin Veronica (Alicja Bachleda) befindet sich in der Gewalt der Bande. Diese droht, ihren Sohn zu töten, falls sie nicht das tut, was man ihr befiehlt.

Adrianas älterer Bruder Jorge (Cesar Ramos) heftet sich derweil an die Fersen der Menschenhändler, die ihm anfänglich stets einen Schritt voraus sind. Erst als er Ray (Kevin Kline), einen texanischen Versicherungspolizisten, überzeugen kann, ihm bei der Suche zu helfen, keimt auch in ihm neue Hoffnung auf. Zusammen finden sie heraus, dass Adriana im Internet an den zahlungskräftigsten Bieter verkauft werden soll.

Auf Grundlage eines Artikels des Reporters Peter Landesman für das New York Times Magazine entwickelte Drehbuchautor Jose Rivera das Skript zu Trade – Willkommen in Amerika. Adriana und Veronica stehen dabei stellvertretend für all die Frauen, die ähnliches zu erleiden hatten und haben. Den beängstigend realen Hintergrund, das Wissen, wie wenig ein Menschenleben für manch einen zählt, hätte der Film jedoch gewinnbringender nutzen müssen. Regisseur und Hollywoood-Neuling Marco Kreuzpaintner mag zwar in Ansätzen Gefühle wie Isolation und Hilflosigkeit für den Zuschauer erfahrbar machen, doch in die Tiefe geht sein Film nur selten. Denn die stillen Momente des Leidens unterbricht er immer wieder für einen mitunter reichlich lächerlichen Thriller-Plot. Die Unplausibilitäten fangen an, wenn Jorge in der Millionenstadt Mexico-City zufällig entdeckt, dass seine Schwester in einen Transporter gezerrt wird und ziehen sich bis zu den dilettantischen Fluchtversuchen der Mädchen, die an das dümmliche Verhalten von typischen Horrorfilmopfern erinnern.

Besonders irritiert die Entscheidung, das ernste Thema mit harmlosen Smalltalk und Scherzen zwischen Ray und Jorge auflockern zu wollen. Nicht nur, dass die Tonlagen kaum zusammen passen, Jorges Sticheleien über Rays Musikgeschmack sind der Glaubwürdigkeit seines gesamten Charakters wenig zuträglich, wenn er kurz zuvor noch mitansehen musste, wie seine Schwester gewaltsam verschleppt wird. Die Idee, Elemente eines Buddy-Movies in die Geschichte zu integrieren, zeugt davon, dass den Machern – immerhin heißt einer von ihnen Roland Emmerich – der Unterhaltungsaspekt nicht ganz unwichtig war.

Maria voll der Gnade – ein vergleichbarer in den USA und Lateinamerika situierter Film um junge Frauen, die als Drogenkuriere missbraucht werden – konzentrierte sich ganz auf eine möglichst realistische, semi-dokumentarische Bebilderung des illegalen Grenzverkehrs. Die Geschichte kam weitestgehend ohne dramatisierende Kniffe und Thrills aus. Trade will dagegen gleichsam Drama und Milieu-Thriller sein. Schlussendlich findet er sich damit zwischen allen Stühlen wieder.

Für Programmkino.de.