Bedingungslos - Abseitiges aus Dänemark
DK 2007
++1/2
Genre-Filmer Ole Bornedal (Nachtwache) präsentiert seine Variante eines Film noir. In der clever konstruierten Thriller-Groteske Bedingungslos verstrickt sich der (Anti-)Held in einem gefährlichen Netz aus Lügen und falschen Identitäten. Obwohl nicht jeder Winkelzug des Drehbuchs immer glaubhaft erscheint, geht die Rechnung am Ende auf. In einem spannenden Finale zieht Bornedal schließlich alle Register seines Könnens. Bedingungslos war der erfolgreichste Film des Jahres 2007 in Dänemark.
Filmkritik:
Es schüttet sprichwörtlich wie aus Eimern. Wir erblicken einen Mann, der nahezu regungslos auf dem nassen Asphalt liegt. Blut, vermutlich sein eigenes, bildet sich rings um ihn und vermischt sich allmählich mit dem Regen. Plötzlich eilt eine Frau herbei. Sie kann nicht glauben, was sie da sieht. Sie kniet über ihm, zieht an ihm, fleht ihn an. Dazu hören wir einen lakonischen Kommentar aus dem Off. Mit dieser filmreifen Pose eröffnet Dänemarks Thriller-Spezialist Ole Bornedal (Nachtwache) seine verschachtelte Noir-Spielerei Bedingungslos, in der das Ende augenscheinlich am Anfang steht. Die Szene wirft intuitiv eine Vielzahl an Fragen auf. Wer war dieser Mann, der hier auf offener Straße verblutet? Wer hat ihm das angetan und – vor allem – aus welchem Grund?
Auf manche Antworten muss man nicht lange warten, auf andere dagegen schon. Bei dem zunächst namenlosen Opfer handelt es sich um Jonas (Anders W. Berthelsen), einem zweifachen Familienvater, der als Polizeifotograph sein Geld verdient. Der Zufall will es, dass Jonas in einen schweren Autounfall verwickelt wird, bei dem sich eine junge Frau (Rebecka Hemse) lebensbedrohliche Verletzungen zuzieht. Julia liegt im Koma, als Jonas sie das erste Mal im Krankenhaus besucht. Er fühlt sich mitschuldig an dem, was geschehen ist. Noch im Krankenhaus kommt es daraufhin zu einer folgenschweren Verwechslung. Julias Familie hält ihn für Sebastian, ihren Freund, den sie auf einer Asien-Reise kennen gelernt hat. Unfähig den Irrtum umgehend aufzuklären, nimmt Jonas nach und nach die Identität des ihm unbekannten Sebastian an.
„Eine schöne Frau mit einem Geheimnis...fängt nicht so jeder Film noir an?" wird Jonas von seinem Kumpel Frank (Dejan Cukic) einmal gefragt. Auch ohne eine solch selbstreflexive Geste ließe sich erahnen, dass die Geschichte schon bald nicht mehr der Logik einer Mainstream-tauglichen Liebes-Romanze folgen dürfte. Bornedal spielt vielmehr von Beginn an mit offenen Karten, in dem er Bedingungslos erkennbar als Genrefilm positioniert, der für alle Beteiligten kein gutes Ende nehmen soll. Der Weg dorthin repräsentiert in diesem Zusammenhang das eigentliche Geheimnis und das für jeden Film noir so charakteristische Mysterium, welches sich Szene für Szene zu einem immer klareren Bild zusammenfügt. Als auch Jonas schließlich die Gefahr erkennt, ist es im Grunde schon zu spät.
Ungeachtet seiner visuell überzeugenden Aufbereitung – Bornedal vertraute einmal mehr seinem Stamm-Kameramann Dan Lautsen, der in wechselnden Aufnahmen die Tristesse eines Kopenhagener Neubaugebiets mit der Postkarten-Idylle Thailands kreuzte – leidet Bedingungslos bisweilen unter der typischen Film noir-Krankheit. Nicht immer erscheint jede Reaktion der Figuren unmittelbar glaubhaft und nachvollziehbar. Warum Jonas, der uns zunächst als Familienmensch vorgestellt wird, Hals über Kopf seine Frau und die beiden Kinder verlässt, mag Bornedal nicht hinreichend zu beantworten. Sicherlich, Jonas ist gelangweilt von einem Leben im Wohlstands-Mittelmaß, und er empfindet mehr als nur Freundschaft für seine Femme fatale, allein das erscheint als Erklärung letztlich nicht tragfähig.
Zum Glück weiß Bornedal um diese und andere Stolpersteine. So reichert er seine zunehmend groteske Geschichte mit mehr als nur einer Prise schwarzen Humor an, der manche scheinbar ernst gemeinte Wendung wieder relativiert. Auch wenn das Augenzwinkern nicht zu übersehen ist, baut der Film im letzten Akt doch eine ungemein düstere Suspense auf. Die Leinwand färbt sich (blut-)rot, als Jonas schließlich mit den Konsequenzen seiner Entscheidungen und Lügen konfrontiert wird. Bornedal holt in diesem Moment das gefräßige Krokodil auf die Bühne, das zuvor im Verborgenen auf seinen großen Auftritt lauerte.
Für Programmkino.de.
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