Sonntag, April 05, 2009

Knowing - Zahlenteufel


USA 2009

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Was haben Zahlen nur an sich, dass man alles Mögliche bis Undenkbare in sie hinein projiziert? Vielleicht ist es ihre klare Struktur, ihre Ordnung oder der Umstand, dass sich auch komplexe Sachverhalte in mehr oder weniger simple Zahlencodes überführen lassen. Die Logik der Zahl fasziniert und verstört zugleich. Sie kann Menschen im schlimmsten Fall sogar in den Wahnsinn treiben. Im Hacker-Drama 23 verfiel der 19jährige Karl Koch ihrer Anziehungskraft. Ganz ähnlich erging es Jim Carrey wenige Jahre später in Joel Schumachers Paranoia-Thriller Number 23. Selbst Genies, das zeigte der mehrfach Oscar-prämierte A Beautfiul Mind, sind nicht davor gefeit, sich in einer Welt endloser Zahlenreihen zu verlieren.

Auch in Alex Proyas’ Mystery-Thriller Knowing beginnt alles mit einer auf den ersten Blick wahllosen Aneinanderreihung irgendwelcher Zahlenkolonnen. Diese wurden Ende der fünfziger Jahre zusammen mit anderen Zeichnungen und Notizen in einer Art Zeitkapsel für ein halbes Jahrhundert eingelagert. Die Schüler der Lexington Grundschule sollten damals ihre Vision der Zukunft in einem Bild festzuhalten. Fünfzig Jahre später werden ihre Aufzeichnungen bei einem feierlichen Festakt an die heutigen Schüler verteilt. Das Blatt mit den seltsamen Zahlenreihen fällt Caleb (Chandler Canterbury), dem Sohn des renommierten Astrophysikers John Koestler (Nicolas Cage), in die Hände. Während Caleb enttäuscht ist, dass er als einziger kein schönes Bild erhalten hat, entdeckt sein Vater in der zunächst wirr erscheinenden Zahlenabfolge einen geheimen Code, der die Daten und Opferzahlen der schlimmsten Katastrophen der letzte fünf Jahrzehnte enthält.

So schrecklich diese Entdeckung auch ist, was geschehen ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Viel bedrohlicher erscheint es da, dass John bei seinen Nachforschungen auf drei weitere Ereignisse stößt, die laut dem mysteriösen Code bereits in den nächsten Tagen eintreffen sollen. Dabei prophezeit das Dokument einen globalen Super-Gau, den kein Mensch überleben wird. Wer oder was das genau sein soll, darüber kann John anfangs nur spekulieren. In jedem Fall ahnt er, dass die Zeit allmählich knapp wird.

Knowing, das wird bereits nach der ersten halben Stunde deutlich, begnügt sich nicht damit, nur einem Genre zu folgen. Der Film will zu gleichen Teilen Mystery, Endzeit-Thriller und Familiendrama sein. Hinzu kommt eine gute Portion klassisches Blockbusterkino „Made in Hollywood“, das vornehmlich über seine Schauwerte funktioniert. Die Einleitung mit ihrem kurzen Abstecher in die 50er Jahre mag zwar das erhoffte Tempo noch vermissen lassen, dafür etabliert Proyas eine diffuse Grundstimmung, die irgendwo zwischen alten Gruselgeschichten, Akte X und einer aufwändig produzierten Folge von „Galileo Mystery“ angesiedelt ist. Der Vergleich mit der oftmals unfreiwillig komischen Pro Sieben-Pseudo-Wissens-Show erscheint insofern passend, da sich auch Knowing ungemein ernst nimmt. Selbst als die Geschichte immer abstruser wird, baut der Film keinerlei ironische Distanz zu seinem religiös eingefärbten Endzeit-Szenario auf.

Stattdessen sollen wir mit John mitfiebern und ihm die Daumen drücken, dass er den Armageddon in letzter Sekunde doch noch abwenden kann. Nun ist Nicolas Cage nicht Bruce Willis und Alex Proyas nicht Michael Bay (zum Glück), was erklärt, warum sich Knowing zumindest in dieser Hinsicht wohltuend von den gängigen Blockbustern unterscheidet. So wird es bei Proyas, der ohnehin ein Faible für düstere Geschichten mitbringt, ein Zurück zum Status Quo nicht geben. Das verdient Anerkennung und Respekt. Leider legt sich der Film zumindest in Teilen eine Auflösung zurecht, die allenfalls noch Steven Spielberg begeistern dürfte. Gerade die letzten Minuten machen vieles von der grimmigen Atmosphäre kaputt, die Proyas zuvor mühsam aufzubauen versuchte. Ganz gewiss wirkte eine Schlusseinstellung in ihrer verkitscht-religiösen Naivität schon lange nicht mehr derart deplaziert.

Dass sich Knowing über sein verunglücktes Ende selbst ein Bein stellt, ist bedauerlich, schließlich liefert Proyas über weite Strecken recht passable Unterhaltung ab. Die immer wieder eingestreuten Mystery-Elemente – beispielsweise in Gestalt seltsamer Fremder, die John und Caleb zu verfolgen scheinen – sorgen für die nötige Suspense, wobei man kein Genre-Kenner sein muss, um hinter das Geheimnis der schweigsamen Herren zu kommen. Dazu genügt es bereits, einmal einen Film von Emmerich oder Spielberg gesehen zu haben. Die beiden zentralen Action-Sequenzen zählen zweifellos zu den Highlights dieser Studio-Produktion. Vollkommen unerwartet bricht das Chaos über uns und die Hauptperson herein. Das Gefühl, sich plötzlich unmittelbar und orientierungslos im Zentrum einer Katastrophe zu bewegen, transportieren Proyas und sein Kameramann Simon Duggan mittels eines geschickten Handkamera-Einsatzes, der bei aller Dynamik stets saubere, kaum verwackelte Bilder liefert.

Für Nicolas Cage bleibt hier nicht mehr zu tun, als sich mit besorgtem Blick schützend vor seinen Sohnemann zu stellen. Dabei durchläuft seine Filmfigur die absehbare Wandlung vom nüchternen Realisten, für den allein der Zufall die Dinge ordnet, zum schicksalsgläubigen Übervater, der gerade noch rechtzeitig in den Schoß der Familie zurückfindet. Vor allem zum Ende hin übertreibt es Proyas mit sentimentalen Peinlichkeiten (Gruppenkuscheln!), die aus Knowing letztlich ein manipulatives Rührstück machen. Zwar scheint Proyas sein Gespür für stimmige Bildkompositionen nach fünf Jahren der kreativen Pause nicht verloren zu haben, manch erzählerische Qualitäten dagegen sehr wohl.

Für BlairWitch.de.