Cars - Autos sind auch nur Menschen
USA 2006
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Pixar feiert Geburtstag: Fast seit der Gründung vor mittlerweile 20 Jahre tummeln sich die kreativen Köpfe um John Lasseter in der ersten Liga der Familienunterhaltung. Der Durchbruch kam mit Toy Story, seitdem steht der Name Pixar unangefochten für die technische Vorherrschaft im 3D-Animationsbereich. Lasseters neues Projekt trägt den Titel Cars und erzählt von der Läuterung eines egozentrischen und eingebildeten Einzelgängers.
Filmkritik:
Lightning McQueen (deutsche Synchronstimme: Daniel Brühl) ist ein echter Aufsteiger. Bereits in seiner ersten Profi-Rennsaison im renommierten Piston Cup hat es der Newcomer zu einem ernstzunehmenden Titelanwärter gebracht. Als im alles entscheidenden Saison-Finale selbst das Foto-Finish keinen Sieger ermitteln kann, muss ein Entscheidungsrennen her. Dabei soll der Jungspund gegen den amtierenden Champion und einen mehr als unfair agierenden Herausforderer antreten.
Weil die simple Übernahme einer üblichen Sportfilmdramaturgie keinen unterhaltsamen Pixar-Film ergeben würde und das monotone Kreisen im großen Oval auch sonst nur wenig Spielraum für kreative Ideen bietet, siedelten Lasseter und sein Team einen Großteil der Handlung in Radiator Springs an, einem kleinen verlassenen und verschlafenen Städtchen abseits der neu errichteten Super-Highways. Dorthin verschlägt es nach einer Verkettung unglücklicher Umstände unseren Champion in spe. Statt den eigenen Motor bereits für den großen Tag warmlaufen lassen zu können, muss sich dieser bei einer Clique mehr oder weniger schräger Automobile seine vermeintlich so wertvolle Zeit vertreiben.
Dass nicht nur Tiere sondern auch Autos einen hohen Niedlichkeitsfaktor besitzen können, das wissen wir bereits seit Herbie und seinem heimischen Pendant Dudu. In Cars sahen sich die Pixar-Animateure aber mit der keinesfalls leichten Aufgabe konfrontiert, gleich einem Dutzend unterschiedlicher Modelle, vom chromverzierten Oldtimer bis zum schicken Sportwagen aus Zuffenhausen, eine eigene „Persönlichkeit“ auf die Karosserie zu schweißen. Wie nicht anders zu erwarten, passen die einzelnen Charaktere dabei exakt in die jeweils für sie vorgesehene stereotype Schablone. Da gibt es den unverbesserlichen Aufreißer ebenso wie den sympathisch vertrottelten Kumpeltyp, die graue Eminenz im Hintergrund und den zwielichtigen Gegenspieler. Auch im Laufe von 115 Minuten ändert sich an dieser Typisierung nichts Substanzielles. Lediglich der anfangs arrogante Einzelgänger darf die obligatorische Wandlung zum Teamplayer mit sozialem Gewissen durchlaufen. Für Kinder vermutlich pädagogisch wertvoll, für ihre Erziehungsberechtigten dagegen ein bekanntes anscheinend notwendiges Übel einer jeden Disney/Pixar-Produktion.
Ohnehin benötigt Cars eine längere Phase des Vorglühens, bis sich der Zuschauer für die Geschichte um den Rookie auf Abwegen erwärmen kann. Die überdrehte und einen Geschwindigkeitsrausch simulierende Exposition verursacht eher Kopfschmerzen, als Interesse. Hinzu kommen eine Reihe von zwar bekannten aber nicht gelernten Synchron-Sprecher (Niki Lauda, die beiden RTL-Formel1 Kommentatoren Heiko Wasser und Christian Danner, Franziska van Almsick), die Cars auf Kosten der Professionalität einen überflüssigen Celebrity-Touch verleihen.
Erst als sich der Schauplatz nach einer knappen halben Stunde in das Städtchen Radiator Springs verlagert und dem Zuschauer die bunte Truppe um den rostigen Abschleppwagen Hook und den notorisch betriebsamen Reifenhändler Luigi vorgestellt wird, gewinnt Cars eine eigene Dynamik, die den Geist früherer Pixar-Werke wie Findet Nemo und Toy Story heraufbeschwört. Lasseter und sein Co-Regisseur Joe Ranft, der erst vergangenes Jahr bei einem Autounfall ums Leben kam und dem vor dem Abspann mit einer gesonderten etwas anderen In Memoriam-Sektion gedacht wird, bauen eine Vielzahl popkultureller und gesellschaftspolitischer Anspielungen in den Plot ein, von denen sich viele an ein älteres Publikum richten.
Pixar ist es gelungen, die mit ihrem letzten Kinofilm Die Unglaublichen selbst gesetzten Animationsstandards abermals zu übertreffen. Besonders die detailverliebten Hintergründe, die atemraubende Modellierung der staubigen Canyon-Landschaft und das Spiel mit unterschiedlichen Lichtquellen scheinen mittlerweile perfektioniert. Wenn Radiator Springs in den knalligen Neon-Farben der 50er Jahre erstrahlt, wandelt sich Cars zu einer wohligen mit Nostalgie und Patina verzuckerten Zeitreise. Vergessen sind die Startschwierigkeiten, die Fehlbesetzungen in der Sprecherkabine und die zu dick aufgetragene Beschwörung des „Social Networking“. Letztlich sind wir wieder einmal dem unwiderstehlichen Pixar-Charme erlegen.
Veröffentlicht bei Programmkino.de.
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Pixar feiert Geburtstag: Fast seit der Gründung vor mittlerweile 20 Jahre tummeln sich die kreativen Köpfe um John Lasseter in der ersten Liga der Familienunterhaltung. Der Durchbruch kam mit Toy Story, seitdem steht der Name Pixar unangefochten für die technische Vorherrschaft im 3D-Animationsbereich. Lasseters neues Projekt trägt den Titel Cars und erzählt von der Läuterung eines egozentrischen und eingebildeten Einzelgängers.
Filmkritik:
Lightning McQueen (deutsche Synchronstimme: Daniel Brühl) ist ein echter Aufsteiger. Bereits in seiner ersten Profi-Rennsaison im renommierten Piston Cup hat es der Newcomer zu einem ernstzunehmenden Titelanwärter gebracht. Als im alles entscheidenden Saison-Finale selbst das Foto-Finish keinen Sieger ermitteln kann, muss ein Entscheidungsrennen her. Dabei soll der Jungspund gegen den amtierenden Champion und einen mehr als unfair agierenden Herausforderer antreten.
Weil die simple Übernahme einer üblichen Sportfilmdramaturgie keinen unterhaltsamen Pixar-Film ergeben würde und das monotone Kreisen im großen Oval auch sonst nur wenig Spielraum für kreative Ideen bietet, siedelten Lasseter und sein Team einen Großteil der Handlung in Radiator Springs an, einem kleinen verlassenen und verschlafenen Städtchen abseits der neu errichteten Super-Highways. Dorthin verschlägt es nach einer Verkettung unglücklicher Umstände unseren Champion in spe. Statt den eigenen Motor bereits für den großen Tag warmlaufen lassen zu können, muss sich dieser bei einer Clique mehr oder weniger schräger Automobile seine vermeintlich so wertvolle Zeit vertreiben.
Dass nicht nur Tiere sondern auch Autos einen hohen Niedlichkeitsfaktor besitzen können, das wissen wir bereits seit Herbie und seinem heimischen Pendant Dudu. In Cars sahen sich die Pixar-Animateure aber mit der keinesfalls leichten Aufgabe konfrontiert, gleich einem Dutzend unterschiedlicher Modelle, vom chromverzierten Oldtimer bis zum schicken Sportwagen aus Zuffenhausen, eine eigene „Persönlichkeit“ auf die Karosserie zu schweißen. Wie nicht anders zu erwarten, passen die einzelnen Charaktere dabei exakt in die jeweils für sie vorgesehene stereotype Schablone. Da gibt es den unverbesserlichen Aufreißer ebenso wie den sympathisch vertrottelten Kumpeltyp, die graue Eminenz im Hintergrund und den zwielichtigen Gegenspieler. Auch im Laufe von 115 Minuten ändert sich an dieser Typisierung nichts Substanzielles. Lediglich der anfangs arrogante Einzelgänger darf die obligatorische Wandlung zum Teamplayer mit sozialem Gewissen durchlaufen. Für Kinder vermutlich pädagogisch wertvoll, für ihre Erziehungsberechtigten dagegen ein bekanntes anscheinend notwendiges Übel einer jeden Disney/Pixar-Produktion.
Ohnehin benötigt Cars eine längere Phase des Vorglühens, bis sich der Zuschauer für die Geschichte um den Rookie auf Abwegen erwärmen kann. Die überdrehte und einen Geschwindigkeitsrausch simulierende Exposition verursacht eher Kopfschmerzen, als Interesse. Hinzu kommen eine Reihe von zwar bekannten aber nicht gelernten Synchron-Sprecher (Niki Lauda, die beiden RTL-Formel1 Kommentatoren Heiko Wasser und Christian Danner, Franziska van Almsick), die Cars auf Kosten der Professionalität einen überflüssigen Celebrity-Touch verleihen.
Erst als sich der Schauplatz nach einer knappen halben Stunde in das Städtchen Radiator Springs verlagert und dem Zuschauer die bunte Truppe um den rostigen Abschleppwagen Hook und den notorisch betriebsamen Reifenhändler Luigi vorgestellt wird, gewinnt Cars eine eigene Dynamik, die den Geist früherer Pixar-Werke wie Findet Nemo und Toy Story heraufbeschwört. Lasseter und sein Co-Regisseur Joe Ranft, der erst vergangenes Jahr bei einem Autounfall ums Leben kam und dem vor dem Abspann mit einer gesonderten etwas anderen In Memoriam-Sektion gedacht wird, bauen eine Vielzahl popkultureller und gesellschaftspolitischer Anspielungen in den Plot ein, von denen sich viele an ein älteres Publikum richten.
Pixar ist es gelungen, die mit ihrem letzten Kinofilm Die Unglaublichen selbst gesetzten Animationsstandards abermals zu übertreffen. Besonders die detailverliebten Hintergründe, die atemraubende Modellierung der staubigen Canyon-Landschaft und das Spiel mit unterschiedlichen Lichtquellen scheinen mittlerweile perfektioniert. Wenn Radiator Springs in den knalligen Neon-Farben der 50er Jahre erstrahlt, wandelt sich Cars zu einer wohligen mit Nostalgie und Patina verzuckerten Zeitreise. Vergessen sind die Startschwierigkeiten, die Fehlbesetzungen in der Sprecherkabine und die zu dick aufgetragene Beschwörung des „Social Networking“. Letztlich sind wir wieder einmal dem unwiderstehlichen Pixar-Charme erlegen.
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