Radio Rock Revolution - Zurücklehnen, mitsingen, wohlfühlen
GB 2009
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Britisches Gute-Laune-Kino par exellence!
Nach zahlreichen romantischen Komödien widmet sich Regisseur und Autor Richard Curtis (Vier Hochzeiten und ein Todesfall, Tatsächlich…Liebe) einer anderen Herzensangelegenheit. Sein Radio Rock Revolution ist ein knallbunter, mit trockenem britischem Humor durchsetzter Spaß, der der modernen Pop- und Rockmusik ein filmisches Denkmal setzt. Der nostalgische Feel-Good-Trip wirkte augenscheinlich auch auf die Darsteller schwer ansteckend. Bill Nighy, Philip Seymour Hoffman und Kenneth Branagh zelebrieren Overacting auf höchstem Niveau.
Filmkritik:
Vier junge Männer aus Liverpool sorgten Mitte der 1960er Jahre mit ihrer Musik für eine Revolution. Heute gelten die „Fab Four“ als die Wegbereiter der modernen Pop- und Rock-Musik. Ist ihr Status inzwischen längst unumstritten, so gab es seinerzeit nicht wenige Bedenkenträger und Traditionalisten, die einen Verfall der guten Sitten befürchteten. Die britische BBC spielte in der Woche gerade einmal zwei Stunden Rock’n’roll. Glücklicherweise gab es zahlreiche private Radiosender, meist illegale Stationen, die rund um die Uhr ihr Programm mit dem füllten, was die Jugend – und nicht nur die – wirklich hören wollte.
In der neuen Komödie von Notting Hill- und Vier Hochzeiten und ein Todesfall-Autor Richard Curtis dreht sich alles um eine dieser musikalischen Freibeuter-Oasen. Der vom exzentrischen Rock’n’roll-Fan Quentin („Mr. Obercool“ Bill Nighy) geführte Radiosender hat sein Quartier auf einem Schiff mitten in der Nordsee aufgeschlagen, sehr zum Ärger der Behörden, die den Betrieb lieber heute als morgen einstellen lassen würden. Vor allem einer hat Blut geleckt. Kabinettsmitglied Dormandy (Kenneth Branagh) betrachtet es als seine ganz persönliche Aufgabe, die Musikpiraten zur Aufgabe zu bewegen. Doch dabei hat er nicht deren Ideenreichtum und Schlitzohrigkeit bedacht. Hinter Quentin steht eine bunte Truppe bedingungsloser Musik-Fanatiker, die nicht einmal im Traum daran denken, das für sie wichtigste auf dieser Welt so einfach aufzugeben. Typen wie Pausenclown Dave (Nick Frost) oder der wortkarge Mark (Tom Wisdom), der legendäre Radio-DJ „The Count“ (Philip Seymour Hoffman) oder der bärtige Grasliebhaber Bob (Ralph Brown) leben den Rock’n’roll – auf ihre Weise.
Zurücklehnen, mitsingen, wohlfühlen. So in etwa lautet das Credo von Radio Rock Revolution, der den Zuschauer auf eine nostalgische Zeitreise mitnimmt, bei der man sich wünscht, dass sie doch niemals enden würde. Auch wer jene Zeit nie selbst erlebt hat, wird sich nur schwerlich dem Charme der Geschichte und der Kraft des Rock’n’roll entziehen können. Dabei ist der Einstieg reichlich konfus geraten. Hektisch und ohne einen Moment des Innehaltens springt Curtis von Charakter zu Charakter, zeigt er uns Episoden aus dem alles andere als alltäglichen Alltag der Radio Rock-Crew. Doch bevor man sich hieran ernsthaft stören könnte, sind einem die verschrobenen Typen – und mit ihnen die Musik – längst ans Herz gewachsen. Die Aufwärmphase ist letztlich doch kurz, das anschließende Vergnügen dafür umso länger.
Hinzu kommt, dass man jederzeit spürt, mit wieviel Elan und Enthusiasmus die Darsteller hier bei der Sache sind. Was zunächst vielleicht nach einer filmjournalistischen Plattitüde oder reinem Marketing-Gewäsch klingt, wird nach Ansicht von Radio Rock Revolution niemand ernsthaft in Zweifel können. Curtis bietet auch dieses Mal das Who-is-Who britischer Schauspielkunst auf. Insbesondere Bill Nighy und Kenneth Branagh, ansonsten eher im ernsten Fach zu Hause, können sich einmal so richtig austoben und dabei eindrucksvoll ihre Entertainer-Qualitäten unter Beweis stellen. Als Exilant steuert Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman den nötigen Schuss amerikanische Gelassenheit bei.
Alles an und in Radio Rock Revolution atmet Musik. Der mehr als 100 Songs umfassende Soundtrack gleicht einem „Best of“ der sechziger und siebziger Jahre. The Who, Jimi Hendrix, Cat Stevens, The Turtles, The Kinks, Dusty Springfield, Otis Redding, die Supremes und natürlich die Beatles sind nur einige, denen Curtis auch als ein Teil seiner eigenen Kindheits- und Jugenderinnerungen hiermit ein filmisches Denkmal setzte. Die Handlung, die zum Ende hin bisweilen Gefahr läuft, sich in eine holprige Titanic-Persiflage zu verwandeln, ist dagegen nur Mittel zum Zweck. Während sich die Behörden und die Radio Rock-Mannschaft ein höchst amüsantes Katz-und-Maus-Spiel liefern, bei dem der typisch britische Humor nicht zu kurz kommen darf, thront über allem der Geist des Rock’n’roll. Auf die nächsten vierzig Jahre!
Für Programmkino.de.
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