Samstag, April 18, 2009

Unbeugsam - Defiance


USA 2008

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Defiance folgt einer Gruppe jüdischer Widerstandskämpfer zu Zeiten des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion in die undurchdringlichen Wälder Weißrusslands. Besser bekannt als die “Bielski-Partisanen“ schlossen sich der Gruppe immer mehr Menschen an, die nur dadurch überlebten und der Deportation entgingen. Nun hat Hollywood die Geschichte für sich entdeckt. Epos-Experte Edward Zwick (Glory, Last Samurai) verschenkt deren Potenzial jedoch an eine viel zu brave Inszenierung.

Filmkritik:

Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich 2009 bereits zum 64. Mal. Trotz dieser langen Zeitspanne erreichen uns immer neue Schilderungen, die das Grauen von Hitlers Vernichtungsfeldzug und das Leiden der von den Nazis systematisch verfolgten Juden dokumentieren. Zu den weniger bekannten Schicksalen zählt sicherlich auch der Überlebenskampf einer Gruppe Juden in den Wäldern im polnisch-weißrussischen Grenzgebiet. Das unwegsame Gelände diente vielen als letzte Zuflucht vor Verfolgung und Deportation. Auch den Brüdern Tuvia (Daniel Craig), Zus (Liev Schreiber), Asael (Jamie Bell) und Aron (George MacKay) Bielski bleibt nach der Ermordung ihrer Eltern keine andere Wahl, als sich in das angrenzende Waldgebiet zurückzuziehen. Dort schließen sie sich russischen Partisanen an, die mit gezielten Angriffen und Sabotageakten den Deutschen empfindliche Verluste bescheren.

Allerdings sind sich die Brüder unter einander über die Wahl der Mittel und die Legitimation mancher Racheakte nicht immer einig. Während Tuvia, der älteste und Vordenker der Gruppe, auf Mäßigung und Umsicht bedacht ist, drängt Zus auf blutige Vergeltung. Blind vor Hass beschwört er das alttestamentarische „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Mit der Zeit verbreitet sich die Nachricht ihrer Taten und ihres Mutes in der Bevölkerung. Immer mehr Menschen, darunter viele Frauen, Kinder und Alte, zieht es in den Wald, in der Hoffnung zumindest dort nicht gänzlich schutzlos zu sein. Allerdings steht die wachsende Gemeinschaft bald vor neuen Problemen. Das Essen reicht nicht mehr für alle und so müssen die ohnehin bescheidenen Vorräte streng rationiert werden. Hinzu kommt, dass der harte Winter das Überleben im Wald erheblich erschwert und sich zunehmend Krankheiten wie Typhus unter den Flüchtlingen ausbreiten.

So wenig bekannt die Geschichte der Bielski-Brüder und ihres Widerstands auch sein mag, der filmische Ansatz von Defiance erscheint dagegen reichlich konventionell, um nicht zu sagen altbacken. Regisseur Edward Zwick, der im Umgang mit historischen Stoffen nach Glory und Last Samurai eigentlich genügend Erfahrung mitbringen sollte, vertraut auf das, was schon zahlreiche andere Holocaust-Filme in recht ähnlicher Weise vorgemacht haben. Er stellt Archivaufnahmen nationalsozialistischer Kriegsverbrechen, von Massenexekutionen und Deportationen, der eigentlichen Geschichte voran. Diese verläuft wiederum in den erwarteten Bahnen. Tuvia hält anfangs als moralischer wie intellektueller Anführer die Gruppe zusammen. Dabei schlägt er in seinen viel zu noblen Ansprachen („Our act of revenge is to live!“) zumeist moderate Töne an, was vor allem bei Zus und den anderen Kämpfern auf wenig Verständnis stößt. Es kommt zum Zerwürfnis, auf das jedoch rechtzeitig die erhoffte Versöhnung folgt, wenn Zus und seine russischen Kameraden den Flüchtlingen praktisch in letzter Minute zur Hilfe eilen. Dann ist auch Zwick ganz in seinem Element. In der Tradition amerikanischer Action-Reißer wie Rambo inszeniert er den eigentlichen ungleichen Kampf zwischen schwer bewaffneter Wehrmacht und zu allem entschlossenen Partisanen.

Ohne (mindestens) eine Liebesgeschichte wäre aber auch dieser Zwick nicht komplett und so dürfen –vermutlich um den Gleichheitsgrundsatz nicht zu verletzen – gleich drei der vier Bielskis mit einer jeweils anderen Herzensdame anbandeln. Letztlich sind diese Romanzen genauso wie die überdeutlichen Anspielungen auf den Exodus mehr als entbehrlich. Das halbgare Ergebnis schmerzt besonders, weil Defiance von einem ansonsten sträflich vernachlässigten Kapitel des Holocaust erzählt. Der jüdische Widerstand findet in den meisten Filmen über das Nazi-Regime nicht statt und das, obwohl es ihn vielerorts gegeben hat. Es lässt sich nur erahnen, was ein anderer, weniger auf den Mainstream fixierter Regisseur aus der Vorlage von Nechama Tec herausgeholt hätte.

Erschienen bei Programmkino.de.