Freitag, August 27, 2010

Mary & Max - Oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet?


AUS 2009

+++1/2

Es ist nicht der Stoff, aus dem gemeinhin Komödien gestrickt sind. Ein achtjähriges Mädchen aus einem kaputten Elternhaus und an Autismus erkrankter Mittvierziger schreiben sich über Tausende Kilometer hinweg. Der Australier Adam Elliot erzählt in seinem Langfilmdebüt mit sicherem Gespür für charmante und skurrile Details von zwei Außenseitern, die eine ungewöhnliche Freundschaft verbindet. Sein nach der Maßgabe der klassischen Stop-Motion-Technik produziertes Animationskunstwerk berührt das Herz ganz ohne falsche Rührseligkeit.

Filmkritik:

Die Vorstadt als das Tor zur Hölle. Immer wieder wird das Surburbia-Motiv in Filmen für eine meist eher niederschmetternde Geschichte herangezogen. Dasselbe gilt für körperliche wie seelische Gebrechen, Themen wie Vereinsamung, Alkoholismus und unerfüllte Liebe. Es erscheint daher zunächst wie ein Himmelfahrtkommando, wenn ein Filmemacher glaubt, aus diesen Zutaten eine heitere, ermutigende und höchst unterhaltsame Erzählung basteln zu können. Der australische Animationskünstler Adam Elliot hat sich bei der Verwirklichung seiner verwegenen Idee von nichts und niemandem aufhalten lassen. Als Referenz diente ihm dabei sein Oscar-prämierter Kurzfilm Harvie Krumpet, der mit viel Witz und Charme das Leben eines vom Pech verfolgten Tourette-Patienten nachzeichnete.

In seinem Langfilmdebüt schenkt Elliot gleich zwei Außenseitern seine volle Aufmerksamkeit. Mary (Stimme: Bethany Whitmore als Kind, Toni Collette als Erwachsene) ist, als wir sie kennenlernen, gerade einmal acht Jahre alt. Sie wächst Mitte der siebziger Jahre in einem schmucklosen Vorort von Melbourne auf. Ihr Vater arbeitet in einer Teebeutelfabrik und stopft in seiner Freizeit tote Vögel aus, ihre Mutter ist Alkoholikerin und notorisch schlecht gelaunt. Freunde hat Mary keine und so sucht sie sich andere Beschäftigungen. Eines Tages beschließt sie, einer zufällig ausgewählten Person in New York einen Brief zu schreiben. Das Schicksal erwählte den 44-jährigen Max Horovitz (Philip Seymour Hoffman). Max lebt ein recht zurückgezogenes Leben. Er liebt Schokoladen-Hot-Dogs, guckt Kinderserien und geht ansonsten nicht gerne aus dem Haus. Über Marys Brief und dessen Inhalt – Mary fragt sich, ob die Babys in Amerika womöglich aus Cola-Dosen „schlüpfen“ – ist er zunächst verwundert. Und doch entschließt er sich, ihn zu beantworten.

Es ist der Beginn einer mehr als ungewöhnlichen Brieffreundschaft über Kontinente, Jahre und einen nicht unerheblichen Altersunterschied hinweg. Mary und Max schreiben über das, was sie gerade erleben, was sie beschäftigt und was ihnen ganz einfach wichtig ist. Adam Elliots Film mag vor dem Hintergrund dieser einfachen Prämisse wenig spektakulär anmuten, tatsächlich fällt das nach einer Produktionszeit von fünf Jahren fertig gestellte Resultat ungemein kurzweilig und unterhaltsam aus. Das liegt vornehmlich an Elliots Blick für Details, seiner Liebe für die Figuren und die klassische Stop-Motion-Technik. Letztere verleiht Mary & Max einen – im positiven Sinn – durchaus altmodischen, nostalgischen Look, über den sich ein unmittelbarer Zugang zu den beiden Titelhelden ergibt. Hier scheint kein Computer mit gigantischer Rechenleistung zwischen ihnen und uns zu stehen. Das stringente Farbkonzept, bei dem Marys und Max’ Welt von Elliot in jeweils unterschiedliche Braun- und Grautöne getaucht und um einzelne rote Farbtupfer ergänzt wurde, funktioniert zudem als unverwechselbarer Fingerabdruck.

Mary & Max erzählt eine zu gleichen Teilen humorvolle wie tieftraurige Außenseiter-Geschichte. Auch wenn das stimmt und sowohl Max als auch Mary zahlreiche Schicksalsschläge meistern müssen, bleibt der Ton stets hoffnungsvoll und lebensbejahend. So berichtet der am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus, erkrankte Max seiner Brieffreundin in einem Halbsatz vom Tod der Nachbarin und einem Millionengewinn – ganz so, als sie beides nicht wirklich etwas Außergewöhnliches. Auf der anderen Seite sorgt die kindlich-naive Perspektive Marys immer wieder für wunderbare Brüche mit den dramatischen Ereignissen in ihrem Elternhaus. Wie unverkrampft Elliot auf der Klaviatur großer Emotionen spielt, wird vor allem zum Ende hin deutlich. Er schenkt uns eine Auflösung, die ohne sentimental oder verkitscht zu wirken tief berührt. Konsequenterweise hat man zu diesem Zeitpunkt längst vergessen, dass sich für 90 Minuten alles um zwei sonderbare Knetfiguren drehte.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, August 26, 2010

The Expendables - Club der alten Männer


USA 2010

++1/2

Wieviel Hype verträgt ein Film? Diese Frage lässt sich anschaulich am Beispiel des mit Spannung erwarteten Stallone-Comebacks beantworten. Der mit alten Haudegen exzellente besetzte Filmspass ist eine liebevolle Referenz an das handgemachte Action-Kino der achtziger Jahre. Gleichwohl lässt sich eine leise Enttäuschung nicht verhehlen. Weiter geht's auf Koeln.de.

Mittwoch, August 25, 2010

Enter the Void - Mindfuck


F/I/D 2009

Ohne Wertung

Gaspar Noé kehrt sieben Jahre nach Irreversible mit einer neuen filmischen Provokation zurück. Sein experimentelles Drogendrama Enter the Void entzieht sich den üblichen Beurteilungen und Bewertungskriterien. Nicht die Geschichte oder die Schauspieler stehen hier im Mittelpunkt, es ist vielmehr die Art der Präsentation, die für Aufsehen sorgt und die dem Zuschauer alles abverlangt. Trotz unübersehbarer Schwächen lohnt es sich, Noé auf seinem aberwitzigen „Bad Trip“ durch Tokio zu begleiten.

Filmkritik:

Es gibt Filme, bei denen die üblichen Bewertungsmaßstäbe versagen, weil sie sich ganz einfach all unseren Sehgewohnheiten und den sonst gültigen Regeln der Filmkunst widersetzen. Enter the Void ist so ein seltener Fall. Gedreht hat ihn Gaspar Noé, Frankreichs Regie-Enfant-terrible, der vor Jahren mit der exploitativen Rache-Meditation Irreversible für einen Aufschrei des Entsetzens sorgte. Angesiedelt im bunten Neon-Lichtermeer Tokios folgt Noé dem jungen Oscar (Nathaniel Brown) auf einer alle Grenzen von Zeit und Raum, von Traum und Wirklichkeit, von Leben und Tod sprengenden Odyssee. Was man sich genau unter diesem Monster von einem Film vorzustellen hat, ist indes mit Worten nur schwer zu beschreiben.

Das erzählerische Gerüst von Enter the Void lässt sich in drei Teile zerlegen, die – und das ist nur eine von vielen Besonderheiten dieses streitbaren Kunstwerks – mit einer jeweils anderen Sicht auf Oscar und seine Umwelt einhergehen. In der ersten halben Stunde nimmt der Film die Ich-Perspektive ein, vergleichbar der eines Ego-Shooters. Wir sehen die Welt durch Oscars Augen, wodurch er nahezu unsichtbar wird. Mit Ausnahme seiner Hände und einem kurzen Blick in den Spiegel bleibt er für uns ein Phantom. Oscar, der ab und an mit Pillen und Koks dealt, wird beim Besuch des „Void“, einer unter Süchtigen einschlägig bekannten Bar, von Polizisten erschossen. Das ist der Moment, in dem die Kamera sinnbildlich für Oscars Seele dessen Körper verlässt.

Aus der Vogelperspektive beobachten wir nun, wie Oscars zumeist ebenfalls abhängige Freunde und Bekannte auf die Nachricht von seinem Tod reagieren. Vor allem für seine Schwester Linda (Paz de la Huerta) ist Oscars Tod ein unermesslicher Schock. Beide verband seit dem tödlichen Unfall der Eltern ein ganz besonders Band. Schon als Kinder haben sie einen Pakt geschlossen und sich versprochen, den jeweils Anderen niemals im Stich zu lassen. Das ist wohl auch der Grund, warum Oscar selbst nach seinem Tod über ihr Leben wacht. Die Rückblenden, die Oscar stets von hinten zeigen, bilden die dritte und letzte Säule von Enter the Void.

Während das, was Noé zu erzählen hat, sich zugegeben kaum von anderen tragischen Familien- und Drogengeschichten unterscheidet, ist die Art und Weise, die Hülle, mehr als außergewöhnlich. Oscars von Drogen verzerrte Wahrnehmung führt anfangs zu den abenteuerlichsten Farb- und Lichtspielereien. Zusammen mit der ohnehin bereits grellen, unwirklichen Neonkulisse der japanischen Hauptstadt entsteht so ein bizarr-bunter Albtraum, der immer wieder von psychedelischen Mustern und Stroboskop-Blitzen unterbrochen wird. Später dann, wenn Oscars Seele über das unendliche Lichtermeer hinwegschwebt, scheint sich der Film endgültig von den Gesetzen der Schwerkraft und des Erzählens zu lösen.

Noé liebt die Provokation und so dürfen recht graphische Sex- und Gewaltszenen auch in Enter the Void nicht fehlen. Gerade zum Ende schießt er dabei jedoch über das Ziel hinaus, was ihm in Cannes Buhrufe und Gelächter der anwesenden Journalisten einbrachte. Dass sein Film mit einer Laufzeit von über zweieinhalb Stunden die Geduld des Zuschauers zudem auf eine harte Probe stellt, scheint ebenfalls Teil des Noé’schen Kalküls zu sein. Dank seiner sämtliche Konventionen missachtenden Präsentation – der Film besteht mit Ausnahme der Rückblenden im Grunde aus einer einzigen, langen Einstellung – fällt das Ergebnis trotz aller fühlbaren Distanz und Kälte gleichwohl atemberaubend aus. Noé wagt hier ein Love-it-or-Leave-it-Experiment, dem jederzeit ein Scheitern innewohnt.

Für Programmkino.de.

Freitag, August 20, 2010

Salt - Auf der Flucht


USA 2010

++1/2

Hollywood zelebriert das Revival des Kalten Krieges. Wenn sich Angelina Jolie als mutmaßliche Doppelagentin mit ihren Verfolgern ein kompromissloses Katz-und-Maus-Spiel liefert, werden alte Feindbilder genüsslich reaktiviert. Das Konzept hinter Salt erscheint dabei überdeutlich an die erfolgreiche Bourne-Reihe angelehnt. Weiterlesen auf Koeln.de.

Mittwoch, August 18, 2010

Männer im Wasser - Wann ist der Mann ein Mann?


SWE 2009

++1/2

Männer und Synchronschwimmen. Die schwedische Außenseiter-Komödie Männer im Wasser führt diese scheinbaren Gegensätze im Rahmen einer nicht immer ganz konfliktfreien Vater-Tochter-Geschichte zusammen. Das Resultat ist ein heiteres, sehr charmantes Feel-Good-Stück, dessen Strickmuster sehr an Erfolgskomödien wie Ganz oder gar nicht erinnert. Mit seinen liebenswerten Figuren ist der Film insgesamt recht überzeugend gelungen.

Filmkritik:

Auf das Älterwerden ist nicht jeder gleichermaßen vorbereitet. Während nicht wenige Frauen mit Hautcremes der Natur zumindest temporär Paroli zu bieten hoffen, leiden Männer eher still vor sich hin. Manch einer, der es sich leisten kann, kauft sich in seiner Midlife-Crisis einen schnellen Sportwagen. Für den arbeitslosen Journalisten Fredrik (Jonas Inde) ist das allein schon aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten keine wirkliche Option. Die Ehe des Mittvierzigers scheint am Ende, und während seine Frau in London Karriere als TV-Reporterin macht, muss er sich daheim in Schweden mit seiner pubertierenden Tochter Sara (Amanda Davin) auseinandersetzen.

Dem passionierten Freizeit-Sportler reicht es. Er sucht eine neue Herausforderung und findet sie dort, wo es wohl kaum einer seiner Freunde vermutet hätte. Aus einer reichlich albernen Idee für einen Junggesellenabschied entwickelt Fredrik neuen Ehrgeiz: Er plant, eine Mannschaft im Synchronschwimmen aufzubauen. Zusammen mit seinen Hockey-Kumpels, die der Idee zunächst skeptisch gegenüberstehen, will er Schweden bei der bevorstehenden Weltmeisterschaft in Berlin vertreten. Bis es soweit ist, muss die Truppe jedoch ein hartes Trainingsprogramm absolvieren. Dumm nur, dass keiner der Männer von Synchronschwimmen auch nur die geringste Ahnung besitzt. In dieser scheinbar aussichtslosen Lage bietet sich Fredriks Tochter unverhofft als Coach der Möchtegern-Grazien an. Sie glaubt an ihren Vater und an dessen ungewöhnliches Projekt.

So neu und ungewöhnlich das Thema Synchronschwimmen – noch dazu, wenn es von Männern ausgeübt wird – auf den ersten Blick auch erscheinen mag, die Idee, die dahinter steckt und die das Drehbuch von Måns Herngren und Jane Magnusson äußerst charmant aufgreift, ist nur bedingt originell. Männer in der Midlife-Crises bieten sich als Stoff für eine tragikomische Erzählung förmlich an. In Erinnerung bleibt vor allem die britische Underdog-Geschichte Ganz oder gar nicht. Diese nennt Autor und Regisseur Herngren dann auch als eine der wichtigsten Inspirationsquellen für seinen Film. Wie die strippenden Working-Class-Helden in Peter Cattaneos Überraschungserfolg sind auch die schwedischen Männer im Wasser uneingeschränkte Sympathieträger, deren kleine Missgeschicke und Freuden sich unmittelbar auf den Zuschauer übertragen. Es macht einfach Spaß mitzuerleben, wie sich Fredrik dank der neuen Herausforderung allmählich aus seinen privaten wie beruflichen Zwängen freikämpft.

Ganz nebenbei erfährt man einiges Wissenswertes über eine oftmals belächelte Sportart. Synchronschwimmen wurde einst von Männern erfunden und anfangs nur von diesen ausgeübt. Frauen war es hingegen bis in die vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts verboten, sich derart freizügig in der Öffentlichkeit zu zeigen. Interessant ist vor diesem Hintergrund, wie der Film die Geschlechterrollen vertauscht und in Person von Fredriks Tochter Sara ein selbstbewusstes und zugleich modernes Frauen-/Mädchenbild etabliert. Sie ist es, die der chaotischen Männer-Truppe Disziplin beibringt und die Organisation schultert. Die wiederkehrenden Konflikte zwischen ihr und ihrem Vater werden von Hernsgren und Magnusson allerdings nur halbherzig verfolgt. Ohnehin bestehen von Beginn an keine Zweifel am positiven Ausgang von Fredriks Aufbauprogramm für müde Männer.

Der schwedische Kommentar zur viel zitierten Midlife-Crises bietet vornehmlich leichte Unterhaltung mit queerem Unterton. Letzteres überrascht ebenso wenig wie der kurze Gastauftritt auf der Stockholmer Gay-Pride. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass Hollywood schon bald bei Herngren anklopft und sich die Rechte für ein Remake sichert. Die Traumfabrik liebt bekanntlich Feel-Good-Geschichten, in denen Außenseiter groß rauskommen.

Zuerst erschienen bei Programmkino.de.

Donnerstag, August 12, 2010

Das A-Team - Der Film


USA 2010

+1/2

Vier irre Typen, die denen zu Hilfe kamen, die sonst niemand helfen wollte: Das war das berühmt-berüchtigte A-Team. In den achtziger Jahren erlangte die gleichnamige TV-Serie rasch eine beachtliche Fangemeinde und wenig später sogar Kultstatus. Beides ist in Bezug auf die prominent besetzte Kinoversion eher unwahrscheinlich. Kritik auf Koeln.de.

Donnerstag, August 05, 2010

Kiss & Kill - Ein seltsames Paar


USA 2010

++1/2

Man nehme zwei attraktive Hollywood-Stars, etwas Action, eine Prise Romantik und erzähle eine unverfängliche Geschichte: Fertig ist das perfekte, sommerliche Date-Movie, das garantiert nirgendwo aneckt und dabei sogar ganz passabel unterhält. Zur Kritik auf Koeln.de.