Samstag, Juni 28, 2008

Kung Fu Panda - Die One-Panda-Show des Jack Black


USA 2008

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„Everybody was Kung Fu Fighting” sang einst Carl Douglas. Ob er da bereits ahnte, das eines Tages ein kampfsportbegeisterter Panda die Leinwand erobern würde? Weiterlesen auf Critic.de.

Dienstag, Juni 24, 2008

Ruinen - Ich ess Blumen...


USA 2008

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Die Körperfresser sind zurück. Doch nicht so, wie man sie aus Don Siegels Klassiker her kannte. Heute ist die Gefahr nicht extraterrestisch, heute wuchert sie scheinbar friedlich vor sich hin. Pflanzen sind der neue Todfeind der Spezies Homo sapiens, keine Aliens auf Besuch oder Zombies mit penetrantem Mundgeruch. M. Night Shyamalan erzählte erst vor kurzem in seinem neuen Mystery-Thriller The Happening, wie sich die Fauna für mehrere Tausend Jahre Zerstörung durch uns Menschen rächt. Botenstoffe in der Luft besorgen hier den kollektiven Suizid. Der subversiv organisierte Massenexitus ging dabei noch vergleichsweise unblutig über die Bühne. Auch verzichtete das Grünzeug auf die physische Penetration ihres Peinigers prä- oder post-mortem. In Ruinen, der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Scott B. Smith, ist einer Gruppe junger Touristen nicht soviel Glück vergönnt.

Dort wartet der profil- und gesichtslose Gegner im dichten mexikanischen Dschungel auf seine nächsten Opfer. In diesem Fall sind das vier zumindest anfangs noch hübsch anzusehende Twentysomethings, die ihren letzten Urlaubstag zur Abwechslung mal nicht am Strand oder Hotel-Pool verbringen möchten. Ein anderer Gast, ausgerechnet ein Deutscher, erzählt ihnen von einer antiken Maya-Stätte, wohin sein Bruder Heinrich zu einer archäologischen Expedition aufgebrochen ist. Offenbar haben die Vier noch nie einen Horrorfilm gesehen, denn sonst wüssten sie, dass wenn ein Reiseziel auf keiner offiziellen Karte eingezeichnet ist, die Probleme nicht lange auf sich warten lassen.

Und tatsächlich ist die erste Begeisterung über den spontanen Urwald-Trip schnell verflogen. Besonders die Frauen erweisen sich als Spaßbremsen, wenn sie in Flip Flops durch unwegsames Gelände stolpern müssen. Am Ziel angekommen scheinen sich jedoch alle Strapazen gelohnt zu haben. Amy (Jena Malone), Stacy (Laura Ramsey), Jeff (Jonathan Tucker) und Eric (Shawn Ashmore) können sich gar nicht satt sehen an den alten, imposanten Maya-Ruinen. Umso überraschender trifft sie der wenig herzliche Empfang einiger Ureinwohner, die einem ihrer Begleiter ohne Vorwarnung den Schädel wegpusten. Spätestens jetzt wird den Vier und ihrer deutschen Urlaubsbekanntschaft Matthias (Joe Anderson) klar, dass sie in ernsten Schwierigkeiten stecken.

Kurze Zeit später hat auch das Grünzeug endlich seinen ersten großen Auftritt. Die Ranken und Blätter des Wuchergewächses machen vor nichts und niemandem halt. Sogar die moderne Technik ist den verlogen als floraler Augenschmaus getarnten Killerpflänzchen keineswegs fremd. Eher man sich versieht bohren sie sich beseelt von quiekender Fleischeslust in den Körper ihrer Wirte. Die grünen Parasiten kriechen subkutan in jede Falte, wo sie Wurzeln schlagen und ganz unschuldig aufs Neue erblühen.

Rechtzeitig, noch vor seiner Veröffentlichung, sicherte sich Dreamworks die Rechte an Smiths Roman. Dass der Autor wie schon bei seinem Oscar-nominierten Drehbuch zu Ein einfacher Plan die Adaption der Vorlage gleich selber übernahm, gewährleistete eine organische Umsetzung. Regisseur Carter Smith – die Namensgleichheit ist eher zufälliger Natur – wählte hierbei einen Ansatz, der sich zunächst wohltuend von anderen Horror-Geschichten abhebt. Während das Böse gemeinhin im Dunklen und Verborgenen auf seine Opfer wartet, präsentiert uns Smith in der Exposition das genaue Gegenteil davon: Einen strahlend blauen Himmel, Sonnenschein, Strand, kurzum eine (zu) perfekte Urlaubs-Blaupause. Dass diese Idylle schon bald ein Ende hat, macht der Film mit seiner ersten Szene unmissverständlich klar. Und so hängt bereits über jenen unbeschwerten Urlaubsimpressionen eine dunkle Vorahnung, die mit dem, was uns Smith zeigt, so gar nicht zusammenpassen will.

Dieser markante Bruch zwischen Bild- und Stimmungsebene erinnert an Greg McLeans Outback-Schocker Wolf Creek, in dem die Weite der australischen Landschaft eine vergleichbare Klaustrophobie erzeugte. Die Ähnlichkeit zu Ruinen, der kurioserweise größtenteils auch in Australien und nicht in Mexiko gedreht wurde, ist dabei vor allem atmosphärischer Natur. Wenn die Gruppe später gezwungen ist, auf dem Dach der Ruinen in sengender Hitze auszuharren, zieht sich das scheinbar endlose Dschungel-Panorama auf einen winzigen Punkt zusammen.

Wo sich andere Genre-Beiträge mit zunehmender Laufzeit verzetteln, weil sie ihr banales B-Movie-Konzept nicht konsequent durchziehen, halten Smith & Smith dem Schmuddelkino bis zum Schluss die Treue. Der Anblick halbnackter, verschwitzter Körper, die aus allen nur erdenklichen Öffnungen zu bluten und zu blühen (!) beginnen, lässt sich an bizarrer Schönheit nur schwerlich übertreffen. Mit Schönheit ist eine Haltung zur Ästhetik gemeint, wie sie auch Eli Roth in seinen Filmen vertritt und die diametral zum Geschmack des Mainstreams steht. Dessen Cabin Fever wartete mit einer Armee winziger fleischfressender Bakterien auf, die sich mit Genuss und sportlichem Ehrgeiz der Zersetzung menschlicher Körper hingaben. Auch Ruinen handelt von Verfall, Auflösung und Selbstzerstörung, wobei die Arbeit der Roth’schen Bakterien hier von den Protagonisten gleich selbst übernommen wird. Wenn sich eine bildhübsche Schauspielerin mit einem Messer zentimeterdicke Fleischstücke aus Armen und Beinen herausschneidet, ist das nicht nur Gore in Reinkultur – man kann sich förmlich vorstellen, wie Ruggero Deodato Smith für diesen Einfall applaudiert – mit dieser Szene verpasst der Film Hollywoods Schönheitsideal zugleich einen gewaltigen Arschtritt.

Damit Ruinen aber nicht nur als reines Guilty Pleasure und Party-Filmchen funktioniert, muss sich jeder fragen, inwieweit er die Vorstellung wuchernden Gestrüpps besonders angsteinflößend findet. Nur wenn einem diese Prämisse nicht vollkommen abwegig erscheint, wird man das Lachen halbwegs unterdrücken können. Weil das Ganze zudem nicht ohne zahlreiche herrlich abstruse Szenen auskommt, in denen man fassungslos vor soviel Dummheit am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte, wird man den Verdacht nicht los, dass Ruinen zumindest en passant die Regeln des Genres mit sadistischer Freude vor den Augen des Zuschauers karikiert und ausspielt – weniger auffällig als ein Scream, aber mit nicht weniger Lust am Zitat.

Für BlairWitch.de.

Mittwoch, Juni 18, 2008

Julia - Die Tilda Swinton-Show


F/USA/MEX/BEL 2008

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Die frisch gebackene Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton drückt mir ihrer einnehmenden und mutigen Darstellung der Alkoholikerin Julia Erick Zoncas gleichnamigen Genre-Zwitter von der ersten Minute an ihren Stempel auf. Was als das Portrait einer verzweifelten und rastlosen Frau beginnt, entwickelt sich schnell zu einem abenteuerlichen Entführungs-Thriller, dem es bei aller visuellen Klasse an einem klaren inhaltlichen Fokus und einer nachvollziehbaren Geschichte mangelt.

Filmkritik:

Mit Anfang 40 ist Julia (Tilda Swinton) in einer Sackgasse angekommen. Dem Alkohol verfallen, durchlebt sie exzessive Party-Nächte, zu denen nicht selten auch One-Night-Stands gehören. Nachdem sie ihren Job verliert, weiß sie endgültig nicht mehr, wie es weitergehen soll. Nur ihr alter Freund Mitch (Saul Rubinek) hält in dieser Situation noch zu ihr. Allerdings knüpft er seine Unterstützung an eine Bedingung: Julia soll regelmäßig die Treffen der Anonymen Alkoholiker besuchen, um sich über ihre Sucht und deren Folgen klar zu werden. Eher widerwillig geht sie auf Mitchs Forderung ein.

Bereits während des ersten Treffens lernt sie Elena (Kate del Castillo) kennen. Die junge Frau ist nicht minder verzweifelt. Weil der Schwiegervater, ein schwerreicher Industrieller, ihren Sohn Tom (Aidan Gould) zu sich genommen hat, schmiedet Elena einen verwegenen Entführungsplan. Dabei soll Julia ihr helfen, das Kind der Obhut des Großvaters zu entreißen. Anfangs will Julia von diesem Vorhaben nichts wissen. Als sie jedoch erfährt, dass auch zwei Millionen Dollar auf dem Spiel stehen, willigt sie schließlich in den Plan ein. „Was habe ich eigentlich noch zu verlieren?“ fragt sie sich. Die Antwort hierauf fällt für sie eindeutig aus.

Als Julia auf der diesjährigen Berlinale seine Weltpremiere feierte, schlug Eric Zoncas radikalem Frauen-Portrait Bewunderung wie Ablehnung entgegen. Nur in einem waren sich die versammelten Pressevertreter einig: Tilda Swinton spielt die Rolle ihres Lebens. Die vor kurzem für ihren Part in dem Polit-Thriller Michael Clayton mit dem Oscar ausgezeichnete Britin zeigt auf höchst eindrucksvolle Art, wieso sie zu den größten Schauspielern ihrer Generation gezählt werden darf. Kaum eine Szene in Julia kommt ohne sie aus. Zuweilen scheint die Kamera förmlich an ihren Lippen zu kleben. Ihre unglaubliche Präsenz, ihre Fähigkeit, Julias Irrationalität, ihren Egoismus und Leichtsinn in jedem Moment spürbar werden zu lassen, hebt den Film auf ein Niveau, das dieser abseits seiner grandiosen Hauptdarstellerin nicht halten kann.

Zonca wandelt mit seinem unangepassten Frauen-Portrait erkennbar auf den Spuren eines John Cassavates (die Parallelen zu einem Film wie Gloria sind nicht zu übersehen). Doch allein aus dieser Analogie erwächst noch kein Werk, das einen als Zuschauer fesseln oder gar mit Haut und Haar verschlingen würde. So angenehm es ist, die Arbeit eines Filmemachers zu betrachten, der sich moralisch nicht über seinen Protagonist erhebt, der dessen Schwächen zeigt, ohne sie gleich zu verurteilen, so sehr krankt sein Mix aus Sucht-Drama, Road Movie, Film Noir und Entführungs-Thriller an der eigenen Unentschlossenheit. Man hätte gerne mehr über Julias Vergangenheit erfahren, über ihre Beziehung zu Mitch und über das Leben, das bereits hinter ihr liegt. Stattdessen stolpert Julia von einer aberwitzigen und unglaubwürdigen Situation zur nächsten, wobei das Hickhack um die Entführung des kleinen Tom kein Ende zu nehmen scheint. Selbst die stilvollen Aufnahmen der kalifornisch-mexikanischen Wüste können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zoncas Genre-Zwitter letztlich nicht allzu viel zu erzählen hat.

Für Programmkino.de.

Sonntag, Juni 15, 2008

Bank Job - Very British


UK 2008

+++1/2

Das Heist-Motiv hat eine lange filmische Tradition. Von Rififi über Ocean’s 11 bis hin zu 90er Jahre-Blüten wie Roger Avarys Killing Zoe, immer wieder kreisten Filme um den einen großen Coup. In Bank Job, der den Ablauf, die Hintergründe und das schmerzhafte Nachspiel eines legendären Londoner Bankraubs aus dem Jahr 1971 erzählt, verwebt Regisseur Roger Donaldson die einzelnen Fäden zu einem überaus spannenden Polit-Thriller. Dabei schlägt die Story einen gewaltigen Bogen vom kleinkriminellen Milieu des Londoner East End bis in die Welt des organisierten Verbrechens. Sogar höchste Regierungskreise und das Königshaus scheinen in den Fall verwickelt.

Filmkritik:

Alles beginnt mit einem verlockenden Angebot, das der Gebrauchtwagenhändler Terry (Jason Staham) von Martine (Safran Burrows), einer Freundin aus Jungendtagen, erhält. Er soll in den Tresorraum einer Londoner Bank einsteigen und den Inhalt der Schließfächer mitgehen lassen. Da das Alarmsystem kurzzeitig abgeschaltet wurde, droht von dieser Seite kein Ungemach. Die Aussicht auf Juwelen, Gold und mehrere Millionen lässt Terrys anfängliche Skepsis bald schwinden. Zusammen mit seinen Kumpels Kevin (Stephen Campbell Moore) und Dave (Daniel Mays) beginnt er, den Plan in die Tat umzusetzen. Dieser sieht vor, einen Tunnel in den Tresorraum zu graben und die Beute unterirdisch über die angrenzende Tiefgarage abzutransportieren. Was Terry allerdings nicht weiß: In einem der Schließfächer lagern kompromittierende Fotos eines Mitglieds der Königsfamilie, mit denen ein stadtbekannter Drogenbaron und Zuhälter (Peter De Jersey) die Behörden erpresst und sich so seiner eigenen Verhaftung entzieht.

Dass die Geschichte den Rahmen eines typischen Heist-Plots sprengt, wird schnell klar. Agenten in grauen Anzügen, korrupte Polizisten, zwielichtige Unterweltgrößen, Minister mit geheimen Vorlieben, den beiden Drehbuchautoren Dick Clement und Ian Le Frenais gelang es, eine Vielzahl von Handlungssträngen und Personen in ihr Skript einzubauen, ohne dass sich der Film in Details verliert und der Zuschauer womöglich aus Frust über so viele Informationen gedanklich aussteigt. Bis heute ist im Übrigen nicht ganz geklärt, was damals genau geschah, wer die Hintermänner und Drahtzieher waren und wieso in der Presse bereits vier Tage nach dem Einbruch kein Wort darüber mehr zu lesen war.

Roger Donaldson, der in seinen Arbeiten zu No Way Out und Thirteen Days bereits reichlich Erfahrung mit politisch brisanten Thrillern sammeln konnte, erweist sich einmal mehr als intelligenter und versierter Geschichtenerzähler. Er inszeniert Bank Job in der Tradition großer Heist-Movies, wobei er zu jeder Zeit erkennbar um eine eigene Handschrift bemüht ist. Gerade der Wechsel zwischen Terrys Perspektive, dem Milieu der einfachen Malocher und Kleinkriminellen, und der Welt der Londoner High Society, die hinter einer schicken Fassade ihre dreckigen Geheimnisse unter Verschluss hält, macht den Reiz dieses Films aus. Donaldson ist zudem ein Meister der Suspense. Den Wettlauf zwischen der Polizei und Terrys Bande, die bei ihrem Vorhaben zufällig von einem Amateurfunker belauscht wird, inszeniert er als ein aus zwei Perspektiven aufgenommenes Katz-und-Maus-Spiel. Immer wieder überrascht uns der Plot mit neuen Wendungen und Enthüllungen.

Bank Job ist aber auch in anderer Hinsicht ein Film spannender Gegensätze. Während die gedeckte, erdige Farbpalette und die Ausstattung ein authentisches 70s-Feeling evoziert, kamen bei der Aufnahme nur die neuesten High-Definition-Digitalkameras zum Einsatz. Die Schärfe und Klarheit der Bilder verleiht diesem ansonsten eher nostalgischen London-Trip eine bemerkenswerte Frische und Modernität. Der Mix aus Altem und Neuen setzt sich zu einem Stil zusammen, der Bank Job von seinen Genre-Kollegen deutlich abgrenzt.

Gegen Ende, als der eigentliche Bank Job getan ist und das große gegeneinander Ausspielen beginnt, zieht das ohnehin straffe Erzähltempo nochmals an. Dann kann auch Jason Statham, dessen Leinwandkarriere mit den Ganoven-Stücken eines Guy Ritchie begann, endlich seine imposante Physis voll ausspielen. In einem Film, der über weite Strecken mit brachialer Action geizt und stattdessen der Sogkraft seiner größtenteils wahren Geschichte vertraut, sind die Sympathien klar verteilt. Terry und die Seinen mögen keine Heiligen sein, dass sie bei ihrem Coup allerdings auf Gewalt verzichten und von einflussreichen Kreisen selbst als Mittel zum Zweck „missbraucht“ werden, lässt uns mit ihnen bis zuletzt Hoffen und Bangen.

Smart, mitunter ironisch, temporeich, spannend. An Bank Job werden sich zukünftige Heist-Storys messen lassen müssen.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, Juni 12, 2008

The Happning - Ahorn an Gänseblümchen


USA 2008

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Der Meister des sorgsam eingefädelten Plot-Twists ist zurück. Nach seiner von der Kritik zerrissenen und vom Publikum verschmähten Erwachsenen-Fabel Das Mädchen aus dem Wasser kehrt M. Night Shyamalan zu seinen kreativen Wurzeln zurück. The Happening besitzt vieles von dem, was den Erfolg seiner Suspense-Thriller The Sixth Sense und Signs begründete: Eine bedrohliche Atmosphäre, sorgsam dosierte Thrills und eine unzweifelhafte, wenngleich nicht wirklich überraschende Auflösung. Soweit das Positive, denn in seiner Gesamtschau lassen sich zugleich eine Reihe von eklatanten Schwächen identifizieren.

Shyamalan drehte schon immer Filme, die zu gleichen Teilen auf Spannung wie Gefühl setzten. Er verbindet in seiner Arbeit Elemente des klassischen Thrillers, des Horrors und des Dramas zu einer großen Zaubershow, die beim Zuschauer allerdings stets die Bereitschaft voraussetzte, sich auch tatsächlich verzaubern lassen zu wollen. Shyamalan ist darüber hinaus auch ein Romantiker. Spätestens seit seinem fälschlicherweise auf den finalen Plot-Twist reduzierten The Village dürften hieran keine Zweifel bestehen. Sein Neuer bestätigt diese Erkenntnis, wobei das Geschehen und speziell manche Dialoge zuweilen hart an der Grenze zum Kitsch vorbeischrammen.

Mark Wahlberg tritt dabei die Nachfolge von Bruce Willis und Mel Gibson an. Offenbar hat Shyamalan einen Narren daran gefressen, harten Kerlen einen radikalen Image-Wechsel zu verpassen. In The Happening spielt das ehemalige Unterwäsche-Model einen engagierten Biologie-Lehrer, der immer zu Späßen aufgelegt ist und seinen Schülern die Grundzüge wissenschaftlichen Arbeitens wie ein Mantra eintrichtert. Doch an Unterricht ist schon bald nicht mehr zu denken. Als die ersten Berichte über mysteriöse Massen-Selbstmorde aus dem Nordosten der USA eintreffen, glauben die Medien noch an einen Terror-Anschlag. Hals über Kopf beschließen Elliot (Wahlberg) und seine Freundin Alma (Zooey Deschanel), die Stadt zu verlassen. Zusammen mit Elliots Kollegen Julian (John Leguizamo) und dessen kleiner Tochter Jess (Ashlyn Sanchez) machen sie sich auf dem Weg. Doch sehr weit kommen sie nicht. Mitten im Nirgendwo holen die Ereignisse die Gruppe ein.

Mitunter wirkt The Happening wie ein „Best Of“ älterer Shyamalan-Geschichten. Gerade in der Wahl der Sets erinnert der Film in der zweiten Hälfte stark an Signs. Verlassene Farmen, weite Felder, ländliche Stille, alles das findet sich auch hier wieder. Dabei versteht es Shyamalan erneut, die jeweiligen Gegebenheiten effektiv in die sehr straighte Story einzubauen. Die Schocks sitzen, weil sie unerwartet daherkommen. Auch hart gesottene Horror-Fans werden mehr als einmal einen echten Adrenalinkick verspüren. Nichts und niemand scheint vor der unsichtbaren Gefahr sicher. Diese Erkenntnis transportiert der Film mit einer für eine große Studio-Produktion doch erstaunlichen Kompromisslosigkeit.

Selbst die an drei Stellen merklich gekürzte deutsche Kinofassung – Grundsatzdiskussionen über das Pro und Contra solcher Bevormundung sollen hier nicht geführt werden – ist für Shyamalan-Verhältnisse recht explizit und blutig geraten. In dieser Hinsicht schlägt der Meister des sanften Gruselns erkennbar eine härtere Gangart an. Wenn schon die unheilvolle Bedrohung visuell nichts hergibt, gleicht der Film dieses Manko über die Inszenierung ihrer weit reichenden und zumeist tödlichen Folgen aus. Obwohl Shyamalan uns Zuschauer somit die erwarteten Thrills liefert, will sich uneingeschränkte Begeisterung dieses Mal jedoch nicht einstellen.

Das offenkundigste Problem trägt den Namen Mark Wahlberg. Die Rolle des Schnellmerkers und naturverbundenen Biologie-Lehrers nimmt man ihn zu keiner Zeit ab. Ausdruckslos und überfordert chargiert Wahlberg zwischen unfreiwillig komischem Overacting und „Besorgt aus der Wäsche gucken“. Sein Mienenspiel ähnelt dabei dem Steven Seagals, sprich es existiert nicht. Dass die zentrale Identifikationsfigur zur Lachnummer verkommt, ist aber nicht alleine Wahlbergs Schuld. Shyamalan, der wie zu all seinen Filmen das Drehbuch schrieb, spart in vielen Dialogen nicht mit trivialer Melodramatik und peinlichem Untergangs-Pathos. Fremdschämen ist angesagt, wenn in einer Szene eine verzweifelte Mutter mit ihrer Tochter telefoniert und Shyamalan den Holzhammer rausholt, um auf der Klaviatur von Mitgefühl und Drama zu spielen.

Abseits aller verunglückten Gefühlsduseleien krankt der Film an seiner gerade während der letzten fünf Minuten dozierten „Zurück zur Natur“-Botschaft, bei der Shyamalan vor allem dem Zeitgeist hinterherzulaufen scheint. Sein gerade in den ruhigen Passagen wenig überzeugender Mix aus Krieg der Welten und Die Wolke endet zudem nicht mit dem erhofften Big Bang. Stattdessen entscheidet sich Shyamalan für eine im Horror-Genre bis zum Erbrechen durchexerzierte Pointe, die auch die letzten Zweifel über die Ursache des mysteriösen Massensuizids beiseite wischt. Der Mensch ist eine Bedrohung für diesen Planeten. Mehr als das hat The Happening eigentlich nicht zu erzählen.

Für BlairWitch.de.

Mittwoch, Juni 11, 2008

Nie wieder Sex mit der Ex - Dick Flick


USA 2008

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Judd Apatow und seine Getreuen starten mit dieser sommerlichen, etwas anderen RomCom einen neuen Angriff auf unsere Lachmuskeln. Vom dämlichen deutschen Titel sollte man sich nicht abschrecken lassen. Weiterlesen auf evolver.

Samstag, Juni 07, 2008

Prom Night - Der Anti-Slasher


USA 2008

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Als Europäer mag es schon etwas befremdlich wirken, welches Bohei die Amis um ein Event wie den Abschlussball veranstalten. Die Prom Night markiert das Ende der High School-Zeit und den Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt. Während die Mädels darum bemüht sind, an jenem Abend möglichst gut auszusehen – schließlich steht der Titel der Prom Queen auf dem Spiel –, wollen die Jungs mit dem hübschesten Mädchen der Stufe auf dem Ball erscheinen.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an den Horrorfilm Prom Night, in dem es die junge Jamie Lee Curtis auf ihrem Abschlussball mit einem maskierten Schlitzer zu tun bekam. Knapp dreißig Jahre später greift Regisseur Nelson McCormick auf ein vergleichbares Setup zurück, wobei sich sein Prom Night nicht als Remake qualifiziert, da allein schon die Charaktere andere sind. Aus der eher trostlosen und muffigen Turnhallen-Absteige, die im ersten Prom Night-Film zum Festsaal umfunktioniert wurde, wird bei McCormick ein edles Grand Hotel mit imposanter Fassade, futuristischer Tanzfläche und aufwändiger Video-Installation. Keine Frage, hier feiern die Kids aus O.C. California und Beverly Hills 90210.

Eine von ihnen ist Donna (Brittany Snow). Die heiße Anwärterin auf den Titel der Prom Queen geht zusammen mit ihrem Freund Bobby (Scott Porter) auf den opulenten Ball. Es soll ein unvergesslicher Abend werden. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt die Vergangenheit Donna einzuholen droht. Einst kamen ihr Bruder und ihre Eltern bei einem tragischen Verbrechen ums Leben. Ein irrer Verehrer (Jonathon Schaech) metzelte aus verschmähter Liebe Donnas gesamte Familie nieder. Rechtzeitig zur Prom Night gelingt dem Killer die Flucht aus der Psychiatrie. Die Aussicht, seinem Love Interest möglichst bald möglichst nahe zu sein, löst eine unheimliche Mordserie aus, bei der die Polizei stets das Nachsehen hat.

Gemäß dem in unzähligen Slasher-Storys erprobten „Zehn kleine Negerlein“-Prinzip verabschiedet sich in Prom Night brav ein Teenager nach dem nächsten. Weil der Film im Unterschied zu den meisten seiner Genre-Kollegen aus den Achtzigern vorrangig auf ein junges, pubertierendes Publikum abzielt, muss der Killer bei seiner Arbeit penibel auf die Einhaltung bestimmter Jugendschutzvorschriften achten. Es wirkt schon reichlich seltsam, wenn nach einer mehr als schüchtern gefilmten Messerattacke lediglich einige wenige, scheinbar abgezählte Flecken Blut auf dem Kleid des Opfers zu sehen sind. Aber eigentlich hätte man schon bei einem Blick auf die PG-13-Freigabe der amerikanischen Filmbewertungsstelle vorgewarnt sein müssen. Prom Night ist die leicht verschärfte Variante eines im Grunde harmlosen Suspense-Kinos, das mit einem echten Slasher bis auf den formalen Rahmen nichts gemein hat.

So unschuldig, klinisch rein und sterbenslangweilig wie Prom Night waren bis dato Gott sei Dank nur die wenigsten Teenie-Horror-Produktionen. Cheesy ist hier gar nichts. McCormick und sein Drehbuchautor J.S. Carbone vollbringen das seltene Kunststück, die beiden einzigen Konstanten des Slashers – Sex und Gewalt – fast gänzlich aus ihrem Film zu verbannen. Vor der Heirat darf höchstens ein bisschen gefummelt werden. Damit hat es sich dann aber auch schon. Die augenscheinlich nach den Schönheitsidealen populärer MTV-Shows zusammengecastete Darstellerriege übt sich ansonsten in einer geradezu päpstlichen Keuschheit. Überhaupt fällt auf, dass jede nur erdenkliche Ecke fein säuberlich abgeschliffen wurde. Dass die Abschlussklasse nur aus Modeltypen zu bestehen scheint, kann man nur als ein weiteres Indiz für die Stromlinienförmigkeit dieser erschreckend ideenlosen Produktion werten.

Wenn ein Konzept wie das des irren Jungfrauenschlitzers bereits derart ausgelutscht ist, sollte zumindest die Verpackung stimmen und der Regisseur sein Handwerk verstehen, damit keine Langweile aufkommt. Beides ist bei Prom Night, für dessen Fortsetzung Sony unglücklicherweise längst grünes Licht erteilt hat, nicht gegeben. McCormick stolpert nach dem akzeptablen Intro, das mit einer schicken Kamerafahrt über den Columbia River aufwartet, von einer Peinlichkeit zur nächsten. Die Inszenierung der einzelnen Morde erweist sich dabei als ausgesprochen monoton. Wenn der Killer nicht gerade plötzlich hinter einer Säule oder in einem der zahlreichen Spiegel auftaucht, beobachtet er seine potenziellen Opfer, wie diese ahnungslos in die Falle tapsen. Dass man als Zuschauer zumeist den Ausgang einer Szene bei ihrem Beginn erahnt, ist der Spannung nur wenig zuträglich. Da kann die Tonspur auch noch so verzweifelt aufheulen, für einen echten Horror-Fan ist Prom Night nicht mehr als eine unfreiwillig komische Kaffeefahrt.

Für BlairWitch.de.

Montag, Juni 02, 2008

Funny Games U.S. - Auf der Anklagebank


USA/F/D/AT/I/UK 2007

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Die Aufregung war groß. Mit seiner radikalen und schonungslosen Darstellung einer in vielerlei Hinsicht beklemmenden Extremsituation erhielt der kleine österreichische Film Funny Games nicht nur eine Unmenge an Publicity, die Reaktion der Medien, die sich wie Aasgeier auf den Gewalt-Aspekt der Geschichte stürzten, sollte zudem Regisseur und Autor Michael Haneke in seinen Thesen über die Gewaltfixierung unserer Gesellschaft Recht geben. Für Haneke war Funny Games eine einzige Anklage. An die Wirkung der Darstellung von Gewalt in den modernen Massenmedien, an die Macher solcher Programme und letztlich auch an uns Zuschauer, die bereitwillig alles konsumieren, was man ihnen vorsetzt.

Für Haneke lässt sich die Verrohung unserer Sehgewohnheiten zum Teil auf das angelsächsische Kino - sprich Hollywood - zurückführen. Es ist seiner Meinung nach mitverantwortlich dafür, dass die Hemmschwelle in Sachen Gewalt immer weiter absinkt. Und weil er mit seinem Film vor allem das „englischsprachige Gewaltkonsumentenpublikum“ (Zitat Presseheft) erreichen wollte, drehte er zehn Jahre nach Funny Games eine 1-zu-1-Kopie in englischer Sprache und mit bekannten Hollywood-Gesichtern in den Hauptrollen. Schließlich soll die Botschaft beim Empfänger auch ankommen.

Auch im Remake bricht der Terror unvermittelt über eine glückliche, wohl situierte Familie herein. George (Tim Roth) und Ann (Naomi Watts) wollen zusammen mit ihrem kleinen Sohn Georgie (Devon Gearhart) die Sommerferien in ihrem idyllisch an einem See gelegenen Ferienhaus verbringen. Vater und Sohn lassen gerade das Segelboot zu Wasser, da taucht im Haus bei Ann ein junger Mann auf, der sich als Gast der Nachbarn ausgibt. Peter (Brady Corbet) scheint zunächst wohlerzogen und freundlich. Doch das ist nur eine Maskerade. Als plötzlich ein zweiter Mann (Michael Pitt) in der Tür steht, wird Ann die Situation allmählich unheimlich. Sie ruft ihren Mann zur Hilfe, der die beiden Besucher höflich aber bestimmt nach draußen bitten soll. Doch daraus wird nichts. Die Eindringlinge haben längst die Kontrolle übernommen und bitten die Kleinfamilie zu einem menschenverachtenden Spiel.

Wer das Original nicht gesehen hat, dem kann Funny Games U.S. eine Horrorerfahrung bieten, die durch Mark und Knochen geht. Alle anderen dürften sich zu Recht fragen, wieso sie sich dieser Tortur nochmals freiwillig aussetzen sollten. Schließlich bleiben die größten Schockeffekte aus, wenn man den Fortgang der Story bereits kennt. Dabei ist Funny Games U.S. wie das österreichische Original kein klassischer Horrorfilm, da er auf viele Genre-Mechanismen bewusst verzichtet. Die Inszenierung will keine Suspense erzeugen – die oftmals viel zu langen, monotonen Einstellungen sind nur eins: langweilig –, ebenso untypisch ist das Fehlen jeglicher Filmmusik und auch Naomi Watts Charakter mutiert entgegen erster Vermutungen nicht zum Final Girl.

Dennoch verfehlt das, was Haneke hier ungemein lässig und langsam vor unseren Augen ausbreitet, zumindest bei erster Ansicht nicht seine Wirkung. Obwohl die Gewalt zumeist Off-Screen stattfindet, ist der Horror, den diese Familie durchleidet, in jeder Einstellung präsent. Die Kälte und der Zynismus der beiden Täter ist derart verstörend, dass man sich am liebsten vor Ekel und Abscheu abwenden möchte. Ein großes Kompliment geht in diesem Zusammenhang an Michael Pitt und Brady Corbet, die als versnobter, arroganter Wohlstands-Nachwuchs ihre Rollen so überzeugend wie einst Frank Giering und Arno Frisch ausfüllen. Vielleicht sind sie sogar noch etwas besser. Watts und Roth, beides erfahrene und gestandene Schauspieler, dürfen in zahlreichen Wein- und Heulkrämpfen ihre Bereitschaft zur absoluten Selbstaufgabe unter Beweis stellen.

Das Grundproblem des Originals bleibt aber auch im Remake evident. Funny Games U.S. ist nur schwerlich als „Film“ im herkömmlichen Sinn zu bezeichnen. Hanekes Arbeit ähnelt eher einem verfilmten Thesenpapier, einer Ansammlung von Anschuldigungen, die wie ein Kübel voller Dreck über dem Publikum ausgekippt werden. Die Protagonisten bleiben stets Erfüllungsgehilfen für Hanekes eingangs erwähntes Welt- und Menschenbild. Spätestens wenn sie die direkte Ansprache zum Publikum suchen und dazu in die eigentlich unsichtbare Kamera blicken, enttarnt sich Funny Games als pädagogisches, selbstgefälliges Experiment, das vorrangig auf Belehrung und die Zurschaustellung eines krankhaften, vermeintlich durch die Medien herangezüchteten Voyeurismus abzielt.

Für BlairWitch.