Freitag, Juli 29, 2011

Green Lantern - Superheld im Strampelanzug


USA 2011

+1/2

Ryan Reynolds ist die Green Lantern – die grüne Laterne. Der intergalaktische Superheld aus dem Hause DC Comics stand lange Zeit im Schatten seiner berühmten Verwandtschaft. Ob nun ausgerechnet diese doch ziemlich holprige und blutleere Verfilmung neue Fans rekrutieren kann, scheint mehr als fraglich. Weiterlesen auf Koeln.de.

Mittwoch, Juli 27, 2011

Win Win - Im Ring


USA 2011

++1/2

Nur eine Woche nach Barney’s Version startet ein weiterer feiner Film mit Paul Giamatti in der Hauptrolle. In Win Win, der dieses Jahr auch in Sundance lief, spielt er einen finanziell klammen Anwalt, dessen väterliche Gefühle nach der Begegnung mit einem jugendlichen Ausreißer geweckt werden. Als Trainer einer High-School-Ringer-Mannschaft nimmt er den Jungen unter seine Fittiche. Warmherzig, charmant, aber auch ein bisschen frei von Überraschungen ist McCarthys Film ein typischer Vertreter des amerikanischen Independent-Kinos.

Filmkritik:

In Tom McCarthys Filmen geht es immer um Begegnungen zwischen Menschen, zwischen ganz unterschiedlichen Menschen. Das war so in dem Independent-Hit The Station Agent über einen kleinwüchsigen Einzelgänger, der im ländlichen New Jersey unerwartet neue Freunde fand, und auch in Ein Sommer in New York – The Visitor, wo ein College-Professor in seinem eigenen Appartement auf ein junges Paar traf, kam es zu einer solchen Begegnung. McCarthys diesjähriger Sundance-Beitrag Win Win setzt diese filmische Tradition nahtlos fort. Paul Giamatti spielt darin einen engagierten, leider aber auch etwas erfolglosen Anwalt, der von Existenzängsten geplagt wird und in seiner Freizeit ehrenamtlich die Ringer-Mannschaft der örtlichen High School trainiert.

Dann tritt der Enkel eines Mandanten in Mikes Leben. Kyle (Alex Shaffer) ist ein jugendlicher Ausreißer. Er will nicht länger bei seiner drogenabhängigen Mutter (Melanie Lynskey) leben. Zu groß ist die Enttäuschung und die Wut, die sich über die Jahre in ihm angesammelt haben. Kyle zieht es zu seinem Großvater (Burt Young). Doch weil dieser nicht ganz legal und vor allem ganz nicht uneigennützig von Mike kurzerhand in ein Altenheim abgeschoben wurde, entscheiden er und seine Frau (Amy Ryan), den Jungen bei sich aufzunehmen. Es zeigt sich, dass Kyle fürs Ringen ein besonderes Talent mitbringt. Mike erkennt die Chance, sein bislang eher erfolgloses Team endlich zu dem lang ersehnten Erfolg zu führen. Schließlich entwickelt sich mit der Zeit zwischen ihm und Kyle ein echtes Vater-Sohn-Verhältnis.

Mit einer Mischung aus emotionalen, manchmal auch tragischen Momenten und einem im Verhältnis dazu sauber ausbalancierten Humor, für den vorrangig Mikes charmant-verrückte Arbeitskollegen zuständig sind, gelingt es McCarthy, den Zuschauer in seine kleine Geschichte hineinzuziehen. Dass er dabei nur auf die bewährten Mechanismen des amerikanischen Independentkinos vertraut, dessen etwas zu naiver Optimismus letztlich die Oberhand gewinnen soll, lässt Win Win zugegeben wenig innovativ oder gar mutig erscheinen. Vielmehr regiert hier das Prinzip eines bewährten Feel-Good-Movies, in dem Probleme auf mancherlei Umwegen am Ende doch gelöst werden. Damit passt McCarthys Film bestens in das Programmschema des berühmten Sundance Festivals, dem Kritiker nur zu gerne eine gewisse Harmlosigkeit vorwerfen.

Als Zuschauer muss man sich um Kyle, Mike und die Anderen nie echte Sorgen machen. Man ahnt: Die Dramaturgie und der Wunsch, uns mit einem guten Gefühl zu entlassen, werden es schon richten. Obwohl der Mechanismus der Geschichte somit leicht zu durchschauen ist, fühlt man sich in McCarthys Film jederzeit gut aufgehoben und unterhalten. Er verzichtet auf inszenatorische Tricks und Spielereien, stattdessen liegt der gesamte Fokus auf den Schauspielern, die wie Paul Giamatti und der junge Alex Shaffer recht mühelos in ihre doch sehr vielschichtigen Charaktere vordringen. Als ehrlicher und überaus menschlicher Film, der weitgehend ohne forcierte Sentimentalitäten auskommt, dürfte Win Win in Erinnerung bleiben.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, Juli 21, 2011

Brautalarm - Östrogen-Hangover


USA 2011

+++


Die Vorbereitungen zu einer Hochzeit scheinen vor allem für die beste Freundin der Braut aus einer absurden Abfolge von Stress, Überforderungen und Peinlichkeiten zu bestehen. Zumindest ist es das, was uns dieser Überraschungshit aus der Werkstatt von Komödienspezialist Judd Apatow (Beim ersten Mal) lehrt. Gegen soviel Frauenpower zieht selbst das Wolfsrudel den Kürzeren. Weiter auf Koeln.de.

Mittwoch, Juli 20, 2011

Insidous - Oldschool in die Twilight-Zone


USA 2011

++1/2

„Vom Regisseur von „Saw“ und den Produzenten von „Paranormal Activity““ lautet eine Werbezeile, mit der Insidious hierzulande vermarktet wird. Dabei führt der Verweis auf Saw in die Irre, denn mit Jigsaws perfiden Puzzle- und Folterspielchen hat der neueste Streich des Tandems James Wan (Regie) und Leigh Whanell (Drehbuch) wahrlich kaum etwas gemein. Eher schon liegt eine gewisse inhaltliche Verwandtschaft zu Oren Pelis Ultra-Low-Budget-Erfolg vor. Kurz und knapp könnte es auch diesmal heißen: Willkommen in der Twilight Zone!

Denn in dem schönen Zuhause der Familie Lambert ereignen sich immer merkwürdigere Dinge. Es sind Vorfälle, die vor allem Mutter Renai (Rose Byrne) ängstigen und die sie sich kaum logisch erklären kann. Mal dringen seltsame Geräusche aus dem Babyphone, mal steht nachts plötzlich die Haustüre wie von Geisterhand auf oder es zeichnen sich die Umrisse einer unbekannten Person im Halbdunkeln ab. Als der älteste Sohn (Ty Simpkins) der Lamberts nach einem mysteriösen Vorfall auf dem Speicher in ein Koma fällt, das sich selbst die behandelnden Ärzte nicht erklären können, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Auf Drängen seiner Frau kommt Familienvater Josh (Patrick Wilson) schließlich dem Wunsch nach, in ein anderes Haus zu ziehen. Doch auch in der neuen Bleibe setzen sich die unheimlichen Zwischenfälle fort.

Spätestens ab diesem Moment wird klar, dass nicht das Haus das eigentliche Problem ist. Wer den Trailer gesehen hat, wird sich vermutlich an die Punchline „It’s not the house that’s haunted“ erinnern und tatsächlich nutzen James Wan und Leigh Whanell die Kulisse der bekannten Geistermärchen nur für einen ungleich furchteinflößenderen Budenzauber. Hier spielt sich das eigentliche Grauen nicht zwischen vier Wänden ab. Der Horror, den Insidious zumindest über weite Strecken sehr geschickt heraufbeschwört, hat seinen Ursprung in der Familie und in deren Gedanken und verdrängten Erinnerungen. Was tatsächlich geschah, lässt Insidious bis zum Ende bewusst offen und so kann man in die zunehmend paranormale Geisterbahnfahrt viele (vielleicht sogar endlose?) Deutungen hineinlesen.

So vielschichtig sich die psychologische Ebene des Films präsentiert, so handfest und altmodisch geben sich Wan und Whanell bei der Auswahl ihrer Horrorinstrumente. Insidious lässt die ganze Welle des Torture Porn oder der harten Remakes alter Klassiker mal eben links liegen und würdigt sie dabei kaum eines Blickes. Stattdessen sucht ihr Film den Anknüpfungspunkt bei einflussreichen Genrevorbildern wie Poltergeist und Der Exorzist. Es dürfte kaum Zufall sein, dass beide Filme Wans und Whanells persönliche Lieblinge sind. Gerade die erste Dreiviertelstunde versteht es meisterlich, mit vagen Andeutungen, Schatten und kleinen, leicht zu übersehenden Merkwürdigkeiten zu spielen und so in uns eine Grundangst und permanente Verunsicherung zu schüren. In diesen Augenblicken ist die Geschichte ganz nah bei Oren Pelis Paranormal Activity, wobei hier filmisch doch einiges mehr geboten wird.

Bereits die fahlen, aschgrauen Bilder üben eine ungemein verstörende Anziehungskraft aus. Man ahnt, dass hinter der staubigen Oberfläche ein Albtraum wartet und doch ist man erstaunt, gefesselt und zutiefst erschrocken, wenn Wan und Whanell immer mal wieder für wenige Sekunden den grauen Mantel anheben und uns hinter die Geisterhaus-Fassade schauen lassen. Die atonale Musik mit ihren schrecklich-schrägen Streicherarrangements verstärkt dieses Gefühl einer ständigen, zunächst nicht genau lokalisierbaren Bedrohung zusätzlich. Wenn die scheinbar schwerelose Kamera das Zuhause der Lamberts erkundet und Mutter Renai bei ihrer Hausarbeit beobachtet, kann man sich nie sicher fühlen. Natürlich dürfen auch die etwas mechanischeren Schockeffekte nicht fehlen, wobei das laute Aufheulen der Tonspur in diesem Fall seine volle Berechtigung hat. Einen falschen Alarm kennt Insidious nämlich nicht.

Nach knapp einer Stunde nimmt die Geschichte dann eine Wendung, die immer deutlicher das Paranormale betont und daher nicht jedem Zuschauer gefallen wird. Als Joshs Mutter Lorraine (Barbara Hershey) eine alte Freundin (Lin Shaye) zu Rate zieht, die in einer Seance den Kontakt zur Seele des im Koma befindlichen Sohnes herzustellen versucht, setzt der Film alles auf eine Karte. Plötzlich haben wir es mit Begriffen wie „astraler Projektion“ und einer Parallelwelt der Geister zu tun, die sich vielsagend „Die Weite“ nennt. Mehr noch als die reine Anhäufung übersinnlicher Zitate, hinterlässt die filmische Ausgestaltung dieses Seelenreichs einen zwiespältigen Eindruck. Wan und Whanell reizen ihren Dämonenspuk über Gebühr aus. Nichts bleibt schlussendlich im Ungefähren, alles muss gezeigt und mit großen Gesten vor unseren Augen ausgebreitet werden. Weil der Horror der ersten Stunde allerdings derart intensiv war, bleibt es trotz dieses Qualitätsabfalls bei einer Empfehlung. Insidious ist insgesamt ein erfreulicher Old-School-Schocker und so etwas wie die weitgehend spaßfreie Fortsetzung zu Sam Raimis Drag me to Hell.

Für BlairWitch.de.

Montag, Juli 18, 2011

Barney's Version - Ein Selbstzerstörer zum Gernhaben


USA 2010

+++1/2

Sympathieträger stellt man sich gemeinhin anders vor. Mittsechziger Barney ist zynisch, eigensinnig, manchmal sogar verletzend und dem Alkohol nie abgeneigt. Und obwohl das so ist, schließt man ihn früher oder später in sein Herz. Ein Paul Giamatti in Bestform ist nur einer von gleich mehreren Garanten dieses intimen, tragikomischen Zeit- und Personenportraits, das mit bissigem, schwarzem Humor und einer ebenso anrührenden wie inspirierenden Liebesgeschichte aufwartet.

Filmkritik:

Es ist ein Leben, das normal und ungewöhnlich zugleich ist, das von Momenten des reinen Glücks und einer herzzerreißenden Einsamkeit ausgefüllt wird, von Liebe und von Leid. Fernsehproduzent Barney Panofsky (Paul Giamatti) erscheint auf den ersten Blick alle Vorurteile an einen zynischen, verbitterten, alten Kauz erfüllen zu wollen. Mit seinen Kindern pflegt er einen zumeist rauen Umgangston und auch gegenüber seinen Angestellten nimmt er wahrlich kein Blatt vor den Mund – selbst wenn das, was er zu sagen hat, seinen Gesprächspartner verletzten könnte. Barney hat viel erlebt und um zu verstehen, wie er zu dem Menschen geworden ist, der er nun mit fast 70 ist, muss man mit ihm zurück in seine Vergangenheit reisen.

Barney’s Version entwickelt sich auf diesem Weg zu einem intimen und emotional zugleich unglaublich gewaltigen Film. Vom Italien der frühen siebziger Jahre und der Nach-Hippie-Ära, über Montreal bis in das New York der Gegenwart verläuft der Handlungsbogen, aus dem sich Barneys tragikomische Erinnerungen und Anekdoten zusammensetzen. Drei Ehen und zumindest eine ganz große Liebe füllten sein bewegtes Leben aus, zu dem auch das mysteriöse Verschwinden seines einst besten Freundes (Scott Speedman) gehörte. Noch heute gilt er für den seinerzeit ermittelnden Polizeibeamten als der Hauptverdächtige. Barney, ein potentieller Mörder? Es ist nicht zuletzt dieser ungeheuerliche Vorwurf, den der zynische Lebemann mit seiner Version der Ereignisse entkräften will.

Es sind vor allem der bissige, jüdische Witz und Barneys gutes Herz, an dem trotz aller von ihm durchaus gepflegten Misanthropie nie ein Zweifel besteht, die auch in der Verfilmung des berühmten Romans des kanadischen Schriftstellers Mordecai Richler Ton und Stimmung vorgeben. Obwohl Barney seine Mitmenschen nicht immer fair behandelt, obwohl er ganz offensichtlich zu viel trinkt und flucht, kann er sich unserer Sympathien stets gewiss sein. Der Grund dafür ist einfach. Nicht nur mag ein jeder sich zu einem kleinen Teil in ihm wiedererkennen, mag in ihm eigene Fehler und Schwächen entdecken, Barney, so wie er von Giamatti verstanden wird, ist kein Unmensch sondern am Ende seines Leben eher ein Unzufriedener, der auf der Suche nach seinem inneren Frieden ist.

Wir dürfen ihn bei dieser keineswegs leichten Suche begleiten. Dabei lernen wir alte Weggefährten, Freunde, Geliebte und Familienmitglieder kennen. Seinen durchaus eigenwilligen Vater Izzy (Dustin Hoffman) zum Beispiel, dessen unkonventionelle Ratschläge von seinem Sohnemann nicht immer befolgt werden. Oder Barneys erste große Liebe Clara (Rachelle Lefevre), die in seinem Herz für lange Zeit eine gewaltige Lücke hinterlassen hat. Warum Paul Giamatti für diese schon aufgrund ihres anspruchsvollen Zeithorizonts außergewöhnliche Rolle keine Oscar-Nominierung erhielt – nur das Make-up-Team wurde seinerzeit berücksichtigt –, dürfte auf ewig das Geheimnis der Academy bleiben. Giamatti scheint zunächst den misanthropischen Comiczeichner Harvey Pekar aus American Splendor zu reaktivieren, später dann entwickelt sich sein Barney mehr und mehr zu einem Allen-Charakter, dem man bei jedem Blick, jeder Geste Giamattis tief in seine verletzliche Seele zu schauen glaubt.

Giamattis Kollegen – darunter Oscar-Preisträger Dustin Hoffman und die großartige Rosamund Pike als Barneys wahre Liebe Miriam – veredeln schließlich diesen schauspielerisch außergewöhnlichen Film, bei dem Regisseur Richard J. Lewis jederzeit ganz genau wusste, wie er all diese Vorgaben und Zutaten am besten zusammenführen sollte. Er erschuf ein sensibles Charakterstück, das souverän zwischen von Leonard-Cohen-Songs untermalter Sentimentalität und Sarkasmus navigiert. Einen liebenswerteren Selbstzerstörer als Barney wird das Kino so schnell nicht mehr hervorbringen.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Juli 12, 2011

Kleine wahre Lügen - Urlaub mit Problemchen


F 2010

++

Eine Clique bürgerlicher Großstädter durchlebt im gemeinsamen Sommerurlaub ein Wechselbad der Gefühle. Gefangen in kleinen und größeren Lebenslügen diskutieren die Protagonisten in Guillaume Canets (Kein Sterbenswort) ziemlich französischer Version eines Beziehungsfilms ihre Probleme und Lebensentwürfe. So schön das Meer und die Strände an der südfranzösischen Atlantikküste auch anzusehen sind, verteilt auf zweieinhalb Stunden stellt sich schon bald ein gewisser Leerlauf ein.

Filmkritik:

Wie jedes Jahr treffen sich der erfolgreiche Gastronom Max (François Cluzet), seine Familie und engsten Freunde auch diesen Sommer im schicken Ferienhaus am malerischen Cap Ferret. Und doch ist dieses Jahr etwas anders. Denn einer von ihnen kann nicht dabei sein. Während Ludo (Jean Dujardin) nach einem schweren Unfall mit zahlreichen Verletzungen auf der Intensivstation eines Pariser Krankenhauses liegt, versuchen seine Freunde, in der mediterranen Idylle der Gironde den schrecklichen Vorfall zumindest zeitweilig zu vergessen.

Aber es ist nicht allein Ludos Schicksal, das den Urlauber nicht mehr aus dem Kopf geht. Fast jeder von ihnen trägt ein Geheimnis oder – im Sinne des Filmtitels – Lüge mit sich herum. So hat sich der stolze Familienvater Vincent (Benoît Magimel) in Max verliebt. Marie (Marion Cotillard) wiederum glaubt, ihre Bindungsängste mit wechselnden Affären therapieren zu können, und Frauenheld Éric (Gilles Lellouche) hofft, das Aus seiner Beziehung vorerst vor den Anderen geheim halten zu können.

Knapp ein Dutzend Charaktere mit doch recht ähnlichen Problemen beobachtet Guillaume Canet in seiner dritten Regiearbeit. Sein nach eigenen Angaben persönlichster Film, zu dem er auch das Drehbuch schrieb, ist im Kern eine lange Sommerepisode vor traumhafter Kulisse, die – von gelegentlichen Einschüben einmal abgesehen – das Ferienhaus am Cap Ferret nie verlässt. Zunächst erstaunt, dass Canet für eine derart intime und im Grunde doch recht unspektakuläre Geschichte zweieinhalb Stunden benötigt. Die meiste Zeit erleben wir schließlich, wie gut situierte Mittdreißiger bis Mittvierziger miteinander über ihre Beziehungen diskutieren, die Sonne genießen und dabei gutes Essen und reichlich Wein konsumieren. Viel mehr passiert in diesem durch und durch französischen Film eigentlich nicht.

Die Überlänge ist vielleicht das sichtbarste, mitnichten jedoch das einzige Problem einer ziemlich in sich verliebten Geschichte. Canet zelebriert den Lebensstil einer nur bedingt sympathischen Intellektuellen-Clique, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und deren Konflikte bei aller Allgemeingültigkeit nicht selten herbeigeschrieben und konstruiert erscheinen. So sehr der Film auch darum bemüht ist, eine Nähe zu den Figuren aufzubauen, man mag weder für den cholerischen Max noch für den von Selbstmitleid geplagten Antoine (Laurent Lafitte) wirkliches Interesse aufbringen. Letzterer rennt wie ein Besessener seiner alten Liebe hinterher – ein Aufwand, der sich in der Logik von Canets Film natürlich am Ende für ihn auszahlen muss.

Kleine wahre Lügen ist wohl das, was man gemeinhin einen netten, französischen Beziehungsfilm nennt. Nett deshalb, weil Canet die Ebene eines recht unverbindlichen Ensemblestücks zu keiner Zeit wirklich verlässt. Immer wenn es ungemütlich werden könnte, wenn tatsächlich einmal für kurze Zeit an alten, verdeckten Wunden gekratzt wird, macht sein Film einen Rückzieher. Auch der eingestreute Humor – Max’ Homophobie ist der Running Gag – dient hauptsächlich dazu, eine gewisse Leichtigkeit und Balance herzustellen. Statt mutig auch die dunklen Seiten seiner zumeist männlichen Protagonisten auszuleuchten, verharrt Canet lieber in Postkartenaufnahmen einer mediterranen Urlaubsidylle. Schöne Menschen an schönen Orten abzufilmen ist für 154 Minuten allerdings ein nur bedingt tragfähiges Konzept.

Für Programmkino.de.

Freitag, Juli 08, 2011

Der Zoowärter - Tierisches Konsenskino


USA 2011

++

Kevin James ist der Garant für familientaugliche Unterhaltung. Diese Eignung stellt der King of Queens-Star auch in seiner neuen, ganz und gar vorhersehbaren Komödie unter Beweis, in der sich ein fürsorglicher Zoowärter in die eindeutig falsche Frau verliebt. Das Ergebnis ist eine romantische Komödie mit Dr. Doolittle-Flair und vielen sprechenden Tieren. Weiterlesen auf Koeln.de.

Donnerstag, Juli 07, 2011

Alles koscher! - Back to the Roots


GB 2010

+++


Mahmud ist ein weltoffener Moslem, der es mit den Regeln des Koran nicht so ernst nimmt. Als er jedoch erfährt, dass er adoptiert wurde und seine leiblichen Eltern Juden waren, stürzt ihn das in eine folgenschwere Identitätskrise. Mit britischem Humor und angenehm unverkrampft nähert sich Alles koscher! einem brisanten Sujet. Wie schon in der Islamisten-Satire Four Lions werden religiöse Fanatiker als Brandstifter und Heuchler enttarnt. Eine Ethno-Komödie mit ernstem Hintergrund und viel Menschlichkeit.

Filmkritik:

Ein Unglück kommt selten allein. Das wird auch Familienvater Mahmud (Omid Djalili) aus eigener Erfahrung nur zu gerne bestätigen. Eigentlich war er immer ein stolzer Moslem, auch wenn er nicht zu denjenigen gehörte, die sich stets an die Regeln des Koran hielten. Mahmud nahm es weder mit der Fastenzeit, den täglichen fünf Gebeten noch dem strikten Verzicht auf Alkohol so genau und doch war der Islam ein unumstößlicher Teil seiner Identität. Umso tiefer sitzt der Schock, als er nach dem Tode seiner Mutter in deren Habseligkeiten alte Dokumente findet, die belegen, dass er im Alter von zwei Wochen adoptiert wurde. Seine leiblichen Eltern waren – und das ist das eigentlich Unglaubliche für ihn – Juden. Ja genau, Mahmud ist ein Jude und sein Geburtsname war Solly Shimshillewitz. Jüdischer geht es kaum.

Als wäre die plötzliche Identitätskrise für ihn schon verwirrend genug, da platzt in diese erste Katastrophe gleich eine zweite. Sein Sohn Rashid (Amit Shah) möchte heiraten, doch der Schwiegervater-in-spe (Igal Naor) entpuppt sich zu allem Überfluss als islamischer Fanatiker und Hassprediger, der seine Zustimmung von Mahmuds religiöser Standfestigkeit und Überzeugung abhängig macht. Nur wenn dieser ihm glaubhaft beweisen kann, dass er ein Vorzeigemoslem ist, will der resolute Extremist in Rashid und Uzmas (Soraya Radford) Hochzeit einwilligen.

Die britische Culture-Clash-Komödie Alles koscher! nimmt sich eines ausgesprochen heiklen Themas an. Religiöse Empfindungen sind bekanntlich ein hochexplosives Minenfeld, insbesondere wenn es um den Islam und einer kritischen Auseinandersetzung mit Fanatismus und Doppelmoral geht. Doch wenn überhaupt jemand diesen Balanceakt mit scharfer Ironie und bissigem Humor erfolgreich meistern kann, dann sind es wohl die Briten. Four Lions hat es jüngst vorgemacht wie sich mit den Mitteln der Komödie auch kontroverse Themen durchdringen lassen. Ähnlich unverkrampft, dabei aber im Ton nicht ganz so radikal und schrill ähnelt das Konzept von Autor und Komiker David Baddiel dem der auch hierzulande in den Programmkinos äußerst erfolgreichen Islamisten-Satire. Baddiel schrieb seinem Hauptdarsteller Omid Djalili die Rolle praktisch auf den Leib. Der britisch-iranische Schauspieler und Stand-up-Comedian, dessen eigene, von der BBC produzierte TV-Serie auch schon im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, verkörpert bravourös den eigentlich bemitleidenswerten Mahmud, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Als etwas tollpatschiger Riese mit einem (viel zu) großen Herz kämpf er sich durch jeden nur erdenklichen Fettnapf.

Der deutsche Verleih weckt bereits mit dem Titel gewisse Assoziationen zu Dani Levys Erfolgskomödie Alles auf Zucker und in der Tat scheint diese Analogie berechtigt. Nicht nur spielt Alles koscher! zu einem wesentlichen Teil ebenfalls im jüdischen Milieu, in das sich Mahmud alias Sonny plötzlich neu einfinden muss, auch Mahmuds verzweifelte Anstrengungen wahlweise besonders jüdisch oder muslimisch zu erscheinen, sind mit denen Jacky Zuckers durchaus vergleichbar. Dahinter steht immer die Frage, wer man ist und welche kulturelle Identität man in sich trägt. Es fällt auf, dass Baddiels Skript die wenigen, besonders bösen Pointen recht einseitig verteilt. Diese zielen meist auf den Holocaust und wie dieser bis heute das Selbstverständnis der jüdische Community prägte. Gegenüber dem Islam gibt sich der Film hingegen deutlich zahmer. Zusammen mit dem etwas zu sehr auf Konsens bedachten Finale ist es der einzig echte Kritikpunkt, den man dieser insgesamt gelungenen, erfrischenden Ethno-Comedy unterbreiten kann.

Für Programmkino.de.