Samstag, Februar 27, 2010

Nine - Näher an 08/15 als an 8 1/2


USA 2009

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Spätestens seit Moulin Rouge und Chicago erlebt das Musical, dieses vielleicht künstlichste aller Filmgenres, eine Renaissance. Rob Marshall, der sich bereits für die Adaption des Oscar-Erfolgs von 2003 verantwortlich zeichnete, holt in Nine das Italien der 1960er Jahre in verführerischen Bildern auf die Kinoleinwand zurück. Wie schon das gleichnamige Broadway-Musical will sein Film vor allem als Hommage an Fellinis 8 ½ verstanden werden. Weiterlesen auf Koeln.de.

Mittwoch, Februar 24, 2010

Shutter Island - Betreten auf eigene Gefahr


USA 2009

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Vorbemerkung: Für einen möglichst unbelasteten Genuss von Shutter Island empfiehlt es sich, die Kritik erst nach Ansicht des Films zu lesen.

Auf dieser Insel lauert das Böse. Oder das, was wir dafür halten. Schon mit den ersten Szenen stellt Shutter Island unmissverständlich klar, dass der Ort, an den es US Marshall Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) und seinen Partner Chuck Aule (Mark Ruffalo) verschlägt, ein dunkles Geheimnis birgt. Auf einer (fiktiven) Insel vor der amerikanischen Ostküste werden in einem vermeintlich absolut fluchtsicheren Sanatorium Anfang der 1950er Jahre psychisch kranke Straftäter behandelt. Die einzige Verbindung zwischen Shutter Island und der Außenwelt ist eine Fähre, über die auch die beiden Beamten das nur bedingt einladende Eiland erreichen.

Es braucht natürlich einen Grund, um Teddy und Chuck auf die Insel zu locken und damit die Geschichte gleichsam in Gang zu bringen. Eine mehrfache Mörderin konnte am Vorabend aus der Anstalt fliehen. Wie das möglich war und wo sie sich jetzt aufhält, das sollen die Marshalls mit Hilfe des Krankenhauspersonals möglichst rasch herausfinden. Der leitende Oberarzt Dr. Cawley (Ben Kingsley) sichert den Beamten dann auch seine volle Unterstützung zu. Die Ermittlungen laufen an und was für Teddy zunächst nach einem Routinejob aussah, entwickelt sich mit jeder neuen Entdeckung zu einem immer undurchsichtigeren Kriminalfall.

Mehr muss man im Vorfeld gar nicht über Shutter Island wissen. Martin Scorseses mit Spannung erwarteter Mystery-Thriller - Dennis Lehane (Mystic River) lieferte die Romanvorlage - lässt uns zusammen mit Teddy fortlaufend die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit überscheiten. Durch seine Augen sehen wir, was geschieht oder wovon er glaubt, dass es gerade geschieht - ein in diesem Genre kleiner, aber feiner Unterschied. Schon der Auftakt ist an atmosphärischer Dichte kaum zu überbieten. Stanley Kubricks Shining fällt einem spontan ein, wenn die Kamera das Hochsicherheits-Sanatorium aus der Luft ins Visier nimmt und dazu das markante, immer etwas zu schrille Leitthema laut aufheult.

Zurückhaltung sieht anders aus und ist von Scorsese sicherlich nicht gewollt. Stattdessen spielt der Oscar-Preisträger mit Elementen des Film noir und des klassischen Gruselkinos. Vor allem Otto Premingers Noir-Meisterstück Laura scheint auf Shutter Island abgefärbt zu haben. Auch hier haben wir es mit einem Ermittler zu tun, der als psychisches Wrack kiloweise seelischen Ballast mitschleppt und der sich nach und nach in dem Fall, den er eigentlich aufklären soll, verliert. Parallel dazu dringt der Film immer tiefer in das Geheimnis der Insel vor. Die Räume werden zunehmend enger und unübersichtlicher. Gleichzeitig verlagert sich die Handlung in labyrinthartige Gänge, karge Zellen und Höhlen, wo Scorsese zusammen mit Kamera-Großmeister Robert Richardson vor allem den Horror-Aspekt der Story gekonnt ausspielt und das ohne den von Beginn an ebenfalls spürbaren Pulp-Charakter zu überreizen.

Unterdessen erhält die emotionale Ausnahmesituation, in der Teddy schon länger gefangen zu sein scheint, in Rückblenden und Traumsequenzen allmählich Konturen. Leider ist sein Geheimnis weniger komplex, als uns das Scorsese und seine Drehbuchautorin Laeta Kalogridis über weite Strecken Glauben machen wollen. Vor allem die Ausführlichkeit, mit der im Finale die eigentlich schon längst entschlüsselten Puzzlestücke zusammengefügt werden, wirkt unnötig und zieht den Film spürbar in die Länge. Vermutlich aus Angst, einige Zuschauer könnten ansonsten frustriert das Kino verlassen, muss das Rätsel um Teddys „State of Mind“ jedoch bis ins Detail dechiffriert werden. Anders als David Lynch ist Scorsese eben auch ein Regisseur des Mainstreams.

Einmal mehr zeigt Leonardo DiCaprio unter der Anleitung seines väterlichen Mentors eine starke, eindringliche Leistung, bei der er sich weniger körperlich als seelisch in Grenzbereiche vorwagt. Das Image des mitfühlenden Milchbubis, das ihm seit Titanic anhaftete, hat er dabei endgültig abgelegt. DiCaprio ist ganz eindeutig der Method Actor seiner Generation. Nur der zu späte Startzeitpunkt dürfte im vorliegenden Fall eine weitere Oscar-Nominierung verhindert haben.

Wenngleich Shutter Island mit einigen Konditionsproblemen speziell im Mittelteil zu kämpfen hat und dem Film insgesamt eine Kürzung sicherlich gut getan hätte, bietet er immer noch glänzende Genre-Unterhaltung. Das liegt vornehmlich an der Art, wie Scorsese den Schauplatz zu einer monströsen Bühne auf- und ausbaut. Das Insel-Krankenhaus dürfte die Topographie des Horrorkinos um eine weitere Attraktion bereichern. Am besten löst man sich gleich von einer allzu strengen Beobachtung der nur auf den ersten Blick komplexen Story und lässt stattdessen die noir-ischen Bilder und bedrohlichen Klangkompositionen auf sich wirken. Die Stärken von Shutter Island liegen eindeutig in seiner Verpackung und weniger in dem, was darunter zum Vorschein kommt.

Für BlairWitch.de.

Dienstag, Februar 23, 2010

Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen


USA 2009

+++1/2

Das Vorhaben und die Namen der Beteiligten ließen aufhorchen: Autorenfilmer Werner Herzog übernahm die Neuinterpretation von Abel Ferraras düsterem Polizei-Drama Bad Lieutenant. In die Fußstapfen Harvey Keitels trat hierbei Oscar-Preisträger Nicolas Cage, der zuletzt nicht immer ein glückliches Händchen bei seiner Rollenauswahl bewies. Nicht so in diesem Fall. Dem Gespann Herzog/Cage gelang ein in vielerlei Hinsicht anderer Thriller, der weniger auf Suspense denn auf dem Wahnwitz seiner Hauptfigur und einer guten Portion Zynismus basiert.

Filmkritik:

Siebzehn Jahre ist es inzwischen her, seitdem Harvey Keitel in Abel Ferraras Crime-Drama Bad Lieutenant als korrupter, drogenabhängiger New Yorker Cop menschliche Abgründe auslotete. Die Idee, diese Geschichte erneut zu erzählen – mit Hollywood-Star Nicolas Cage in der Hauptrolle und dem Autorenfilmer Werner Herzog auf dem Regiestuhl – mag zunächst recht abenteuerlich anmuten. Immerhin galt Ferraras Vorlage als der nahezu perfekte Film. Tatsächlich ist Herzogs Version dann auch mehr eine zynisch-bittere Ergänzung denn eine bloße Kopie.

Cage spielt Terence McDonagh, einen Ermittler des Morddezernats von New Orleans. Für seinen angeblich heldenhaften Einsatz während der „Katrina“-Katastrophe zum Lieutenant befördert, leidet er seitdem unter starken Rückenschmerzen. Seinen Dienst übersteht er nur noch dank diverser Schmerzmittel. Dass er bei jeder sich bietenden Gelegenheit Kokain konsumiert, kommt erschwerend hinzu. Terence ist ein Wrack, seelisch wie körperlich. Doch all das hält ihn nicht davon ab, die Leitung in einem brutalen Mordfall zu übernehmen. Irgendwer hat unter einer Familie afrikanischer Einwanderer ein regelrechtes Massaker in Auftrag gegeben. Schon bald legen die Indizien eine Verstrickung ins Drogenmilieu nahe, in dem ein gewisser „Big Fate“ (Rapper Xzibit) die Fäden in der Hand hält.

Die Handlung und damit der eigentliche Mordfall sind letztlich nur Staffage. Eigentlich beobachtet Herzog einen Mann bei seinem Versuch, sich nicht in den eigenen Abgründen zu verlieren. McDonagh kämpft gegen seine Drogensucht, gegen alte Wettschulden, gegen das eigene, viel zu große Ego und eine fast schon pathologische Selbstüberschätzung, die ihn immer wieder in Bedrängnis bringt. Auch die überaus komplizierte Beziehung zu seiner Freundin Frankie (Eva Mendes), einer Edel-Prostituierten, für die er sich verantwortlich fühlt, erweist sich als emotionaler Stolperstein. Cages Lieutenant taumelt mehr, als dass er Herr über das Geschehen wäre. Ihm dabei zuzusehen ist trotz des düsteren Themas ungemein unterhaltsam. Vor allem weil Herzog dem 45-jährigen Oscar-Preisträger viele Freiheiten zugesteht und der es ihm sodann mit einer Mischung aus grandiosem Overacting und gespielten Wahnwitz dankt. Cages oftmals deplaziert wirkende Grimassieren scheint auf einen Film wie diesen nur gewartet zu haben.

Immer wieder verlässt Herzog zudem den Pfad üblicher Genrekost. Sei es wenn er nach einer heftigen Schießerei den soeben tödlich Getroffenen einen letzten Tanz aufführen oder McDonagh mit zwei Leguanen gedankenabwesend ins Nichts starren lässt. Die Tier-Metaphorik durchzieht Bad Lieutenant wie Herzogs gesamtes Oeuvre, was nicht zuletzt auch dazu beiträgt, dass seine Neuinterpretation von Ferraras Meisterstück jederzeit unverwechselbar bleibt. Statt auf Suspense und Action vertraut Regie-Veteran Herzog einer für die Sehgewohnheiten des Mainstreams sicherlich nicht immer leicht zugänglichen Mischung aus Sarkasmus und grotesken Brüchen in Ton und Atmosphäre. Gerade die letzte Viertelstunde arbeitet auf ein bemerkenswert mutiges Ende hin, das sich über die oftmals moralinsauren Gesetzmäßigkeiten des Thrillers mit sichtlicher Freude hinwegsetzt.

Für Programmkino.de.

Freitag, Februar 19, 2010

Book of Eli - Aufbruch ins Ungewisse


USA 2010

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Nach acht Jahren der Leinwandabstinenz kehren die Brüder Allen und Albert Hughes (From Hell) mit einem düsteren, an klassische Western angelehnten Endzeitthriller zurück. Superstar Denzel Washington gibt darin den wortkargen, mythischen Helden, der eine ganz besondere Mission zu erfüllen hat: Mit seinem Leben beschützt er ein geheimnisvolles Buch, dessen Worte alles verändern können. Weiter auf Koeln.de.

Mittwoch, Februar 17, 2010

In meinem Himmel - Viel Lärm um (fast) Nichts


USA/GB/NZL 2009

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Peter Jackson schießt bei Kitsch und Pathos gerne über das Ziel hinaus. Was in einer gigantischen Fantasy-Welt wie Mittelerde oder in einem Film über einen einsamen Riesenaffen jedoch nicht weiter auffällt oder stört, wird in einer kleineren, intimeren Geschichte schnell zum entscheidenden Stolperstein. Den Beweis tritt Jackson nun mit der ambitionierten Romanverfilmung In meinem Himmel an. Diese schildert die Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen Mädchens in einer Kleinstadt in Pennsylvania zu Beginn der 1970er Jahre.

Susie (Saoirso Ronan) ist ein ganz normaler Teenager. Sie kabbelt sich mit ihren Eltern (Mark Wahlberg, Rachel Weisz) mitunter über Kleinigkeiten und ist von deren Ansichten auch schon mal genervt. Und sie ist verliebt – in einen Jungen aus der Oberstufe. Doch noch ehe die schüchterne Romanze überhaupt beginnen kann, widerfährt Susie unvorstellbar Schreckliches. Auf ihrem Nachhauseweg von der Schule wird sie von einem Nachbar angesprochen und in ein unterirdisches Versteck gelockt. Als sie bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt und sie wieder gehen will, ist es bereits zu spät.

Die Eltern alarmieren in Sorge um ihre Tochter noch am selben Abend die Polizei. Aber auch die Ermittler finden auf dem nahegelegenen Maisfeld nur einige Kleidungsstücke und Blut. Susie indes bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Es vergehen Wochen und Monate, in denen die Familie allmählich versucht, den Gedanken an Susies Tod zuzulassen. Vor allem der Vater will und kann sich mit der Situation jedoch nicht abfinden. Er sucht nach Anhaltspunkten und Indizien, wer seine Tochter umgebracht haben könnte. Die Mutter verlässt schließlich das mit unzähligen Erinnerungen an Susie verbundene Zuhause - nichtahnend, dass der Mörder die ganze Zeit in der unmittelbaren Nachbarschaft lebte.

Die Geschehnisse in der Familie, ihr Umgang mit Verlust und Trauer, bilden gleichwohl nur einen von zwei elementaren Handlungssträngen. Der andere führt uns ins Reich des Übernatürlichen und Übersinnlichen. Im Film ist von einer Zwischenwelt die Rede, in der die Toten vor ihrer endgültigen Abreise in den Himmel einen nicht ganz freiwilligen Stopp einlegen. Von dort aus blickt auch Susie auf die Erde und ihre Familie herab. Bisweilen gelingt es ihr sogar, mit ihrem Vater oder ihren Geschwister Kontakt aufzunehmen.

Bei Peter Jackson ähnelt diese Zwischenwelt einem verkitschten Mix aus Herr der Ringe-Postkartenmotiven und dem Werbefernsehen der achtziger Jahre. Die goldenen Felder, die Susies Ankunft im „richtigen“ Himmel umrahmen, wecken gar Erinnerungen an einen legendären Spot für Malzkaffee. Fast meint man, Volker Lechtenbrink singen zu hören.

Der technische Aufwand, den die Installation dieses Paralleluniversums verschlungen hat, sieht man den Bildern zwar an, leider überdeckt die zuckersüße Künstlichkeit dieser Szenen jedes Gefühl für Susie und ihr tragisches Schicksal. Auch der Trauerprozess der Hinterbliebenen bleibt seltsam schematisch und emotionslos. Jeder verhält sich exakt so, wie man es nach den ersten Minuten von ihm erwarten konnte. Der Vater randaliert, die Mutter resigniert, die jüngere Schwester spekuliert (über die Identität des Mörders). Spannend oder interessant ist diese oberflächliche Sektion einer aus dem Gleichgewicht geratenen Familienidylle daher lediglich in Ansätzen. Zu allem Überfluss meint Jackson, das dunkle Grundgerüst bisweilen in eine groteske Komödie umbauen zu müssen. So ist Susan Sarandons Auftritt ein einziger plumper Comicrelief.

Stanley Tucci, der Susies Mörder verkörpert, interpretiert das zu Tode gefilmte Klischee vom biederen, unauffälligen Nachbar auf seine Weise. Hinter dem unvorteilhaften Kassengestell des handwerklich überaus begabten Saubermanns lauert ein Monster, das sich bei seinen tödlichen Streifzügen von nichts und niemandem aufhalten lässt. Die Genauigkeit und Präzision, mit der das Böse hier operiert, fasziniert und verstört zugleich. Völlig zu recht wurde Tucci für diese couragierte, uneitle Leistung erst kürzlich mit einer Oscar-Nominierung bedacht.

Auf diese mag auch Jackson geschielt haben. Doch dafür ist sein Film letztlich viel zu nichtssagend. Zudem trägt In meinem Himmel in jeder erdenklichen Hinsicht zu dick auf. Die schmachtenden Blicke zwischen Susie und ihrer großen Liebe gehören entweder in eine Daily Soap oder in eine High-School-Komödie aber gewiss nicht in einen ambitionierten Fantasy-Thriller. Gänzlich misslungen ist die visuelle Umsetzung der Zwischenwelt, die bis zum Schluss wie ein störender, weil unfreiwillig komischer Fremdkörper erscheint. Das vorliegende Ergebnis schmerzt aber besonders, wenn man weiß, dass Jackson nicht immer ein solch kühl kalkulierender Effekt-Gigantomane war. Mit der düsteren Coming-of-Age-Geschichte Heavenly Creatures gelang ihm ein Meisterstück, das die Gefühlswelt seiner jugendlichen Protagonisten nicht in fantasielose Märchenbilder übersetzte. Bleibt zu hoffen, dass er zu dieser Form eines Tages wieder zurückfindet.

Für BlairWitch.de.

Freitag, Februar 12, 2010

Wolfman - Der will doch nur spielen!


USA 2010

+1/2

Der Werwolf zählt zweifellos zu den ältesten und bis heute populärsten Horror-Mythen. Neben Dracula, Frankenstein und der Mumie ist ihm ein Platz in der Ahnengalerie des Gruselkinos längst gewiss. Vor allem aber erstaunt wie unterschiedlich Filmregisseure seine Figur und den auf ihm lastenden Fluch interpretiert haben. Der Schwarz-Weiß-Klassiker Der Wolfsmensch aus dem Jahr 1941 mit Lon Cheney Jr. in der Hauptrolle betonte die tragische Dimension der bis in die griechische Mythologie zurückreichenden Geschichte. In den achtziger Jahren ergänzte Horror-Veteran John Landis die Werwolf-Idee um ein komödiantisches Element, wohingegen Jack Nicholson in Wolf insbesondere die animalische Erotik des Wolfsmenschen verkörperte.

Nachdem sich das Horror-Genre zuletzt an anderen Kreaturen austobte, scheint nach Meinung von Universal die Zeit für ein Reboot der Werwolf-Story gekommen zu sein. Den Vampir als neuen Superstar des Gruselkinos wird der zottelige Hybrid aus Wolf und Mensch damit jedoch kaum Paroli bieten können. Dafür fällt das von Action-Regisseur Joe Johnston (Jurassic Park III) inszenierte Horror-Spektakel in der Gesamtschau viel zu banal und leidenschaftslos aus.

Die Handlung der Neuauflage orientiert sich am Klassiker von 1941, wobei die beiden Autoren Andrew Kevin Walker und David Self durchaus in zentralen Punkten von der Vorlage abweichen. Der erfolgreiche Bühnenschauspieler Lawrence Talbot (Benicio Del Toro) kehrt Ende des 19. Jahrhunderts in seine englische Heimat Blackmoor zurück. Er will die Suche nach seinem vermissten Bruder unterstützen und trifft hierbei nach vielen Jahren erstmals wieder auf seinen herrschsüchtigen Vater (Sir Anthony Hopkins). Der Bruder wird indes bereits kurze Zeit später schrecklich entstellt aufgefunden, was in der Dorfbevölkerung die Angst vor einer unheimlichen Kreatur, die in den angrenzenden Wäldern ihr Unwesen treiben soll, weiter schürt. Auch Lawrence, der gemeinsam mit der Verlobten seines Bruders (Emily Blunt) dem düsteren Geheimnis auf die Spur kommen will, muss schließlich erkennen, dass die Schauermärchen auf eine grausame Art und Weise der Wahrheit entsprechen.

Wie bereits zu lesen war, bastelt Regisseur Joe Johnston für die spätere DVD-Auswertung längst an einem Director’s Cut. Nun mag man lange darüber spekulieren, welche Szenen der Schere zum Opfer gefallen sind, Fakt ist aber, dass sich zunächst nur die 102 Minuten der Kinofassung bewerten lassen. Und diese bietet leider nur eine mehr als mäßige Mixtur aus Actionsequenzen, altbekannter Horror-Ästhetik und wenig überzeugenden Vater-Sohn-Konflikten.

So unvermittelt wir in das Geschehen hineingeworfen werden - gerade die Einleitung wirkt überhastet und fantasielos -, liegt der Verdacht nahe, dass gleich zu Beginn radikal gekürzt wurde. Auch die holprigen Anschlüsse deuten auf ein Massaker im Schneideraum hin. Im weiteren Verlauf kann der Film seinen fahrigen Erzählrhythmus nie ablegen. Die meist kurzen Einschübe zwischen den einzelnen, recht redundanten Action-Tableaus - in der Regel handelt es sich um nächtliche Verfolgungsjagden durch Wald und Feld - erzeugen schnell Langeweile, wobei die hölzernen Dialoge mit ihrer pseudo-poetischen Symbolik (Beispiel: „Die Vergangenheit ist eine Wüste an Grausamkeiten!“) bestenfalls unbeabsichtigte Lacher ernten.

Unfreiwillig komisch ist überhaupt so manches an Wolfman. Das himmelschreiende Overacting der beiden Hauptdarsteller - immerhin zwei gestandene Schauspieler und noch dazu Oscar-Preisträger - gehört dazu. Was Del Toro und vor allem Hopkins hier abliefern, ist im Grunde ein Fall für die Abwrackprämie. In ihren lächerlichen Kostümen mühen sie sich an einem nie glaubhaften Vater-Sohn-Drama ab, das in dieser Ausführung Seichtheit mit Dramatik verwechselt. Geradezu fahrlässig geht der Film auch mit seinem übrigen Personal um. So werden in weiteren Rollen Geraldine Chaplin, Matrix-Bösewicht Hugo Weaving und die als Eyecandy besetzte Emily Blunt grundlos verheizt.

Da ist es nur logisch, dass sich Wolfman zu keiner Zeit ernsthaft für das Seelenleben seiner Figuren interessiert. Stattdessen hetzt der Film von einer Action-Sequenz zur nächsten, untermalt von einem generischen Blockbuster-Score, der angeblich von Tim Burtons Stammkomponist, dem großartigen Danny Elfman, stammen soll. Johnstons Kinoversion arbeitet zudem mit einer erschreckend einfallslosen Bildsprache. Diese setzt sich vorrangig aus nebeligen Landschaften (Nebel, immer wieder dieser Nebel!), schummerigem Licht und allerlei viktorianischem Einrichtungs-Chic zusammen. Eine eigene Handschrift lässt sich hier nicht herauslesen.

Zumindest einer erreicht dann aber doch Normalform. Make-up-Künstler Rick Baker zeichnete für die nicht am Computer entstandenen Elemente der Mensch-zu-Wolf-Verwandlung verantwortlich. Seine scheußlich-schönen Masken und Körperprothesen sind auch in Nahaufnahme ein echter Hingucker. Wenn man das nur von dem Film auch behaupten könnte.

Für BlairWitch.de.

Mittwoch, Februar 10, 2010

Valentinstag - Der Name ist Programm


USA 2010

++1/2

Kein Halloween ohne Horrorfilm, kein Valentinstag ohne romantische Komödie. Hollywood hat feste Prinzipien, wenn es darum geht, seine Produktionen zu timen. Schließlich soll der Zuschauer genau das bekommen, wonach er sich gerade sehnt. Und am Tag aller Verliebten ist das augenscheinlich eine Überdosis Kitsch. Weiterlesen auf Koeln.de.