Samstag, November 27, 2010

Fair Game - Schattenjagd


USA 2010

++1/2

Doug Liman (Die Bourne Identität) bleibt auch mit seiner neuen Arbeit Fair Game dem Milieu des Polit- und Spionagethrillers verbunden. Der auf wahren Ereignissen basierende Film schildert die Affäre um die vom Weißen Haus enttarnte CIA-Agentin Valerie Plame und manipulierte Beweise im Vorfeld des letzten Irak-Krieges. Überraschenderweise liegen die Qualitäten der Geschichte weniger im Politischen denn im Privaten. Weiterlesen auf Koeln.de.

Donnerstag, November 25, 2010

Saw 3D - Das Spiel ist aus


USA 2010

+1/2

„Ich will ein Spiel spielen!“ Es ist dieser Satz, den die Saw-Reihe in ihren inzwischen sieben Ausgaben am treffendsten beschreibt und der öfter als jeder andere zu hören war. Jigsaw, der Puzzlemörder mit ausgeprägtem Spieltrieb, ist längst Teil des Horrorolymps und eine Genreikone, die wie Freddy, Jason und Co. eine ganze Generation von Horrorfans fasziniert und begeistert. Seit mehreren Teilen verrichtet jedoch nicht mehr der Meister selbst sondern sein treuer Gehilfe Detective Mark Hoffmann (Costas Mandylor) die Drecksarbeit, schließlich weilt Jigsaw alias John (Tobin Bell) nicht mehr unter den Lebenden. Und auch Jigsaws Witwe Jill (Betsy Russell) mischte bei der Legendenbildung ihres Mannes zuletzt kräftig mit.

Der Horror des kunstvoll arrangierten Fallenstellens findet mit Saw 3D – Vollendung sein vorläufiges Finale. Die Betonung liegt hierbei auf „vorläufig“. Klar scheint nämlich, dass die Ankündigung der Produzenten, keinen weiteren Saw-Teil drehen zu wollen, nur bedingt glaubhaft ist, zumal sich der Film ein weiteres, unübersehbares Hintertürchen offen lässt. So eindeutig wie es der deutsche Beinamen suggeriert, biegt dieser Saw keineswegs auf seine Zielgerade ein. Zwar werden auch dieses Mal wieder einige offene Fragen der Fanbase beantwortet, die präsentierte Auflösung beinhaltet dann jedoch wiederum andere Fragezeichen. Vor diesem Hintergrund könnte die Story vermutlich ad finitum fortgeführt werden.

Der Übergang von Teil VI zu VII verläuft wie schon bei den Vorgängern fließend. Das am Ende von Teil VI begonnene Duell zwischen Jigsaws Schüler Detective Hoffmann und Jill wird hier nun weiterverfolgt und mit den Nachforschungen des internen Ermittlers Agent Gibson (Chad Donella) verknüpft. Dieser erhält von Jill wichtige Informationen über das geheime Doppelleben des in Wahrheit alles andere als gesetzestreuen Kollegen. Unterdessen muss sich ein zwielichtiger Selbsthilfeguru (Sean Patrick Flanery) durch ein neues Fallenlabyrinth kämpfen, bei dem zunächst seine Geschäftspartner und später auch seine Frau auf eine Rettung in buchstäblich letzter Sekunde hoffen.

Der Versuch, die zweigeteilte Erzählstruktur mit ihren eingestreuten Rückblenden bereits als Qualitätsmerkmal zu verkaufen, wird von Regisseur Kevin Greutert und seinem eingespielten Autorenteam Patrick Melton und Marcus Dunstan dieses Mal nur noch halbherzig unternommen. Im Grunde wissen alle Beteiligten, dass man den Jigsaw-Spuk viel früher hätte beenden müssen und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Abnutzungserscheinungen vergleichweise gering und die Plausibilität des Folterszenarios noch weitgehend intakt war. Nach dem genialen weil wirklich originellen Auftakt produziert sich die Reihe ohnehin vor allem als sadistische Incredible-Machine-Variante, bei der Menschen wie Laborratten eingesetzt werden. Das ist mal mehr und mal weniger unterhaltsam.

Während man mit Dr. Lawrence Gordon seinerzeit mitfieberte und sich fragte, wie dieser Albtraum für ihn wohl ausgehen wird, sind Jigsaws Opfer in Teil VII entweder unsympathische Hochstapler, geldgeile Karrieristen oder glatzköpfige Faschos, über die man so gut wie nichts erfährt. Folglich lässt einen das Leiden der menschlichen Versuchskaninchen relativ kalt. Selbst dem Bauprinzip der meist tödlichen Fallkonstruktionen ist ihr Verschleiß anzumerken. Mit Ausnahme der bereits in der Eingangssequenz zum Einsatz kommenden Dreifachsäge, deren recht geringer Blutzoll echte Gorehounds aber wohl kaum zufrieden stellen dürfte, zeichnen sich die Folterapparaturen eher durch ihre leidenschaftslose Bauweise aus. Schmerzlich vermisst werden nicht zuletzt psychologische Fallstricke, über die potenzielle Opfer stolpern könnten. Jigsaws verquerer Lehrauftrag eines falsch verstandenen „Carpe Diem“ bleibt hier nur eine schwach motivierte Behauptung.

Der größte Schwachpunkt von Teil VII steckt allerdings ganz woanders. Dass die Macher auf den 3D-Zug aufgesprungen sind und ihren Film schon in den ziemlich peinlichen US-Trailern als das ultimative 3D-Erlebnis anpreisen, kann man Vollendung wirklich übel nehmen. Anders als bei Alexandre Ajas spaßigem Piranha-Remake ist die dritte Dimension in dieser Ausgestaltung komplett überflüssig und verzichtbar. Das Gimmick der räumlichen Wahrnehmung beschränkt sich auf einige herumfliegende Körperteile und Blutspritzer, was den Verdacht erhärtet, dass das 3D-Etikett hauptsächlich als Vorwand für höhere Ticketpreise benutzt werden soll. Für die Reihe markiert Vollendung hoffentlich nicht nur deshalb den längst überfälligen Schlusspunkt. Das Spiel ist aus. Endgültig.

Erschienen bei BlairWitch.de.

Donnerstag, November 18, 2010

Miral - Lindenstraßenkino


F/I/ISR/IND 2010

++

Julian Schnabels neuer Film trägt den Namen einer roten Wüstenblume und erzählt dabei von zwei Frauen, die auf unterschiedlichen Wegen in den alten Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser hineingezogen werden. Als Plädoyer für Frieden und Gewaltlosigkeit will das New Yorker Multitalent seine Arbeit verstanden wissen.
In den Hauptrollen agieren u.a. Freida Pinto (Slumdog Millionär) und Hiam Abbas (Die syrische Braut).

Filmkritik:

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser scheint ein fortwährender. Bis heute scheiterte jeder Versuch, eine Friedenslösung zu etablieren. Vor der Kulisse dieser traurigen, wenig ermutigenden Realität formuliert Miral gleichwohl eine Geschichte voller Hoffnung oder – wie es Regisseur Julian Schnabel etwas überhöht ausdrückt – einen unmissverständlichen Ruf nach Frieden. Dabei handelt der auf einem Roman der palästinensischen Journalistin Rula Jebreal basierende Film eigentlich von zwei Frauen, deren Wege das Schicksal eines Tages zusammenführte. Eine davon, Miral (Freida Pinto), kommt nach dem tragischen Selbstmord ihrer Mutter in das berühmte Waisenhaus Dar-Al-Tifl in Ostjerusalem. Dort genießt sie anders als viele ihre Altersgenossen eine gute Ausbildung und Erziehung. Geleitet wird die Schule von der resoluten, sich aufopferungsvoll für die Belange der Kinder einsetzenden Hind Husseini (Hiam Abbas). Für sie behalten Menschlichkeit und Gewaltfreiheit auch in Zeiten des Krieges ihre Gültigkeit.

Schnabel beginnt seine Erzählung bei der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948. Wir lernen Hind als junge, engagierte Frau und Anwältin für die Rechte ihrer Schützlinge kennen, die sich auch von Autoritäten keinesfalls einschüchtern lässt. Miral ist zunächst ihr Film. Später dann wechselt Schnabel die Perspektive und beleuchtet das Leben von Mirals Eltern (Yasmine Al Masri, Alexander Siddig) und das ihrer Tante (Ruba Blal). Erst in der zweiten Hälfte fällt der Fokus auf die von Slumdog Millionaire-Star Freida Pinto verkörperte Titelfigur. Kurz vor Ausbruch der ersten Intifada lernt Miral ihren Freund Hani (Omar Metwally) kennen, der sie mit radikalen Ideen in Kontakt bringt. So unterstützt er als Mitglied der PLO aktiv den gewaltsamen Kampf der Palästinenser. Miral kann er schließlich zu einer folgenschweren Dummheit überreden.

Angekündigt als Schnabels „bislang persönlichster Film“ trägt Miral erkennbar die Handschrift des New Yorker Multitalents. Wie schon in Schmetterling und Taucherglocke nimmt das Spiel mit Licht, unterschiedlichen Schärfen und Farben weiten Raum ein. Die gewollte Abkehr von einer allzu dokumentarischen Darstellung gleicht Schnabel indes mit wiederkehrenden Archivaufnahmen des Israel-Palästina-Konflikts aus. Der historische Kontext ist von der ersten Einstellung als unüberhörbares Hintergrundrauschen präsent und untrennbar mit Mirals persönlichem Schicksal verwoben. Ihre Beziehung zum PLO-Aktivisten Hani bleibt jedoch in ihrer Darstellung recht oberflächlich, weshalb sich manche von Mirals späteren Entscheidungen nur sehr bedingt nachvollziehen lassen. Ohnehin leidet der Film etwas unter seinem Perspektivwechsel. Verglichen mit der jungen Miral ist deren selbstbewusste Förderin Hind nämlich die weitaus interessantere Figur.

Jebreals teils autobiographischer Roman orientiert sich an wahren Ereignissen und realen Vorbildern. Ihre Sicht ist die der Palästinenser, was sich so auch in Schnabels Film wiederfindet, der all denen gewidmet ist, die noch an ein friedliches Zusammenleben beider Kulturen glauben. Trotz diesem scheinbar salomonischen Bekenntnis bezieht Miral unmissverständlich Stellung. Schnabel, der Sohn jüdischer Eltern, betont die Forderungen und Anliegen der palästinensischen Seite mit Verve und Patina. Inwieweit bei der doch recht einseitigen Schilderung auch eine Rolle spielte, dass der Regisseur und seine Autorin liiert sind, lässt sich nicht genau sagen. Mit der Zuspitzung der dramatischen Umbrüche in Mirals Leben, seinen voran gestellten Erklärungen zur politischen Lage und abschließenden Kommentaren tappt Schnabel letztlich in die Falle eines agitierenden Gutmenschenfilms.

Veröffentlicht unter Programmkino.de.

Samstag, November 13, 2010

Einfach zu haben - Gossip Girl


USA 2010

+++1/2

Vorsicht! Was sich zunächst nach einer gewöhnlichen Highschool-Klamotte anhört, entpuppt sich als schwer unterhaltsame Satire auf religiöse Frömmlerei, Bigotterie und das so menschliche Verlangen nach Klatsch und Tratsch. Hauptdarstellerin Emma Stone steigt nach dieser Rolle zudem endgültig in die A-Liga von Hollywoods Jungstars auf. Zur Kritik auf Koeln.de.

Mittwoch, November 10, 2010

Somehere - Lost in Being Famous


USA 2010

++1/2

Seit Lost in Translation gilt Sofia Coppola als Meisterin des leisen Gefühls und der Melancholie. Für ihr neues Projekt Somewhere tauscht die Oscar-Preisträgerin die Neonlichter der japanischen Metropole Tokio gegen das luxuriöse Hotel Chateau Marmont am weltberühmten Sunset Boulevard ein. Dort hat sich ein vom Leben gelangweilter Hollywood-Star einquartiert, der vom Besuch seiner 11-jährigen Tochter aus seiner dekadenten Lethargie gerissen wird. Bei den Filmfestspielen von Venedig wurde Coppolas Sinnsuche unlängst mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet.

Filmkritik:

Sofia Coppola scheinen es Hotels als Bühne ihrer Geschichten über Einsamkeit und Entfremdung angetan zu haben. Es sind Orte, an denen sich Menschen meist für nur wenige Tage oder Wochen aufhalten, wo sie ihren stressigen Alltag vergessen oder wo ihr Beruf sie hinführt. Für den gefeierten Hollywood-Superstar Johnny Marco (Stephen Dorff) ist das legendäre Hotel Chateau Marmont am Sunset Boulevard jedoch inzwischen mehr als nur eine Durchgangsstation. Er lebt dort in einer luxuriösen Suite, umgeben von fleißigen, meist unsichtbaren Helfern. Auf den ersten Blick ist es ein sorgenfreies Leben voller Luxus, um das man ihn beneiden möchte.

Da wir uns jedoch in einem Film von Sofia Coppola befinden, hält die schicke Fassade auch in diesem Fall einer näheren Betrachtung nicht stand. Johnny ist vielmehr gefangen in einem monotonen Alltag, aus dem ihm selbst sein teurer Ferrari und flüchtige Bettbekanntschaften nicht ausbrechen lassen. Beides scheint ohnehin mehr Teil des Problems als Teil einer möglichen Lösung. Allein die unregelmäßigen Besuche seiner 11-jährigen Tochter Cleo (Elle Fanning) aus einer gescheiterten Ehe lassen ihn die dekadente Tristesse seines Hotellebens kurzzeitig vergessen. Als Cleos Mutter für unbestimmte Zeit verreisen muss, soll Johnny auf seine Tochter aufpassen. Das erste Mal seit sehr langer Zeit verbringen beide mehr als nur einige Stunden zusammen.

Coppola begleitet Vater und Tochter bei ihrer zaghaften Annäherung, aus der – das ist kein Geheimnis – bei Johnny allmählich ein Bewusstseinswandel erwächst. Wie schon in Lost in Translation kommt es auch in „Somewhere“ zu einer Kollision zweier Leben – weniger aus Zufall denn aus einer simplen Notwendigkeit. Am Ende, wenn sich die Wege der beiden wieder trennen, ist Johnny nicht länger der gelangweilte Hollywoodstar, als den wir ihn noch kennengelernt haben. Diese Form der inneren Läuterung erfuhr bereits Bill Murrays Figur in Coppolas zarter Tokio-Romanze, was sie in ihrer Wiederholung umso vorhersehbarer macht. Ohnehin wirkt der Film bisweilen wie Coppolas eigenes Remake ihres Oscar-Erfolgs. Auch hier bleibt die Kamera zumeist ein Beobachter scheinbar banaler Alltagserlebnisse. Mal wird ein Videospiel gezockt, dann zusammen gefrühstückt oder im Pool herumgealbert. Einen Kontrast bilden lediglich Johnnys Ausflüge in die von Coppola als absurden Zirkus enttarnte Welt des Showgeschäfts.

Es ist zugleich ein Mikrokosmos, den die Tochter von Regie-Legende Francis Ford Coppola aus eigener Anschauung nur zu genau kennt. Zu den komischen Höhepunkten zählt Johnnys Auftritt bei einer komplett sinnfreien Preisverleihung im italienischen Fernsehen. Auch dabei handelt es sich wiederum um die Spiegelung einer Lost in Translation-Episode, was letztlich die Frage aufwirft, inwieweit hier eine Regisseurin lediglich versucht, ihr bewährtes Erfolgsrezept zu kopieren. Für ihren letzten, zumindest formal durchaus experimentellen Geschichts-Popkultur-Mix Marie Antoinette hatte sie viel (unberechtigte) Kritik und Häme einstecken müssen. Ihr Mut, ein filmisches Wagnis einzugehen, wurde nicht belohnt, was die Rückbesinnung auf Altbewährtes erklärt.

Somewhere leidet über Gebühr unter dem Vergleich mit seinem Vorvorgänger, der wie ein unsichtbarer Zwilling stets präsent ist. Das ist bedauerlich, schließlich ist Coppolas neueste Arbeit das Gegenteil eines misslungenen Films. Immer wieder gibt es in den elegant gefilmten Hotelimpressionen Spannendes zu entdecken. Die intimen Szenen zwischen Vater und Tochter gehören dazu und bilden gewissermaßen das Herzstück dieser melancholischen, kleinen Sinnsuche, in der bereits ein Eis ausreicht, um selbiges zum Schmelzen zu bringen.

Für Programmkino.de.

Sonntag, November 07, 2010

Stichtag - Two and a Half Men


USA 2010

++1/2

Vom Regisseur der Erfolgskomödie „Hangover“ kommt dieser unterhaltsame Road Trip, bei dem sich Robert Downey jr. und Zach Galifianakis als Schicksalsgemeinschaft nicht nur ein Auto sondern auch manch absurden Moment teilen. Weiter auf Koeln.de.

Mittwoch, November 03, 2010

Buried - Lebend begraben


USA/ESP/F 2010

+++1/2

Es klingt nach einem Albtraum. Für den Familienvater Paul Conroy (Ryan Reynolds) ist es hingegen mehr als das. Es ist urplötzlich seine Realität. Er wacht auf, gefesselt und geknebelt in einem Holzsarg, lebendig begraben, mehrere Meter unter der Erde. Wer ihm das angetan hat und warum, darüber kann Paul, der als Lastwagenfahrer für eine private Transportfirma im Irak arbeitet, zunächst nur spekulieren. Alles, woran er sich erinnern kann, ist, dass sein Konvoi aus dem Hinterhalt von Aufständischen attackiert wurde. Während die Angreifer die meisten seiner Kollegen erschossen, steckten sie ihn in eine beengte Kiste. Dabei überließen sie ihm ein Feuerzeug, eine Taschenlampe, einen Flachmann und ein Handy.

Damit ist das Szenario des unter anderem in Sundance mit viel Lob überhäuften Extrem-Thrillers des jungen spanischen Regisseurs Rodrigo Cortés dann auch bereits umrissen. Ein Mann, ein Sarg. Viel mehr gibt es hier im Laufe von 90 Minuten nicht zu sehen, schließlich verlässt die Kamera zu keiner Zeit das schätzungsweise 2,5x1 Meter große Gefängnis. Als Zuschauer ist man Paul so nahe wie nur irgendwie möglich. Man sieht die Schweißtropfen auf seiner Stirn und das Pulsieren seiner Halsschlagader. Sogar die Distanz zur Leinwand scheint nach wenigen Minuten nicht länger zu existieren. Kurzum: Der alte Werbeslogan vom „Mittendrin statt nur dabei“ scheint für Buried extra neu erfunden worden zu sein.

Cortés versteht sein in Echtzeit ablaufendes Gefangenen-Drama folglich weniger als Film im klassischen Sinn denn als eine – Zitat – „physische Sinneserfahrung“. Und die ist extremer und kompromissloser als die meisten sogenannten „Schocker“. Das minimalistische Setup mit seiner Konzentration auf einen einzigen Ort verlangte in der filmischen Umsetzung eine besondere Kreativität. Es ging darum, die Enge des Sarges plastisch einzufangen und gleichzeitig den Zuschauer über die gesamte Laufzeit trotz der monotonen Umgebung immer wieder neu zu überraschen und zu fesseln. Der Schlüssel hierzu liegt in keinen noch so ausgefeilten technische Gimmicks, ob man sich von der kleinen, fiesen Geschichte mitreißen lässt oder nicht, darüber entscheidet am Ende vor allem die Überzeugungskraft von Hauptdarsteller Ryan Reynolds.

Der Hollywood-Beau tritt hier als Alleinunterhalter auf. Seinen Job erledigt er dabei mit vollem Körpereinsatz. Die oftmals bis zu sechs Minuten langen Takes forderten vom ihm, immer wieder die Grenzen seiner schauspielerischen Fähigkeiten auszutesten. In Reynolds’ Gesicht spiegeln sich abwechselnd Todesangst, blanke Panik, Verzweiflung, Trauer aber auch Hoffnung und ein unbändiger Lebenswille. Alle Augen sind ständig auf ihn gerichtet und diese Bürde, die manch einen Schauspieler wohl überfordern würde, scheint ihn nur noch weiter anzuspornen. Es ist die mit weitem Abstand reifste Leistung seiner gesamten Karriere.

Die in Raum und Zeit maximal konzentrierte Geschichte verzeiht überdies keine Fehler. Umso beeindruckender ist das, was Buried im Zusammenspiel von Kamera, Licht, Musik und Reynolds’ Schauspielkunst da vor unseren Augen erschafft. Die bedrückende Stimmung, die einen selbst als Nicht-Klaustrophobiker früher oder später packt und die kein Film seit The Descent mehr derart perfekt eingefangen hat, potenziert sich mit jedem Atemzug, den Paul macht. Fast scheint es, als würde auch im Kino die Luft zunehmend dünner. Die Illusion des Eingeschlossenseins wird nur einmal durch einen unnötigen Zoom weg von Paul zerstört. Da sieht es kurzzeitig so aus, als sei sein Gefängnis kein beengter Sarg sondern ein langer Schacht. Es ist der einzige echte Ausrutscher, den sich Cortés leistet. Ansonsten mag man noch über manch naive Dialoggzeilen schmunzeln, wirklich ins Gewicht fallen diese jedoch nicht.

Auch wenn man sich anfangs kaum vorstellen kann, wie es Buried angesichts seiner beschränkten Gegebenheiten gelingen soll, über 90 Minuten zu fesseln, zeigt Cortés selbstbewusstes Psycho-Kammerspiel, dass genau das sehr wohl möglich ist. Gerade in den Augenblicken, in denen die Leinwand komplett schwarz bleibt und wir Paul lediglich laut atmen, fluchen oder weinen hören, erreicht der Film eine beunruhigende Intensität. Buried setzt seine Mittel ungemein sparsam und gerade deshalb so effektiv ein. Vor allem aber schärft er unsere Sinne wie kaum ein anderer Film in letzter Zeit. Da wird bereits ein vibrierendes Handy zu einem echten, adrenalintreibenden Folterwerkzeug.

Für BlairWitch.de.

Dienstag, November 02, 2010

Paranormal Activity 2 - Zurückgespult


USA 2010

++1/2

Kritik enthält mögliche Spoiler!

Wenn ein Film das schätzungsweise 13.000-fache seiner Produktionskosten einspielt, dann klingt das nicht nur rekordverdächtig, es ist auch ein treffsicheres Indiz dafür, dass eine Fortsetzung nicht lange auf sich warten lassen dürfte. Der vor rund einem Jahr mit viel Mundpropaganda lancierte Heimterrorschocker Paranormal Activity bekommt nun ein Prequel verpasst, bei dem die Vorgeschichte des ungewöhnliches Spuks näher beleuchtet wird. Dieses Mal ist es Katies Schwester Kristi und deren Familie, die von einem unsichtbaren Dämon heimgesucht wird. Die Ereignisse im Hause der Reys finden dabei nur wenige Wochen vor den Ereignissen des ersten Teils statt, in dem insbesondere Katies Verlobter Micah ein grausiges Schicksal ereilt. Am Ende des Prequels verschmelzen beide Filme sogar in einer durchaus beängstigenden Sequenz.

Grundsätzlich verlässt sich Regisseur Tod Williams auf den bewährten, von Oren Peli seinerzeit mit minimalem Budget umgesetzten Spannungsaufbau aus Teil 1. Das Tempo ist wiederum eher gemächlich und bis wirklich etwas Nennenswertes respektive Beunruhigendes geschieht, muss man schon einiges an Geduld investieren. Insofern bietet Paranormal Activity 2 auch abseits aller stilistischen Unterschiede einen interessanten Gegenentwurf zu dem rasanten, von Musik- und Videoclips beeinflussten Rhythmus anderer Horrorproduktionen.

Der Schrecken, den die Reys erleben, beginnt schleichend und mutet zunächst recht harmlos an. Ein sich scheinbar wie von Geisterhand bewegendes Mobilee, eine Tür, die ohne erkennbaren Grund zufällt, oder eine Pfanne, die sich aus ihrer Halterung löst, die ersten Anzeichen für die Anwesenheit einer unsichtbaren Gefahr sind ziemlich banal. Aber natürlich bleibt es nicht bei solchen Kuschelattacken. Je länger die paranormale Invasion andauert, desto bedrohlicher erscheint sie. Die Steigerung des Terrors ist schließlich das dramaturgische Leitmotiv eines jeden effektiven Horrorfilms. Was uns Williams hier im Verlauf von knapp 90 Minuten vorsetzt, entpuppt sich am Ende nur als eine weitere Bestätigung dieser einfachen Regel.

Filmten sich Katie und Micah bei ihren Begegnungen mit den übersinnlichen Aktivitäten noch selbst, so fährt das Prequel zumindest in dieser Hinsicht doch merklich größere Geschütze auf. Die Familie installiert nach einer unerklärlichen Verwüstung des halben Hauses ein leistungsfähiges Videoüberwachungssystem, das mit Ausnahme des Kellers so ziemlich jeden Winkel erfasst. Ergänzt werden die statischen Aufnahmen der Sechsfachüberwachung um die aus Teil 1 und seit Blair Witch-Zeiten beliebten Handkamera-Takes. Für diese fehlt bisweilen jedoch eine glaubwürdige Motivation. Wenn sich die Tochter dabei filmt, wie sie im Internet nach Dämonen und anderen finsteren Gestalten googelt, kann der Eindruck entstehen, die Szenen dienten vor allem als Füllmaterial. Das Wagnis, die Geschichte konsequent nur aus der Big-Brother-Perspektive zu erzählen, wollte man ganz offenbar nicht eingehen.

Dabei zieht Paranormal Activity 2 gerade aus den redundanten Videoaufnahmen die größte Schockwirkung und Unruhe. Die beschränkte Topographie – diese besteht im Wesentlichen aus dem Babyzimmer, dem Wohn- und Essbereich, dem Garten samt Swimming Pool sowie der Eingangstür und der Treppe in den ersten Stock – ist uns nach spätestens einer halben Stunde bestens vertraut, weshalb wir uns schon bald auf Details konzentrieren und währenddessen mehr als einmal eiskalt überrascht werden. Die Monotonie der Bilder mitsamt ihrer strengen Kadrierung wirkt wie Verstärker, der bereits vorhandene Ängste potenziert und durchaus geschickt mit den Erwartungen an das, was als nächstes passieren könnte, spielt. Leider nur werden diese Augenblicke immer wieder von störendem Handkamera-Gewackel und langweiligen Familiendebatten unterbrochen.

Interessanter als die Funktionsweise der hier vollführten Etablierung von Suspense und Horror – beides folgt im Wesentlichen dem bekannten Eskalationsschema bei gleichzeitig schleichendem Kontrollverlust –, ist die Rezeption des Films. Das bei der Preview anwesende, recht jugendliche Publikum reagierte auf den Film zunächst mit sichtlicher Ungeduld. Später dann kippte die Teilnahmslosigkeit in ein recht lautstarkes Gekreische und Gelächter. Letzteres mag zum Teil manch unfreiwillig komischen Reaktionen der Figuren geschuldet sein, zum Teil lacht man hier sicherlich auch über sich selbst und dass man sich doch so leicht manipulieren lässt. Wie der Lenker einer Geisterbahn, drückt Williams zur rechten Zeit eben die richtigen Knöpfe. Das ist mehr Handwerk als Kunst und will doch gelernt sein.

Erschienen bei BlairWitch.de.