Montag, Dezember 29, 2008

Die Reise des chinesischen Trommlers


D/HK/TWN 2007

++1/2

Der rebellische Sohn eines Gangsterbosses findet über meditatives Musizieren zu sich selbst. Die titelgebende Reise dieses fernöstlichen Dramas ist vor allem eine innere. Weiter geht's auf Critic.de.

Donnerstag, Dezember 25, 2008

Das Jahr im Kino - Meine Top 10 des Jahres 2008


Brügge sehen…und sterben?
Der britische Gangster-Film hat mehr als Guy Ritchie zu bieten. Regisseur und Autor Martin McDonough beweist, dass selbst dieses Genre noch Überraschungen bereit hält. Seine intelligente Profikiller-Therapiestunde vor malerischer Kulisse zeigt Colin Farrell in Höchstform.

The Dark Knight
Nolan macht da weiter, wo er in Batman Begins aufgehört hat. Blockbusterkino mit politischem Subtext, das zeigt, wie Unterhaltung und Anspruch Hand in Hand gehen können. Wen das noch nicht überzeugt, dem reichen vielleicht zwei Worte: Heath Ledger.

Gomorrha
Ein Mafiafilm, der mit allen Klischees bricht. Gomorrha nähert sich mit einem distanzierten, fast schon nüchternen Blick dem Krebsgeschwür der organisierten Kriminalität und ist gerade deshalb so effektiv und schockierend.

No Country for Old Men
Nihilismus at its best! Der Oscar-Abräumer 2008 schickt den Zuschauer auf eine düstere Odyssee, an dessen Ende ein großes, schwarzes Loch alles verschlingt. Erbarmungsloses Kino der Coen-Brüder.

Once
Ein Musical, das viele Vorurteile über Musicals ad absurdum führt. Diese kleine irische Festivalüberraschung punktet mit Authentizität und Intimität. Die Songwriter-Popsongs gehen dazu direkt ins Herz, wo sie wie der gesamte Film noch lange nachwirken.

Paranoid Park
Amerikanische Jugendkultur (hier: die Skater-Szene) fängt niemand so elegant wie Gus Van Sant ein. Seine stilvoll fotografierte Arbeit versucht sich an einer filmischen Rekonstruktion der Adoleszenz – mit Erfolg.

Schmetterling und Taucherglocke
Erschütternd, bewegend, hoffnungsvoll. Julian Schnabels Porträt der letzten Wochen im Leben des Modejournalisten Jean-Dominique Bauby lässt einen tief bewegt zurück. Die großartige Kamera von Janusz Kaminski ist der heimliche Star des Films.

So finster die Nacht
Dieser schwedische Vertreter des Vampir-Genres liefert die überzeugendste Coming-of-Age-Story des Jahres. Mit zwei herausragenden Jungdarstellern und einem besonderen Gespür für kindliche Befindlichkeiten erobert diese Romanverfilmung das Herz des Zuschauers.

Sweeney Todd
Tim Burtons Kino-Adaption des düsteren Rache-Musicals von Stephen Sondheim ist ein Fest für die Sinne. Verschwenderisch ausgestattet und mit einer Auswahl äußerst eingängiger Songs entpuppt sich Sweeney Todd als Antithese zum verkitschten Musical-Genre.

Wall-e
Keine Jahrescharts ohne ein neues Pixar-Abenteuer! Die Geschichte um den kleinen Müllsammler Wall-e bietet revolutionäre Animationen und magische Momente en masse!

Weitere Highlights 2008: Bank Job, Michael Clayton, Lars und die Frauen, Tödliche Entscheidung, Leg Dich nicht mit Zohan an, 13 Tzameti, [Rec], Im Winter ein Jahr, Burn after Reading und Juno.

Dienstag, Dezember 23, 2008

So finster die Nacht - Freaks


SCHW 2008

+++1/2

Mein Nachbar, der Vampir. Bereits auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest erntete der schwedische So finster die Nacht begeisterte Publikumsreaktionen. Die Verfilmung eines Romans von John Ajvide Lindqvist vollzieht den Spagat zwischen zwei Genres, zwischen Vampir-Story und Coming-of-Age-Drama. Dabei nahm sich Regisseur Tomas Alfredson viel Zeit für seine jugendlichen Protagonisten, um deren Seelenleben und Befindlichkeiten sein Film vornehmlich kreist.

Filmkritik:

Der schwedische Winter verdient noch diese Bezeichnung. Im hohen Norden sind nicht nur die Nächte um diese Jahreszeit kalt und lang, auch tagsüber bleibt es zumeist frostig und trist. Der zwölfjährige Oskar (Kåre Hedebrant) ist in dieser Umgebung aufgewachsen. Als Scheidungskind lebt er zusammen mit seiner Mutter in einer trostlosen Mietsiedlung. Oskars Probleme unterscheiden sich nicht wesentlich von denen anderer Heranwachsender. Er fühlt sich oft unverstanden und alleine. Hinzu kommt, dass ihn Mitschüler fortlaufend schikanieren und verspotten. Nur zu gerne würde er einmal zurückschlagen, allerdings fehlte ihm dazu bislang immer der Mut.

Das ändert sich, als Eli (Lina Leandersson) in die Nachbarwohnung einzieht. Das blasse Mädchen lebt zurückgezogen. Nur nachts verlässt sie für kurze Zeit das Haus. Der Grund dafür klingt im ersten Moment reichlich abenteuerlich: Eli ist ein Vampir. Doch davon ahnt Oskar nichts. Er sucht vielmehr ihre Nähe, vermutlich auch deshalb, weil sie ihn als einzige wirklich versteht. Es scheint fast so, als ob sich in der tief verschneiten schwedischen Provinz zwei „Freaks“ gesucht und gefunden haben. Und während Eli und Oskar sich allmählich näher kommen, werden die Probleme um sie herum immer größer und unkontrollierbarer.

Die Idee, eine Vampir-Geschichte mit einer klassischen Coming-of-Age-Thematik zu kreuzen, ist wahrlich originell. Dabei liegt ein solcher Ansatz eigentlich recht nahe, bedenkt man, dass in beiden Genres die Erforschung der eigenen Identität und die Probleme des Andersseins zentrale Motive darstellen. Regisseur Tomas Alfredson wagte sich nun an das genre-übergreifende Experiment. Sein Film fängt bereits mit den ersten Aufnahmen den rauen, spröden Charme des nordischen Winters ein, der zugleich die Stimmung der ruhig erzählten Außenseiter-Geschichte vorgibt. Überhaupt schlägt So finster die Nacht über die gesamte Laufzeit ein recht gemächliches Tempo an.

Dabei funktioniert der Film prächtig als Antithese zum action- und plot-getriebenen modernen Horrorkino. Die blutigen Intermezzi fallen kurz aber prägnant aus und auch die Gesetzmäßigkeiten der Vampir-Legende finden Beachtung. Gerade Elis Suche nach frischem Blut bleibt auf die Dauer nicht folgenlos. Garniert wird das alles mit einem trocknen, mitunter sehr schwarzen Humor, der manche Grausamkeit abmildert und bei dem man sich an andere skandinavische Filmemacher wie Anders Thomas Jensen erinnert fühlt.

Im Kern ist und bleibt So finster die Nacht jedoch ein Film über das Erwachsenwerden in einer aus Sicht der Kinder unübersichtlichen und bedrohlichen Welt. Oskar und Eli finden zueinander, weil sie anders sind und dieses Anderssein sie beide zu Außenseitern macht. Alfredson bewies mit der Wahl seiner jungen Hauptdarsteller ein gutes Händchen. Kåre Hedebrant und Lina Leandersson füllen ihre komplexen Rollen jederzeit glaubhaft aus. Insbesondere Leandersson beeindruckt mit ihrer sensiblen, zurückgenommenen Darstellung des Vampir-Mädchens Eli. Sie wirkt einerseits selbstbewusst, andererseits schüchtern und zerbrechlich. So finster die Nacht erzählt einer jener Geschichten, in die man zunächst Zeit und Geduld investieren muss, die einem dann aber umso mehr zurückzugeben haben.

Für Programmkino.de.

Samstag, Dezember 20, 2008

Australia - Kitsch mit Kalkül


USA 2008

++1/2

Mit dem Abenteuer-Epos Australia kehrt Filmemacher Baz Luhrmann (Moulin Rouge) nach sieben Jahren auf die Kinoleinwand zurück. Das ambitionierte Werk geizt nicht mit Schauwerten, Kitsch und Pathos. Dabei kann im Laufe von fast drei Stunden der Eindruck entstehen, Luhrmann habe sich womöglich zu viel zugemutet. So muss sich die Erzählung letztlich der Grandezza der Bilder beugen. Das mystisch aufgeladene Liebesdrama entpuppt sich als Zitatenschatz der Filmgeschichte und für seine beiden glänzend aufgelegten Hauptdarsteller darüber hinaus als echtes Heimspiel.

Filmkritik:

Der Zweite Weltkrieg liegt bereits wie ein dunkler Schatten über Europa, da reist die britische Aristokratin Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) ins ferne Australien. Dort will sie ihren Mann zu Rede stellen, von dem sie glaubt, dass er sie mit einer anderen Frau betrügt. Doch statt den Gatten stößt Sarah Down Under nur auf die unendliche Weite des Northern Territory, riesige Rinderherden, den raubeinigen Viehtreiber Drover (Hugh Jackman) und eine fast bankrotte Farm. Um den Zwangsverkauf des Anwesens an den mächtigen Viehbaron King Carney (Bryan Brown) zu verhindern, müssen sie und Drover rechtzeitig die eigene Herde bis in die weit entfernte Hafenstadt Darwin treiben. Auf ihrer abenteuerlichen Odyssee durch das australische Outback kommen sich Sarah und der Drover allmählich näher.

Mit ihrer Ankunft in Darwin fängt Australia eigentlich noch einmal von vorne an. Zumindest beginnt in diesem Moment ein zweiter Film, der sich doch deutlich von der romantisch eingefärbten Abenteuer-Geschichte der ersten anderthalb Stunden unterschiedet. Aus den Streithähnen wird erwartungsgemäß ein Liebespaar und aus dem Paar bald eine Patchwork-Familie, als sich Sarah der Fürsorge und Obhut des heimatlosen Aborigine-Jungen Nullah (Brandon Walters) annimmt. Nullah ist ein Mischlingskind. Seine Mutter war eine Aborigine, sein Vater ein Weißer. Kinder wie Nullah fanden sich seinerzeit als Außenseiter in einer von Rassismus infiltrierten Gesellschaft wieder. Von Staatswegen wurden sie ihren Familien entrissen und in Umerziehungshäuser verbracht. An dieser rassistischen Politik und dem Krieg, der schließlich auch Australien erreicht, droht das familiäre Glück zu zerbrechen.

Regisseur Baz Luhrmann, dem das Projekt in seinem Heimatland eine Herzensangelegenheit war, fährt von Beginn an die größten nur denkbaren Geschütze auf. Schließlich soll sein erster Film nach sieben Jahren Kino-Abstinenz an die alten Erfolge der „Red Curtain“-Trilogie anknüpfen und dabei Klassiker der Filmgeschichte wie Vom Winde verweht und Jenseits von Afrika zitieren. Es fällt schwer, sich nicht in den unverwechselbaren Charme des australischen Outbacks zu verlieben, derart verführerisch fängt Luhrmann die raue Schönheit dieser Landschaft in immer wiederkehrenden epischen Panoramaaufnahmen ein. An der gleichsam verschwenderischen Ausstattung und dem hohen technischen Standard der meisten Computeranimationen mag mancher sich überhaupt nicht mehr satt sehen. Und sogar wenn einem bewusst ist, dass beispielsweise die Rinderherde zuweilen nur aus unzähligen digitalen Pixeln besteht, gelingen Luhrmann eindrucksvolle Bilder und unvergessliche Momente.

Im Grunde beschwört Luhrmann mit Australia über die gesamten 166 Minuten die sanfte Macht des Kinos, von der bis heute eine ungebrochene Faszination ausgeht. Nicht nur „Somewhere over the Rainbow“, das Lied aus Der Zauberer von Oz, findet sich bei Luhrmann als prominentes musikalisches Leitmotiv wieder, auch die Western eines Sergio Leone und die Epen eines David Lean werden ausgiebig zitiert. Dass bei einem derartigen cineastischen Rundumschlag mitunter die eigentliche Geschichte in den Hintergrund tritt, war fast zu erwarten. Ohnehin wirft der zweigeteilte Plot einige Fragen auf. Insbesondere an den mystischen und oftmals klischeehaften Einsprengsel der Aborigine-Kultur – in Person des allgegenwärtigen und scheinbar allwissenden Stammeszauberers King George (David Gulpilil) – zeigt sich, dass Luhrmann seinen Film keinesfalls als realistische Zeitreise verstanden wissen will.

Australia, das ist ein ganz bewusstes „zu viel“ in nahezu jeder Einstellung. Wie schon in Moulin Rouge überspannt Luhrmann auch dieses Mal den Bogen, wenn er zu bombastisch-schmalzigen Klängen jede Zurückhaltung aufgibt. Besonders zum Ende hin ertrinkt die Handlung in Kitsch und Pathos. Nicole Kidman und Hugh Jackman, die zunächst Katharine Hepburn und Humphrey Bogart nacheifern und später Scarlett O’Hara und Rhett Buttler immer ähnlicher werden, kann aber selbst das nicht aus der Bahn werfen. Sie füllen ihre Rollen mit Leichtigkeit und einer sympathischen, weil selbstironischen Distanz. Kitsch als filmisches Credo. Für Baz Luhrmann scheint das nach Australia eine treffende Umschreibung seiner Arbeit.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, Dezember 17, 2008

Kinostarts 18.12. - Lakeview Terrace und O'Horten

Am kommenden Donnerstag starten mit dem Nachbarschafts-Thriller Lakeview Terrace (++1/2) und dem norwegischen O'Horten (+++) zwei mehr oder weniger empfehlenswerte Filme, zu denen ich in der aktuellen Deadline Texte verfasst habe.

Für Melancholiker und Freunde des skandinavischen Kinos sollte sich Bent Hamers leise Tragikomödie als lohnenswert erweisen.

Sonntag, Dezember 07, 2008

Transsiberian - Die Fremden im Zug


UK/ESP/D/LIT 2008

+++

Zugfahrten haben heutzutage, im Zeitalter des Billig-Fliegers, etwas Nostalgisches an sich. Dabei eignen sich legendäre Routen wie die des Orient-Express mit ihrem geheimnisvollen Nimbus bestens als Bühne schauriger Kammerspiele. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit der rund 9000 km langen Strecke, auf der die Transsibirische Eisenbahn zwischen Moskau und Wladiwostok verkehrt. Brad Anderson, der Christian Bale in seinem letzten Film Der Maschinist bis auf die Knochen abmagern ließ, verbindet seit einer Reise mit der Transsib eine ganz besondere Beziehung mit der wohl berühmtesten Eisenbahnstrecke der Welt. Das Ergebnis seiner Beobachtungen trägt den Titel Transsiberian und ist ein im positiven Sinn altmodischer Thriller.

Nachdem sie für eine christliche Kirche in Peking an einem Hilfsprojekt teilnahmen, entscheiden sich Roy (Woody Harrelson) und Jessie (Emily Mortimer) mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück nach Moskau und von da aus in den USA zu reisen. Schon bald machen sie dabei die Bekanntschaft eines anderen Paares. Carlos (Eduardo Noriega) und Abby (Kate Mara) sind zwei erfahrene Globetrotter, die Roy und Jessie den einen oder anderen nützlichen Tipp geben können. Dennoch kommt es bei einem kurzen Aufenthalt zu einem zunächst unerklärlichen Zwischenfall. Roy ist plötzlich verschwunden, und das obwohl Carlos ihn bei seinem Spaziergang abseits der Gleise begleitete. Jessie entschließt sich, den Zug zu verlassen und die Suche nach ihrem Freund aufzunehmen.

Gerade in seiner ersten Stunde lebt Andersons Eisenbahn-Thriller von der mysteriösen, zu gleichen Teilen behaglichen wie beklemmenden Grundstimmung, von der man sich nur zu gerne verführen lässt. Die Szenen im Zug, in denen die wodkageschwängerte Luft und die bedrohliche Enge der überfüllten Abteile den besonderen Mythos dieser Route heraufbeschwören, dürfte nicht nur auf Eisenbahnliebhaber eine starke Faszination ausüben. Dazu die Aufnahmen der tief verschneiten, sibirischen Landschaft, es scheint, als spiele der Film in einem Paralleluniversum, das – man ahnt es – sich für Roy und Jessie alsbald zu einem Labyrinth entwickeln soll.

Undurchsichtig und geheimnisvoll waren bereits Andersons letzte Arbeiten. In Der Maschinist wandelte er auf den Spuren eines gewissen David Lynch, wobei seine Geschichte sogar eine in sich schlüssige Auflösung bereithielt, was sie wiederum deutlich leichter konsumierbar machte. Dennoch zerrte die trostlose und verlorene Stimmung gehörig an den Nerven. Zumindest von der Düsternis hat sich Anderson in Transsiberian verabschiedet. Stattdessen schleichen sich immer wieder ironische Beobachtungen und Zwischentöne in den aufreizend entschleunigten Plot ein. Meist zeichnet sich der von Woody Harrelson mit einer entwaffnenden Naivität gespielte Roy für diese humoristischen Einsprengsel verantwortlich. Aber auch Thomas Kretschmann und Ben Kingsley haben als russische Drogenfahnder einen reichlich bizarren Auftritt, bei dem man sich wohl mit Absicht an ein schlampig inszeniertes B-Movie mit Steven Seagal erinnert fühlen darf.

Anderson pflegte schon immer eine Narration der kleinen Schritte. Seine Filme erfordern Zeit und Geduld, was sie nur bedingt kompatibel mit den Sehgewohnheiten eines von Hollywood-Thrillern sozialisierten Publikums macht. Selbst wenn er sich wie in Transsiberian am Ende scheinbar dem Mainstream annähert und der Logik des Action-Kinos nachgibt, will sich das Ergebnis nicht in den engen Rahmen eines auf Konsens bedachten Thrillers einfügen. Dafür spielt er einfach zu lange mit den Erwartungen des Zuschauers, die er das ein ums andere Mal mutig ins Leere laufen lässt. So klärt sich Roys Verschwinden anders auf als zunächst gedacht und auch Jessies Reaktion auf Carlos Annäherungsversuche verblüfft.

Bevor jedoch Film wie Zug auf der Zielgeraden unter lautem Getöse aus den Gleisen springen, bleiben alle Augen auf der bislang zumeist in Nebenrollen (Match Point, Lars und die Frauen) anzutreffenden Emily Mortimer gerichtet. Hier nun kann die Britin endlich beweisen, dass sie auch in der ersten Reihe eine überaus gute Figur macht. Ihre Rolle ist zugleich die komplexeste von allen. Jessie erscheint anfangs unsicher und schutzbedürftig, später dann wandelt sich dieses Bild. Und obwohl sie sich immer tiefer in die eigenen Lügen verstrickt und an der Eskalation der Ereignisse nicht ganz unschuldig ist, bleibt sie doch stets Identifikationsfigur. Durch ihre Augen erkunden wir die sibirische Fremde. Dort, wo nicht nur die handbemalten Matrjoschka-Puppen so manche Überraschung in sich tragen, zeichnet Andersson blutige Spuren in Schnee und Eis.

Für BlairWitch.

Dienstag, Dezember 02, 2008

Madagascar 2 - They like to move it


USA 2008

+++

Drei Jahre nachdem Alex, Gloria, Marty und Melman in Madagascar die Leinwand eroberten, setzt Dreamworks tierisches Quartett zu seinem nächsten Chaos-Trip an. Dieser führt sie dorthin, wo sie eigentlich schon längst sein wollten – in die afrikanische Steppe. Das farbenfrohe Animationsabenteuer bietet neben einer zurückhaltend formulierten Öko-Botschaft eine Vielzahl liebenswerter Charaktere und reichlich kindgerechten Humor. Die Erfolgsformel dürfte erneut aufgehen, selbst wenn die Story bisweilen einer Nummernrevue ähnelt.

Filmkritik:

Wir erinnern uns: Die vier New Yorker Zoobewohner Alex (im Original gesprochen von Ben Stiller), Gloria (Jada Pinkett Smith), Marty (Chris Rock) und Melman (David Schwimmer) zog es einst in die Heimat ihrer Vorfahren. Doch statt in der weiten Savanne Afrikas landeten sie im dichten Dschungel Madagaskars, wo sie es nicht nur mit eigenartigen Kreaturen wie dem Lemuren-König Julien, sondern auch mit der Angst vor einem weniger behüteten Leben in einer für sie unbekannten Wildnis zu tun bekamen. In der nun vorliegenden Fortsetzung von Dreamworks-Animationserfolg aus dem Jahr 2005 treten die vier „New Yorker“ ihre Heimreise an. Weit kommen sie dabei allerdings nicht. Das umgebaute Flugzeugwrack setzt bereits nach kurzer Zeit über der afrikanischen Steppe zur Bruchlandung an. Plötzlich finden sich Alex und die Seinen unter Tausenden Artgenossen wieder, was bei allen Beteiligten für reichlich Verwirrung und Aufregung sorgt.

Mit Eric Darnell und Tom McGrath nahm erneut das Madagascar-erprobte Dreamworks-Team des erfolgreichen ersten Teils auf dem Regiestuhl Platz. Nach dem Drehbuch von Etan Cohen schicken sie auch dieses Mal den extrovertierten Löwen Alex, das gutmütige Nilpferd Gloria, das aufgedrehte Zebra Marty und die hypochondrische Giraffe Melman auf ein rasantes Abenteuer, an dem die ganze Familie Gefallen finden dürfte. Im Vergleich zum Dreamworks-Flagschiff Shrek verzichtet man ganz bewusst auf allzu viele popkulturelle Referenzen. Dafür stehen umso deutlicher die liebevoll animierten Charaktere mit ihren verschrobenen Eigenarten im Vordergrund. Zwischen dem ungleichen Paar Gloria und Melman bahnt sich über Umwegen eine zarte Liebesgeschichte an, während Alex versucht, in die großen Fußstapfen seines Vaters als Herrscher über die Steppe zu treten. Natürlich können sich Darnell und McGrath an dieser Stelle eine Anspielung speziell auf Disneys König der Löwen nicht verkneifen.

Obwohl Madagascar 2 wie schon sein Vorgänger klar auf ein jüngeres Publikum zielt, dürften sich auch Erwachsene von dem farbenfrohen Spektakel gut unterhalten fühlen. Dafür sorgen vor allem die teils absurden, teils ironisch verzerrten Eigenarten der fantastischen Vier und ihrer Begleiter. So gibt es ein Wiedersehen mit den von Allmachtsfantasien beherrschten Pinguinen, die es dieses Mal auf amerikanische Touristen abgesehen haben, und König Juliens treuem Privatsekretär Maurice. Identitätskrisen wie sie Marty erlebt, als er auf unzählige Artgenossen trifft, die ihm zum Verwechseln ähnlich sehen, nutzt der Film für seine zumeist treffsicheren Pointen. Diese lassen einen auch über die Sprunghaftigkeit der Narration hinwegsehen. Neben seiner angenehm zurückhaltend formulierten Öko-Botschaft lehrt uns Madagascar 2 am Ende, dass man echte New Yorker zu keiner Zeit abschreiben sollte.