Donnerstag, Oktober 27, 2011

Contagion - Unsichtbarer Feind


USA 2011

+++1/2

SARS, Vogelgrippe, Ehec. Immer wieder versetzen uns unsichtbare Killer in Angst und Schrecken. In Steven Soderberghs Epidemie-Thriller Contagion erkrankt eine Geschäftsfrau nach einem Hong-Kong-Trip an einer mysteriösen, letztlich tödlichen Infektion. Es ist der Auftakt eines beängstigenden, filmisch nahezu perfekt inszenierten Kontrollverlusts. Weiter auf Koeln.de.

Samstag, Oktober 22, 2011

Restless - Der Kamikaze-Pilot und das Mädchen


USA 2011

+++

Sie sind jung und doch blicken sie bereits mit einer ganz besonderen Haltung auf sich und die Welt. In Gus Van Sants sensiblem Independent-Drama Restless kommt es zu einer Begegnung zweier Teenager, deren unterschiedliche Erfahrung mit dem Tod ihr Leben auf besondere Weise prägt. Zwischen den Außenseitern entwickelt sich eine kurze, überaus eindringliche Liebe. In den Hauptrollen sind Shooting-Star Mia Wasikowska und ein ziemlich charismatischer Henry Hopper – Sohn von Hollywood-Legende Dennis Hopper – zu sehen.

Filmkritik:

Jugend und Tod. Was zunächst wenig miteinander gemein zu haben scheint, ist in Restless als Gefühl und Motiv allgegenwärtig. Denn obwohl Annabel (Mia Wasikowska) und Enoch (Henry Hopper) noch Teenager sind, deren Lebenswirklichkeit eigentlich aus Schulproblemen und der ersten großen Liebe bestehen sollte, beschäftigen sie sich fortlaufend mit der Endlichkeit ihrer Existenz. Sie tun dies jedoch nicht immer freiwillig, vielmehr zwingt das Schicksal ihnen ein solch ungewöhnliches „Hobby“ förmlich auf. Während der verschlossene Enoch nach dem Unfalltod der Eltern bei seiner Tante aufwächst, erhält die lebensfrohe Annabel eines Tages die schreckliche Diagnose Krebs. Beide entwickeln dadurch eine besondere Beziehung zu ihrer Sterblichkeit. So sucht Enoch regelmäßig Beerdigungen von ihm unbekannten Menschen auf. Allein das Gefühl inmitten der Trauernden und die dabei spürbare Nähe zum Tod scheinen in ihm etwas auszulösen und eine Lücke auszufüllen.

Auf einen dieser Trauerfeiern begegnen sich Enoch und Annabel das erste Mal. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat. Später dann bittet sie ihn, diese wenige Zeit mit ihr zu verbringen. Es wird eine kurze, dafür aber umso intensivere Liebe, die beide verbindet und die sich so sehr von den üblichen Teenager-Romanzen unterscheidet. Gerade die Erkenntnis, dass keine Zeit bleibt, um all das zu machen, was man sich noch vorgenommen hat, lässt Enoch bisweilen an der Welt verzweifeln.

„We have so little time to say any of the things we mean. We have so little time for any of it“ heißt es passend dazu an einer Stelle. Restless hebt sich jedoch nicht allein aufgrund seines dramatischen Unterbaus von anderen, ähnlich gelagerten Liebesgeschichten und Coming-of-Age-Erzählungen wie Garden State ab. Dessen Independent-Touch ist zwar auch hier als Gefühl und Hintergrundrauschen jederzeit, präsent, gleichzeitig bringt Gus Van Sant seine ganz eigene Handschrift in das unter anderem von Bryce Dallas Howard geförderte Projekt mit ein. Van Sant, der wie kaum ein zweiter Regisseur Erfahrung im Umgang mit jugendlichen Charakteren auf der Schwelle zum Erwachsenwerden hat, lässt Enoch und Annabel den Raum, den sie auf ihrer schwierigen Reise benötigen. Statt jedes Gefühl in eindeutigen Bildern zu erdrücken, hält sich die Kamera angenehm zurück. Dafür bleiben die wenigen, wirklich prägnanten Eindrücke lange im Gedächtnis. Der Kreidekreis, den Enoch um sich und Annabel zieht, ist dabei eines dieser sparsam eingeflochtenen Motive.

Auch Enochs imaginärer Freund Hiroshi (Ryo Kase), ein im zweiten Weltkrieg verstorbener Kamikazepilot, ist eine Figur, wie man sie nur selten in dieser Art von Film findet. Damit schlägt Restless zugleich eine Brücke in die Welt des fantastischen Kinos, wobei Van Sant dieses besondere Element nie überbetont oder als skurrilen Drehbucheinfall versteht. Am Ende fügt sich sogar der unsichtbare Begleiter in Enochs und Annabels Liebe ein.

Es wäre allerdings vermessen, den Film aufgrund seiner kleinen, an sich wenig spektakulären Geschichte bereits in den höchsten Tönen zu loben, zumal das Verhalten unserer beiden Seelenverwandten nicht immer glaubwürdig erscheint. Die letzte Viertelstunde ist in dieser Hinsicht ein etwas zu offensichtlicher Kompromiss, über den Restless vor allem die Konventionen solcher Geschichten zu erfüllen sucht. Weil aber Henry Hopper und Mia Wasikowska selbst diesen Makel mit ihrem gefühlvollen, sensiblen Schauspiel überstrahlen, kann es letztlich nur bei einer uneingeschränkten Sehempfehlung bleiben.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Oktober 18, 2011

Atemlos - Gefährliche Wahrheit


USA 2011

+1/2

Ein Twilight-Star auf Solopfaden. Taylor Lautner, Teenie-Schwarm und „Jacob“-Darsteller, soll in diesem höchst durchschnittlichen Actionthriller zu einer Art Nachwuchs-Jason-Bourne aufgebaut werden. Es ist ein Kalkül, das am Ende nur sehr bedingt aufgehen will. Weiterlesen auf Koeln.de.

Samstag, Oktober 15, 2011

Tyrannosaur - Eine Liebesgeschichte


GB 2011

+++

Aus England kommt diese zarte und zugleich intensive Liebesgeschichte. Inszeniert und erdacht hat sie Paddy Considine, der zuvor vor allem als Schauspieler auf sich aufmerksam machte. Die Grundidee und Figuren aus Tyrannosaur sind Considines eigenem Kurzfilm Dog Altogether entnommen, den er vor vier Jahren ebenfalls mit Peter Mullan und Olivia Colman in den Hauptrollen abdrehte. Für die nun vorliegende Langfassung gab es beim renommierten Sundance Filmfestival gleich drei Preise – darunter jeweils einen für die beiden Hauptdarsteller, deren mutiges Spiel mit Sicherheit noch lange im Gedächtnis bleiben dürfte.

Filmkritik:

Kann man Empathie für einen Mann empfinden, der gleich in der ersten Szene aus offenbar angestautem Frust seinen Hund auf brutale Weise erschlägt? Joseph (Peter Mullan) ist alles andere als ein Sympathieträger und doch gelingt es Paddy Considine in seinem bereits mehrfach ausgezeichneten Film, dass sich der Zuschauer schon bald auf die Seite seines vom Leben gezeichneten Antihelden stellt. Joseph bereut seine schreckliche Tat bereits in dem Moment, in dem er sie begeht. Später trauert er in stiller Verzweiflung um seinen einzigen treuen Freund. Die Kampf gegen die eigenen Aggressionen, gegen Wut und Verzweiflung sind Josephs andere Wegbegleiter, von denen er nicht loszukommen scheint. Immer wieder suchen sich diese ein zerstörerisches Ventil.

Auf der Flucht vor sich selbst landet Joseph eines Tages im kleinen Charity-Laden von Hannah (Olivia Colman). Sanft, verständnisvoll und ohne Vorbehalte nähert sie sich ihrem Gast, der zunächst hinter einem Berg aus Anziehsachen ihren Blicken zu entkommen sucht. Auch seine anfänglichen Zurückweisungen nimmt sie ebenso wie sein beißender Spott über ihren Glauben ohne jede Kränkung hin. Das imponiert Joseph, der allmählich spürt, dass er sich zu Hannah auf eine ganz besondere Art hingezogen fühlt. Offenbar geht es seiner neuen Bekannten ähnlich, doch dem sich langsam entwickelnden Glück steht Hannahs unglückliche Ehe mit einem tyrannischen Ekel im Weg. Ihr Mann James (Eddie Marsan) – Typ Biedermann –demütigt und drangsaliert seine Frau bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit.

In Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte führt das Schicksal – oder je nach Interpretation auch eine höhere Macht – zwei zutiefst verwundete, in mehrfacher Hinsicht verletzte Seelen zusammen. Der Verlauf ihrer besonderen Beziehung mag nicht sonderlich überraschend oder gar spektakulär erscheinen, dafür liegen hier versteckt in kleinen Beobachtungen, Details und Gesten die größten Entdeckungen. Schauspieler, Regisseur und Autor Paddy Considine erzählt in einfachen, klaren Bildern von einer ehrlichen, aufrichtigen und intensiven Liebe, die für beide zum letzten Rettungsanker werden soll. Dabei geht von der Geschichte trotz der im englischen Arbeitermilieu allgegenwärtigen Härte und Tristesse eine besondere Poesie aus. Wenn Hannah und Joseph sich langsam näherkommen, dann hat dieses Kennenlernen fast etwas von einer unschuldigen Teenager-Liebe. Der Kontrast zu Josephs eruptiven Gewaltausbrüchen und den sadistischen Demütigungen durch Hannahs Noch-Ehemann könnte jedenfalls größer kaum sein.

Es ist genau dieses Spannungsfeld aus roher Gewalt und zarter Liebe, dem der Film seine Intensität und Kraft verdankt. Dazu kommen schlichtweg großartige Schauspieler. Peter Mullan und Olivia Colman verkörpern ihre schwierigen, oftmals widersprüchlichen Charaktere voller Hingabe und mit dem sicheren Gespür für jeden einzelnen Blick. Gerade der mit vielen „Working Class“-Rollen verbundene Mullan liefert einmal mehr eine kompromisslose Vorstellung. Für den auf düstere Charaktere abonnierten Eddie Marsan blieb hingegen nur die Rolle des triebgesteuerten Monsters, über das man abseits seiner sadistischen Neigungen leider kaum etwas erfährt. Offenbar war die Mühe und Genauigkeit, welche Considine für die anrührende Darstellung der Beziehung zwischen Hannah und Joseph aufbrachte, an diesem Punkt aufgezehrt.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Oktober 11, 2011

Melancholia - Bonjour Tristesse


DK/S/F/D 2011

++

„It’s the end of the world“ könnte man frei nach R.E.M. Lars von Triers Melancholia überschreiben. Bei dem streitbaren Dänen geht es mal wieder um alles. Um menschliche Extremzustände, Verzweiflung, Trauer, Depression, Hass und das Ende der Welt. Unsere Erde ist in höchster Gefahr, droht doch ein riesiger Planet mit dem vielsagenden Namen „Melancholia“ in die Erdumlaufbahn zu crashen. Die Folgen des Zusammenpralls kann man sich leicht ausmalen, wenn man bedenkt, was bereits ein im Vergleich dazu winziger Meteorit vor Millionen von Jahren so alles angerichtet hat. Vor dieser tristen Kulisse findet in einem mondänen Schlosshotel eine rauschende Hochzeitsfeier statt.

Justine (Kirsten Dunst) und Michael (Alexander Skarsgård) haben soeben den Bund fürs Leben geschlossen, richtig glücklich wirken beide danach aber nicht. Während um sie herum die Hochzeitsgesellschaft angeführt von Justines Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) die für solch einen Anlass typischen Tagesordnungspunkte „abarbeitet“, zieht sich Justine immer mehr zurück. Es bedarf schon einige Überredungskunst bis sie schließlich zu den Feiernden zurückkehrt, scheinbar gut gelaunt, innerlich jedoch erschöpft, müde, traurig. Vor allem ihr Schwager John (Kiefer Sutherland) fühlt sich von Justines Verhalten persönlich angegriffen. Die Mühe und Anstrengungen der Hochzeitsfeierplanung scheint die Frischvermählte nicht zu schätzen. Auch das großzügige Jobangebot ihres Chefs (Stellan Skarsgård) schlägt Justine reichlich undiplomatisch aus. Und über allem schwebt „Melancholia“, der schon am nächsten Tag der Erde ziemlich nahe kommen soll.

Unterteilt in zwei in etwa gleich lange Teile – erst dreht sich alles um Justine, später dann um Claire – erkundet Lars von Trier menschliche Gefühlszustände, welche sich am ehesten als Variationen von Grau umschreiben lassen. Justine leidet offensichtlich an einer schweren Depression, über deren genaue Ursachen man nicht wirklich viel erfährt. Das drohende Ende der Welt scheint jedenfalls nicht der Auslöser zu sein. Eher schon fühlt sich Justine unverstanden, gelangweilt von einem für sie nur wenig erfüllenden Job als Werbetexterin und einer großen Leere in ihrem Leben. Daran ändert auch ihre Liebe zu Michael wenig, der sich ebenso hilf- wie machtlos fühlt.

Dabei ist Melancholia noch wesentlich lebensbejahender als dessen unmittelbarer Vorgänger Antichrist. Auch kommt der Film ohne große Schocks oder von Trier typische Tabubrüche aus, und so musste der Regisseur bei den Filmfestspielen von Cannes selbst für den erwarteten Skandal sorgen, als er auf einer Pressekonferenz Sympathien für Hitler äußerte und sich – vermutlich nicht ohne Ironie und Hintergedanken – als Nazi bezeichnete. Von Trier hatte erreicht, was er erreichen wollte. Er war wieder einmal Gesprächsthema und sein Film ein Aufmerksamkeitsmagnet. Dass die Jury Kirsten Dunst für ihre Rolle später sogar noch als „Beste Hauptdarstellerin“ auszeichnete, wird von Trier nach seiner Ausladung ebenfalls mit stiller Genugtuung verfolgt haben.

Mit Antichrist teilt sich Melancholia trotz sichtbarer Unterschiede in der Ausformung dunkler Seelenzustände seine zum Sterben schöne Einleitung. Erneut filmte von Trier Impressionen in extremer Zeitlupe, unterlegt von orchestraler Klassik und versteckten Wagner-Assoziationen. Der folgende Wechsel in den seit Dogma-Zeiten unverändert nervigen Handkameramodus fällt dadurch noch etwas unsanfter und härter aus. Wenngleich die teils unscharfen, teils bewusst schlampig gedrehten Aufnahmen Authentizität und Echtheit vorgaukeln sollen, so werden sie doch mit jeder weiteren Minute zu einem immer größeren Ärgernis, das bei manchen Zuschauern durchaus Kopfschmerzen verursachen könnte. Sozusagen als Trostpflaster schmuggelte von Trier aber auch einige großartige Bilder in sein anstrengendes Handkameraspiel ein. Die Aufnahmen von Justines Ritt durch die nebelbedeckte Landschaft könnten Teil eines Gemäldes von Caspar David Friedrich sein. An ein Grimm’sches Märchen erinnern wiederum manche Naturaufnahmen, die rund um das feudale Schloss samt 18-Loch-Golfplatz entstanden sind.

Anstrengend ist überhaupt vieles an einem Film von Lars von Trier. In Melancholia arbeitet sich der Däne wieder ausnahmslos an seinen eigenen Dämonen ab. Zusammengehalten wird diese öffentliche Therapiesitzung von einem Minimum an Handlung, die nicht selten langweilt und die es sich in ihrer Ausweg- und Hoffnungslosigkeit bequem gemacht hat. Es geht hier schließlich um das Ende der Welt und das nicht nur in einem übertragenen Sinne. Von Trier selber möchte seinen Film, glaubt man den Aussagen aus dem Presseheft, am liebsten „abstoßen wie ein Körper ein falsch implantiertes Organ“. Man darf vermuten, dass auch hinter solchen Statements bloßes Kalkül steckt. Hier strickt ein Exzentriker an seiner Legende. Am besten ist es, man lässt ihn dabei in Ruhe.

Für BlairWitch.de.

Dienstag, Oktober 04, 2011

Die Lincoln Verschwörung - Geschichtsstunde mit Onkel Bob


USA 2011

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In Robert Redfords neuester Regiearbeit prallt ein spannendes Kapitel amerikanischer Geschichte auf eine bislang weitgehend unbekannte Mutter-Sohn-Tragödie. Für den engagierten, politischen Filmemacher Redford geht es dabei um Grundsätzliches. In der Tat sind die darin aufgeworfenen Fragen nach Rechtsstaatlichkeit und unveräußerlichen Menschenrechten bis heute hochaktuell. Weiter auf Koeln.de.

Samstag, Oktober 01, 2011

Eine offene Rechnung - Schatten der Vergangenheit


USA 2011

++1/2

Über drei Jahrzehnte spannt John Maddens (Shakespeare in Love) starbesetzter Agenten-Thriller seine Geschichte einer gefährlichen Mission und ihrer für alle Beteiligten ein Leben lang spürbaren Konsequenzen. Zunächst als Oscar-Anwärter gehandelt, fiel der Film bei den diesjährigen Preisverleihungen durch. Auch wenn das Ergebnis alles andere als misslungen ist, so ahnt man doch warum. Weiterlesen auf Koeln.de.