Donnerstag, November 26, 2009

Nokan - Die Kunst des Ausklangs


JPN 2008

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Die Überraschung war groß, als bei der diesjährigen Oscar-Verleihung der japanische Beitrag den Sieg als „Best Foreign Language Film“ davontrug. Dabei ist Nokan – Die Kunst des Ausklangs (so der deutsche Titel) bei näherer Betrachtung ein geradezu typischer Academy-Award-Gewinner. Das heiter-melancholische Familiendrama erzählt eine universell verständliche Geschichte und scheut dabei auch vor großen Gefühlen nicht zurück. Herausragende Darstellerleistungen runden einen in sich stimmigen Film ab.

Filmkritik:

Eben noch ein Auftritt auf großer Bühne, im nächsten Moment bereits arbeitslos: Für Cellist Daigo (Masahiro Motoki) platzt der Traum von einer Karriere in einem renommierten Orchester wie eine Seifenblase. Gezwungenermaßen kehrt er daraufhin mit seiner Frau Mika (Ryoko Hirosue) in sein beschauliches Heimatdorf im Norden Japans zurück. Dort, wo die Hektik der Großstadt keinen Platz hat und jeder jeden kennt, wollen sich beide eine neue Existenz aufbauen. Doch dazu braucht Daigo vor allem Arbeit. Da erscheint es wie ein glücklicher Zufall, dass er in der örtlichen Tageszeitung die überaus verlockend klingende Annonce eines auf „Reisen“ spezialisierten Unternehmens entdeckt.

Gerade als Daigo glaubt, er habe seinen Traumjob gefunden – die versprochene Arbeitszeit ist kurz, das Gehalt großzügig bemessen –, weiht sein exzentrischer Chef Sasaki (Tsutomu Yamazaki) ihn in die Details der Arbeit ein. Denn mit Touristik hat der kleine Betrieb nicht im Entferntesten etwas zu tun. Vielmehr soll er als Nokanshi anfangen, als Aufbahrer und Einsarger, der Verstorbene vor den Augen ihrer Verwandten auf ihre „letzte Reise“ vorbereitet. Plötzlich wird für Daigo aus dem Traum ein Albtraum. Auch der erste, etwas unglückliche Einsatz kann ihm nicht die Scheu und den Ekel nehmen. Wäre da nicht das ausgesprochen verlockende Salär, er würde keine Sekunde zögern und sich eine andere Arbeit suchen. So aber arrangiert sich Daigo mit dem ungewöhnlichen Job, wobei er seiner Frau lieber die ganze Wahrheit verschweigt.

Japanische Produktionen finden nur selten den Weg zu uns ins Kino. Wenn der Film jedoch mit nationalen und internationalen Auszeichnungen – darunter den Oscar für den „Besten fremdsprachigen Film“ – geradezu überschüttet wird, dann steigen auch hierzulande die Chancen auf eine Kinoauswertung wie die Geschichte um den zurückhaltenden, sympathischen Nokanshi Daigo beweist. Obwohl Regisseur Yojiro Takita in Nokan – Die Kunst des Ausklangs ein auf den ersten Blick sperriges, keineswegs massenkompatibles Thema aufgreift, lässt sich der Erfolg letztlich plausibel erklären. So liefert der Film eine jederzeit sorgfältig austarierte Mischung aus heiteren und dramatischen Momenten. Bereits die Eröffnungssequenz, in der Daigo und sein Chef Sasaki die rituelle Waschung und Einsargung eines jungen Transsexuellen vornehmen, folgt dem Prinzip der tragikomischen Balance.

Dass sich Nokan darüber hinaus existenziellen Fragen widmet, die vermutlich nie ihre Gültigkeit verlieren werden (Was ist der Sinn unserer Existenz? Was ist Glück? Gibt es ein Leben nach dem Tod?), dürfte für den Erfolg bei der diesjährigen Verleihung der „Academy Awards“ von entscheidender Bedeutung gewesen sein. Dort setzte sich Takitas besinnliches Drama nämlich gegen die im Vorfeld hoch gehandelten Favoriten Waltz with Bashir und Die Klasse durch. In seiner angenehm ruhigen, fast schon meditativen Erzählhaltung folgt Nokan der Philosophie eines fernöstlichen Kinos wie man es beispielsweise von Imamura und Koreeda kennt. An die Stelle des Imamura’schen Realismus tritt bei Takita allerdings ein mitunter romantisch verklärter Blick auf familiäre Bande und Beziehungen. Dass er dabei bestimmte Symbole wie die der Steine überstrapaziert und sich den einen oder anderen Ausrutscher in Richtung Kitsch leistet, ist angesichts der in sich schlüssigen Dramaturgie und nachvollziehbaren Entwicklung seiner Hauptfigur verzeihlich.

Dem anfangs von sich und dem Leben enttäuschten Daigo, der ausgerechnet als Zeremonienmeisters der Toten seine Bestimmung findet, verleiht Takitas Hauptdarsteller Masahiro Motoki eine bittersüße, unschuldige Melancholie. Man mag sich keinen anderen Schauspieler in dieser Rolle vorstellen, derart meisterlich verkörpert Motoki die (Selbst-)Zweifel und Verunsicherung dieses jungen Mannes. Ihm zur Seite steht Tsutomu Yamazaki. Als Daigos väterlicher Freund und Chef ist er der Ruhepool einer Geschichte, die sich trotz ihres ernsten Themas bis zum Ende eine gewisse Leichtigkeit bewahrt.

Für Programmkino.de.

Montag, November 23, 2009

Helen - Der Kampf in Dir


USA/D 2009

++1/2

Sandra Nettelbeck (Bella Martha) wagt sich in ihrem neuen Film an ein bis heute aktuelles gesellschaftliches Tabu. Depressionen sind wie die meisten psychischen Krankheiten noch immer etwas, über das man nur selten wirklich offen spricht. In Helen erliegt die Protagonistin, eine angesehene Musik-Professorin, schweren Depressionen, die sie brutal aus ihrem sorgsam aufgebauten Familien-Idyll entreißen. Nettelbecks Film zeichnet den Krankheitsverlauf mit viel Sensibilität und ohne Rückgriff auf melodramatische Klischees nach. Das ist bisweilen nur schwer zu ertragen, aber nicht zuletzt dank Ashley Judds couragierter Leistung immer sehenswert.

Filmkritik:

Wer sich ein Bein bricht, für den hat jeder vollstes Verständnis, dass er oder sie sich in einem Krankenhaus behandeln lässt. Wer dagegen an Angstzuständen, Depressionen oder Schizophrenie leidet, der muss sich auch heute noch verstecken und darauf hoffen, dass sein Umfeld von der Erkrankung keine Notiz nimmt. Es waren sehr persönliche Beweggründe, die Sandra Nettelbeck dazu veranlassten, die Leidensgeschichte einer an Depressionen erkrankten Mutter und deren Familie zu erzählen. Nach dem Erfolg ihrer kulinarischen Komödie Bella Martha, die von Hollywood bereits zu einem Remake verarbeitet wurde, erhielt das ambitionierte Projekt endlich grünes Licht. Gedreht wurde dabei in englischer Sprache und mit einer internationalen Besetzung.

Mit Ashley Judd übernahm eine aus zahlreichen US-Produktionen bekannte Aktrice die Rolle der an schweren Depressionen erkrankten Helen. Die angesehene Musik-Professorin hätte eigentlich allen Grund, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. So ist sie inzwischen in zweiter Ehe glücklich verheiratet. Ihr Mann David (Goran Visnjic), ein erfolgreicher Anwalt, versteht sich zudem bestens mit ihrer Tochter Julie (Alexia Fast) aus erster Ehe. Doch das Idyll der nach außen perfekten Patchwork-Familie erweist sich schon bald als trügerisch. Ohne Vorwarnung wird Helen der Boden unter den Füßen weggezogen. Auf einmal fühlt sie sich unsicher, antriebslos und schwach. Eine zunächst unerklärliche Traurigkeit erfasst ihre Seele, die dazu führt, dass das Leben für sie jeglichen Sinn verliert.

Ihr Mann und ihre Tochter ahnen zunächst nicht, dass Helen schwer erkrankt ist. Erst ein Suizidversuch macht auch ihnen schlagartig den Ernst der Lage bewusst. Und dennoch müssen sie hilflos mitansehen, wie sich ein geliebter Mensch immer mehr von ihnen entfernt und entfremdet. Helen, die auf eigenen Wunsch und gegen den ausdrücklichen Rat ihrer Ärztin die stationäre Behandlung abbricht, fehlt die Kraft, um sich aus diesem selbstzerstörerischen Kreislauf zu befreien. Verständnis und Zuspruch erfährt sie in dieser schweren Zeit meist nur bei einer ihrer ehemaligen Studentinnen. Wie Helen leidet auch Mathilda (Laren Lee Smith) unter Depressionen und Minderwertigkeitsgefühlen. Sie kann daher sehr genau nachempfinden, durch welche Hölle Helen nun gehen muss.

Als Zuschauer geht es einem wie Helens Familie. Man fragt sich, was der Auslöser für ihre Depressionen war. Eine befriedigende Antwort gibt der Film hierauf nicht, vielleicht weil die eine logische Erklärung überhaupt nicht existiert und viele Faktoren letztlich zusammen kommen müssen. Das Unverständnis, das Helen anfangs erfährt, aber auch der mühsame und schmerzhafte Prozess der (Wieder-)Annäherung, das sich Zurechtfinden in einer solchen Extremsituation, all das zeigt Helen ohne in melodramatische Reflexe und Klischees abzugleiten. Statt Helens Krankheitsverlauf mittels künstlicher Spannungsmomente zu dramatisieren, bleibt Nettelbeck eine stille Beobachterin. Insbesondere die Ohnmacht der Familie, das Gefühl, hilflos den Verfall eines geliebten Menschen mitansehen zu müssen, ist in vielen Szenen präsent.

Nettelbecks Film – und das ist durchaus eine Qualität – ist mitunter nur schwer zu ertragen. Selbst wenn die Geschichte für uns und Helen zum Ende hin einen leisen Hoffnungsschimmer bereithält, verlässt man das Kino in einer bedrückten Stimmung. Warum man sich Helen dennoch ansehen sollte? Vielleicht weil Ashley Judd mit ihrer einfühlsamen, mutigen Darstellung einer bis heute stigmatisierten Krankheit ein Gesicht verleiht. Oder weil sich endlich mal ein Film mit Fingerspitzengefühl diesem gesellschaftlichen Tabu nähert und man jederzeit merkt, dass hier eine Filmemacherin ihr Anliegen nicht in eine konsensuale, möglichst leicht zu konsumierende Form presst.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, November 19, 2009

Tannöd - Dunkle Tannen


D 2009

++

Ein dunkler Wald, unheilvoller Nebel und eine beunruhigende Stille. Die ersten Szenen von Bettina Oberlis Roman-Verfilmung Tannöd arbeiten mit den klassischen Bildern und Motiven des Suspense- und Horror-Kinos. In der Abgeschiedenheit dieser ländlichen Einöde ereignet sich kurz darauf ein grausames Verbrechen. Auf dem Tannödhof der Familie Danner werden sechs Menschen brutal mit einer Spitzhacke erschlagen. Der Mörder zeigt kein Erbarmen und verschont selbst die kleinen Kinder der Familie und die neue Magd nicht. Wie Tiere verenden die Opfer in ihrem eigenen Blut. Als der erste Zeuge die Kunde von dem Sechsfachmord in das nächste Dorf trägt, steht jedem Bewohner der Schock ins Gesicht geschrieben.

Zwei Jahre später kehrt die junge Krankenpflegerin Kathrin (Julia Jentsch) in genau dieses Dorf, den Ort ihrer Kindheit, zurück. Der Anlass ist indes wenig erfreulich. Ihre Mutter, die sie kaum gekannt hatte, ist gestorben. Nun will sie an der Beerdigung teilnehmen und noch einige Dinge erledigen. Unterstützung erfährt sie von der alten Traudl Krieger (Monica Bleibtreu), einer engen Freundin ihrer Mutter. Traudls Schwester war jene Magd, die seinerzeit auf dem Tannödhof erschlagen wurde und deren Mörder bis heute nicht gefasst wurde. Während die Dorfgemeinschaft fest daran glaubt, dass die Tat von einem Fremden verübt wurde – zu einem solchen Verbrechen wäre schließlich niemand von ihnen fähig –, ist sich Traudl sicher, dass der Mörder immer noch unerkannt unter ihnen lebt.

Traudls Anschuldigungen fallen auf fruchtbaren Boden. Argwohn und Misstrauen gedeihen in dem kleinen Dorf prächtig. Insgeheim verdächtigt jeder jeden, was nicht verwundert, hatte sich der alte Danner (Vitus Zeplichal) doch zu Lebzeiten nicht wenige Feinde gemacht. Bei Oberli ist dieses unheilvolle Klima aus Dorf-Klatsch, Verleumdungen und Bigotterie jederzeit spürbar. Die Bilder und Motive künden von einer fast schon klaustrophobischen Enge eines frommen Heile-Welt-Surrogats. Mit der Zeit kommen immer weitere dunkle Wahrheiten ans Licht, was der Aufklärung des Falls letztlich aber nur bedingt zuträglich ist. Eher gleicht Tannöd in seiner Konstruktion und Dramaturgie einem undurchsichtigen Labyrinth, bei dem der Rückweg längst versperrt wurde.

Ohne rettende Brotkrumen fällt es auch als Zuschauer nicht immer leicht, sich im komplexen Beziehungsgeflecht der Dorfgemeinschaft zu Recht zu finden. Viel schwerer als die zeitweiligen Orientierungsprobleme, die durch den urbayerischen Dialekt zumindest bei Nordlichtern noch verstärkt werden dürften, wiegt jedoch Oberlis sehr theaterhafte und statische Inszenierung. Dadurch büßt Tannöd einiges von seiner anfänglichen, kunstvoll etablierten Faszination und Spannung ein. Selbst wenn der Film erkennbar als Dorfdrama und nicht als reißerischer Thriller oder gar Horrorbeitrag funktionieren soll, strapazieren die überlangen Dialogszenen wie beim Leichenschmaus für Kathrins Mutter auch ansonsten geduldige Naturen. Dass die auf einem wahren Fall aus dem Jahr 1922 beruhende Mord-Geschichte zuvor bereits als Bühnenstück aufgeführt wurde, ist in diesen Momenten ein naheliegender Gedanke.

Dabei vereint auch die Kinofassung von Andrea Maria Schenkels Bestseller ein hochkarätiges Ensemble. Allen voran die im Mai verstorbene Monica Bleibtreu drückt in der Rolle der verbitterten Traudl dem Film ihren Stempel auf. Bedenkt man, dass sie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits schwer erkrankt war, erscheint es umso beeindruckender, mit welcher Kraft und Vitalität sie hier auftritt. Gegen ihre Präsenz zieht selbst eine wandlungsfähige Aktrice wie Julia Jentsch den Kürzeren. Als Danners älteste Tochter Barbara bleibt die bislang vor allem im Theater anzutreffende Münchnerin Brigitte Hobmeier mit ihrer überaus couragierten Darstellung einer zerbrochenen und geschundenen Seele im Gedächtnis.

Tannöd ist schon aufgrund seiner durchweg starken Schauspielleistungen und seiner recht atmosphärischen Schilderung einer ländlichen Schein-Idylle wahrlich kein schlechter Film. Er bleibt nur konstant unter seinen Möglichkeiten. Dass praktisch zeitgleich mit Michael Hanekes Cannes-Gewinner Das weiße Band eine doch sehr ähnliche Geschichte im Kino erzählt wird, die in ihrer gnadenlosen Sezierung einer von Inzest, Gewalt und falscher Frömmigkeit verseuchten Gemeinschaft so ziemlich alles richtig macht, kommt erschwerend hinzu. Jeden Vergleich mit diesem Meisterwerk kann Tannöd nur verlieren.

Für BlairWitch.de.

Donnerstag, November 12, 2009

2012 - Der rasende Roland


USA 2009

++

Die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren ist noch nicht einmal bewältigt, da droht uns eine noch gewaltigere Katastrophe, bei der nicht weniger als das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht. Gemäß den jahrhundertealten Prophezeiungen der Maya klopft der Weltuntergang schon bald an unsere Tür. Im Jahr 2012 soll es soweit sein. Dann, genauer am 21. Dezember 2012, endet der Maya-Kalender und mit ihm angeblich die menschliche Zivilisation. Weiterlesen.

Montag, November 09, 2009

Love Happens - Die Einfältigkeit der Dinge


USA 2009

+1/2

Regie-Debütant Brandon Camp scheint auf Erwartungen keine Rücksicht nehmen zu wollen. Titel, Plakat und Besetzung seines Erstlings Love Happens künden von einer vorhersehbaren, romantischen Komödie. Dabei handelt sein Film in Wahrheit von schmerzhafter Trauerarbeit und der schwierigen Rückkehr ins Leben. Soviel Mut der Regisseur mit der Wahl seines Themas auch beweist, am Ende ordnet sich die Geschichte brav dem Mechanismus eines manipulativen Mainstream-Melodrams unter.

Filmkritik:

Dieser Film ist paradox. Auf der einen Seite sieht es ganz danach aus, als wäre es Regisseur Brandon Camp herzlich egal, mit welchen Erwartungen sich das Publikum sein Debüt ansieht, auf der anderen Seite beugt sich die Geschichte in vorauseilendem Gehorsam den Vorgaben eines von sämtlichen Ecken und Kanten befreiten Hollywood-Melodrams. Das Filmplakat zu Love Happens zeigt ein scheinbar glückliches Paar, das sich liebevoll umarmt. Dieser Umstand zusammen mit dem Titel und dem Namen Jennifer Aniston lässt vermuten, dass wir es hier mit einer dieser locker-leichten romantischen Komödien zu tun haben, wie sie Hollywood praktisch am Fließband produziert. Doch weit gefehlt: Tatsächlich dient die Romanze nur als Köder. Einmal angebissen serviert uns Camp schließlich ein tränenreiches Trauerbewältigungs(rühr)stück.

Für den erfolgreichen Selbsthilfe-Guru Burke Ryan (Aaron Eckhart) gibt es für jedes Problem eine Lösung und auf jede Frage eine Antwort. Auf seinen Seminaren verkauft er eine pseudowissenschaftliche Populär-Therapie, die es den Teilnehmern ermöglichen soll, mit ihren Ängsten und ihrer Trauer besser umzugehen. Er selber kann und will sich hingegen nicht helfen lassen. Seitdem vor drei Jahren seine Frau bei einem Autounfall verstarb, wird er immer mehr zu einem verschlossenen Einzelgänger. Sogar sein Manager und bester Freund Lane (Dan Fogler) kann Burke aus seiner inneren Immigration nicht zurückholen. Das vermag erst die schöne Floristin Eloise (Aniston), in die er sich Hals über Kopf verliebt.

Für Burke ist die zarte Romanze mit der von den Männern enttäuschten Blumenladenbesitzerin der ausschlaggebende Grund, über sich und seine Trauer ehrlich nachzudenken. Die Selbstreflexion gipfelt in einem aus zahlreichen Hollywoood-Filmen bekannten Finale, bei dem sich die Hauptfigur vor großem Publikum erklären, Buße tun und Besserung geloben darf. Dass dabei kein Auge trocknen bleibt und Camp mit aller Gewalt auf die ganz großen Emotionen zielt, weist nur auf einen von vielen Missgriffen des Drehbuchs hin. So wirkt bereits die gesamte Rollenanlage arg konstruiert. Die Schizophrenie von Eckharts Charakter, der öffentlich als Motivations-Trainer und Seelentherapeut auftritt, privat aber an der eigenen Ansprüchen scheitert, dient allein der späteren vorhersehbaren Katharsis.

Camps schematisches Verständnis von Trauer zeigt sich auch am Subplot um einen verzweifelten Vater (John Carroll Lynch), der sich den Unfalltod seines Sohnes nicht verzeihen mag. Der Film macht es sich hier zu leicht, wenn er uns vorgaukelt, man könne tiefe seelische Narben mit einigen geschickten Handgriffen und einer Shopping-Tour (!) im örtlichen Baumarkt „kurieren“. Glatt und durchweg unglaubwürdig erscheint das, was Love Happens zu erzählen hat. Wie eingangs erwähnt dürften selbst treue Jennifer-Aniston-Fans nur wenig Gefallen an einer Geschichte finden, die ihr romantisches Potenzial zu keiner Zeit überzeugend ausspielt. Eckhart und Aniston entwickeln zusammen keinerlei Esprit und ihren Dialogen merkt man viel zu oft an, dass sie Wort für Wort einstudiert sind. Zu allem Überfluss meint Love Happens, altkluge Weisheiten über das Leben und den Tod verkünden zu müssen. „When life gives you lemons, you can either make a sour face or lemonade!“ ist da bereits eine der besseren.

Für Programmkino.de.

Freitag, November 06, 2009

All Inclusive - Kuscheln unter Palmen


USA 2009

+1/2

Wie sähen wohl Ingmar Bergmans zermürbende Beziehungsdramen aus, hätte dieser als deren Schauplatz eine paradiesische Insel im Südpazifik gewählt? Wenn es stimmt, dass sich das Wetter unmittelbar auf unser Wohlbefinden auswirkt, wäre hier vielleicht noch eine Ehe zu retten gewesen. Insofern erscheint es zunächst logisch, wenn in einem Film wie All Inclusive die Pärchen-Therapie von der muffigen Praxis kurzerhand in ein traumhaftes Südsee-Paradies verlegt wird. Fortsetzung auf Koeln.de.

Dienstag, November 03, 2009

Der Besucher - Der wundersame Finne


FIN 2008

++

Die Wortkargheit der Nordländer ist mehr als ein Klischee. Im Kino hat der Finne Aki Kaurismäki seinen Landsleuten und ihrer spröden, gleichwohl liebenswerten Art ein Denkmal gesetzt. Auch Jukka-Pekka Vakeapää übt sich in seinem visuell beeindruckenden Spielfilmdebüt in der Kunst der Entsagung. Anders als Kaurismäki betont er in dem Vierpersonenstück Der Besucher jedoch eine theaterhafte Inszenierung, surreale Momente und die Zweideutigkeit der Erzählperspektive.

Filmkritik:

Wenn in einem Film kaum ein Wort gewechselt und eigentlich nie ein wirklicher Dialog stattfindet, dann verleiht das dem wenigen, was gesagt wird, besonderes Gewicht. Der finnische Regisseur Jukka-Pekka Vakeapää treibt die von seinem Landsmann Kaurismäki bekannte, scheinbar typisch nordische Wortkargheit auf die Spitze. Sein Spielfilmdebüt Der Besucher lässt eine geschätzte Viertelstunde verstreichen, bis ein erster Satz fällt. Und selbst dann, übt sich sein Film noch in Zurückhaltung. Wäre da nicht das ausgeklügelte, markante Sound-Design, man könnte bisweilen den Eindruck bekommen, einen Stummfilm mitanzusehen.

In der Abgeschiedenheit der finnischen Wälder lebt ein in etwa zehnjähriger Junge (Vitali Bobrov) mit seiner Mutter (Emilia Ikäheimo) auf einem kleinen Hof. Obwohl der Junge lediglich stumm und nicht taub ist, wechselt seine Mutter mit ihm nur selten ein Wort. Der Alltag wird von einfachen, körperlich meist harten Arbeiten bestimmt. Im Sommer gilt es, das Feld zu bestellen, im Winter muss Holz für den Ofen gesammelt werden. Der Vater (Jorma Tommila) des Jungen sitzt derweil im Gefängnis. Warum und weshalb, auch darüber schweigt sich Vakeapääs Film wie über so vieles andere aus. Die Ordnung dieser überschaubaren Welt scheint bedroht, als plötzlich ein Fremder (Pavel Liska) auf dem Hof auftaucht und mit ihm eine Reihe von Problemen.

Die Geschichte, die Vakeapää erzählt, ist eigentlich so einfach und klar wie die finnische Landschaft, in der sie spielt. Die Betonung liegt hierbei auf „eigentlich“, denn mit seiner symbolträchtigen Bildsprache, der dem Theater entlehnten, elliptischen Handlung und einer gerade zum Ende hin immer bruchstückhafteren Narration widersetzt er sich bewusst der gängigen Dramaturgie des Mediums Film und den Sehgewohnheiten der meisten Zuschauer. An die Stelle einer plausiblen, kohärenten Erzählung tritt ein Fragment aus surrealen bis artifiziellen Szenen. Wenn der Junge durch den vom Nebel besetzten Wald irrt, zitiert Der Besucher alte Sagen- und Märchengeschichten, nur um kurze Zeit später zum Ton und Rhythmus eines sperrigen Eremiten-Dramas zurückzufinden.

Vakeapääs Film wirkt und funktioniert nahezu ausschließlich über seine einprägsamen Bilder und Tonkaskaden. Die Impressionen der kargen Landschaft, die in den Gesichtern aller Beteiligten tiefe Spuren hinterlassen hat – für die Besetzung dieses Vierpersonenstücks muss man Vakeapää große Anerkennung zollen –, beanspruchen die eigentliche Hauptrolle für sich. Überhaupt fordert der Film, der eine fast stille Zeitreise in eine archaische, fremde Welt unternimmt, unsere ganze Aufmerksamkeit. Dass wir das Geschehen aus der Perspektive eines Kindes beobachten, nutzt Vakeapää für ein manipulatives Spiel, bei dem letztlich im Unklaren bleibt, was real ist und was lediglich der Imagination des Jungen entspringt. Das offene, trotz aller Zugeständnisse an die künstlerische Freiheit reichlich unbefriedigende Ende dürfte für einige Frustration sorgen.

Für Programmkino.de.