Freitag, Februar 27, 2009

Watchmen - Nachteulen und blaue Männer


USA 2009

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Schon seit Monaten heizt sich die Fan-Gemeinde mit immer neuen Ausschnitten, Bildern und Gerüchten um die Verfilmung ihres geliebten Watchmen-Comics an. Die von Alan Moore und Dave Gibbons entwickelte DC-graphic novel zählt zweifellos zu den Meilensteinen der modernen Popkultur. Seit seiner Veröffentlichung vor rund zwei Jahrzehnten wurde unablässig darüber spekuliert, wer Watchmen wie auf die Leinwand bringen könnte - und mit wem. Nach vielen Umwegen kam das Projekt zu Zack Snyder, der mit dem Remake von Dawn of the Dead und der Frank-Miller-Adaption 300 sein Gespür für Suspense und visuelle Muskelspiele (im wahrsten Sinne des Wortes) unter Beweis stellen konnte. Vor allem 300 spaltete das Publikum mit seiner extrem stilisierten Übermenschen-Ästhetik. Etwas davon findet sich auch in Snyders Watchmen-Adaption wieder. Ansonsten - und das mag durchaus verwundern - sind es gar nicht einmal die Schauwerte oder die Action, die bei dieser Comic-Verfilmung den Ton angeben.

Einigen wir uns aber zunächst auf Folgendes: Lassen wir den Fanboy Fanboy sein und versuchen wir uns an einer zumindest halbwegs objektiven Bestandsaufnahme. Funktioniert Watchmen als Kinofilm? Können auch Menschen, denen Namen wie Nite Owl oder Dr. Manhattan bislang nichts sagten, etwas mit Snyders Umsetzung anfangen? Zu Beginn fällt die Orientierung zwischen all den Superhelden nicht immer leicht. Da gibt es zum einen die erste Generation der Watchmen, die bereits in den 40er Jahren maskiert auf Verbrecherjagd ging und von denen keiner über wirklich außergewöhnliche oder übermenschliche Fähigkeiten verfügte. Sie selbst gaben sich den Namen "Minutemen". Irgendwann im Laufe der 50er Jahre verschwanden Silk Spectre, Hooded Justice und Co. nach und nach von der Bildfläche und damit auch aus dem öffentlichen Bewußtsein.

In die Fußstapfen der "Minutemen" trat jedoch nur wenig später eine neue, zweite Generation maskierter Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit. Ihnen gehörte der Physiker Dr. Manhattan (Billy Crudup) an, der seit einem Laborunfall als einziger tatsächlich über Superkräfte verfügt und rein äußerlich einem verstrahlten Mitglied der Blue Men Group ähnelt. Rorschach (Jackie Earle Haley) alias Walter Kovacs, ein maskierter Gerechtigkeits-Junkie und ehemaliger Privatermittler, die verführerische Silk Spectre II (Malin Akerman), das selbsternannte Genie Ozymandias (Matthew Goode) und der zweite Nite Owl (Patrick Wilson), ein schüchterner Frauenversteher mit einem Faible für technische Gimmicks, komplettierten die bunte Truppe.

Das Bindeglied zwischen der ersten und zweiten Superhelden-Generation ist die schillernde Figur des Comedian (Jeffrey Dean Morgan). Der Berufszyniker, dessen mysteriöser Tod die Handlung in Watchmen in Gang setzt, wurde von einem Unbekannten in seiner eigenen Wohnung ermordet. Rorschach wittert eine Verschwörung, bei der alle früheren Superhelden nacheinander ausgeschaltet werden sollen.

Wie schon in V wie Vendetta entwirft Alan Moore auch in Watchmen ein düsteres politisches Szenario. Dabei blickt er dieses Mal nicht in die Zukunft, sondern in die jüngere Vergangenheit. Die eigentliche Geschichte spielt im Jahr 1985. Es ist die Zeit des Kalten Krieges. Die USA - unter ihrem zum dritten Mal (!) wiedergewählten Präsidenten Richard Nixon (!!!) - und die Sowjetunion halten ein atomares Schreckensszenario als Drohkulisse aufrecht, das sich jederzeit in einem apokalyptischen Alptraum entladen kann. Für Superhelden ist in dieser bipolaren Weltordnung kein Platz. Schon in den Siebzigern wurden sie von der Regierung zur Aufgabe ihrer Tätigkeit gezwungen. Allenfalls im Auftrag des Präsidenten dürfen sie noch legal ihrem "Handwerk" nachgehen.

Das ist also die Ausgangslage, von der aus Film wie Comic operieren. In stilvoll photographierten Rückblenden bringt uns Snyder das Leben der einst gefeierten Helden näher, vom ersten Zusammentreffen als Fans anderer Superhelden-Geschichten bis zu den mehr oder weniger bürgerlichen Karrieren der zweiten Generation. So wie die Figuren jede für sich andere Comic-Vorbilder zitieren - bei Nite Owl drängt sich der Vergleich zu Bruce Wayne/Batman förmlich auf -, zitiert Snyder wiederum andere Klassiker der Filmgeschichte. Das geschieht zwar wie im Fall der Apocalypse Now-Reprise bisweilen recht plump, doch charmant ist es trotzdem, weil das Augenzwinkern dabei stets erkennbar bleibt. Auch den eingebauten Verweis auf 300 mag man Snyder nicht wirklich übelnehmen. Satirische Qualitäten offenbart der Film nicht zuletzt in den Szenen mit dem besonders langnasig erscheinenden Nixon (Pinocchio?) und dessen Sicherheitsberater Henry Kissinger.

Während Frank Miller bei seinem Versuch, mit The Spirit einen anderen Kult-Comic in bewegte Bilder zu übersetzen, zuletzt grandios scheiterte, weicht Snyder den meisten Stolpersteinen recht souverän aus. Natürlich kann auch er sich von seiner Fixierung auf Oberflächlichkeiten nicht ganz befreien. Daß ihm das Posing augenscheinlich im Blut liegt, zeigt sich bereits während der Einleitung, in der sich stylishe Slow-Motion-Effekte mit einzelnen Tempobeschleunigungen abwechseln. Gegenüber 300, dem ersten Special-Effect in Spielfilmlänge, sind die optischen Spielereien jedoch weitaus dezenter eingesetzt. Erst im Finale dreht Snyder dann noch einmal so richtig auf. Dort geht es aber auch um nichts weniger als die Rettung der Welt, was den Griff in die Trickkiste letztlich rechtfertigt. Und ein bißchen Show - machen wir uns nichts vor - darf bei einer 100 Millionen Dollar teuren Comic-Verfilmung einfach nicht fehlen. Das größtenteils männliche Zielpublikum wird überdies von ganz anderen Schauwerten angezogen. Malin Akermans (das Sexbienchen Silk Spectre II) enges Latex-Kostüm ist waffenscheinpflichtig und dürfte hinterher für so manch feuchten (Nerd-)Traum sorgen. Selbiges gilt für die schwülstige Softsex-Nummer zwischen Silk und Nite Owl, mit der sich Snyder um die Nachfolge von Adrian Lyne bewirbt.

Düster und doch nicht monoton ist die Stimmung, die Watchmen verbreitet. Zwischen dem vor allem in den Episoden um Rorschach präsenten, atmosphärischen Noir-Feeling und den parodistischen Auftritten des eitlen Selfmade-Unternehmers Adrian Veidt (alias Ozymandias) liegen Welten respektive zwei Filme. So scheint es zumindest. Von anderen Comic-Verfilmungen unterscheidet sich Watchmen nicht nur durch seine Laufzeit von gut zweieinhalb Stunden, auch die Komplexität und Ambivalenz seines vermeintlichen Superhelden-Personals will nicht zu Saubermännern wie Peter Parker oder Clark Kent passen.

Während sich der Comedian in beißenden Zynismus flüchtet und ohne Skrupel Menschenleben ausradiert, erzeugen seine ehemaligen Mitstreiter Ozymandias und Rorschach ob ihres mehr als unsympathischen Erscheinungsbilds Unbehagen und Ekel. Alan Moores Handschrift ist hier unverkennbar. Schon V, der mysteriöse Revoluzzer aus V wie Vendetta, war eine höchst streitbare Persönlichkeit, deren Ethos und Methoden man durchaus hinterfragen konnte (bzw. mußte).

Bemerkenswert ist, wieviel Zeit sich Snyder für jeden einzelnen Charakter nimmt. Im Grunde sind die ersten 90 Minuten eine einzige überlange Einleitung, die uns das Watchmen-Universum und seine Protagonisten näherbringt. Was man gemeinhin "Plot" nennt, entwickelt sich eher im Vorbeigehen, nebenher, als Hintergrundrauschen. Anstelle einer banalen, Action-lastigen Superhelden-versus-Superschurken-Geschichte erwarten den Zuschauer Querverweise zur Historie des Superhelden-Comics und sauber ausgearbeitete (Anti-)Helden mit liebenswerten bis bizarren Manierismen. Gerade kleine, in Subplots verpackte Details wie Rorschachs Vorliebe für Bohnen aus der Dose oder das problematische Mutter-Tochter-Verhältnis im Hause Jupiter zeugen von der Liebe zum Comic und zur Moores Vorlage. Lediglich die Figur des egozentrischen Weltverbesserers Adrian Veidt nimmt sich im Vergleich zu den übrigen Charakteren recht schematisch und konventionell aus. Hier trifft das Vorurteil des comic relief ausnahmsweise einmal zu.

Um zur eingangs gestellten Frage zurückzukommen: Ja, dieser Watchmen funktioniert als Film überaus gut. Immer, wenn es den Anschein hat, als habe sich Snyder wieder einmal zu sehr in seine geleckte Videospielästhetik verguckt, fängt er sich prompt mit der nächsten Szene. Da nimmt man ihm selbst manche zum Ende etwas dick aufgetragene Hauruck-Aktion nicht wirklich übel. Und wer seinen Film mit Bob Dylans "The Times They Are A-Changin´" beginnt und zum Höhepunkt "All Along the Watchtower" spielen läßt, der kann eigentlich soviel nicht falsch gemacht haben.

Für evolver.

Mittwoch, Februar 25, 2009

The Wrestler - Herr des Ringes


USA 2008

+++1/2

Welch ein Comeback: Mickey Rourkes großartiger Auftritt als alternder Wrestler veredelt Darren Aronofskys vielfach preisgekrönte White-Trash-Milieustudie. Meine Gedanken zum Film sind bei evolver nachzulesen.

Montag, Februar 23, 2009

Oscars 2009 - Ein Resümee


Das war sie also, die 81. Oscar-Verleihung. Nach einem rasanten Beginn samt gut aufgelegtem Hugh Jackman hatte die Veranstaltung im Mittelteil einige Durchhänger. Stimmung kam dann erst wieder mit den Oscar-Songs aus SLUMDOG MILLIONÄR und WALL-E auf. Mit den Gewinnern bin ich im Großen und Ganzen einverstanden. Ja richtig, wie schrieb ein Blogger-Kollege, die Oscars sind keine Wunschveranstaltung, Aber man wird ja noch seinen Favoriten die Daumen drücken dürfen. Die größte Überraschung war sicherlich der Oscar für Sean Penn, der als Harvey Milk zwar hoch gehandelt wurde, letztlich aber gegen den großartigen Mickey Rourke als recht sicherer Verlierer galt (zumal manchen Academy-Mitlgiedern wohl die Homo-Thematik von MILK eher nicht gefallen haben dürfte). Ich kann mit Penn leben, aber etwas enttäuscht bin ich schon. Ich hatte mich schon auf Mickeys spezielle Dankesrede gefreut.

Ob Penelope Cruz wirklich zu Unrecht den Oscar als Beste Nebendarstellerin mit nach Hause nahm, kann ich nicht beurteilen. VICKY CRISTINA BARCELONA war mir seinerzeit irgendwie durch die Lappen gegangen. Ihr Akzent war zumindest sehr sympathisch. Meine gedankliche Anfeuerung für die auch an diesem Abend hinreißende Marisa Tomei (THE WRESTLER) war letztlich erfolglos.

Die Technik-Oscars für DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON gehen sicherlich in Ordnung, gerade weil sie so ein integraler Bestandteil des Films sind, ohne die eine solche Geschichte nie hätte umgesetzt werden können. Der Posthum-Auszeichnung für Heath Ledger war schließlich so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Und dieser Oscar ist sicherlich verdient, „Toten-Bonus“ hin oder her.

Bei den Hauptpreisen hätte ich zwar lieber MILK ganz oben auf dem Siegertreppchen gesehen, mit seinen Auszeichnungen für das BESTE DREHBUCH und für den BESTEN HAUPTDARSTELLER ist das engagierte und aufwühlende Polit-Drama aber auch ausreichend gewürdigt worden. Dass Kate Winslet ausgerechnet für einen – wie man überall hört – bestenfalls mittelmäßigen Film wie DER VORLESER den Goldjungen erhielt, ist etwas schade. Vermutlich griff hier das Martin-Scorsese-Prinzip ;) Anne Hathaway hatte zumindest zu Beginn im Duett mit Hugh Jackman eine sehr sympathischen Kurzaustritt als – ja richtig gelesen - Richard Nixon.

Der große Abräumer des Abends war das Feel-Good-Movie SLUMDOG MILLIONÄR. Die acht Oscars sind vermutlich etwas zuviel des Guten. Auch ich fand Danny Boyles Underdog-Märchen toll, als Meisterwerk würde ich den locker, leichten Indien-Express aber nicht bezeichnen wollen. Dann doch schon eher MILK oder auch FROST/NIXON. Immerhin sind die Musik-Oscars mehr als verdient. Der ganz spezielle Bollywood-Charme wurde von Komponist A.R. Rahman in einem mitreißenden Score festgehalten.

Ach ja: Dass Bernd Eichingers RAF-Drama DER BAADER-MEINHOF-KOMPLEX leer ausgegangen ist, fand ich dann doch gerecht (ich hätte mir den österreichischen REVANCHE als Sieger gewünscht). Schadenfreude ist manchmal doch die schönste Freude. Gemein. Ich weiß.

Bis zum nächsten Jahr! Dann vielleicht wieder mit einem mehr Pepp und Mut!

Samstag, Februar 21, 2009

Oscars 2009 - Die Nacht der Nächte kann kommen


Morgen ist es endlich wieder soweit. Vorräte bestehend aus Chips, Cola und diversen Alkoholika sind eingekauft, die meisten Filme vorab begutachtet und die Plätze vorm Fernseher frei geräumt.

Ich unterscheide (wenn nötig) zwischen meinem ganz persönlichen Favoriten und meiner Sieger-Prognose.

BEST PICTURE
Mein Favorit: MILK
Mein Tipp: SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST ACTRESS
Anne Hathaway für RACHELS HOCHZEIT
Kate Winslet für DER VORLESER

BEST ACTOR
Mickey Rourke für THE WRESTLER

BEST SUPPORTING ACTRESS
Marisa Tomei für THE WRESTLER
Penelope Cruz für VICKY CRISTINA BARCELONA

BEST SUPPORTING ACTOR
Heath Ledger für THE DARK KNIGHT

BEST DIRECTOR
Gus van Sant für MILK
Danny Boyle für SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST ORIGINAL SCREENPLAY
Dustin Lance Black für MILK

BEST ADAPTED SCREENPLAY
Simon Beaufoy für SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST FOREIGN LANGUAGE FILM
REVANCHE (Österreich)
WALTZ WITH BASHIR (Israel)

BEST ANIMATED FILM
WALL-E

BEST ART DIRECTION
ZEITEN DES AUFRUHRS
DIE HERZOGIN

BEST CINEMATOGRAPHY
SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST FILM EDITING
SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST COSTUME DESIGN
MILK
DIE HERZOGIN

BEST DOCUMENTARY FEATURE
MAN ON WIRE

BEST ORIGINAL SONG
Jai Ho aus SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST ORIGINAL SCORE
SLUMDOG MILLIONAIRE

BEST MAKEUP
HELLBOY II - DIE GOLDENE ARMEE
DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON

BEST SOUND EDITING
WALL-E
THE DARK KNIGHT

BEST SOUND MIXING
WALL-E
THE DARK KNIGHT

BEST VISUAL EFFECTS
DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON

Marley & Ich - Eine neue Art des Tier-Horrors


USA 2008

+1/2

In den USA längst ein Kassenerfolg, startet die Geschichte des eigenwilligen Labradors Marley nun auch in unseren Kinos. Die überaus konventionell geratene Verfilmung des autobiographischen Beststellers von John Grogan vertraut ganz dem Charme ihres tierischen Hauptdarstellers und der Zugkraft zweier populärer Hollywood-Stars. Owen Wilson und Jennifer Aniston mühen sich redlich, das Beste aus ihren jeweiligen Rollen herauszuholen. Als Marleys Herrchen und Frauchen kämpfen sie jedoch bisweilen auf verlorenem Posten.

Filmkritik:

Hunde gelten als die treusten Weggefährten des Menschen. Zumindest sagen das viele Besitzer über ihre Schützlinge. Wer den Vierbeinern bislang eher reserviert gegenüber stand, für den gibt es nun Marley & Ich, die Geschichte eines glücklich verheirateten Journalisten-Ehepaares (Owen Wilson, Jennifer Aniston) und ihres Labradors Marley. Dessen Charme werden selbst notorische Hundeskeptiker erliegen, schließlich besitzt Marley trotz all seiner Marotten das Zeug zu einem echten Herzensbrecher, wenn er mit seinen sanften, braunen Augen direkt in die Kamera blickt. Dass er uns zunächst als der „schlechteste Hund der Welt“ vorgestellt wird, ist natürlich pures Understatement. In Wirklichkeit funktioniert Marley in jeder Szene nämlich wie der Prototyp des liebenswerten Chaoten. Denn obwohl der temperamentvolle Labrador regelmäßig die Wohnungseinrichtung zerlegt und sein Herrchen auch sonst gerne schon mal zur Verzweiflung treibt, sind ihm die Sympathien des Publikums jederzeit gewiss.

Allerdings kann selbst Labrador Marley nicht darüber hinweg täuschen, dass der neue Film von David Frankel (Der Teufel trägt Prada) im Grunde nur eine sehr schematische Familienchronik ohne wirkliche Höhen und Tiefen erzählt. John (Wilson) und Jennifer (Aniston) sind jung und so frisch verliebt wie am ersten Tag ihrer Beziehung. Beide arbeiten nach ihrem Umzug von Michigan in den Rentner- und Sonnenschein-Staat Florida für eine örtliche Tageszeitung. Von seinem neuen resoluten Chef (Alan Arkin) erhält John den Auftrag, eine tägliche Kolumne zu verfassen. In dieser dreht sich schon bald alles um Marley, das jüngste Familienmitglied und Johns flauschig-tapsiges Geburtstagsgeschenk an seine Frau. Mit den tierischen Episoden trifft John den Nerv vieler Leser, die voller Begeisterung seine Kolumnen lesen.

Brav folgt Marley & Ich sodann den Gesetzmäßigkeiten eines typischen, entlang bekannter Hollywood-Regeln konzipierten Unterhaltungsprodukts. Die ausbalancierte Dramaturgie beinhaltet sowohl unbeschwerte Szenen eines nahezu perfekten Familienglücks als auch ernste Momente – letztere jedoch nur in Maßen, schließlich scheinen Frankel und seine beiden Drehbuchautoren Scott Frank und Don Roos den Feel-Good-Charakter der autobiographischen Vorlage keineswegs in Schwermut ertränken zu wollen. Lediglich zum Ende hin vollzieht Marley & Ich einen viel zu manipulativen Richtungswechsel, bei dem der Zuschauer seinen Gefühlen freien Lauf lassen und Marleys Schicksal betrauern soll. Allein das Kalkül, mit der dies alles geschieht, steht einem echten Mitempfinden im Wege. Die aufdringliche Instrumentalisierung eines Tieres, das bis dorthin vorrangig als possierliches, süßes Extra in einem ansonsten banalen Familienfilm eingesetzt wurde, erzeugt eher Unverständnis und Ratlosigkeit.

Für das im Komödienfach erfahrene Film-Paar Wilson und Aniston gibt es hier nicht mehr zu tun, als ihren jeweiligen recht glanzlosen Rollenvorgaben etwas Star-Appeal einzuimpfen. Aniston spielt einmal mehr das bodenständige „All American Girl“, wohingegen Wilson sein kumpelhaftes Sunnyboy-Image kultiviert. Aufregend ist das nicht. Aus Sicht des Studios dürfte die prominente Besetzung ihren Zweck aber dennoch erfüllt haben. Immerhin nahm der Film allein in den USA bis dato über 140 Mio. Dollar ein. Die schlichte Erfolgsformel "Stars + Tier(e) = Zuschauermagnet" behält auch weiterhin ihre Gültigkeit.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, Februar 18, 2009

Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected


USD/D/ISR 2008

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Basierend auf dem bereits Ende der sechziger Jahre erschienen Roman von Yoram Kaniuk, wagt sich diese deutsch-israelische Koproduktion an die schwierige Frage, ob Überlebende des Holocaust das ihnen zugefügte Leid jemals werden verarbeiten können. Den trotz seines düsteren Sujets durchaus hoffnungsvollen Film inszenierte Paul Schrader. In der Hauptrolle stellt Jeff Goldblum seine in der Vergangenheit nicht immer geforderten schauspielerischen Qualitäten unter Beweis. Er ist es auch, der das ehrgeizige Projekt am Ende rettet.

Filmkritik:

Adam Stein (Jeff Goldblum) ist ein gefeierter Kabarett-Star im Berlin der zwanziger und dreißiger Jahre. Doch mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ziehen für den jüdischen Clown und Zauberer dunkle Zeiten herauf. Schließlich werden auch er und seine Familie in ein Konzentrationslager verbracht. Um dort zu überleben, lässt sich Adam vom Lagerkommandanten Klein (Willem Dafoe) tagein, tagaus erniedrigen und wie ein folgsamer Hund an der Leine herumführen. Auf Zuruf macht er das, was von ihm verlangt wird, selbst wenn er dadurch seine Existenz als Mensch verleugnen muss. Dass er trotz allem seine Familie nicht retten kann, wird zu einem Trauma, das ihn Zeit seines Lebens verfolgen soll.

Nach dem Krieg zieht es Adam in das Land seiner Vorfahren. Mitten in der israelischen Wüste wurde dort für Überlebende des Holocaust ein Sanatorium errichtet, das den verletzten und traumatisierten Seelen als letztes Refugium dient. Unter der Leitung des erfahrenen Psychiaters Dr. Nathan Gross (Derek Jacobi) werden den Patienten verschiedenen Therapieformen zur Bewältigung ihrer unvorstellbar schmerzhaften Vergangenheit angeboten. Adam zeigt sich nur allerdings bedingt empfänglich für derartige Hilfeleistungen. Er zieht es vor, der uneingeschränkte Star seiner eigenen Show zu sein. Dabei hält er die Pfleger und anderen Patienten mit immer neuen Tricks, grotesken Spielereien sowie zahlreichen Ausbruchsversuchen auf Trab. Nicht nur, dass er bisweilen offen die Kompetenz des Fachpersonals anzweifelt, zu der ihm wohl gesonnenen Krankenschwester Gina (Ayelet Zurer) unterhält Adam überdies eine ganz besondere Beziehung. In bizarren Rollenspielen vermischen sich seine Erlebnisse als menschlicher Schoßhund mit sexuellen Fantasien von Dominanz und Unterwerfung.

Für Regisseur Paul Schrader bedeutet die Verfilmung des viel beachteten Romans von Yoram Kaniuk die erste Auseinandersetzung mit dem auch im Kino nach wie vor präsenten Holocaust-Thema. Schrader, der bislang vor allem als Drehbuchautor komplexe, in sich widersprüchliche Charaktere wie Travis Bickle erschuf, hat es auch hier mit einem schillernden, nicht selten egozentrischen Selbstdarsteller zu tun. Von Jeff Goldblum mit einer bemerkenswerten Umsicht und beinahe gläsernen Zerbrechlichkeit verkörpert, ist dieser Adam Stein ein zu gleichen Teilen lebenshungriger wie gebrochener Melancholiker, der nicht vergessen kann, durch welche Hölle er einst gehen musste. Der (jiddische) Humor ist lange Zeit sein einziger Begleiter und der eigentliche Grund, weshalb er vielleicht überhaupt noch am Leben ist.

Der Alltag im Sanatorium ist alles, nur nicht alltäglich. Und dennoch zeichnet der Film ein Bild, das sich kaum von jenem unterscheidet, das Einer flog übers Kuckucksnest bereits vor über drei Jahrzehnten als psychiatrischer Mikrokosmos im Kino etablierte. Verschrobene Charaktere wie der in sein Alphorn vernarrte Arthur (Idan Alterman) kennt man zur Genüge. Gerade in der recht schematischen Zeichnung vieler Nebenfiguren und ihrem überdrehten Humor zeigen sich erkennbar Drehbuchschwächen. Noah Stollmans Adaption mangelt es darüber hinaus an einer klaren Linie. Die meiste Zeit über springt Ein Leben für ein Leben ziellos zwischen Adams Aufenthalt im Sanatorium und den authentisch fotografierten Aufnahmen aus dem Lager hin und her. Und so ist es Goldblum, der den vor allem zum Ende hin mit Symbolen überfrachteten, viel zu kopflastigen Film mit seiner stillen Darbietung vor dem endgültigen Scheitern bewahrt.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Februar 17, 2009

Der Ja-Sager - Sag niemals Nein


USA 2008

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Was zunächst nach einer unautorisierten Verfilmung von Obamas Wahlkampf-Slogan klingt, schenkt Jim Carrey das langersehnte Comeback - und uns Zusehern eine sympathische Liebeskomödie, die ohne peinliche Fehltritte auskommt. Zu meiner Kritik geht's hier.

Samstag, Februar 14, 2009

Freitag der 13. - Jason Reloaded


USA 2009

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Das Gesetz der Fortsetzung. Nirgendwo ist es so stark und mächtig wie im Horror-Genre. Seit nunmehr fast drei Jahrzehnten macht ein maskierter Killer die Gegend um den inzwischen sagenumwobenen Crystal Lake und das daran angrenzende Sommer-Camp unsicher. Verglichen mit dem Jahr 1980, als Sean S. Cunningham den Mythos von Freitag der 13. begründete, hat sich im Slasher-Genre kaum etwas verändert. Die seit Halloween gültige Dramaturgie vom gesichtslosen Psychopathen, der solange mordet bis sich ihm in letzter Konsequenz das „final girl“ in den Weg stellt, wurde vielmehr zu einem festen und nahezu unverrückbaren Bestandteil des Slasher-Films.

Wer sich Cunninghams Original ansieht, in dem der angeblich im See ertrunkene Jason nur eine Randnotiz und seine hasserfüllte Mutter die eigentliche Hauptperson war, dem wird sich kaum erschließen, wieso die Reihe bis heute fast schon kultisch verehrt wird. Vieles erscheint eher (unfreiwillig) komisch. Statt vor Jasons Mama muss man sich eher vor den geschmacklosen Outfits der übrigen Darsteller und den selbst für einen Horrorfilm überaus dümmlichen Dialogen („Ich bin dumm wie 'ne Hupe!“) ängstigen. Das Werk ist vornehmlich unter filmhistorischen Gesichtspunkten von Interesse, begründete es doch eine der Ur-Legenden des Genres. Jason, Freddy, Michael Myers, sie alle haben ihre treue Fanbase über die Jahre halten und sogar noch vergrößern können. Jede Rückkehr eines maskierten Schlitzers, möglichst in einer modernen, an die jeweils herrschenden Sehgewohnheiten angepassten Verpackung, garantiert somit verlässliche Zuschauerzahlen und Einnahmen.

Überlegungen wie diese dürften Michael Bay und seine Produktionsfirma „Platinum Dunes“ dazu bewogen haben, den anscheinend unkaputtbaren Jason ein weiteres Mal ins Box-Office-Rennen zu schicken. Mit dem Deutschen Marcus Nispel fand sich ein Regisseur, der vor einigen Jahren mit dem Texas Chainsaw Massacre schon einmal einen Genre-Klassiker zeitgemäß interpretierte. Auch Nispels Freitag der 13. ist entgegen mancher Kategorisierungen eindeutig kein Remake oder eine weitere Nacherzählung des ersten Teils. Am ehesten lässt er sich als 2009er-Update des Jason-Mythos umschreiben. Nach einem kurzen Rückblick auf Teil 1, der mit dem gewaltsamen Tod von Mutter Voorhees endete, befinden wir uns in der Gegenwart.

Ansonsten ist eigentlich alles wie gehabt. Jasons Opfer sind noch immer dumm wie Brot, konsumieren Drogen und leiden unter akutem Samenstau (zumindest die männlichen). Eine Gruppe Studenten, die in den Wäldern um Crystal Lake einem Marihuana-Anbaugebiet auf der Spur ist, gibt sich auch alle Mühe, sämtliche Klischees umgehend zu bestätigen. Konsequenterweise macht der Film mit ihnen kurzen Prozess. Es dauert keine zwanzig Minuten und Jason hat fürs Erste sein Tagwerk vollbracht. Der Einstieg macht Laune, erfüllt alle Gesetzmäßigkeiten des Genres und wartet mit einem blutigen Appetizer (Stichwort: Bärenfalle) auf. Auf den ersten Durchlauf folgt sogleich der zweite. Und dieses Mal wollen Nispel und seine Autoren Mark Swift und Damian Shannon augenscheinlich so etwas wie eine Geschichte erzählen.

Dieser Vorsatz ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auch Gruppe Nummer 2 ausschließlich aus dämlichen bis unsympathischen Freizeit-Kiffern und Muttersöhnchen besteht, von denen man sich wünscht, dass Jasons sie lieber früher als später zu Studentenfutter verarbeiten möge. Neben dem Ekel (Travis van Winkle) mit reichem Papa und ausgeprägtem Ordnungsfimmel komplettieren der obligatorische Schwarze (Arelen Escarpeta), der Asiate (Aaron Yoo) und ein blonder Vollpfosten (Ryan Hansen) das Stereotypen-Kabinett. Als besonderes Eyecandy für die männliche Zielgruppe dürfen die beiden Silikon-Schönheiten Bree und Chelsea (Julianna Guill, Willa Ford) ausgiebig ihre zugegeben ansehnliche Oberweite präsentieren. Verstärkung erhält die Gruppe durch Clay (Jared Padalecki), der in dem Waldgebiet seine vermisste Schwester (Amanda Righetti) sucht.

Spielte man seinerzeit Strip-Monopoly, so vergnügen sich die jungen Leute heute lieber bei Oben-ohne-Wakeboarden und Bier aus Turnschuhen saufen. Dazwischen wird wahlweise über Sex geredet oder selbiger praktiziert. Das Ganze könnte problemlos auch eine wunderbar sinnfreie Sex-Klamotte ergeben, wäre da nicht Jason, der sich von soviel frivolem Auf und Ab in seinem Eremitenleben – man möchte ergänzen „verständlicherweise“ – gestört fühlt. Bei Nispel wird aus dem von Rachegefühlen erfüllten Einzelgänger ein wieselflinker Killer, der schneller tötet, als seine Opfer sterben können. Egal ob dabei seine geliebte Machete, Pfeil und Bogen oder ein banaler Schraubenzieher zum Einsatz kommt, Jason macht eigentlich immer eine überaus gute Figur, was sich über das studentische Frischfleisch nicht sagen lässt. Selbst wenn man ihr Verhalten wohlwollend als Hommage an die Konventionen des Genres deutet, kommt man kaum umhin, bisweilen fassungslos vor soviel Dummheit den Kopf zu schütteln.

Wie schon bei seiner Modernisierung des texanischen Kettensägen-Massakers legt es Nispel weniger auf eine unbedingte Treue zur Vorlage an, eher scheint es ihm darum gegangen zu sein, die Legende einer neuen Generation von Kinogängern näher zu bringen, die statt mit Halloween und Nightmare on Elm Street mit Scream und Saw aufgewachsen ist. Natürlich wartet auf treue Jason-Fans das ein oder andere Déjà-vu. So schnell wie Nispel aber beispielsweise das Anlegen der ab Teil 3 praktisch zum Inventar gehörenden Eishockey-Maske abhandelt, schleicht sich das Gefühl ein, ihm seien solch ikonographische Gesten nur eine lästige Pflichtübung. Ein kurzes Innehalten und schon kann das Schlachtfest in die nächste Runde gehen. Dabei schlägt der Gore-Pegel aber nur selten wirklich aus. Blutige Exzesse wie sie die Franzosen zuletzt reihenweise hervorbrachten (Martyrs, Frontière(s), Inside), sucht man hier vergebens. Freitag der 13. soll offenbar auch als Date-Movie funktionieren.

Dass Nispels zweiter Ausflug in die Horrorfilm-Geschichte letztlich hinter seinem ersten zurückbleibt, liegt vor allem an der fehlenden atmosphärischen Dichte und Spannung. Während seinerzeit eine stickige, beinahe klaustrophobische Enge das Anwesen des degenerierten Hewitt-Clans umgab und der Terror Jagd auf eine leicht bekleidete Jessica Biel machte, hält sich Freitag der 13. nach seiner straffen Einleitung zu lange mit lächerlichem Assi-Gerede und verklemmten Fummeleien auf. Das Dreckige der TCM-Neuauflage ist zudem einem deutlich klinischeren Look gewichen. Zumindest können die eingestreuten Reminiszenzen an Hitchcocks Psycho Genre-Fans ab und an ein Schmunzeln entlocken. Nett auch, dass sich der Bodycount am Ende exakt auf dreizehn summiert. Der Titel verpflichtet manchmal eben doch.

Für BlairWitch.

Donnerstag, Februar 12, 2009

96 Hours - Wie Du mir, so ich Dir


F 2008

+++1/2

Gute Thriller sind rar gesät. Der von Luc Besson miterdachte und co-produzierte 96 Hours ist so einer. Tarnt sich der Film anfangs noch als eher ruhige Charakterstudie, verwandelt er sich nach einer halben Stunde in ein knallhartes Action-Drama. Bei der Odyssee durch die Pariser Unterwelt kennt der von Liam Neeson glaubhaft verkörperte CIA-Agent kein Erbarmen. Um seine von osteuropäischen Menschenhändlern verschleppte Tochter zurück zu bekommen, ist ihm jedes Mittel recht. Regisseur Pierre Morel verzichtet weitgehend auf inszenatorische Spielereien und outet sich so ganz nebenbei als Fan alter Exploitation- und Selbstjustiz-Klassiker.

Filmkritik:

Das Böse ist immer und überall. Diese Meinung vertritt zumindest Bryan Mills (Liam Neeson). Und der muss es wissen. Immerhin arbeitete Bryan jahrelang als Agent der CIA. Der Job ließ nur wenig Raum für ein Privatleben. Seine Ehe zerbrach und auch der Kontakt zu seiner Tochter Kim (Maggie Grace) beschränkte sich meist auf einige kurze Besuche. Dabei gibt es für ihn nichts Wichtigeres als sie. Umso misstrauischer ist er, als sie ihn darum bittet, mit einer Freundin nach Paris reisen zu dürfen. Unter der Bedingung, dass Kim sich regelmäßig bei ihm meldet, lässt er sich schließlich überzeugen. Bereits kurze Zeit später sitzen Kim und Freundin Amanda (Katie Cassidy) im Flugzeug, zurück bleiben Bryan und ein ungutes Gefühl.

Dessen Befürchtungen, seien es die Instinkte eines liebenden Vaters oder einfach nur das Ergebnis seiner Berufserfahrung, sollen schon bald traurige Realität werden. Nachdem sich ein Lockvogel das Vertrauen der Mädchen erschlichen hat, suchen einige dunkle Gestalten Kim und Amanda in ihrem Appartement auf. In höchster Not gelingt es Kim, ihrem Vater von dem Überfall zu berichten und eine ungefähre Täterbeschreibung durchzugeben. Dann bricht der Kontakt ab. Ohne zu zögern reist Bryan seiner Tochter nach. Ein Freund konnte die Männer inzwischen anhand ihrer Stimmen als Albaner identifizieren. Viel mehr als diese Information hat Bryan zunächst jedoch nicht, als er in Paris eintrifft. Und dennoch wirkt er fest entschlossen, Kim zu finden und die Schuldigen zu Rechenschaft zu ziehen.

96 Hours – der Titel spielt auf die Zeit an, die Bryan bleibt, um seine Tochter zu finden – macht Schluss mit vielen faulen Kompromissen des modernen Action-Kinos. Der von Luc Besson protegierte und mitproduzierte Film knüpft an die Tradition harter Selbstjustizthriller der siebziger und achtziger Jahre an. Vor allem an die Direktheit und Kaltschnäuzigkeit eines Dirty Harry fühlt man sich unweigerlich erinnert, wenn Bryan wie ein Besessener die Pariser Unterwelt aufmischt. Keine Gnade kennt er mit jenen, die sich ihm in den Weg stellen. Wo andere Genre-Vertreter, nur um womöglich politisch korrekt zu sein, auf kulturelle wie nationale Geflogenheiten Rücksicht nehmen, scheuen Besson und sein Co-Autor Robert Mark Kamen nicht vor eindeutigen Statements zurück. Das Bild, das 96 Hours von Europa und speziell den Osteuropäern zeichnet, ist wenig schmeichelhaft und trieft nur so von Klischees. Ähnlich wie in Eli Roths Horror-Schocker Hostel werden ganz gezielt amerikanische Ressentiments und Vorurteile bedient. Dass darin vor allem eine Kritik an der simplen Weltsicht des letzten US-Präsidenten und mancher seiner Landsleute zum Ausdruck kommt, scheint beabsichtigt. Wie zum Beweis dürfen sich zum Ende hin sogar Araber mit Bryan duellieren. Diese sind nicht wenigen Amerikanern noch unheimlicher als der durchschnittliche Osteuropäer.

Die Rache-Thematik eignet sich nicht erst seit Exploitation-Klassikern wie Last House on the Left und Thriller als verlässlicher Auslöser hitziger Debatten und gezielter Provokationen. Obwohl sich über die Jahre die Aufregung diesbezüglich gelegt hat, reagiert insbesondere die deutsche Bundesprüfstelle heute oftmals noch allergisch, wenn Filme Selbstjustiz zeigen oder unterschwellig befürworten. Insofern verwundert es schon, dass 96 Hours trotz expliziter Folter-Szenen bereits eine Freigabe ab 16 Jahren erhalten hat. Nicht nur erscheint Bryans Handel moralisch fragwürdig, auch in der Wahl seiner Mittel ist der Ex-CIA-Agent wenig zimperlich.

Ungeachtet der ethischen Grauzone, die der Film betritt, funktioniert 96 Hours als hoch emotionaler Thriller erstaunlich gut. Dabei liegen die Stärken des von Besson und Kamen erdachten Konzepts vor allem in dessen Geradlinigkeit. Die Action ist hart, schnörkellos und auf eine angenehme Weise altmodisch. Zudem erweist sich Liam Neeson allein schon aufgrund seiner physischen Präsenz als Idealbesetzung für den Part des zu allem entschlossenen Vaters. Ein weiterer cleverer Schachzug betrifft den Aufbau des Plots. Die erste halbe Stunde übt sich Regisseur Pierre Morel noch in Zurückhaltung. Das Tempo ist mäßig, der Ton nachdenklich, fast melancholisch. Kaum etwas deutet zu diesem Zeitpunkt darauf hin, welch viszerale Kraft die Geschichte nur wenig später entwickeln wird. Was folgt, ist ein Schlag ins Gesicht, den man so schnell nicht vergisst.

Dienstag, Februar 10, 2009

Er steht einfach nicht auf Dich - Männer, Frauen und das Missverständnis


USA 2009

++

Der moderne Mensch braucht für alles eine Gebrauchsanweisung. Als Anleitung zum Glücklichsein versucht dieses Episodenstück mit einigen grundlegenden Mißverständnissen zwischen Mann und Frau aufzuräumen. Der Erkenntnisgewinn hält sich dabei ebenso in Grenzen wie der Unterhaltungswert. Wer dennoch mehr über dieses neueste Star-Vehikel erfahren möchte, der liest einfach auf evolver weiter!

Samstag, Februar 07, 2009

Milk - Yes We Can!


USA 2008

++++

Er kämpfte mit Courage und Leidenschaft für die Gleichberechtigung von Homosexuellen und gegen ein Klima der Angst und Bigotterie. Sein Name: Harvey Milk. Hollywood widmet dem 1978 ermordeten, ersten offen schwulen Stadtrat der USA nun ein hochkarätig besetztes Zeitdokument, dessen universale Agenda nichts an Brisanz und Aktualität eingebüßt hat. In der Hauptrolle brilliert Sean Penn, der wie der gesamte Film für einen Oscar gehandelt wird.

Filmkritik:

Anfang der siebziger Jahre zieht es den New Yorker Geschäftsmann Harvey Milk (Sean Penn) und seinen Freund Scott (James Franco) von der Ost- an die Westküste, genauer nach San Francisco, dem einstigen Mekka der Hippie-Bewegung. Dort eröffnen beide ein kleines Fotogeschäft. Schnell entwickelt sich ihre Nachbarschaft, die Gegend um die Castro Steet, zu einem vitalen, bunten „Hot Spot“ der schwul-lesbischen Szene. Doch auch das schützt Harvey und seine Freunde nicht vor Repressalien und Übergriffen der Polizei. Gerade vielen Konservativen und christlichen Gruppen sind Schwule ein Dorn im Auge. Viele vertreten die Auffassung, dass es sich bei Homosexualität um eine Krankheit handelt, um eine Abnormalität, vor der man die Gesellschaft schützen muss.

Als die Stimmung zunehmend feindseiliger wird, entschließt sich Harvey aktiv für die Rechte von Schwulen und Lesben einzutreten und für einen der vakanten Stadtratsposten zu kandidieren. Bei seinen ersten Anläufen unterliegt er jeweils nur knapp. 1977 gelingt ihm dann wahrlich Historisches. Als der erste offen schwule Mandatsträger in der amerikanischen Geschichte wird Harvey Milk in den Stadtrat gewählt. Dabei erhält er auch die Stimmen vieler Schwarzer, Latinos, Gewerkschafter und Rentner.

Regisseur Gus Van Sant und Drehbuchautor Dustin Lance Black nähern sich diesem Ausschnitt neuerer amerikanischer Geschichte über die Privatperson Harvey Milk. In den Siebzigern war das Private noch politisch, vor allem dann, wenn der eigene Lebensentwurf von dem der Mehrheit in entscheidenden Punkten abwich. Gleichgeschlechtliche Liebe wurde als Sünde geächtet und Schwule mit Kinderschändern gleichgesetzt, woraus manch abstruser Vorschlag wie der nach dem Ausschluss von Homosexuellen aus dem Schuldienst resultierte. Der Film zeigt wie sich Schwulen und Lesben erstmals organisierten und ihrem Anliegen in der Öffentlichkeit eine deutlich wahrnehmbare Stimme gaben. Van Sant mischte dazu in die mit großer Akkuratesse inszenierten Spielszenen immer wieder Archivmaterial von TV-Interviews, Wahlkampfveranstaltungen und Pressekonferenzen, in denen auch vehemente Gegner der Gleichberechtigung wie die christliche Aktivistin Anita Bryant zu Wort kommen.

Milk ist aus vielerlei Gründen ein bemerkenswerter Film. Van Sant bringt uns einerseits die Person Harvey Milk näher, ohne ihn als Platzhalter schwul-lesbischer Forderungen oder Ikone des „Gay Pride“ zu instrumentalisieren. Das politische wie soziale Erdbeben, das seine Ernennung zum Stadtrat in Kalifornien auslöste und das in seiner Signalwirkung weit über die Grenzen San Franciscos Relevanz besaß, scheint untrennbar mit Milks Vita verbunden. Mit dem, was er für richtig erachtete und was ihm wirklich war. Dabei bleibt dieser bemerkenswert mutige Mann immer ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Einmal ins Amt gewählt, zeigt sich recht bald, dass er von politischen Winkelspielen mindestens so viel wie seine Gegner verstand. Und in seinen Beziehungen, erst mit Scott später mit dem deutlich jüngeren Jack (Diego Luna), ist das Scheitern eine Konstante.

Sean Penns Porträt stellt sich ganz in den Dienst dieser inspirierenden und nach wie vor aktuellen Geschichte. Hingebungsvoll und völlig uneitel nähert er sich der Rolle, die ihm eine weitere Oscar-Nominierung einbringen dürfte. Neigte Penn in der Vergangenheit bisweilen zu übertriebenen, exaltierten Posen, so ist dieses Mal rein gar nichts davon zu spüren. Er verwandelt sich in Milk, ohne dass es jemals angestrengt wirkt oder sich wie das Abhaken einer Checkliste anfühlt. An Penns Seite brilliert Josh Brolin. Seine Darstellung des frustrierten Stadtrats Dan White ist nicht minder überzeugend. White, der Milk und San Franciscos Bürgermeister George Moscone (Victor Garber) am 27. November 1978 im Rathaus aufsuchte und mit fünf Schüssen ermordete, war ein schwieriger Charakter und eine gebrochene Persönlichkeit. Aber so wenig der Film Harvey Milk zu einem Heiligen stilisiert, so wenig verfällt er im Fall Dan White einer plumpen Dämonisierung.

Trotz seines zunächst tragischen Ausgangs, ist Milk im Kern doch ein zutiefst optimistisches Stück Kino. Der Film handelt von der Möglichkeit des Wandels, davon dass sich in einer Demokratie Minderheiten organisieren und dadurch zu Mehrheiten werden können. Emotional und zuweilen mit sichtlicher Wut im Bauch zeichnet Van Sant ein spannendes Zeitgemälde, dem man jeden nur erdenklichen Erfolg wünscht.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, Februar 05, 2009

Nick & Norah - Nachtschwärmer


USA 2008

++1/2

Sie sind jung, unglücklich und leiden unter den Spätfolgen der Pubertät: Nick und Norah haben vieles gemein. Und doch sollen sie erst am Ende einer turbulenten Odyssee durch das New Yorker Nachtleben zusammen finden. Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht vertraut (etwas zu sehr) auf die Mechanismen vergleichbarer Independent-Komödien und die Spielfreude seines jungen Ensembles. In seinen besten Momenten fängt der Film die besondere Stimmung des nächtlichen Großstadtlebens ein.

Filmkritk:

Dass ihn seine Freundin verlassen hat, darüber kommt der sensible Nick (Michael Cera) einfach nicht hinweg. Mit selbst zusammengestellten Musik-CDs versucht er das Herz der Ex zurück zu gewinnen, mit eher mäßigem Erfolg. Tris (Alexis Dziena) hat längst einen Neuen. Um zu verhindern, dass Nick in Selbstmitleid und Liebeskummer versinkt, überreden seine allesamt schwulen Kumpels ihn zu einer aufregenden Konzert-Nacht in Downtown New York. Ihre bislang eher erfolglose Schüler-Combo „The Jerk Offs“ (Nomen est Omen) darf in einem kleinen Club auftreten. Für Nick ist das jedoch noch kein ausreichender Grund, um sein Schneckenhaus zu verlassen. Erst als er erfährt, dass an diesem Abend auch ein Gig seiner Lieblings-Band an einem zunächst geheim gehaltenen Ort steigen soll, stürzt er sich kopfüber in die Nacht.

In der Stadt, die bekanntlich niemals schläft, kann man sich mitunter wie in einem Dorf fühlen. Jedenfalls begegnen Nick in dieser Nacht immer wieder die gleichen, bekannten Gesichter. Eines davon gehört Norah (Kat Dennings). Die Tochter eines einflussreichen Musik-Managers überrascht Nick mit der Frage, ob er nicht für fünf Minuten ihr Freund spielen würde. So unverhofft beginnt für Nick eine neue Romanze und für den Zuschauer von Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht eine durch und durch vorhersehbare, dabei aber zumeist unterhaltsamen Odyssee durch das quirlige New Yorker Nachtleben. Der Film erinnert dabei nicht nur wegen Michael Cera, der auch hier wieder zur Gitarre greifen darf, an den letztjährigen Überraschungserfolg Juno. Bereits mit den im Comic-Stil gehaltenen Opening Titles scheinen die Produzenten das Rezept des Oscar-Gewinners kopieren zu wollen, was per se nichts Schlechtes ist.

Allerdings bleibt die Geschichte dadurch bis zum Ende unter ihren Möglichkeiten, da Regisseur Peter Sollett und Drehbuchautorin Lorene Scafaria kein echtes Wagnis eingehen, sondern lediglich bekannte und erprobte Elemente einer Teenager-Love-Story in ein Juno-ähnliches Independent-Gewand verfrachten. Während der szenetypische Soundtrack die Atmosphäre jenes Abends einfängt, sind die unnötig platten Gags um Norahs trinkfreudige Begleitung Caroline (Ari Graynor) der Stimmung wenig zuträglich. Diese wirken bisweilen, als ob sie Teil eines anderen Films wären, der auf die schüchterne, sich langsam entwickelnde Teenager-Liebe zwischen Nick und Norah keinerlei Rücksicht zu nehmen braucht. Und so erweist sich die Absicht, auf diesem Wege einige sichere Lacher zu ernten, letztlich als kontraproduktiv.

Stark ist Nick & Norah vor allem dann, wenn sich der Film ganz auf seine beiden überzeugenden Hauptdarsteller einlässt und auf komödiantische Ablenkungsmanöver verzichtet. Michael Cera und Kat Dennings agieren jederzeit glaubhaft, wobei sich ihre Stärken gerade im Zusammenspiel zeigen. Nick und Norahs sympathische Verklemmtheit, ihr jugendliches Gefühlschaos und die hieraus resultierende Identitätssuche werden zum Leitmotiv einer Geschichte, die so auch von Sofia Coppola stammen könnte. Diese zwei Seelen durch das Lichtermeer der Großstadt zu begleiten, das versöhnt einen dann doch mit so manchem, was an Nick & Norah nüchtern betrachtet eigentlich nicht funktioniert.

Für Programmkino.de.

Sonntag, Februar 01, 2009

Kurzkritik - Frost/Nixon


USA 2008

+++1/2

"When the president does it that means that it is not illegal."
Richard M. Nixon

Sie bereiteten sich wie zwei Boxer auf ihren letzten großen Kampf vor: Richard M. Nixon, der 37. Präsident der Vereinigten Staaten und David Frost, britischer TV-Moderator und vermeintliches journalistisches Leichtgewicht. Nach Watergate vermied es Nixon lange Zeit, sich öffentlich zu seiner Rolle und persönlichen Verantwortung zu äußern. Erst 1977 brach er schließlich in den mittlerweile legendären TV-Interviews mit David Frost sein Schweigen. Über 45 Millionen Amerikaner sahen die Sendung – für eine politische Talkshow ein unerreichter Rekord. Basierend auf dem preisgekrönten Bühnenstück des britischen Dramatikers Peter Morgan, das bereits in London und am Broadway gastierte, schildert Frost/Nixon in bewusst zugespitzter Form die Ereignisse im Vorfeld und während der medialen Fragestunde.

So nehmen sich Theaterstück wie Film Freiheiten und Interpretationsspielräume heraus, fühlen sich dabei aber stets der historischen Wahrheit verpflichtet. Gerade der Person des bis dato in den USA vollkommen unbekannten David Frost widmet Morgan eine ausführliche Exposition. Vor dem letzten der vier „Fernsehduelle“, in dem Nixons erstmals zugab, mit seinem Verhalten dem Amt schweren Schaden zugefügt zu haben, kommt es zu einem folgenreichen Telefonat zwischen ihm und Frost. Darin redet sich der ehemals mächtigste Mann der Welt seinen ganzen Frust und Ärger von der Seele. Nixon fühlt sich ungerecht behandelt und von Neidern umgeben. Ohne es zu wissen nimmt er dabei für einen kurzen Moment seine sonst so sichere Deckung herunter. Frost, dem sich Nixon überlegen glaubt, wird in diese offene Flanke seinen entscheidenden Angriff setzen. Das mitanzusehen ist spannender als die meisten Thriller, die Hollywood praktisch am Fließband produziert.

Erschienen im Smart Investor.