Sonntag, November 30, 2008

Quarantäne - Copy and Paste


USA 2008

+++1/2

Die Abstände zwischen Original und Remake werden immer kürzer. Erst im Mai startete der spanische Blair-Witch-Zombie-Mix [Rec] in unseren Kinos, da kündigt sich für Ende des Jahres bereits die fast schon obligatorische amerikanische Neuverfilmung an. Quarantäne lautet der Name der Kopie, für die man unter anderem die schreierprobte Jennifer Carpenter (Der Exorzismus der Emily Rose), Hostel-Star Jay Hernandez und Ally McBeal-Ensemblemitglied Greg Germann gewinnen konnte.

Die Fernsehreporterin Angela Vidal (Jennifer Carpenter) und ihr Kameramann (Steve Harris) besuchen eine Feuerwache des Los Angeles Fire Departement. Sie sollen für eine TV-Sendung den Alltag der Männer dokumentieren und sie auf ihren Einsätzen begleiten. Zunächst deutet alles auf eine recht ruhige und ereignislose Nacht hin. Auch ein eingehender Notruf klingt sehr nach Routine. Ein Mann rief die Feuerwehr zur Hilfe, weil er aus der Nachbarwohnung laute, schmerzverzerrte Schreie vernahm. Am Einsatzort angekommen berichten bereits mehrere Bewohner den Rettungskräften von einer alten, geistig verwirrten Frau, die kurz zuvor noch um Hilfe geschrien haben soll. Nachdem sich die Feuerwehrmänner Zutritt zu der Wohnung verschafft haben, eskaliert die Situation. Und ehe sich Angela und ihr Kameramann versehen, sind sie mittendrin in einem blutigen Albtraum, der immer neue Fragen aufwirft. Was genau ist in dem Haus vorgefallen? Was löste das aggressive Verhalten bei der alten Frau aus? Und warum nur wurde das gesamte Gebäude von den Behörden unter Quarantäne gestellt?

Zugegeben, die Antworten dürften selbst denjenigen, die das Original nicht gesehen haben, keineswegs schwer fallen. Aber darum geht es eigentlich auch gar nicht. Quarantäne ist kein Mystery-Puzzlespiel sondern wie sein nahezu identischer Zwilling als direkter Angriff auf unsere Urängste konzipiert. Die Angst vor dem Unbekannten, vor räumlicher Enge, vor dem Dunkeln und vor dem Verlust des eigenen Verstandes sind nur einige der Ziele, die dieser im pseudo-realistischen Dokumentarstil á la Blair Witch Project gehaltene Horrorfilm ins Visier nimmt. Dabei legt der Film nach seiner bewusst belanglosen wie entspannten Exposition ein höllisches Tempo vor. Gerade die letzten 20 Minuten haben es in sich. Auch wenn manche der Schockeffekte nicht ganz unerwartet auf den Zuschauer hereinbrechen – die Szene nach dem Öffnen der Dachluke sei hier beispielhaft genannt –, dürfte sich dieser doch desöfteren fest an seinen Kinositz klammern.

Gewöhnungsbedürftig ist selbst für Fans eines Cloverfield die doch arg verwackelte Handkameraoptik des Films. Sogar in ruhigen Passagen scheint sich der Kameramann einen Spaß aus dem Spiel mit Zoom und Schärferegler zu machen. Fairerweise sei erwähnt, dass bereits das spanische Original mit visueller Epilepsie zu kämpfen hatte – vielleicht der einzige Malus eines ansonsten fast perfekten kleinen Schockers. Dafür scheinen die Effekte noch eine Spur überzeugender und eleganter in das digitale Bild hinein kopiert worden zu sein.

Über den Sinn von Remakes lässt sich trefflich streiten, schließlich können diese es nur in den seltensten Fällen mit der Qualität ihrer meist weniger bekannten Vorbilder aufnehmen. Besonders schlimm wird es, wenn ursprünglich effektive Genre-Beiträge aus Asien und Europa in die Räder der amerikanischen Remake-Maschinerie geraten, wo man sie nicht selten ihrer Ecken und Kanten beraubt und auf die Sehgewohnheiten des Mainstreams hin kastriert. Im vorliegenden Fall kann zumindest in dieser Hinsicht Entwarnung gegeben werden. Letztlich entpuppt sich Quarantäne als 1-zu-1-Kopie, bei dem sich die wenigen Änderungen auf Nebensächlichkeiten beschränken. An der Dramaturgie, der Figurenkonstellation sogar am Ablauf vieler Szenen und am Timing der Schocks nahm Regisseur John Erick Dowdle allenfalls kleine Schönheitskorrekturen vor. Immerhin wirken die Hausbewohner nicht mehr ganz so überdreht. Traten manche von ihnen in [Rec] noch als Comic Relief in Erscheinung, bemüht sich Dowdle nunmehr um eine glaubwürdigere Darstellung.

Der von Original wie Remake postulierte Authentizitätsgedanke verlangt nach einer möglichst ungefilterten Rezeption. Eine Synchronisation erweist sich dabei als störend. Man sollte sich Quarantäne, wenn möglich, daher in der englischen Originalfassung ansehen. Wer allerdings bereits die spanische Vorlage kennt, für den hält Dowdle keine überzeugenden Argumente bereit, die eine zweite Sichtung lohnenswert erscheinen lassen.

Anmerkung: Die Wertung setzt voraus, dass einem das Original nicht bekannt ist! Ansonsten darf man sicherlich 20 bis 25 Prozentpunkte abziehen.

Für BlairWitch.de.

Mittwoch, November 26, 2008

Death Race - Komm, schneller Tod


USA 2008

++

Die Gladiatoren sind zurückgekehrt! In nicht allzuferner Zukunft finden hinter hohen Gefängnismauern erbarmungslose Rennen statt, aus denen nur der Sieger lebend hervorgeht. Action-Spezialist Paul W. S. Anderson forciert (wieder einmal) die Konvergenz von Film und Videospiel. Mit einem Klick geht's zur Besprechung.

Montag, November 24, 2008

New York für Anfänger - He's an Englishman in...


UK 2008

++1/2

Er ist der „Englishman in New York“. Sidney, der von Simon Pegg (Shaun of the Dead, Hot Fuzz) gespielte Klatsch-Reporter, träumt von der großen Karriere im Big Apple. Stattdessen findet er – nach einigen Umwegen – die große Liebe. Robert Weides kurzweiliger Mix aus konventioneller romantischer Komödie und einer manchmal leider etwas zu harmlosen Medien-Satire basiert lose auf den Erfahrungsberichten des ehemaligen „Vanity Fair“-Redakteurs Toby Young.

Filmkritik:

New York. Wenn Du es hier schaffst, dann schaffst Du es überall. Das denkt sich auch der Londoner Möchtegern-Star-Reporter Sidney Young (Simon Pegg), als er von Clayton Harding (Jeff Bridges), dem charismatischen Gründer des renommierten „Sharps-Magazine“, ein auf den ersten Blick attraktives Job-Angebot erhält. Doch der Arbeitsalltag ist weniger glamourös als zunächst gedacht und auch Sidneys Ideen und Vorstellungen stoßen bei seinen Vorgesetzten nicht wirklich auf Gegenliebe. Schlimmer noch: Bei den Versuchen, in der Welt der Schönen und Reichen Fuß zu fassen, lässt er regelmäßig keine Peinlichkeit aus. So ist auch sein Vorhaben, das aufstrebende Filmsternchen Sophie Maes (Megan Fox) für sich zu gewinnen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Sidney ist einer dieser kreativen Chaoten der Nach-Slacker-Generation, deren grandiose Selbstüberschätzung nur von ihrer fehlenden Einsicht in die Realitäten noch übertroffen wird. Geblendet vom Blitzlichtgewitter, das nicht ihm, sondern der New Yorker Prominenz gilt, übersieht er anfangs, wer ihm tatsächlich bei all seinen misslungenen Unternehmungen immer zur Seite stand. Seine Kollegin Alison (Kirsten Dunst) ist die Einzige, die sich wirklich für Sydney einsetzt. Man mag es einerseits mit der Männern angeborenen Ignoranz erklären, dass dieser davon keine Notiz nimmt. Andererseits ist New York für Anfänger nicht nur Medien-Satire sondern auch ein typischer Vertreter der romantischen Komödie, was die Vermutung nahelegt, dass Sidney am Ende gerade noch rechtzeitig zu Besinnung kommt.

Unter der Regie von Robert Weide, der in den USA mit der von ihm produzierten Sitcom Curb Your Enthusiasm seit Jahren große Erfolge feiert, entstand ein kurzweiliger „Clash of Cultures“, bei dem britischer Wahnsinn und Selbstüberschätzung auf immer wieder gern zitierte New Yorker Klischees prallen. Die Stadt, die niemals schläft, kennt kein Pardon, wenn es darum geht, allzu naive Träume zum Platzen zu bringen. Das muss auch Sidney erfahren. Der recht frei nach den Memoiren des früheren Vanity Fair-Redakteurs Toby Young inszenierte Film allerdings hat mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen. So bewegen sich nicht wenige Pointen eher auf einem überschaubaren Niveau. Statt bissiger Satire an der selbstverliebten Show-Branche beherrschen Slapstick und Klamauk den Tonfall des transatlantischen Arbeitsplatzwechsels.

New York für Anfänger benötigt Zeit, um sich warm zu laufen, was spätestens mit dem ersten Auftritt der gerissenen Presseagentin Eleanor Johnson (Gillian Anderson) gelingt. Fortan schießen Weide und sein Drehbuchautor Peter Straughan schärfer, wobei es zu keiner Zeit wirklich unangenehm wird. Da ging Ben Stiller erst kürzlich in Tropic Thunder mit seiner Zunft noch wesentlich härter ins Gericht. Im Gegensatz zu diesem fühlt sich Weides Film aber auch den Gesetzmäßigkeiten einer RomCom verpflichtet. Da bleibt eine gewisse Glättung nicht aus. Mit Simon Pegg, der auf die Rolle des liebenswerten Losers abonniert zu sein scheint, und einer erneut unwiderstehlichen Kirsten Dunst besitzt New York für Anfänger außerdem das, was für ein Funktionieren der an sich vorhersehbaren Liebesgeschichte unabdingbar ist: Zwei starke Hauptdarsteller, zwischen denen die Chemie ganz offensichtlich stimmte.

Erschienen bei Programmkino.de.

Donnerstag, November 20, 2008

Max Payne - No Payne, no Gain


USA 2008

++

Action-Star Mark Wahlberg sucht in der Umsetzung des populären Computerspiels nach den Mördern seiner Frau und Tochter. Visuell schwelgt der Film in den Sphären eines Neo-Film-noir - worüber er leider seine Story vergißt. Auf evolver lässt sich alles weitere nachlesen.

Dienstag, November 18, 2008

The Strangers - Rat mal, wer zum Töten kommt


USA 2008

+++

Drei maskierte Unbekannte terrorisieren ein junges Paar in dessen eigenem Ferienhaus. Bryan Bertinos Horrorthriller ist ein rundum gelungener Genrebeitrag. Weiterlesen auf Critic.de.

Samstag, November 15, 2008

Deadline #12 - ab dem 19.11. am Kiosk


Da ich jetzt auch für die Deadline schreibe, möchte ich an dieser Stelle natürlich auf das neue Heft hinweisen, welches am kommenden Mittwoch erscheinen wird. Als Titelstory gibt es ein ausführliches Review zum Horror-Thriller "The Strangers" sowie ein Interview mit Regisseur Bryan Bertino.

In der Rubrik "Kino" finden sich dieses Mal Texte zu

DEATH RACE
Inkl. Interviews mit Jason Statham und Paul W.S. Anderson
MAX PAYNE
QUARANTINE
SO FINSTER DIE NACHT
THE TRANSIBERIAN
LAKEVIEW TERRACE
DIE EYLANDT RECHERCHE
KURZER PROZESS – RIGHTEOUS KILL
PALERMO SHOOTING
DER MANN DER NIEMALS LEBTE
O´HORTON
DER TAG, AN DEM DIE ERDE STILLSTAND

Von mir könnt Ihr darin Kritiken zu Lakeview Terrace, O'Horten und Der Mann, der niemals lebte nachlesen. Viel Spaß mit Deadline #12!

Mittwoch, November 12, 2008

So viele Jahre liebe ich Dich


F 2008

+++

Zwei Schwestern proben nach 15 Jahren der erzwungenen Trennung den Neuanfang ihrer Beziehung. Bei Philippe Claudels leisem Familiendrama lohnt es sich genau hinzusehen und dabei das Große im Kleinen zu entdecken. Weiter geht's bei Critic.de.

Sonntag, November 09, 2008

Im Winter ein Jahr - Familienangelegenheiten


D 2008

+++

Der Selbstmord eines nach außen stets unbeschwerten jungen Mannes lässt seine Familie ratlos zurück. Erst ein gemaltes Porträt, das die Mutter von ihm und seiner Schwester in Auftrag gibt, setzt einen schmerzhaften und irreversiblen Prozess in Gang, an dessen Ende zwar keine einfachen Antworten jedoch eine heilsame Katharsis steht. Caroline Link (Oscar für Nirgendwo in Afrika) verfilmte einen Roman des amerikanischen Schriftstellers Scott Campbell. Lang erwartet – immerhin sind seit ihrer letzten Arbeit sieben Jahre vergangen – beeindruckt Im Winter ein Jahr mit einem sicheren Gespür für Atmosphäre und Stimmungen. Das hochsensible, aber optimistisch leicht und ruhig erzählte Familiendrama dürfte Hauptdarstellerin Karoline Herfurth endlich einem größeren Publikum bekannt machen.

Filmkritik:

Alexander (Cyril Sjöström) lebt ein Leben, um das ihn viele beneiden würden. Aufgewachsen in einem gut situierten Elternhaus, besucht er ein Elite-Gymnasium für Spitzensportler. Und dennoch scheint ihn irgendetwas zu bedrücken. So sehr, dass er sich mit einem Gewehr in den Mund schießt. Der Selbstmord ihres Sohnes zerstört für die Eltern die Illusion der perfekten Familie. Vor allem Alexanders Mutter Eliane (Corinna Harfouch), eine erfolgreiche Innenarchitektin, will sich mit der schmerzhaften Realität nicht abfinden. Stundenlang sitzt sie bisweilen im Kinderzimmer ihres Sohnes, hält Zwiesprache mit Alexander, in den sie doch so viele Hoffnungen gesetzt hat. Ihr Mann (Hanns Zischler) flüchtet sich dagegen in seine Arbeit. Als angesehener Bioniker bleibt ihm ohnehin nicht viel Zeit für die Familie.

Alexander hatte auch eine Schwester. Lilli (Karoline Herfurth) ist 22 und studiert in München Tanz und Gesang. Anders als zu ihrem Bruder war das Verhältnis zu ihren Eltern oftmals nicht frei von Spannungen. Nur wenig Begeisterung kann sie anfangs für den Vorschlag ihrer Mutter aufbringen, für ein Porträt von ihr und Alexander Modell zu stehen. Den toten Bruder plötzlich als Bild an der Wand hängen zu sehen, diese Vorstellung löst in Lilli Unbehagen aus. Nur widerwillig erklärt sie sich bereit, den Maler in seinem Atelier zu besuchen. Gänzlich unvorbereitet trifft sie dort auf Max (Josef Bierbichler). Der störrische Eigenbrödler versucht zu Lilli eine Vertrauensbeziehung aufzubauen, um so mehr über sie und ihre Familie zu erfahren. Dabei stellt sich bald heraus, dass auch in seiner Vergangenheit Dinge vorgefallen sind, die ihn bis heute verfolgen.

Es ist die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen Max und der vierzig Jahre jüngeren Lilli, die im Zentrum von Caroline Links intimer Familienchronik Im Winter ein Jahr steht. Nach der epischen Weite ihres Oscar-prämierten Historiendramas Nirgendwo in Afrika suchte Link eine Geschichte, in der bereits kleine Gesten und subtile Andeutungen einen großen Unterschied ausmachen. Bei Scott Campbells Roman „Aftermath“, der ursprünglich mit einer namhaften Hollywood-Besetzung für den Weltmarkt verfilmt werden sollte, wurde sie schließlich fündig.

Link nimmt sich viel Zeit, um das von unausgesprochenen Ängsten, Hoffnungen und Enttäuschungen durchzogene Beziehungsgeflecht vor den Augen des Zuschauers zu entwirren. Und trotz dieser Ruhe, die nicht nur Max sondern der gesamte Film ausstrahlt, entwickelt die Geschichte von den ersten Aufnahmen an eine ungeheure Kraft. Zum Ende hin findet diese Energie in Lillis improvisierter Tanzeinlage – zu Peter Gabriels „Signal to Noise“ – das passende Ventil. Ungeachtet der plakativen Gegenmontage mit einer theatralisch agierenden Corinna Harfouch zählt die Szene zweifelsfrei zu den emotionalen Höhepunkten des Films. Die für Lilli heilende Katharsis ist in diesem Augenblick mit den Händen zu greifen.

Neben der herausragenden Leistung der jungen Karoline Herfurth, die sich selbst neben einem Schauspielungetüm wie Josef Bierbichler jederzeit behauptet und der hiernach vermutlich alle Türen offen stehen, ist es vor allem der Blick für Details, den Links Romanadaption von anderen Familiengeschichten unterscheidet. Obwohl im Grunde genommen nicht viel passiert und der Plot elliptisch um Lillis Besuche im Atelier kreist, gibt es dennoch so vieles zu entdecken. Seien es die Blicke, die Lilli und Max miteinander austauschen oder die eisigen Impressionen aus der „Schöner Wohnen“-Fantasie der elterlichen Villa, Link transportiert das, was ihr wichtig ist, über klar strukturierte Bilder und Motive. Als Links Stammkomponist liefert Niki Reiser den dafür passenden musikalischen Rahmen. Seine atmosphärischen Klangimpressionen wirken wie der gesamte Film noch lange nach.

Erschienen bei Programmkino.de.

Samstag, November 01, 2008

Ein Quantum Trost - Das Herz ist ein einsamer Jäger


USA/UK 2008

++1/2

Schluss mit lustig. Dieses Credo zog sich wie ein roter Faden durch die Neuauflage Casino Royale. Der Film trug nicht wenige der alten Bond-Mythen zu Grabe und mit Daniel Craig bekam der Agent im Dienste ihrer Majestät zugleich auch ein radikales Facelift verpasst. Vorbei die Zeiten, als ein Martini-schwenkender Pierce Brosnan in comichaft überzeichneten Action-Tableaus den bösen Buben den Garaus machte. Die Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson entschieden sich für einen durchaus mutigen Neustart, der Bond auch im neuen Jahrtausend eine Zukunft ermöglichen sollte. Das Wagnis ging auf. Gerade diejenigen, die sich spätestens in den 90er-Jahren von der Reihe enttäuscht abgewendet hatten, gewann man mit Casino Royale zurück.

Nun liegt es an dem Schweizer Regisseur Marc Forster dieses gewaltige Erbe bestmöglich zu verwalten. Ein Quantum Trost, und das ist eine echte Premiere, knüpft nahtlos an die Handlung seines Vorgängers an. Nur wenige Stunden nachdem Bonds große Liebe Vesper für ihn in den Tod ging, schlägt sich der Gentleman-Agent mit den Verantwortlichen dieser für ihn kaum zu verarbeitenden Tragödie herum. In einem geheimen Verhörraum wollen er und M (Judi Dench) den verschlagenen Mr. White (Jesper Christensen) in die Enge treiben. Doch es kommt anders und ehe man sich als Zuschauer versieht, ist die Jagd erneut eröffnet. Eine Jagd, die Bond einmal halb um den Globus führen wird. Vom malerischen Siena aus geht es nach Haiti, Bregenz, Panama und schließlich in die Atacama-Wüste, die als finale Kulisse in Bonds oftmals eigenmächtiger Rache-Odyssee herhalten muss.

Mehr noch als in Casino Royale spielen dieses Mal persönliche Motive die entscheidende Rolle. Bond tut das, was er seiner Meinung nach tun muss. Und dabei lässt er sich von nichts und niemandem aufhalten. Sogar M ist gegen soviel Eigensinn letztlich machtlos. Der Einzelkämpfer wird nach dem Tod seiner großen Liebe zum emotionalen Eremit, dem es nur darauf ankommt, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die ihm diesen Schmerz zugefügt haben. In dem schwerreichen, vermeintlich engagierten Öko-Unternehmer Dominic Greene (stark: Mathieu Almaric) wird er schließlich nach kurzer Suche fündig.

Es lässt sich im Einzelnen nicht immer unmittelbar nachvollziehen, wer, was, wieso tatsächlich zu verantworten hat. Auch ein bolivianischer General (Joaquin Cosio) taucht plötzlich auf der Bildfläche auf, was mehr ein Vorwand ist, um das obligatorische Bond-Girl einzuführen. Auch Camille (Olga Kurylenko) trägt eine schwere Last mit sich herum, wie sich alsbald zeigen wird. Mit der gebürtigen Ukrainerin verströmt der neueste Bond zwar durchaus Sex-Appeal, das jedoch nur in homöopathischen Dosen. Und so richtig heiß wird es zwischen ihr und Bond zu keiner Zeit, was sich bereits mit dem geringen zeitlichen Abstand zu Vespers Tod erklärt. Stattdessen darf Camille ihren neuen Begleiter und Verbündeten therapieren – mit bestenfalls mäßigem Erfolg. Aus seinem emotionalen Gefängnis kann Bond bis zuletzt nicht ausbrechen.

Daniel Craig, der Bond in Casino Royale seine eigentlich hinter technischen Gimmicks verloren geglaubte Körperlichkeit zurückgab, wütet bisweilen wie ein Berserker. Statt tödlicher Waffen lässt Craigs Bond bei seinem Rachefeldzug lieber die eigenen Fäuste sprechen. Das soll den Film einerseits erden und ihn andererseits trotz moderner Einflüsse wie dem aus Minority Report entliehenen Bildgeschwurbel „oldschool“ erscheinen lassen. Zumindest während der ersten halben Stunde mit seinen zwei herausragenden Action-Sequenzen geht das Kalkül auf. Wenn Bond seinen sündhaft teuren Aston Martin zerlegt und über den Dächern von Siena die Verfolgung eines Verdächtigen aufnimmt, zieht Ein Quantum Trost alle Register eines modernen, kraftstrotzenden Actionfilms. Dazu gehört, dass sich der Zuschauer in dem schnell geschnittenen Feuerwerk aus Stunts und Jagdszenen regelmäßig überfordert vorkommen muss.

In dieser Hinsicht kann Fosters Bond die stilistische Nähe zu anderen erfolgreichen Action-Formaten wie Die Bourne Verschwörung nicht leugnen. Besonders während der perfekt choreographierten Jagd über Siena ließe sich 007 problemlos gegen Jason Bourne austauschen. So rasant und aufwändig das alles auch inszeniert ist, die eigene Handschrift der Reihe bleibt auf der Strecke. Es fällt schwer, das Bond-spezifische an Ein Quantum Trost zu benennen, sieht man einmal davon ab, dass ein Charakter wie M den Relaunch überlebt hat.

Gewissermaßen als Entschädigung für soviel Neues bot Casino Royale eine fesselnde Geschichte, die uns Bond von einer emotionaleren Seite zeigte. Der Film lieferte die Erklärung für seine notorische Bindungsunfähigkeit und sein fortlaufendes Versteckspiel, bei dem die sorgsam aufgebaute Männlichkeitsfassade das Wichtigste war. Natürlich war das Ganze immer noch ein Bond-Film und keine profunde Charakterstudie, dennoch wusste das Resultat nicht zuletzt dank Daniel Craigs Präsenz zu gefallen. Ein Quantum Trost folgt dem grimmigen, düsteren Konzept des Vorgängers, wobei Forster seinem Hauptdarsteller kaum Zeit zum Verschnaufen schenkt. Bond hetzt vielmehr rastlos von Schauplatz zu Schauplatz, von einer Schlägerei und Schießerei zur nächsten. Die ohnehin dünne Story wird dabei zwischen den einzelnen Stunt-Einlagen zusehends aufgerieben. Zurück bleibt ein Gefühl von Beliebigkeit und Austauschbarkeit – so austauschbar wie die Orte, an denen der Film Station macht. Dass der Showdown mit der Rasanz der ersten halben Stunde überdies nicht mithalten kann, kommt erschwerend hinzu.

Der Nimbus ist weg. Das mag man kritisieren oder begrüßen. Bond ist in dieser Verpackung nur einer von vielen Kino-Helden, die heutzutage um die Gunst und Aufmerksamkeit des Publikums kämpfen. Daran ändert selbst die gelungene Zusammenarbeit von R’n’B-Star Alicia Keys mit Indie-Rocker Jack White nichts. Deren Titelsong (Another Way to Die) formuliert ein wuchtiges wie mitreißendes Versprechen, dass der anschließende Film nur bedingt einlösen kann.