Mittwoch, Februar 28, 2007

Die Brücke nach Terabithia & The Good German


Die Brücke nach Terabithia

USA 2007

+++

Was nach dem Trailer noch ein weiteres stumpfes und steriles Fantasy-Märchen im Narnia-Stil erwarten ließ, ist tatsächlich eine aufrichtige und angenehm vielschichtige Auseinandersetzung mit der kindlichen Gefühlswelt. Dabei blendet der Film auch schwierige Aspekte des Erwachsenwerdens nicht aus. Die Action und Fantasy-Anleihen - beide Punkte zählen zu den wenigen nicht wirklich überzeugenden Elementen von Gabor Csupos familienkompatiblen Kinostück - werden zugunsten einer klassischen Coming-of-Age-Dramaturgie weitestgehend zurückgedrängt. Dass Terabithia einfach gut unterhält, liegt nicht zuletzt an den beiden charismatischen Jungschauspielern Josh Hutcherson und AnnaSophia Robb. Meine ausführliche Besprechung lässt sich auf Critic.de nachlesen.




The Good German

USA 2006

+++

Es wundert nicht, dass Steven Soderbergh mit seinem im Casablanca-Stil gehaltenen extravagnaten Nach-Weltkriegs-Experiment bei vielen Kritikern aneckte. Dabei wollte er sich gar nicht auf eine Stufe mit Curtiz & Co. stellen. Ihm ging es darum, die damalige Technik und das Film Noir-Design der 40er Jahre für eine bis heute hochbrisante und aktuelle moralische wie politische Diskussion zu nutzen. The Good German erzählt von einem Pakt mit dem Teufel, der von allen Beteiligten hohe Opfer verlangt. Auf evolver gibt es den ganzen Text.

Dienstag, Februar 27, 2007

Smokin' Aces - Labertasche


USA 2007

++

Wer nichts zu sagen hat, sollte einfach mal die Fresse halten. Das mag hart klingen, aber das, was Joe Carnahan mit Smokin' Aces vorlegt, ergeht sich in einer sinnentleerten Geschwätzigkeit, die so manches Ohr zum Bluten bringen wird. Wer, was mit wem zu tun hat oder wer, wieso, was als nächstes zu tun gedenkt, alles muss dem Zuschauer erklärt werden. Dabei spielt das Meiste für den Fortgang des Plots ohnehin keine Rolle. Letzterer besteht lediglich daraus, dass Regisseur Joe Carnahan einen Haufen skurriller Typen in ein selbszerstörerisches Blutbad schmeißt.

Gewalt ist in Smokin' Aces grundsätzlich cool, stylish und von homoerotischen Motiven durchzogen. Gäbe es nicht einen Quentin Tarantino oder Guy Ritchie, man könnte Gefallen an soviel zur Schau gestellter Coolness finden. Doch im Jahr 2007 - mehr als eine Dekade nach Pulp Fiction und Bube, Dame, König, GrAs - kommt der auf Kult getrimmte Gangster-Auflauf nur als zusammenkopiertes "Best Of" daher. Mitunter ist das durchaus unterhaltsam, zynisch, gaga. Doch mit einem verkrampft dramatischen Finale, in dem die zuvor fast ausnahmslos als comichafte Knallchargen eingeführten Charaktere plötzlich Gefühle evozieren und den Zuschauer emotional erreichen sollen, verpasst Carnahan seinem Film den endgültigen Todesstoß. Lächerlich mit welcher Ernsthaftigkeit der letzte Plot-Twist vorgetragen wird. Der blutige Pfad Gottes kann eben nicht von jedem beschritten werden. Dazu braucht man Eier und keine bärtigen Milchbubis, das wusste schon Oliver Kahn.

Montag, Februar 26, 2007

Fast Food Nation - Schwer verdaulich


USA 2006

+1/2

Das Fast-Food-Business ist ein in vielerlei Hinsicht unappetitliches Geschäft. Basierend auf dem Enthüllungs-Bestseller des amerikanischen Journalisten Eric Schlosser schildert Fast Food Nation satirisch überspitzt die Zusammenhänge eines äußerst fettigen Systems.

Für Don Henderson (Greg Kinnear) könnte eigentlich alles in bester Ordnung sein. Der von ihm erdachte neue Burger mit dem einprägsamen Namen „The Big One“ schlägt in den Filialen der Fast-Food-Kette Mickey’s alle Verkaufsrekorde. Dummerweise sieht sich der Marketing-Chef plötzlich mit einem äußerst heiklen Problem konfrontiert: Nachdem bei Tests Kolibakterien im Burgerfleisch gefunden wurden, drohen dem Unternehmen herbe Verkaufsrückgänge. Damit es erst gar nicht soweit kommt, macht sich Don aus der Firmenzentrale im sonnigen Kalifornien auf nach Colorado, wo die Burger für den „Big One“ produziert werden. Während er sich vor Ort die moderne Fleischfabrik zeigen lässt, ahnt er nicht, dass dort vornehmlich illegale Einwanderer eingesetzt werden. Zwei von ihnen sind die Schwestern Coco (Ana Claudia Talancón) und Sylvia (Catalina Sandino Moreno). Was sie dort erleben müssen, hat wenig mit einem menschenwürdigen Arbeiten zu tun. Repressionen und sexuelle Übergriffe durch ihren Vorgesetzten (Bobby Cannavale) sind an der Tagesordnung.

Der mit Independent-Hits (Before Sunrise, Slacker) bekannt gewordene Richard Linklater war sofort Feuer und Flamme für Eric Schlossers provokante und aufrüttelnde Reportage. Wie seinerzeit das Buch bereits die Lager in Fast-Food-Hasser und Anhänger des runden gebratenen Fleisches spaltete, wird auch der Film nur wenige zu einem Verzicht auf die frittierten Kalorienbomben bewegen. Dafür sind viele der mit einem Allergie auslösenden didaktischen Habitus aufgezeigten Missstände des Fast-Food-Systems ein viel zu alter Hut. Jedenfalls für denjenigen, der sich nicht mit der Naivität eines Ronald McDonald dem Thema nähert. Dass die später zu Burger verarbeiteten Rinder nicht auf grünen Wiesen herumtollen und tagtäglich Streicheleinheiten erhalten, sollte niemanden überraschen, wenn das Endprodukt lediglich 99 Cent kostet. Die von Linklater in einer mexikanischen Fleischfabrik gedrehten Szenen vom Tötungs- und Schlachtprozess erweisen sich als Boomerang. Sollen diese Bilder ernsthaft einen überzeugten Fleischesser zum Verzicht auf Rumsteak, Sirloin und Filet Mignon bewegen? Zu offensichtlich spielt Linklater dabei die Schockkarte. Eher scheinen sie als Wohlfühl-Alibi für die Vegetarier-Community verwendet worden zu sein.

Viel schwerer als die zuweilen plumpe Anklage der „Big Corporations“ und Konsumenten wiegt jedoch das in sich ungelenke filmische Konzept. Der Plot mit seinen drei Handlungssträngen stellt sich ganz bewusst in die Tradition von politisch brisanten Werken wie Syriana und Traffic. Der Versuch, die komplexen Zusammenhänge in leichter konsumierbare Einzelteile zu zerlegen, ist jedoch zum Scheitern verurteilt, weil sich die einzelnen Wege im Nichts verlieren. Anfänglich zentrale Charaktere wie Greg Kinnears besorgter Fast-Food-Manager verschwinden urplötzlich von der Bildfläche, was den Eindruck verstärkt, hier würden Figuren als bloße Funktionsträger zu Agitationszwecken missbraucht. Linklater und damit auch der Zuschauer verlieren sich in einem lose gestrickten Netz aus guten Absichten, die bekanntlich für sich alleine genommen noch keinen guten Film ergeben.

Für Smart Investor.

Freitag, Februar 23, 2007

Der letzte König von Schottland - Dr. Jeckyll & Mr. Hyde


USA/GB 2006

+++1/2

Er gehörte zu den grausamsten Despoten des 20. Jahrhunderts. Der ugandische Militärdiktator Idi Amin herrschte in der zentralafrikanischen Republik von 1971 bis 1979 mit äußerster Brutalität, eher er das Land nach einer gescheiterten Invasion Tansanias in Richtung Saudi-Arabien verlassen musste. Unter dem leicht irreführenden Titel Der letzte König von Schottland verfilmte Regisseur Kevin MacDonald mit einem überragenden Forest Whitaker in der Rolle des Idi Amin die Chronik dieser auch für den so geschundenen Kontinent Afrika fast beispiellosen Terrorherrschaft.

Filmkritik:

Als der junge schottische Arzt Nicholas Garrigan (James McAvoy) Anfang der 70er Jahre seine Heimat gen Afrika verlässt, um so endlich der Aufsicht und Kontrolle seines dominanten Vaters zu entkommen, ahnt er noch nicht, wo er einmal landen sollte. Im Kreis der engsten Vertrauten des ugandischen Diktators Idi Amin (Forest Whitaker). Es ist ein Zufall – ein unglücklicher wie sich letztlich herausstellen soll – den Garrigan auf die Person des gerade durch einen Putsch an die Macht gekommenen General treffen lässt. Nach einem Autounfall ist es Garrigan, der Amins Wunden verarztet. Als Zeichen seiner Dankbarkeit offeriert dieser ihm den Posten des Leibarztes. Schnell lernt Garrigan, die aus seiner herausgehobenen Stellung resultierenden Privilegien zu schätzen. Der luxuriöse Lebensstil macht ihn dabei anfänglich blind für die Gräueltaten, die um ihn herum geschehen. Erst nachdem sich Amins Aggressionen und Launen auch gegen Menschen in seinem engeren Umfeld richten, beginnt er das totalitäre System in Frage zu stellen.

Kevin MacDonalds Film behandelt eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren afrikanischen Geschichte. So schätzen Menschenrechtsorganisationen die Zahl der unter Amin verschleppten und ermordeten Regimegegner – darunter viele Anhänger des gestürzten Präsidenten Obote – auf 100.000 bis 300.000. Genauere Angaben gibt es nicht. Allein das lässt erahnen, wie der sich selbst zum mächtigsten Mann der Welt erklärte Amin in Uganda gewütet haben muss. Basierend auf dem Roman von Giles Foden schildert MacDonald durch die Augen eines fiktiven Charakters, wie das „System Idi Amin“ im Kleinen und Großen funktionierte. Die Paranoia des größenwahnsinnigen Generals machte auch vor dessen Mitarbeitern und Anhängern nicht Halt. Wie ein Krebsgeschwür fraß sich die Angst vor Repressalien durch eine ganze Nation.

Garrigan, in einer Mischung aus noch jugendlicher Gutgläubigkeit und selbstbetrügerischer Naivität, lässt sich lange Zeit von der charismatischen Persönlichkeit Amins blenden. Er macht die Augen zu, obwohl die Verbrechen eigentlich nicht zu leugnen sind. Damit steht er stellvertretend für die Haltung des Westens, der, was Afrika anbelangt, bis heute zumeist lieber wegschaut statt zu handeln. Und obgleich der Zuschauer in einem dramatischen Finale vor allem mit Garrigan leiden und bangen wird, beutet der Film Afrika und seine Bewohner nicht als weitere exotische Thrillerkulisse aus. Zu aufrichtig nimmt sich MacDonald dafür dem schwierigen Thema an, indem er zwar subtil aber eindringlich die Folgen der Terrorherrschaft filmisch verarbeitet. Rauchwolken am Horizont künden von den Schrecken eines unmenschlichen Systems. Kontrastiert mit dem scheinbar sorglosen Leben im Präsidentenpalast erhält die gezeigte Armut der Zivilbevölkerung einen besonders bitteren Beigeschmack.

Was Der letzte König von Schottland schließlich jedoch zu einem Must-See macht, hat weniger mit MacDonalds Regieeinfällen als mit der Leistung seines heimlichen Hauptdarstellers zu tun. Forest Whitaker – auch wenn auf ihn im Vergleich zu James McAvoy deutlich weniger Leinwandzeit entfällt – drückt dem Film mit einer der Rolle angemessenen rücksichtslosen Körperlichkeit seinen Stempel auf. Er brilliert mit einem Mienenspiel, das beängstigend sicher zwischen den unterschiedlichsten Gemütszuständen changiert. Von einer Sekunde auf die andere verändert Whitaker Stimme, Mimik und Gestus. Aus einer fast väterlichen Fürsorge entstehen pure Aggressionen. Wir erhalten auf diese Weise eine Ahnung davon, wie Amin es aus einfachen Verhältnissen überhaupt an die Spitze eines Staates schaffen konnte, wie er Menschen für sich und die eigenen Ziele instrumentalisieren konnte. Er war so etwas wie ein realer Dr. Jeckyll & Mr. Hyde, der Afrika ein kaum fassbares grausiges Erbe hinterlassen hat.

Für Programmkino.de.

Montag, Februar 19, 2007

The Hitcher - Auf dem Highway ist die Hölle los


USA 2007

++

The Hitcher läutet eine weitere Runde im besonders bei Horrorproduktionen grassierenden Remake-Wahn ein. Knapp zwanzig Jahre, nachdem Rutger Hauer als psychopathischer Anhalter John Ryder einem jungen Pärchen das Leben zur Hölle machte, übernimmt der Brite Sean Bean Hauers Part des sadistischen Highway-Killers. Jim und Nash – die beiden Opfer aus der 86er-Version – heißen in der Neuauflage Grace (Sophie Bush) und Jim (Zachary Knighton), ansonsten halten sich die Änderungen in Grenzen. Das Studentenpaar ist auf dem Weg in die Semesterferien, als eines Nachts auf einer verregneten Straße eine dunkle Gestalt auftaucht, die Jim zu einem Ausweichmanöver in letzter Sekunde zwingt. Anstatt auszusteigen, entschließen sich beide, weiterzufahren. Doch bei einem Halt an der nächsten Tankstelle treffen sie wieder auf den mysteriösen Fremden. Er überredet Jim, ihn mitzunehmen. Ein tödlicher Fehler.

Produziert von Michael Bays Horrorschmiede Platinum Dunes, die sich u.a. bereits für das erbarmungslose Texas Chainsaw Massacre-Remake und das erst kürzlich angelaufene Prequel verantwortlich zeichnete, wollte man der Psychopathen-Hatz einen neuen, zeitgemäßen Look verpassen. Dazu holte man sich – fast schon obligatorisch – mit Dave Meyers einen Videoclip-Regisseur an Bord. Wenn schon inhaltlich nicht wirklich ein Mehrwert gegenüber dem Original festzustellen ist, so sollten sich Horrorfreunde wenigstens an dem optischen Styling der Highway-Tristesse erfreuen können. Und zumindest das ist auch gelungen. Wenngleich nicht ganz so düster wie Marcus Nispels TCM-Neuauflage, wartet der neue Hitcher mit ordentlich gefilmten versifften Motelzimmern, einem staubigen Wüstenpanorama und von kühlem Neonlicht erhellten Tankstellen auf.

In der Bildkomposition und den einzelnen Arrangements zeigt sich Meyers Erfahrung aus dem Clip-Geschäft. Außerdem weiß er, wie er junge Modell-Typen möglichst effektiv sprich verkaufsfördernd in Szene setzen kann. Die weiblichen Reize einer Sophie Bush kommen auch blutverschmiert noch zur Geltung. Und ihr hartnäckiger Counterpart Sean Bean wird von einem bedrohlichen Licht- und Schattenspiel verhüllt, das für die eine oder andere Schrecksekunde sorgen dürfte. Leider aber auch nicht für mehr. Die größte und offenkundigste Schwäche des Remakes ist seine Vorhersehbarkeit, ganz gleich, ob man das Original kennt oder nicht. Mit Ansage heult die Soundanlage auf, ein „Jetzt wird es spannend!“ soll einem als Zuschauer auf diese Weise wenig subtil eingetrichtert werden.

Das Original von Robert Harmon besaß zumindest in Ansätzen einen psychologischen Unterbau, der vor allem in dem Duell zwischen Hauer und dem von C. Thomas Howell dargestellten Verfolgungsopfer zum Ausdruck kam. Davon ist in der 2006er-Variante nichts mehr zu spüren. Vielmehr haben Meyers und die Platinum Dunes-Mannschaft ihre ganze Energie darauf verwandt, den Gore-Level besonders zum Finale hin nochmals anzuziehen. Dabei sollte eigentlich klar sein, dass es sich um keine Auswahlentscheidung handeln müsste. Denn auch ein Film mit ordentlichen Blutfontänen kann durchaus smart daherkommen. Saw – der erfolgreichste Horror-Franchise der letzten Jahre – hat letzteres zumindest in Teil 1 bewiesen.

Dass die Suspense lediglich in kurzen von der Tonspur angeheizten Schocksequenzen zu spüren ist, hat seine Ursache auch in einer schlichtweg nicht vorhandenen Charakterzeichnung der beiden vermeintlichen Identifikationsfiguren. Außer in einigen Zeilen Smalltalk („Willst Du später einmal Kinder haben?“) erfährt man nichts über sie. Und wenn einem das Schicksal von Grace und Jim nunmal egal ist, dann bleiben nur die optischen Spielereien Meyers als wirkliches Argument für den Film übrig. Zumal der minimalistische Plot nicht dazu angetan ist, das Interesse des Zuschauers über dreißig Jahre nach Spielbergs Duell (1971) auf einem messbaren Level zu halten. Das Setting – der endlose Highway als Metapher einer ultimativen Todessehnsucht – musste dafür bereits in zu vielen Genreproduktionen wie Joyride (2001) oder Breakdown (1997) als Kulisse herhalten, von denen Meyers neben dem Original-Hitcher-Film sicherlich mitbeeinflusst wurde. Ganz offen zitiert er dafür Hitchcock, wenn Grace und Jim im Motel unter die Dusche steigen und im Anschluss daran Die Vögel (1963) im TV zu sehen ist. Nur bleibt es bei dieser sinnentleerten Geste. Die Hitchcock’sche Kunst des Filmemachens ist an ihm offenkundig vorbeigerauscht, während er selber noch am Straßenrand stand und den Anhalter geben musste.

Erschienen bei BlairWitch.

Freitag, Februar 16, 2007

Junebug - Ordinary People

USA 2005

+++

Da Stil und Ton amerikanischer Independent-Produktionen immer öfters Einzug auch in den Mainstream halten und von diesem – sprich Hollywood – sogar mittlerweile ganz ungeniert kopiert werden, fällt es keinesfalls leicht, noch originell und authentisch außerhalb des Studiosystems eine Filmidee umzusetzen. Debütant Phil Morrison ist genau dieses Kunststück gelungen. Seine bereits vor zwei Jahren auf dem Sundance Filmfestival uraufgeführte Tragikomödie Junebug wartet mit einer Vielzahl „lebendiger“ Charaktere und einer großartigen Amy Adams auf, die für ihr Spiel mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde.

Filmkritik:

Auf den ersten Blick klingt die Story von Junebug zugegeben beängstigend nach dem abgenutzten Schema einer „Clash of Cultures“-Komödie, in der eine moderne, intelligente Ostküsten-Geschäftsfrau (Embeth Davidtz) auf eine Gruppe gottesfürchtiger und vermeintlich einfältiger Südstaatler trifft. Anfänglich bewegt sich der Plot auch in diesen Bahnen, wobei die Betonung richtigerweise auf „anfänglich“ liegt. Denn das Drehbuch von Angus MacLachlan nutzt das Setup „Blue vs. Red States“, um etwas viel Tiefergehendes im Umgang mit den Herausforderungen des Alltags aufzuspüren.
Madeleine, die Ostküsten-Intellektuelle, entspricht dem Bild einer typischen Städterin: selbstständig, aufgeschlossen, fortschrittlich. Berufliche Gründe sind es, die sie für kurzzeitig weg von der Metropole Chicago nach North Carolina führen. Sie hofft, für ihre Kunstgalerie einen Exklusiv-Vertrag mit einem dort ansässigen Maler abschließen zu können. Auf dem Trip begleitet sie ihr Mann George (Alessandro Nivola), der nach mehreren Jahren bei seinen Eltern vorbeischauen und ihnen bei der Gelegenheit gleichzeitig seine frisch angetraute Ehefrau vorstellen will.
Georges Familie reagiert höchst unterschiedlich auf Madeleine. Während seine Mutter Peg (Celia Weston) dem Neuzugang ablehnend gegenübersteht – sie glaubt, Georges und Madeleines Beziehung sei nicht von Dauer – gibt sich Vater Eugene (Scott Wilson) deutlich sanftmütiger und respektvoller. Georges jüngerer Bruder Johnny (Benjamin McKenzie) missversteht die ihm von Madeleine entgegen gebrachte Aufmerksamkeit als Annäherungsversuch. Er beneidet George nicht nur um dessen hübsche, kluge Partnerin, er hat es zudem bis heute nicht verwunden, dass ihm im Gegensatz zu George nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, aufs College zu gehen. Und schließlich ist da noch Ashley (Amy Adams), Johnnys hochschwangere Frau. Sie ist Feuer und Flamme für das neue Familienmitglied, bewundert sie Madeleine doch für das, was sie aus ihrem Leben gemacht hat.
Die zuvor vor allem im Serienfach erprobte Adams (Smallville, Buffy, The Office) symbolisiert mit ihrer natürlichen, niemals überzogenen Darstellung der gutherzigen Ashley so etwas wie das emotionale Zentrum von Junebug. Jede Szene, in der Adams erscheint, strahlt unweigerlich Wärme und Geborgenheit aus. Sogar in tragischen Augenblicken verleiht sie ihrem Charakter einen fast unerschütterlichen Optimismus. Völlig zu Recht erhielt sie dafür in Sundance stehende Ovationen und eine Oscar-Nominierung als „Best Supporting Actress“. Aber nicht nur Adams überzeugt. Benjamin McKenzie meistert den schwierigen und für das Funktionieren der Geschichte nicht minder entscheidenden Part des einsilbigen, in sich verschlossenen Landeis.
Die Entdeckung der Langsamkeit als bedeutsames Stilmittel erlebte mit David Lynchs The Straight Story – Eine wahre Geschichte eine Wiedergeburt. Regisseur Morrison streut in seinem Erstling Szenen von scheinbarer Belanglosigkeit ein, die mitunter an ein Stillleben erinnern. Er und Drehbuchautor MacLachlan nehmen sich ganz bewusst Zeit. Auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, hier würden Klischees abgearbeitet und durchdekliniert. In Junebug gibt es keine küchenpsychologischen Erklärungen, nur eine Unmenge ehrliche Anteilnahme an jedem einzelnen Schicksal. Größere Katastrophen sucht man vergebens, ebenso wie amouröse Verwicklungen. Morrisons bemerkenswertes Regiedebüt beobachtet lediglich Menschen bei dem Versuch, mit ihren alltäglichen Problemen, Enttäuschungen und Hoffnungen klar zu kommen. Jeder auf seine Art. Und das ist schon eine ganze Menge.

Erschienen bei Programmkino.de.

Montag, Februar 12, 2007

Die Hollywood-Verschwörung - Wenn die Nacht am tiefsten

USA 2006

+++

Der offiziell als Selbstmord deklarierte Tod des ehemaligen Superman-Darstellers George Reeves Ende der 50er Jahre gehört bis heute zu den großen ungelösten Mysterien der Traumfabrik. Die Hollywood-Verschwörung entwirft entlang der fiktiven Nachforschungen eines Privatermittlers ein detailreiches und stimmiges Porträt von Hollywoods düsterer Seite abseits des Glamours und des Scheinwerferlichts. In Stil und Dramaturgie angelehnt an die klassischen Film Noir-Geschichten von Chandler und Ellroy spielt Regisseur Allen Coulter selbstbewusst mit den Regeln des Genres. Ben Affleck erhielt für seine Verkörperung des legendären Superman-Schauspielers bei den Filmfestspielen von Venedig überraschend den Coppa Volpi.
Filmkritik:

Die Schüsse, die in der Nacht des 16. Juni 1959 im Schlafzimmer des TV-Superman-Darstellers George Reeves (Ben Affleck) abgefeuert wurden, geben nicht nur der geschockten amerikanischen Öffentlichkeit so manches Rätsel auf. War es ein Suizid, wie von offizieller Seite nach den Ergebnissen der Obduktion behauptet wird? Oder doch Mord? Vielleicht aus Rache, vielleicht aus Eifersucht? Auch Reeves Mutter (Lois Smith) glaubt der Selbstmord-Theorie nicht. Sie beauftragt, den Privatdetektiv Louis Simo (Adrien Brody) eigene Nachforschungen anzustellen. Schnell stößt dieser dabei auf Anhaltspunkte, die seine anfänglichen Zweifel an den offiziellen Ermittlungsergebnissen nähren.

Reeves frühere Geliebte und Förderin Toni Mannix (Diane Lane), die Frau des mächtigen MGM-Boss Eddie Mannix (Bob Hoskins), verhält sich merkwürdig. Ihr Motiv könnte in Reeves neuer Partnerin, dem Schauspielsternchen Leonore Lemmon (Robin Tunney) zu finden sein. Verschmähte Liebe und Eifersucht ergeben oftmals einen tödlichen Cocktail, das weiß Simo aus seiner täglichen Arbeit nur zu gut. Aber auch die verführerische Miss Lemmon macht sich verdächtig. Erst eine Dreiviertelstunde, nachdem die tödlichen Schüsse abgegeben wurden, meldet sie den Vorfall der Polizei, und das, obwohl sie sich ebenfalls am Tatort befand.
Die Hollywood-Verschwörung nutzt wie schon Ellroys berühmter und erst kürzlich verfilmter Roman Die schwarze Dahlie eine reale bis heute nicht aufgeklärte Tat, um daran exemplarisch den Zeitgeist und die Stimmung der zu Ende gehenden „goldenen Ära“ der Traumfabrik zu beleuchten. Dementsprechend düster und ungeschönt fällt der Blick hinter die Kulissen des Film- und TV-Geschäfts aus, das selbst einst gefeierte Stars wie George Reeves gewissenlos entsorgte. Reeves Fluch lag in der Festlegung auf den Charakter des „All American Hero“. Ähnlich wie der durch die Star Wars-Saga bekannt gewordene Mark Hamill, litt er unter der strengen Typisierung durch Öffentlichkeit und Studios. In einer zu gleichen Teilen komischen wie tragischen Szene, sieht man Reeves, am Grill stehend, den eigenen Superman-Anzug verbrennen. Treffender lässt sich sein gesamtes Dilemma nicht auf den Punkt bringen.
Es war schon mehr als eine kleine Sensation, dass ausgerechnet der im Charakterfach bislang nicht wirklich auffällig gewordene Ben Affleck bei den Filmfestspielen von Venedig die Auszeichnung als „Bester Schauspieler“ verliehen bekam. In den Rückblenden auf Reeves berufliches und privates Leben, die von Regisseur Allen Coulter zwischen Simos Nachforschungen im Hollywood-Milieu geschnitten wurden, zeigt der von der Boulevardpresse als „Ex von Jennifer Lopez“ verspottete Affleck das ihn diese Ehre keinesfalls zu Unrecht ereilte. Erst seine überzeugende und unangestrengte Vorstellung macht die ganze Tragik des echten Georges Reeves erfahrbar: Gescheitert an den eigenen zu hohen Ansprüchen und einem System, das sich gleichsam dem Diktat des Marktes beugen muss.

Stilistisch wie inhaltlich orientieren sich Coulter und sein Drehbuchautor Paul Bernbaum unübersehbar an den Klassikern der Schwarzer Serie und deren moderne Pendants. Der bis auf wenige Ausnahmen spannungsreiche Plot wartet mit dem für das Genre typischen Personenarsenal auf. Geheimnisvolle Femme Fatales, zwielichtige Strippenzieher, ein heruntergekommener dem Alkohol nicht abgeneigter Privatschnüffler, in Die Hollywood-Verschwörung ist Platz für jedes in einem solchen Kontext nur erdenkliche Stereotyp. Was im Allgemeinen als nur wenig phantasievolle Ansammlung bekannter Klischees gelten würde – vor allem Brodys Sam Spade-Verschnitt schrammt mitunter haarscharf an der Grenze zur Karikatur vorbei – lässt sich mit dem Verweis auf eine bewusste Hommage an den Film Noir rechtfertigen. Dass das sorgsam aufgebaute, fragile Gebilde aus Verschwörungen und Verdächtigungen schlussendlich keine befriedigende Antwort auf die Frage geben kann, was in jener Nacht im Hause Reeves tatsächlich geschah, dürfte niemanden überraschen. Der Film überlässt es dem Zuschauer, welcher Auflösung er Glauben schenken mag.

Mittwoch, Februar 07, 2007

Die Aufschneider & Schräger als Fiktion

Die Aufschneider

D 2006

+

Die Aufschneider liefert den Beweis, dass die These "ein Film mit Christoph Maria Herbst kann kein schlechter Film sein" nicht zutrifft. Vermutlich als Satire auf das heimische Gesundheitssystem, Bürokratiewahn und deutsche Gründlichkeit gedacht, entpuppt sich dieser schlechte Witz als billige Klamotte mit Gags, die noch nicht einmal Didi Hallervorden mehr vortragen würde. Dilettantisch inszeniert und garantiert nicht einmal auf Rezept zu empfehlen, sollte man um Die Aufschneider einen großen Bogen machen. Und Christoph: Bernd Stromberg braucht Dich! Mein Verriss findet sich auf Critic.de.



Schräger als Fiktion

USA 2006

+++1/2

Glücklicherweise startet neben jenem deutschen Zelluloidmüll auch diese kleine, unglaublich sympatische Abhandlung über die Dinge, die das Leben erst lebenswert machen. Grandios besetzt mit Will Ferrell (groß), Emma Thompson (größer), Dustin Hoffmann (noch größer) und der unwiderstehlichen Maggie Gyllenhaal (am größten!) ist Marc Forster eine intelligente und zugleich warmherzige Tragikomödie gelungen, die in ihrer originellen Erzählstruktur an die Werke Charlie Kaufmans erinnert. Zur Kritik geht es hier.

Dienstag, Februar 06, 2007

In 3 Tagen bist Du tot - Sündenfall im Paradies

Ö 2006

++


„The Austrian Schocker“ heißt es selbstironisch im Trailer. Filmemacher Andreas Prochaska hatte den Ehrgeiz, das tausendfach erprobte Setting aus Teenie-Slashern wie Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast in die beschauliche Alpenrepublik zu verlagern. Statt schauriger einsamer Plätze in der amerikanischen Einöde gibt es bei ihm schaurige einsame Plätze in der österreichischen Einöde. Hurra! Mit einer jungen, gut aussehenden und weitgehend talentierten Besetzung darf auch in seinem In 3 Tagen bist Du tot fröhlich gemordet, aufgeschlitzt und blutig gestorben werden. Wobei das in Zeiten von Saw 3 sicherlich vergleichsweise zahm und gesittet geschieht.

Gäbe es nicht einen gehörigen Schuss Lokalkolorit, der sich von der Sprache über die verschrobenen Typen (der Dorfpolizist, der Kommissar) bis in die Panoramaaufnahmen zieht, In 3 Tagen bist Du tot wäre kaum ein Satz wert. Inhaltlich und inszenatorisch fügt Prohaska dem arg gefledderten Genre nämlich absolut nichts Neues hinzu. Weit und breit lässt sich keine Idee ausmachen, die sein Werk über die Formeln und Rituale vergleichbarer US-Produktionen erhebt. Man kann es bestenfalls als Hommage auslegen, wenn sich die Charaktere - wie nicht anders zu erwarten - mehr als dümmlich verhalten und sehenden Auges in ihr Verderben rennen („Ich muss zu dem alten Haus zurückkehren!“). Weil auch der Gore-Level recht überschaubar bleibt, eignet sich der Film höchstens als halbwegs passables Date-Movie, bei dem wir Männer in den unvermeintlichen Schrecksekunden den starken Beschützer geben können.

Montag, Februar 05, 2007

Rocky Balboa - Still Fightin'

USA 2006

++


Mit dem sechsten Teil der legendären Rocky-Filmreihe meldet sich einer der großen Helden des modernen amerikanischen Kinos zurück aus der Frühverrentung. Sylvester Stallone, obwohl mittlerweile 60 Jahre alt, will als Rocky Balboa seine Fangemeinde und deren Kaufkraft an der Kinokasse reaktivieren.

Comebacks sind per se eine diffizile Angelegenheit, besonders im Boxsport. Das musste erst kürzlich ein bekannter deutscher Schwergewichtler am eigenen Leib erfahren. Die filmische Wiederauferstehung eines wenn auch nur fiktiven Box-Idols dürfte jedoch ein ungleich schwierigeres Unterfangen werden. Am besten fragt man Sylvester Stallone, denn der muss es wissen. Rund drei Jahrzehnte nachdem Rocky (1976) ein Kapitel Kinogeschichte schrieb – der Film gewann drei Oscars und spielte weltweit über 220 Mio. US-Dollar ein - tritt er als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in der prägendsten Rolle seiner Karriere noch ein sechstes Mal an.

Als die Handlung von Rocky Balboa einsetzt, geht der Ausnahmeathlet früherer Tage auf die 60 zu. Er betreibt ein kleines italienisches Restaurant, das davon lebt, dass die Gäste seine Anekdoten aus glorreichen Box-Zeiten hören wollen. Während sein Sohn Robert (Milo Ventimiglia) versucht, aus dem langen Schatten des Vaters herauszutreten und ein eigenständiges Leben zu führen, trauert dieser um seine verstorbene Frau Adrian (Talia Shire). Rocky lebt in der Vergangenheit. Er zehrt von den Erinnerungen, die ihn auch mit seinem Schwager und Weggefährten Paulie (Burt Young) verbinden. Erst nachdem der „virtuelle“ Rocky in einem computersimulierten Kampf den amtierenden Schwergewichts-Weltmeister Mason „The Line“ Dixon (Antonio Tarver) per Knockout besiegt, spürt er, dass die Box-Leidenschaft, die nie wirklich erloschen war, mit aller Macht zurückgekehrt ist. Rocky will es noch einmal wissen.

Stallone vertraut voll und ganz dem Mythos seines Titelhelden und der schon aus dem ersten Rocky-Film bekannten Konstellation „hart arbeitender weißer Working Class-Kämpfer vs. siegessicherer, überheblicher schwarzer Champ“. Diese simplifizierende Rollenverteilung konnte seinerzeit mit dem Amtsantritt Ronald Reagans als Ausdruck eines politischen wie sozialen Klimawandels interpretiert werden. Produktionen wie Rambo (First Blood, 1982) und Conan – Der Barbar (Conan the Barbarian, 1982) spiegelten den Stimmungsumschwung in der Gesellschaft und auf der Kinoleinwand wider. Leichte, eskapistische Kost war gefragt.

Ging es in den früheren Rocky-Filmen teilweise auch um einen Wettstreit der Systeme – das Duell mit dem von Dolph Lundgren verkörperten russischen Boxer Ivan Drago aus Rocky 4 (1985) machte dies offenkundig – so steht wie schon in Teil 5 die Generationenfrage im Zentrum der Neuauflage. Sowohl im direkten Duell mit Dixon als auch in der Nebenhandlung um die vorsichtige Wiederannäherung zwischen Vater und Sohn, rekurriert Stallone auf das Altersmotiv. Daneben beherrscht das Streben nach Selbstachtung, nach Selbstakzeptanz den Subtext des Films. Alt und nutzlos, so will Rocky von niemandem gesehen werden. Schon gar nicht von sich selbst.

Zwar können sich Rocky-Anhänger auf ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern wie Burt Young und Tony Burton freuen und auch Bill Contis legendärer Score untermalt erneut die typische Montage, die das schweißtreibende Training vor dem großen Kampf zusammenfasst, ansonsten ist dieses Mal aber vieles anders. Stallone nimmt mit Teil 6 der Boxsaga eine deutliche Akzentverschiebung vor. Die eigentliche Action im Boxring beschränkt sich auf einen einzigen Kampf während der letzten zwanzig Minuten. Bis dahin ist Rocky Balboa vor allem ein ruhiges, oftmals aufdringlich sentimentales Charakterdrama.

Nostalgische Gefühle evoziert Stallone mit kurzen Einsprengseln und Zitaten aus den Vorgängern. Beides stellt den Film nicht nur in den Zusammenhang der Serie, es dokumentiert auch die lange, dreißig Jahre zurück reichende Historie der Rocky-Figur, die das Prinzip des „Nicht-aufgeben-Wollens“ wie kaum eine andere im amerikanischen Kino repräsentiert. Passend dazu mangelt es nicht an Pathos, wenn Menschen voller Bewunderung den Blick auf die Bilder der TV-Übertragung richten oder Rocky beim Gang durch das Viertel um ein Autogramm bitten. In solchen Augenblicken verschwimmen die Grenzen zwischen dem Filmcharakter und dessen Schöpfer, der es selbst zu einer Ikone – in diesem Fall des Kinos – gebracht hat und dessen Vita untrennbar mit dem Boxer aus Philadelphia verbunden ist. Wir erleben die Geburt eines neuen Rocky-Typus, der ganz nach dem Klischee des „weichen Kerns in harter Schale“ den Tod seiner Frau beweinen darf.

Passend zur neuen Schlichtheit präsentiert sich der Film über weite Strecken in einer einfachen, dunklen und grobkörnigen Verpackung. Keine Hochglanzoptik soll die Härten des Älterwerdens überdecken. Heruntergekommene Häuser und Straßen komplettieren die Ästhetik des langsamen Verfalls. Erst bei dem finalen Boxkampf vor imposanter Kulisse sorgt ein Mix aus hochauflösenden TV-Aufnahmen und digitalen Handkamerabildern für so etwas wie Glamour und Spektakel. Dann will Stallone offensichtlich alles das nachholen, was sich zuvor angestaut hat: Es wechseln sich unscharfe Nahaufnahmen, verschiedene Farbfilter, Gelb-, Blautöne, Flashbacks, Schwarz-Weiss-Impressionen, Zeitlupenaufnahmen im Sekundentakt ab. Stärker könnte der Kontrast zu der übrigen betont unspektakulären Abschiedstournee nicht ausfallen.

Die Befürchtung, Stallone würde mit Rocky Balboa einen Kinohelden der Peinlichkeit eines unwürdigen und überflüssigen sechsten Auftritts aussetzen, bewahrheitet sich, sobald die Opponenten den Ring betreten haben. Der zuvor sorgsam aufgebaute nüchtern-realistische Anstrich führt sich selbst ad absurdum, wenn der Box-Rentner nach den Willen des Drehbuchs gegen einen durchtrainierten halb so alten Champion konditionell mithalten soll. Das mag mit dem Mythos der Figur und der Reihe kompatibel sein, für sich genommen und als Konklusion der ersten 70 Minuten funktioniert es nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Stallone, der das Kino der Reagan-Ära maßgeblich mitgeprägt hat, die Sache mit der Rückkehr altgedienter Kino-Recken noch einmal überlegt und zumindest seine Ambitionen auf einen vierten Rambo-Film umgehend einstellt.

Samstag, Februar 03, 2007

Yes I am! - Der lange Weg zu sich selbst

D 2006

+++

Wer bin ich? Das wäre vermutlich die Frage auf die im Titel von Sven Halfars Dokumentarfilm nachzulesende Antwort. Wie es ist, in Deutschland als Kind eines schwarzen Vaters nur mit einem Elternteil aufwachsen zu müssen, davon erzählt Yes I am! aus einem angenehm unaufgeregten und gleichzeitig sehr persönlichen Blickwinkel. Gegen Ende schlägt der Film einen Bogen zu dem Bandprojekt „Brothers Keepers“, das als Antwort auf die Ermordung des Afrikaners Alberto Adriano von rund zwanzig afrodeutschen Musikern ins Leben gerufen wurde.

Filmkritik:

Sie sind drei junge Musiker, und sie teilen sich ein gemeinsames Schicksal. D-Flame, Adé und Mamadee wuchsen als deutsche Kinder schwarzer Väter auf. Ohne ihre Väter, teilweise in Deutschland, teilweise in Nigeria wie Adé, der erst als er fünfzehn ist und sein Vater ermordet wurde mit seiner Mutter und den Geschwistern nach Deutschland zieht. D-Flame kommt in ein Heim, nachdem die Streitereien mit seiner Mutter Überhand nehmen. Er gerät auf die schiefe Bahn, klaut, dealt und wird verhaftet. Mamadee hat den Fall der Mauer aus der Perspektive einer Zehnjährigen in der DDR erlebt. Als sie Anfang zwanzig ist, zieht es sie in den Westen in die Großstadt Köln, wo ihre Schwester studiert. Dort widmet sie sich intensiv ihrer Gesangskarriere.

Ein Ereignis bringt sie alle zusammen. Die rassistisch motivierte Ermordung des Afrikaners Alberto Adriano im Jahr 2000 bildete den Startschuss für das Projekt „Brothers Keepers“, bei dem auch andere bekannte Musiker wie Xavier Naidoo und Afrob mitmachten. Gemeinsam mit den „Sisters Keepers“ – der weiblichen Ausgabe der Brothers – machen die Musiker Front gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Dazu besuchen sie ostdeutsche Schulen, da gerade in der ehemaligen DDR – aber nicht nur dort – Rechtsradikale Sympathien und Zulauf erfahren.

Regisseur Sven Halfar begleitete die Musiker auf ihrem Weg der Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend. An die Erlebnisse, die sie damit machten, dass sie anders waren. Anders als die Masse. D-Flame, Adé und Mamadee lassen uns vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Milieus sehr persönlich teilhaben, an dem, was sie bewegt. Eng mit dem Gefühl des Nichtdazugehörens ist die Suche nach der eigenen Identität verbunden. Weil ein Elternteil fehlte bzw. wie im Fall von Adé ihm während der Pubertät durch eine fürchterliche Tat genommen wurde, scheint sie eine innere Unruhe anzutreiben, die sie nachforschen lässt, wo ihre Wurzeln liegen, wo sich ihr wirkliches Zuhause befindet. Für Adé ist das Nigeria.

In der Musik des Films, den die Künstler und die beiden Bandprojekte beisteuerten, spiegeln sich bereits Einflüsse aus den unterschiedlichsten Lebenswelten wider. D-Flames harter Rap verbindet sich in seinen Texten mit den Erfahrungen, die er hier in Deutschland machen musste. Mamadee besingt in ihren souligen Liedern eindringlich, wie es sich für sie anfühlte, erstmals mit der bitteren Erkenntnis konfrontiert zu werden, sich von den meisten in ihrem Umfeld zu unterscheiden und dadurch für manche angreifbar zu werden. So stark und selbstbewusst sich Halfars Interviewpartner mitunter auch geben, so sehr merkt man als Zuschauer in den ruhigen Momenten, dass sie – wie es Mamadees Mutter einmal ausdrückt – immer die Last ihrer Vergangenheit wie einen unsichtbaren Rucksack mit sich herumtragen müssen. Wer befürchtete, ein Film über das zu Tode diskutierte Thema Integration und den Umgang mit Rassismus müsse sich in moralinsaure Belehrungen ergehen, der dürfte von Yes I am! mehr als positiv überrascht sein. Aber auch alle anderen können dank der offenherzigen Schilderung das Gefühl mit nach Hause nehmen, einen ehrlichen Einblick in eine andere deutsche Lebenswirklichkeit bekommen zu haben.