Samstag, April 28, 2007

Spider-Man 3 - Die dunkle Seite der Macht


USA 2007

+++1/2

Sam Raimi hat es geschafft, wieder einmal. Sein dritter "Spider-Man"-Trip schließt in Komplexität, Unterhaltungswert und Action nahtlos an seine beiden Vorgänger an. Lediglich das Ende ist arg rührselig geraten, selbst für "Spider-Man"-Verhältnisse. Davon abgesehen dürfen sich auch Nicht-Marvel-Fans auf einen der intelligentesten und spannendsten Blockbuster seit langem freuen. Eine Comic-Adaption für Jedermann, der großes Kino schätzt. Meine Besprechung gibt es auf Evolver.

Donnerstag, April 26, 2007

Lieben und lassen - Ne, lass mal....


USA 2006

++

Der neue Film von In den Schuhen meiner Schwester-Autorin Susannah Grant setzt ganz auf die Zugkraft von Jennifer Garner und die treue Anhängerschaft leichter, romantischer Komödien. Mit einer konzentrieteren Dramaturgie - ihr Film ist schlichtweg eine halbe Stunde zu lang geraten - und weniger sorgsam ausgewogener Taschentuch-Momente hätte aus der Geschichte durchaus ein unterhaltsames Stück Kino werden können. Doch so bleibt nur ein unbefriedigender Aufguss zurück, der nicht nur wegen der fortwährenden Indie-Kuschelrock-Musik an Elizabethtown, einen der schlechteren Cameron Crowe-Werke, erinnert. Zu meiner Besprechung auf Critic.de geht es hier.

Samstag, April 21, 2007

Little Children - Crash im Vorgarten


USA 2006

++

Tristesse, Frustration, Alltagsmonotonie. Nicht erst seit American Beauty wissen wir, dass die saubere, scheinbar wohl behütete Idylle amerikanischer Klein- und Vorstädte oftmals nicht mehr als eine Chimäre darstellt. In Todd Fields lang erwartetem Surburbia-Drama Little Children wird den Protagonisten Stück für Stück der Boden unter den Füßen weggerissen. Das, was bleibt, ist nicht viel mehr als ein panisches Festhalten an den eigenen unausgelebten Sehnsüchten. Der vierfach Oscar-nominierte Film zeigt Schauspielkunst auf höchstem Niveau.

Filmkritik:

Die Langeweile droht Sarah (Kate Winslet) aufzufressen. Dabei kann sie sich eigentlich glücklich schätzen, lebt sie doch in einer vornehmen Wohngegend in einem luxuriösen Haus. Aber das Eheglück ist nur nach außen hin perfekt. Denn ihr Mann Richard (Gregg Edelman) interessiert sich mehr für seinen hochbezahlten Job und obskure Sexseiten im Internet als für die Bedürfnisse seiner Frau. Und so kommt es, wie es kommen musste. Sarah lernt bei ihren täglichen Besuchen des nahe gelegenen Spielplatzes einen anderen Mann kennen. Doch auch Brad (Parick Wilson) – von den anderen Hausfrauen nur ehrfürchtig „The Prom King“ genannt – ist verheiratet. Anfangs bleibt es bei unverbindlichen Flirts. Erst nachdem bei Brad die Probleme zuhause nicht mehr zu leugnen sind und seine Frau Kathy (Jennifer Connelly) ihn zunehmend kontrolliert und einschränkt, beginnen beide ein leidenschaftliches Verhältnis.

Abseits dieser Haupt-Storyline schildert uns Field in einem zweiten Erzählstrang ein ganz anderes Schicksal. Der verurteilte und soeben aus der Haft entlassene Kinderschänder Ronnie McGorvey (Jackie Earle Haley) muss damit klar kommen, dass er keinen Schritt mehr unbeobachtet tun kann. Überall hängen Plakate mit seinem Gesicht, die besorgte Eltern in der Nachbarschaft aufgehängt haben. Vor allem der verbitterte Ex-Cop Larry Hedges (Noah Emmerich) hat es sich zum Ziel gesetzt, Ronnie das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Der lose auf dem Roman von Tom Perrotta basierende Vorstadt-Horror erinnert stark an Sam Mendes Glanzstück American Beauty und die Episoden-Dramen eines Robert Altman und Paul Thomas Anderson. So wirft auch Todd Fields zweite Regiearbeit – ganze sechs Jahre sind seit seinem gefeierten Kinodebüt In the Bedroom vergangen – einen satirisch überhöhten Blick auf die scheinbare Sonnenseite des American Dream. Manche Szenen wie die mit den anderen überdreht korrekten Hausfrauen am Spielplatz könnten eins zu eins aus der Erfolgsserie Desperate Housewives entnommen sein. Auch in Little Children bahnen sich Verzweiflung und Einsamkeit unaufhaltsam ihren Weg. Während Sarah und Brad beides im Sex zu vergessen suchen, ist es die erzwungene Rückkehr zur Normalität, die Ronnie für sich nutzen möchte. Tragischerweise werden seine Bemühungen von einem paranoiden und hysterischen Umfeld zur Nichte gemacht.

Am Ende werden sich die Wege aller kreuzen, auf eine Art, die an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Dabei wird zugleich das Dilemma des ambitionierten Films deutlich, das Field letztlich nicht befriedigend zu lösen vermag. Abgesehen davon, dass vieles von dem, was er uns über 130 Minuten zu erzählen hat, reichlich prätentiös verpackt wurde – den zitierten Vergleich zwischen Madame Bovary und Sarah mangelt es ebenso wie den überflüssigen verspielt literarischen Voice Over-Passagen an Subtilität – wirkt Little Children auch in sich unausgegoren. Die Mischung aus Satire und Kleinstadt-Drama erschafft Charaktere, die mit Ausnahme von Brad nur als Karikaturen bestimmter Archetypen (eben jene verzweifelten Hausfrauen, verklemmt-geiler Ehemann, traumatisierter Ex-Cop, unnahbare Karrierefrau, Pädophiler mitsamt dominanter Mutti) durchgehen. Es fällt schwer, dem weiteren Verlauf der Geschichte vorbehaltlos zu folgen, gerade wenn sich der Eindruck verfestigt, keine lebendigen Menschen sondern lediglich streng durchgeplante Gedankenkonstrukte vorgesetzt zu bekommen.

Die Schwachstellen des Drehbuchs fallen in der Gesamtschau nur deshalb nicht stärker ins Gewicht, weil die Schauspieler und allen voran Kate Winslet mit vollem Einsatz dagegen halten. Winslet ist trotz oder gerade wegen ihrer mittlerweile fünf gescheiterten Oscar-Anläufe eine der ganz Großen im Charakterfach, der es wie nur wenigen gelingt, auch in mittelmäßigen Produktionen regelmäßig zu glänzen. Ihre mutige Darstellung der heimlosen Sarah holt das Maximale aus den Vorgaben der Rolle heraus. Selbiges trifft auf Jackie Early Haley und Noah Emmerich zu, die sich geradezu bravourös an Klischees über verbitterte Cops und Kinderschänder abarbeiten. Da drängt sich die Frage auf, was aus Little Children nur geworden wäre, wenn Field und Perrotta ihr erstklassiges Ensemble in den Sandkasten mit dem richtigen Spielzeug gesetzt hätten.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, April 18, 2007

Love & Dance - Die Universalität des Tanzes


ISR 2006

+++

Die Sprache des Tanzes ist universell. Genauso universell, wie es Emanzipations- und Coming-of-Age-Geschichten sind. Diese hier handelt von der Selbstfindung eines Jugendlichen, der die Erfahrung der ersten Liebe macht. Die auf zahlreichen Festivals gefeierte israelische Produktion Love & Dance orientiert sich an so bekannten und erfolgreichen Tanzfilmen wie Billy Elliot – I Will Dance und der Dokumentation Mad Hot Ballroom ohne jedoch die kulturelle Identität ihres eigenen Schauplatzes zu vernachlässigen.

Filmkritik:

Der dreizehnjährige Chen (Vladimir Volov) wächst in Ashdod auf, einer Stadt am Rande der Wüste, in die viele Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion gezogen sind. So auch Chens Mutter Lena (Oksana Korostyshevskaya). Sie ist mit Rami (Avi Kushnir) verheiratet, einem israelischen Fotografen, der die Einsamkeit und Schönheit der Wüste schätzt, aber in seinem Job vor allem junge Brautpaare ablichten muss, worauf er mit Zynismus und Sarkasmus reagiert. Das Verhältnis zwischen seinen Eltern erlebt Chen als äußerst wechselvoll. Lautstarke Auseinandersetzungen wie die an ihrem Hochzeitstag, den Rami wieder einmal vergessen hat, sind keine Seltenheit. Als Chen seine Mutter daraufhin zum Tanzen ausführt, soll sich für ihn alles ändern. Er lernt Natalie (Valeria Voevodin) kennen, ein bildhübsches Mädchen, das sein Herz höher schlagen lässt. Chen ist verliebt. Und weil er immerzu an Natalie denken muss, meldet er sich in ihrem Tanzkurs an. Doch auf das Hochgefühl folgt die Ernüchterung. Denn Natalie hat bereits einen festen Tanzpartner. Statt Natalie wird ihm die bestimmende Sharon (Talya Raz) zugeteilt, mit der er sogar an einem nationalen Tanzwettbewerb teilnehmen soll.

Es fällt nicht schwer, Gründe dafür zu finden, warum Eitan Anners Film in den zurückliegenden Monaten ein derart gern gesehener Gast auf vielen Festivals wie Rom, Moskau und Wien war. Die Story von der ersten Liebe und dem Gefühlchaos, das sie in einem anrichtet, von kulturellen Barrieren und der ihrerseits wiederum grenzüberschreitenden Kraft des Tanzens und der Musik, wird wohl niemals zu Ende erzählt sein. Jeder kann sich in ihr wiederfinden, jeder kann nachempfinden, was Chen für Enttäuschungen durchleiden muss, weil man an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit wahrscheinlich eine ähnliche Erfahrung gemacht hat. Love & Dance spielt gekonnt auf der Klaviatur seiner eigenen Universalität, wobei Kinder wie Erwachsense gleichsam Gefallen an Anners intimer Coming-of-Age-Geschichte finden dürften.

Dabei trägt nicht zuletzt das jugendliche Ensemble zum Gelingen dieses klassischen „Feel Good-Movies“ bei. Der junge Vladimir Volov wird nicht das letzte Mal vor der Kamera gestanden haben. Gleiches trifft auf seine von Talya Raz dargestellte Tanzpartnerin zu. Erst ihr Zusammenspiel erfüllt den auf dem Papier zugegeben nur bedingt spannend klingenden Plot mit dem notwendigen Charisma und Temperament. Anner muss man für sein glückliches Händchen bei der Wahl der Besetzung einfach gratulieren.

Hinzu kommt, dass er sich nicht damit zufrieden gibt, nur eine weitere Variante einer Geschichte über das Erwachsenwerden zu erzählen. Obwohl die Analogien zu erfolgreichen Produktionen wie Billy Elliot – I Will Dance und Mad Hot Ballroom nicht zu leugnen sind, in denen sich die Protagonisten ihr Selbstbewusstsein über einen organisierten Wettbewerb – in diesem Fall das Tanzen – „antrainieren“, besitzt Love & Dance auch eine eigene Note, die mit dem Schauplatz Israel zusammenhängt. Ein Land, das wir zumeist nur im Zusammenhang mit Terroranschlägen und dem Nahostkonflikt wahrnehmen, portraitiert Anner als vielschichtiges von unterschiedlichen Kulturen geprägter Schmelztiegel inmitten einer kargen und dennoch faszinierenden Natur.

Für Programmkino.de.

Sonntag, April 15, 2007

Born to be Wild - Saumässig unterwegs


USA 2007

++1/2

„Wann ist der Mann ein Mann?“ sang bereits vor über zwanzig Jahren ein gewisser Herbert Grönemeyer. Seitdem hat sich in der Welt so manches verändert. Gerade das Fernsehen und die Werbeindustrie haben ein Männerbild kreiert, bei dem der Einzelne auf reine Leistungsparameter reduziert wird. Das bekommen auch die vier Freunde Bobby (Martin Lawrence), Doug (Tim Allen), Woody (John Travolta) und Dudley (William H. Macy) zu spüren. Sie haben es satt, von jedem wie ein kleines Kind fortwährend gegängelt zu werden. Das eigene Ego leidet dabei wahlweise unter der eigenen Erfolglosigkeit beim anderen Geschlecht (Dudley), einer dominanten Ehefrau (Bobby), einer beruflichen Bruchlandung (Woody) oder einer zu Hause grassierenden „Dad-bringt-es-nicht-mehr“-Mentalität (Doug).

In dieser Situation scheint die Idee verlockend, allen Ärger und Stress einfach den Rücken zuzukehren, um noch einmal den Geschmack der Freiheit und den für Amerika so typischen Entdeckergeist nachzujagen. Statt die eigenen Motorräder weiter für gesetzte Kaffeefahrten durch beschauliche Vororte zu „missbrauchen“, starten die vier von der Midlife Crisis befallenen Mitglieder der Biker-Gang „Wild Hogs“ (zu deutsch: Wildschweine) zu einer Reise in Richtung Westen – ohne Ziel aber mit dem festen Entschluss, endlich einmal das zu machen, was ihren Bedürfnissen entspricht.

Im Jahr 2000 schickte die geriatrische Komödie Space Cowboys einen Haufen altgedienter Hollywood-Recken – darunter Clint Eastwood und James Garner – in die Erdumlaufbahn. Für die „Wild Hogs“ geht es immerhin nach New Mexico in ein kleines, verschlafenes Nest. Angelehnt an den New Hollywood-Klassiker Easy Rider, mit dem Walt Beckers doppelte Buddy-Komödie in Motiven und Zitaten spielt, entwickelt sich Born to be Wild zu einem größtenteils unterhaltsamen, zwangslosen Road Trip, der in erster Linie davon lebt, dass er Stars wie John Travolta genügend Raum für pubertäre Späßchen jeglicher Art lässt. William H. Macy – seit Fargo auf charmante Loser-Rollen abonniert – übernimmt wieder einmal den Part des verkopften aber hoch sympathischen Underdogs, der sogar der Liebe seines Lebens begegnen darf.

Das Niveau der Pointen wird dem gerecht, was auch vergleichbare US-Produktionen liefern, im positivem wie im negativem. So verlässt sich das Drehbuch während des ersten Filmdrittels zu sehr auf homophobe Schenkelklopfer, die aufgrund ihrer Redundanz schnell langweilen. Irgendwann sollte zudem das Klischee vom schwulen Motorrad-Cop in der Mottenkiste verschwinden, wobei man weniger den Drehbuchautoren als den Village People dafür „danken“ darf, dass sich manche Stereotypen scheinbar ewig halten. Nach einem etwas zähen Start nimmt der Film nach rund einer halben Stunde deutlich an Fahrt auf, als unsere vier Helden auf ihrer anrührend erfolglosen Demonstration gegen Anpassung und Spießertum einer feindseligen Biker-Gang begegnen. Deren Anführer will der weichgespülten Konkurrenz der „Wild Hogs“ eine Lektion erteilen, schließlich kratzen solche Möchtegern-Rebellen schwer am Image des abgebrühten Easy Rider.

Allein das Wiedersehen mit Ray Liotta in der Rolle des notorisch schlecht gelaunten Gang-Chefs entschädigt für diverse Albernheiten, die sich Born to be Wild ansonsten im Lauf seiner 100 Minuten leistet. Dabei gelingt dem Film mit Liotta noch nicht einmal der größte Besetzungscoup. Der Kurzauftritt einer anderen Hollywood-Legende bringt einen dazu, endgültig an die Verheißung einer kompromisslosen Freiheit auf zwei Rädern zu glauben.

Donnerstag, April 12, 2007

Vollidiot - Die Leiden des jungen Oli P.


D 2007

++1/2

Simon Peters hat es nicht leicht: Ob auf der Arbeit oder in seinem Privatleben laufen die Dinge keineswegs so, wie er sich das vorgestellt hatte. Der Single-wider-Willen ist nicht unbedingt das, was man einen Frauenversteher nennt. Zu allem Überfluss sitzt ihm das Finanzamt im Nacken. Nun ist der frustrierte Telekom-Verkäufer nicht ganz unschuldig an seiner Situation, worauf der Filmtitel ohne große Umschweife verweist. Die Adaption von Tommy Jauds Bestseller bietet solide deutsche Komödienkost, die neben manchen Albernheiten auch einige gelungene Seitenhiebe auf den allerorts propagierten "modernen" Lifestyle bereit hält. Wer mehr wissen möchte, geht auf Critic.de.

Montag, April 09, 2007

Sunshine - Sonnenbank-Flavour


GB 2007

+++

In 50 Jahren herrscht auf der Erde eine lebensfeindliche Kälte. Weil die Sonne stirbt, ihre Kraft nachlässt und uns ihre Energie nicht mehr erreicht, scheint die Menschheit dem Untergang geweiht. Die letzten Hoffnungen ruhen auf acht Männern und Frauen, die an Bord des Raumschiffs „Icarus II“ einen nuklearen Sprengsatz zur Sonne transportieren sollen. Durch dessen Explosion – so der kühne Plan – könne dem sterbenden Stern neues Leben eingehaucht werden. Die Crew hat ihr Ziel beinahe erreicht, als sie in den Weiten des Alls auf die vor Jahren gestartete und seitdem vermisste Vorgängermission trifft. Mit dem Andocken an die „Icarus I“ nehmen die Ereignisse einen für alle verhängnisvollen Verlauf.

Sunshine ist nach 28 Days later die bereits zweite Zusammenarbeit des Trios Danny Boyle (Regie), Alex Garland (Drehbuch) und Andrew MacDonald (Produktion). Boyle, der sich in den 90ern mit der schwarzen Komödie Kleine Morde unter Freunden und der radikalen Drogen-Groteske Trainspotting eine treue Fangemeinde erarbeitet hatte, wagt sich erneut an eine düstere Zukunftsvision, die zwar keine Zombies dafür aber die bedrohliche Weite und Stille des Weltalls aufzubieten hat. Im ersten Drittel des Films, wenn sich die Mannschaft auf den Weg zur verglühenden Sonne macht, zelebriert Boyle dementsprechend ausgiebig den transzendentalen Aspekt der Geschichte. Die Reise ins Nichts, in die Dunkelheit eines scheinbar leeren Raumes als den mühsamen und gefahrvollen Weg zu sich selbst. Hierher rühren auch manche Vergleiche zu Stanley Kubricks Space-Oper 2001 – Odyssee im Weltall, die dem Science Fiction-Film ihre ganz eigene Ikonographie aufdrückte und das Genre wie vielleicht nur noch die Star Wars-Saga prägte.

Und tatsächlich schwingt eine religiöse und mythologische Deutung in vielen Details im Subtext von Sunshine mit. Das fängt bereits beim Namen der Raumschiffe an, die auf die griechische Ikarus-Sage verweisen. Ikarus, Sohn des Dädalus, musste sterben, weil er in seinem Übermut der Sonne zu nahe kam und damit den Zorn der Götter auf sich zog. Die Crew der „Icarus II“ müsste also vorgewarnt sein, de facto hält es sie jedoch nicht davon ab, die einem Menschen psychisch wie physisch auferlegten Grenzen und Limitationen mehr als nur einmal zu überschreiten.

Ähnlich grenzüberschreitend präsentiert sich auch der gesamte Film. Was als philosophischer Weltraum-Trip beginnt, wandelt sich im Mittelteil in ein packendes Psycho-Duell, als die Konflikte unter den Besatzungsmitgliedern zu eskalieren drohen. Die klaustrophobische Enge des Schauplatzes, die schmalen Gänge und sterilen Kammern der „Icarus II“ werden dann im Finale zum eigentlichen Hauptdarsteller. Sobald klar wird, dass die vor Jahren ins All geschickte Mannschaft der Vorgängermission etwas Furcheinflößendes hinterlassen hat, mutiert Sunshine zu einem adrenalintreibenden SF-Schocker, der mit Motiven berühmter Vorgänger wie Ridley Scotts Alien spielt. Boyle legt letztlich jegliche falsche Zurückhaltung ab, indem er den Aderlass liefert, der sich die Horror-Gemeinde seit 28 Days later von ihm gewünscht hat. Dann ist Sunshine einem konventionellen Slasher-Film weitaus näher als Kubricks 2001. Erst auf der Zielgeraden soll sich daran wieder etwas ändern. Die Auflösung mag nicht jedem gefallen, aber sie knüpft zumindest inhaltlich wieder an den Ursprung der Geschichte an.

Ungewöhnlich und gleichsam beeindruckend präsentiert sich die visuelle Umsetzung. Nach einer epischen Bebilderung der für uns kaum fassbaren Weiten des Weltraums mündet Sunshine in einen radikalen Fiebertraum, der die einzelnen Bildbestandteile zum Schmelzen zu bringen scheint. Wenn der Schrecken losgelassen und das Setting zu einem Survial-of-the-Fittest umfunktioniert wurde, nutzen Boyle und sein Kameramann Alwin Küchler das Sonnen-Thema, um die Leinwand in ein glühendes Inferno zu verwandeln. Die markanten Bässe der britischen Techno-Formation Underworld, die schon für Trainspotting das einprägsame Thema („Born Slippy“) beisteuerten, potenzieren nochmals die hohe suggestive, expressionistische Kraft der Bilder. Raum und Zeit lösen sich auf, weil uns Boyle alle Koordinaten wegnimmt. Zuletzt gelang Marc Forster mit seinem hypnotischen Stay ein vergleichbar beängstigendes Rendezvous mit dem eigenen Unterbewusstsein.

Sunshine kann zwar nicht die zu großen und zuweilen auch überschätzten Fußstapfen eines 2001 treten, dafür nutzen Boyle und Garland ihre Bühne Millionen Kilometer abseits der unter Schnee und Eis erstarrten Erde mit einer fast schon gnadenlosen Effektivität. Ihr dystopisches Science Fiction-Spektakel, das Schicht für Schicht den menschlichen Überlebenswillen seziert, ist mutiges Kino, wie man es heute nicht mehr oft findet.

Erschienen bei BlairWitch.

Samstag, April 07, 2007

Twentynine Palms - Bis ans Ende und darüber hinaus


F/D/USA 2003

+++1/2

Der Franzose Bruno Dumont (L’Humanité) hat im vergangenen Jahr mit seinem Kriegsdrama Flandres den „Großen Preis der Jury“ bei den Filmfestspielen in Cannes gewinnen können. Mit fast vierjähriger Verspätung kommt nun dessen Vorgänger Twentynine Palms auch zu uns in ausgewählte Programmkinos. Die Geschichte eines in der Wüste Kaliforniens herumreisenden Künstlerpärchens kollidiert auf bravouröser Weise mit den vom Mainstream-Kino gepflegten gängigen Sehgewohnheiten, wobei sich die Radikalität, die Dumont in Form und Inhalt bis zu einem in mehrfacher Hinsicht verstörenden Finale konsequent verfolgt, mit Worten nur schwer umschreiben lässt.

Filmkritik:

Es ist die bizarre Schönheit der Wüste, die Einsamkeit der Landschaft, die einem bei Bruno Dumonts Film zunächst ins Auge fällt. Dumont ist ganz offensichtlich gleichsam fasziniert von dieser aus unserer Zivilisation so gänzlich entrückten Szenerie. Lebensfeindlich, lebensunwirklich und doch wunderschön mutet die Vegetation im Süden Kaliforniens an. An diesen Ort hat es den Fotografen David (David Wissak) verschlagen. Zusammen mit seiner Geliebten Katia (Katia Golubeva) durchquert er die Wüste auf der Suche nach neuen Fotomotiven. Zwischendurch machen sie in kleinen Motels und Appartements halt, haben Sex, diskutieren, essen etwas und fahren dann weiter. Andere Menschen treffen sie dabei so gut wie keine.

Bis an die Schmerzgrenze und für viele Zuschauer sicherlich auch darüber hinaus macht Dumont die Monotonie und Tristesse ihres Trips erfahrbar. Es dominieren lange statische Panoramaeinstellungen, die mitunter an ein Stillleben erinnern. Die Wüste ist der Star, wobei David und Katia desöfteren Gefahr laufen, in der grandiosen Kulisse schlichtweg verloren zu gehen. Doch gerade wenn dies der Fall zu sein scheint, wechselt der Film die Perspektive. Dumont ist plötzlich ganz dicht dran an seinen beiden Protagonisten, verfolgt sie mit der Handkamera bis in Momente größter Intimität. So wird bei ihm weder abgeblendet, wenn Katia mitten in der Wüste ihrem Harndrang nachgibt, noch blendet er bei ihren Sex-Intermezzi ab. Auf letztere mag zumindest an einer Stelle rein formal der Vorwurf der Pornographie zutreffen – wenngleich es sicherlich weniger explizit als in Larry Clarks Ken Park oder Patrice Chéreaus Intimacy zur Sache geht – allerdings sind sie für die Charakterisierung von Katia und vor allem David ein integraler und unverzichtbarer Bestandteil. Dumont zeigt, wie David beim Orgasmus alle Energie aus sich herausschreit. Zuvor näherte er sich im Swimming Pool Katia wie ein wildes Tier, das auf der Suche nach Beute offenbar fündig geworden ist. Auf einen rohen und animalischen Akt folgt die Depression. Das Versinken im Nichts.

Für noch mehr Sprengstoff als manch explizite Sex-Darstellung sorgten seinerzeit die Ereignisse der letzten Viertelstunde. Viele Zuschauer waren geschockt über das, was Dumont ihnen in letzter Konsequenz zumutete. Der streitbare Filmemacher führte den minimalistischen Plot in eine unbarmherzige Auflösung aus Sex und Gewalt über. Spätestens dann wurde klar, warum Twentynine Palms trotz seines unbestreitbaren artifiziellen Habitus auch als Horrorbeitrag funktioniert. Die zuvor über 90 Minuten aufgestaute Energie der heißen, flirrenden Wüstenbilder, die spürbare Isolation und Verletzlichkeit der beiden Protagonisten münden in einem tödlichen Fanal. So wie Irreversible – der Film seines französischen Kollegen Gaspar Noé – mit einem Paukenschlag begann, so endet Dumonts nihilistische Abhandlung über den schmalen Grat zwischen Liebe, Sex und Hass in einer unbeschreiblichen Katastrophe.

Es fällt schwer, Twentynine Palms vorbehaltlos zu empfehlen und das obwohl Dumont von der Idee bis zur Umsetzung ein bemerkenswert klares, strukturiertes und forderndes Stück Kino gelungen ist. Zu sehr fällt sein im Look naturalistischer, rauer Film aus allem heraus, was sonst auf der Leinwand zu sehen ist – selbst im Arthouse-Bereich. Vielleicht ist es das, was zusammengefasst die Qualität von Twentynine Palms ausmacht. Er markiert eine Klasse für sich, wagemutig und kompromisslos.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, April 04, 2007

Die wilden Hühner und die Liebe - Flügge werden


D 2007

+++1/2

Deutschlands derzeit erfolgreichste Jugendbuchautorin Cornelia Funke schuf mit „Die wilden Hühner“ eine realistische Romanserie über eine aufgeweckte Mädchenbande. Nachdem die fünf Mädels in ihrem ersten Kinoabenteuer das andere Geschlecht noch als Zielscheibe für diverse Streiche erwählten, entdecken sie in Die wilden Hühner und die Liebe, dass Jungs noch für mehr gut sein können. Regie führte wie schon beim ersten Hühner-Film Vivian Naefe. Ihre mit vielen kleinen und großen Schauspielstars gespickte Adaption zeichnet sich durch eine vielschichtige Annäherung an das jugendliche Gefühlswirrwarr rund um die erste Liebe aus.


Filmkritik:

Die Liebe hat die „Wilden Hühner“ schwer erwischt. Jede muss auf ihre Art mit den ersten Schmetterlingen im Bauch fertig werden, die nicht nur Glücksgefühle auslösen. Während Melanie (Paula Riemann) tief verletzt ist, weil ihr Freund Willi sie wegen eines anderen Mädchens verlassen hat, sehnt sich Frieda (Lucie Hollmann) nach ihrer Bekanntschaft aus den letzten Sommerferien. Wie auch die anderen Hühner Wilma (Jette Hering) und Trude (Zsá Zsá Inci Bürkle) arbeiten sie mit ihrer Lehrerin Frau Rose (Jessica Schwarz) zudem an der Aufführung von Shakespeares „Sommernachtstraum“, in dem sich auch alles um die Liebe dreht. „Oberhuhn“ Sprotte (Michelle von Treuberg) führt zwar eine glückliche Beziehung mit „Pygmäenboss“ Fred (Jeremy Mockridge), dafür überschlagen sich zu Hause die Ereignisse. Gerade als ihre Mutter (Veronica Ferres) den von Sprotte abschätzig „Klugscheißer“ genannten Fahrlehrer Thorben (Oliver Stokowski) heiraten will, taucht nach über zwölf Jahren Sprottes Vater (Thomas Kretschmann) wie aus dem Nichts auf.

So unübersichtlich eine Beziehung verlaufen kann, so durcheinander präsentiert sich der Story-Aufbau des zweiten „Hühner“-Abenteuers. Und das ist durchaus positiv zu verstehen. Das Drehbuch von Marie Graf, Uschi Reich und Regisseurin Vivian Naefe wechselt spielerisch zwischen den einzelnen Schauplätzen, zwischen den Proben des Theaterstücks, Sprottes Problemen mit ihrem zurückgekehrten Vater und den Liebesturbulenzen der Mädchenbande. Mit großer Aufrichtigkeit nimmt sich Die wilden Hühner und die Liebe den einzelnen Geschichten an. Besonders der Verzicht auf eine belehrende, pädagogische Einordnung der Geschehnisse weiß zu gefallen. Exemplarisch wird dies auch an der Episode um Wilma deutlich, die sich in eine neue Mitschülerin verliebt. Der gleichgeschlechtlichen Liebe – für einen Jugendfilm immer noch ein exotisches und tabuisiertes Thema – nähert sich Naefe mit äußerstem Fingerspitzengefühl. Wilmas Angst, offen zu ihren Gefühlen zu stehen, wird keineswegs ausgeblendet. Gleiches gilt für die ihr entgegengebrachte Ablehnung und Intoleranz.

Cornelia Funke, die sich selber einmal als „Spionin der Kinder in der Welt der Erwachsenen“ beschrieben hatte, verbindet in den Abenteuern der „Wilden Hühner“ den von Höhen und Tiefen geprägten Prozess des Erwachsenwerdens mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl einer Jugendclique. Dass sie sich dabei vorbehaltlos der Perspektive ihrer zumeist jungen Charaktere verbunden fühlt ohne die Erwachsenen als beschränkte Unsympathen zu diskreditieren, macht ihre besondere Qualität als Autorin aus.

Vivian Naefes Filmversion der „Wilden Hühner“ fühlt sich Funkes Sichtweise in jedem Moment verbunden. Denn obwohl Sprottes Mutter Sybille mitunter etwas verloren und chaotisch zwischen zwei Männern und zwei Welten umherstolpert – sie also mit ähnlichen emotionalen Turbulenzen wie die „Hühner“ zu kämpfen hat – mangelt es nicht an Verständnis und Empathie auch für das Verhalten der Erwachsenen. Naefe und Funke machen klar, dass sich die Liebe nicht kontrollieren lässt. Und wie der von den Schülern aufgeführte „Sommernachtstraum“ beweist, ist niemand vor ihren Irrungen und Wirrungen sicher. Zum Glück.

Für Programmkino.de.