Donnerstag, März 30, 2006

C.R.A.Z.Y. - Seelenfutter mit David Bowie und Charles Aznavour


C.R.A.Z.Y. CDN 2005

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In „South Park“ sind sie die Verkörperung des Bösen: die Kanadier. Das Land der Eiskunstläufer und Robbenjäger bringt aber auch in unregelmäßigen Abständen Regisseure von Weltformat hervor. Atom Egoyan gehört hierzu, David Cronenberg sicherlich auch. Und vielleicht muss man diese Aufzählung zukünftig um den Namen Jean-Marc Vallée ergänzen, denn seine filmische Reminiszenz an die 60er und 70er Jahre, die Musik von David Bowie und den Rolling Stones, und an die Zeiten zwischen bürgerlichem Alltag und wilden Phantasien aus Sex, Drugs und Rock’n’Roll ist für mich die Kinosensation der letzten Monate. Soeben ausgezeichnet mit fast einem Dutzend kanadischer Filmpreise (ok, wen interessiert’s?) ist „C.R.A.Z.Y.“ all das, was Kino immer sein sollte aber leider allzu oft nicht erreicht. Es ist eine Fahrt auf der größtmöglichen emotionalen Achterbahn geworden, mit skurrilen, lustigen, gefühlvollen und hochdramatischen Momenten, die einem lange in Erinnerung bleiben werden.

Zac Beaulieu (sensibel und charismatisch: Jean-Marc Grondin als jugendlicher Zac und legitimer Nachfolger von Sid Vicious) ist ein ganz besonderer Junge. Schon als kleines Kind wurde Zac von seiner Mutter (Danielle Proulx) zu einer mit seherischen Fähigkeiten ausgestatteten Bekannten mitgeschleppt, die in ihm eine Gabe erkannte, mit denen er anderen Menschen angeblich helfen könnte. Seitdem wurde er von seinem ganzen Bekanntenkreis als „Wunderheiler“ benutzt. Geboren am Heiligen Abend, wächst Zac mit seinen vier Brüdern in einer gut behüteten Arbeiterfamilie im französisch sprechenden Teil Kanadas, genauer in Quebec, auf. Er hat eine Vorliebe für die Platten des David Bowie, flüchtet sich gerne in abenteuerliche Tagträume und hegt eine zunächst noch unentdeckte Leidenschaft für attraktive Jungs. Ob er tatsächlich schwul ist oder nicht, weiß er aber selbst nicht. Er verdrängt es. Immerhin hat er auch eine Freundin, worauf besonders der gestrenge Papa Beaulieu (leistet Großes: Michel Coté) mächtig stolz ist. Hatte dieser doch stets befürchtet, dass Zac womöglich ein „Homo“ sein könnte. Damit würde für ihn eine Welt zusammenbrechen.

So wenig revolutionär der Plot auch erscheinen mag, eigentlich ist „C.R.A.Z.Y.“ eine klassische Coming of Age-Story, die Qualität des Films liegt eindeutig in der Art der Inszenierung und der Herangehensweise von Regisseur und Drehbuchautor Vallée. Mit soviel Empathie und Zuneigung wurden selten Kindheits-/Jugenderinnerungen geschildert, jede Szene atmet Vallées Hingabe an sein Ensemble, auch an die sehr ambivalente Figur des Vaters, dass es schlichtweg eine unbeschreibliche Freude ist für zwei Stunden in den Kosmos dieser Familie Beaulieu eintauchen zu dürfen. Es stellt sich ein wohliges Glücksgefühl ein, was einen trotz mancher dramatischen Tiefschläge so schnell nicht verlassen wird. „C.R.A.Z.Y.“ gehört zu der seltenen Spezies an Filmen, die bei einem bleiben und in uns weiter wachsen, weil die Bilder einfach zu stark sind, um sie nach dem Kinobesuch vergessen zu können.

Um nicht zuviel vorweg zu nehmen, so seien an dieser Stelle eher vage auf Zacs Erlebnisse während des Weihnachtsgottesdienstes und die Gesangseinlagen im heimischen Kinderzimmer hingewiesen, beides Szenen, in denen die grandiose Musik („Space Oddity“ wurde noch nie derart wirkungsvoll in einem Kinofilm eingesetzt) mit der Stimmungslage des jugendlichen Rebells wider Willen verschmelzen. Und wir als Zuschauer versinken in einem nostalgischen Klangteppich, der sich fast zu kuschelig weich anfühlt, um nicht als Kitsch tituliert zu werden. Nein, von Kitsch ist „C.R.A.Z.Y.“ dennoch weit entfernt, denn die rosarote Brille bekommt immer wieder empfindliche Kratzer. Es berührt, wenn Zac, ähnlich wie ein gewisser Ennis del Mar, die eigene Neigung nicht akzeptieren will und in seiner ganzen Verzweiflung Gott anfleht, dieses Schicksal nicht tragen zu müssen. Denn er weiß, dass seine enge Beziehung zu seinem Vater darunter zerbrechen wird. Überhaupt durchlebt Zac eine tiefe Wandlung, was sein Verhältnis zu Religion angeht. Streng katholisch erzogen, Heiligenbilder zieren fast jeden Raum im elterlichen Haus, sagt er sich in der Pubertät von Gott los. Er sei nun Atheist, fertig. Der Wahrheit auch in diesem Punkt ins Auge zu blicken, wird Zac noch einiges an persönlichen Opfern kosten.

So gekonnt Vallée die Musik zur Typisierung und Identitätsstiftung einsetzt, unglaublich starke Auftritte hat auch Michel Coté als Patsy Cline-Verehrer mit dem Hang zur großen Show als Charles Aznavour-Imitator, lebt sein Werk besonders von den vielen kleinen Details, die bekunden, wieviel Herzblut hier ein Filmemacher investiert hat. Die unkonventionelle Methode des Toastens von Madamae Beaulieu, Zacs schüchterne Blicke in Richtung eines Mitschülers oder das Gleichnis des fragenden Wüstengängers. Aus diesen vielen kleinen Mosaiksteinen entsteht ein Gefühl als Zuschauer ganz nah dran an dieser Familie zu sein, die trotz oder gerade wegen ihrer Macken unversehens Einzug in die Herzen des Publikums finden wird. Garantiert. Die für das Genre typische sprunghafte Narration wird immer wieder in ihrem fordernden Tempo durch Zeitlupen aufgehalten, die Ereignisse bebildern, die unerwartet über die Beaulieus und uns hereinbrechen. Da wechseln sie sich wieder ab: Bangen, Hoffen, Freude. Ein Dreiklang, den „C.R.A.Z.Y.“ in jeder Sekunde durchzieht und der zeigt, warum Vallée und sein Co-Autor Francois Boulay zehn Jahre lang mit der Perfektionierung des Skripts beschäftigt waren.

Warum ich so begeistert bin, dürfte spätestens klar werden, wenn der Leser dieser Zeilen den Film gesehen hat. „C.R.A.Z.Y.“ vollbringt nicht nur das Kunststück über 127 Minuten bestens zu unterhalten, Vallée und Boulay gelingt es auch, das Lebensgefühl einer Zeit und ihrer Generation zu zelebrieren, das von einem neuen Geist der Freiheit und der Selbstbestimmtheit beseelt war. Diese tragikomische Chronik der Beaulieus hat das Zeug zum modernen Klassiker, der das Kino endgültig wieder als Ort des Träumens und Erlebens an dem einzig dafür möglichen Platz etabliert: Dem in unseren Herzen.

Erstveröffentlich bei kino.de.

Demnächst auf dieser Seite

Kritiken zu folgenden Filmen:

Angel-A (++) von Luc Besson

C.R.A.Z.Y. (++++) von Jean-Marc Vallée

Tristan + Isolde (++) von Kevin Reynolds

Samstag, März 25, 2006

The Hills have Eyes - Schrei wenn Du kannst!

The Hills have Eyes USA 2005

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Alexandre Aja ist erst 27. Vor zwei Jahren drehte er den erbarmungslosen und deshalb so genialen „Haute Tension”, der, mit Ausnahme der letzten fünf Minuten, als Horrorfilm funktionierte und fesselte wie lange kein anderer Film dieses Genres. Ensprechend hoch sind die Erwartungen, wenn dieser Wunderknabe sich an einem Remake eines 70er-Jahre-Wes-Craven-Werkes versucht. Nach Ansicht dieser 107 wunderbar gegen den ganzen Wischiwaschi-Teenie-„Horror“ gebürsteten Filmminuten wird klar, dass Aja zu recht als einer der Hoffnungsträger des fiesen Kinospektakels gefeiert werden darf.

„The Hills have Eyes“ beginnt dort, wo Horror sein Zuhause hat: In der amerikanischen Einöde. Während es oftmals die abgelegenen Wälder und Berge der Rockys oder West Virginia sind, die als Kulisse herhalten müssen, verschlägt es Aja bzw. Craven in die trostlose, lebensfeindliche Wüste New Mexicos. Dort, wo sich Kojote und Klapperschlange gute Nacht sagen, fährt die siebenköpfige Familie Carter/Bukowski auf ihrem Weg an die Westküste eine kleine landschaftbedingte „Abkürzung“. Vater Bob (Ted Levine) möchte nämlich die Schönheit der Wüste erleben, was sich später noch bitter rächen soll. Als sie an einer gottverlassenen Tankstelle den in bester Hillbillie-Manier verschrobenen Tankwart nach dem weiteren Verlauf der Route fragen, empfiehlt dieser ihnen eine Abkürzung durch ein angrenzendes Felsmassiv. Mehr oder weniger gut gelaunt, fährt die heile amerikanische Familie von der Hauptstraße ab, um schneller voranzukommen. Wie es fortan weiter geht, ist nicht wirklich schwer zu erraten.

Diese Vorhersehbarkeit ist im Unterschied zu „Whodunit“-Thrillern oder Heist-Werken kein Nachteil, sondern eigentlich ein großes Pfund, mit dem der Film auch wunderbar wuchert. Der Zuschauer weiß, dass die in einem Moment noch fröhlich gestimmten naiven Urlauber schon bald um ihr Leben schreien werden, während das Grauen über sie hereinbricht. Nach einer kurzen sehr wirkungsvollen Einstiegssequenz versucht uns Aja diese charakterlich sehr heterogene Truppe näher zubringen. Dad ist hier der Inbegriff des selbstbewussten starken Mannes. Ein moderner John Wayne, der einst als Polizist gearbeitet hat und nun eine private Sicherheitsfirma aufmachen will. Er verspottet seinen Schwiegersohn Doug (Aaron Stanford) für dessen Karrierismus und liberale, d.h. demokratische Weltanschauung. „Er hat es nicht mit Waffen. Er ist Demokrat!“ gehört zu den wenigen Späßchen, die sich der Film erlaubt. Später wird man als Zuschauer nur noch mit einem äußerst schwarzen perfiden Humor konfrontiert. Das ist schon mal ein ganz großes Plus von Ajas Remake. Nach vielem teils auch sehr heiterem B-Horror, „Dead & Breakfast“ oder „Wrong Turn“, tut es gut, wenn ein Film nicht die Spaßkarte spielt, sondern auf das pure Grauen setzt.

„Haute Tension“ war seinerzeit ein Erlebnis für mich. Es repräsentierte den wiedergewonnenen Glauben an ein Genre, was zusehends durch den Massengeschmack infiltriert wurde. Die „Screamerisierung“ des Horrors war nicht zu dessen Vorteil. Weil sich jetzt auch 15jährige Teenies plötzlich einbildeten, sie wüssten, was es mit den Gesetzen des Genres auf sich hat, wurde auf das Publikum x-fach lieblos abgedrehte Fließbandware losgelassen. Infsofern ist die seit mehreren Monaten zu beobachtende Rückkehr zum unverdorben verdorbenen Horror-Begriff der 70er eine Wohltat für jeden echten Fan. Schon das Remake des „Texas Chainsaw Massacre“ zeigte an, wohin die Reise zukünfitg gehen soll, und diese Prämisse lösten Rob Zombies („The Devil’s Rejects“, „Haus der 1000 Leichen“) und James Wans Filme („Saw“) dann endgültig ein. Aja war clever genug zu erkennen, dass bereits in so jungen Jahren seine Zeit gekommen ist.

Wenn ich so oft „Haute Tension“ erwähne, dann auch, weil ich schon konstatieren muss, dass „The Hills have Eyes“ trotz aller technischer Perfektion, die staubige heiße Atmosphäre transportiert Aja ausgesprochen authentisch mittels flirrender Bilder und einer ekligen braun-roten Farbgebung, nie einen vergleichbaren nervenzerreißenden Drahtseilakt hinbekommt. Die Szenen, in der der namenlose Killer im Landhaus herumirrt und dabei gnadenlos alles auseinandernimmt, was ihm vor das Messer läuft, bleiben in ihrer Sogwirkung unerreicht. Dafür bietet „The Hills have Eyes“ ein gutes Dutzend herrlicher Schockmomente und einen sich langsam mit steigender Amplitude vollziehenden Blutrausch in einer mal lebensfeindlichen (Wüste), mal surrealen (Atomtestgelände) Kulisse. Echte Gore-Freunde werden vielleicht enttäuscht sein, dass Aja des Öfteren den letzten Schritt in der Explizität der Bilder scheut (oder scheuen musste), aber dennoch ist sein Werk über den ganzen weichgespülten PG13-Horror-Schund erhaben.

Wie scheinbar im Vorbeigehen cineastische Geschichte in Bilder und Szenen einfließt, Referenzen an Leone-Western werden bereits über die stilistisch von Morricone beeinflusste Musik transportiert, ist ein weiteres Schmankerl dieses ehrlichen Horrorfilms. Gewalt belustigt bei Aja allenfalls zu Beginn noch, später dann zeigt sie ihr wahres Gesicht, in dem hässlich, brutal und dreckig gestorben und gelitten wird. Folglich prallt auch der Vorwurf einer selbstverliebten Gewaltgeilheit am Film wie an einer Gummiwand ab. Gewaltgeilheit propagieren Rap-Videos von Sido oder verlogen zynische Machwerke eines Jerry Bruckheimer („Bad Boys II“), in dem sie Coolness mit einer bedenklichen Gewaltfixierung vermischen. Wenn Aja besonders aus konservativen Kreisen hierfür angegriffen wird, so erweckt das eher den Anschein einer billigen Retourkutsche, demontiert sein Film doch Zug um Zug das optimistische Zahnpastalächeln der amerikanischen Gesellschaft. Dabei ist es zweitrangig, welche Interpretaion auf die Ausgestoßenen und Aussätzigen angewendet wird, die im Nichts, in Höhlen und verstahlten Atomtestkulissen vor sich hinvegetieren. Die „Stars and Stripes“ wird sie alle umbringen, auf die ein oder andere Weise.

Ein guter Horrorfilm beherrscht das Spiel mit unseren dunklen Vorahnungen und Ängsten. Er vollführt den Gang auf der Rasierklinge zwischen Leben und Tod. „The Hills have Eyes“ ist in beidem erfolgreich und deshalb ein Gewinn.

Erschienen bei kino.de.

Donnerstag, März 23, 2006

Inside Man - Ba-Ba-Ba-Banküberfall


Inside Man USA 2005

++1/2

Spike Lee dreht keine Filme, sondern "Joints". Sein neuer führt ihn weg vom kleinen New Yorker Independent-Projekt und hin zum großen, starbesetzten Hollywood-Kino. Im filmhistorisch bestens abgearbeiteten Feld des "Heist"-Genres spielt "Inside Man" mit unseren Erwartungen betreffend Plot und Charaktere. Leider deckt Lee etwas zu früh die Karten auf - und auch sonst kann sein Film nicht mit dem größten Pfund einer jeden Heist-Story wuchern: dem Überraschungsmoment.

Zunächst scheint alles auf einen "normalen" Banküberfall hinauszulaufen. Eine Truppe als Maler verkleidete Gangster nehmen Mitarbeiter und Kunden einer New Yorker Bank als Geiseln. Sie stellen zunächst keine konkreten Forderungen, sondern wollen lediglich, daß ihnen als Fluchtmöglichkeit ein aufgetanktes Flugzeug bereitgestellt wird. Das und ihr gesamtes atypisches Verhalten stellen Detective Keith Frazier (alter Lee-Kollaborateur: Denzel Washington) vor ein Rätsel. Was wollen diese Typen?Als wäre die Situation nicht schon explosiv genug, muß sich Frazier auch noch mit Kompetenzstreitigkeiten herumschlagen und einer smarten Unbekannten (Jodie Foster), die vom Bürgermeister höchstpersönlich mit allen Freiheiten in dieser Sache ausgestattet wurde, das Feld überlassen. Hinter ihr steht ein mächtiger Mann mit einer dunklen Vergangenheit.

Warum Lee sich zu "Inside Man" überreden ließ - drehte er doch zuletzt so kleine brillante Studien wie "25 Stunden" - wird auch nach Ansicht des gesamten Films nicht wirklich ersichtlich. Eigentlich ist das Ergebnis nicht mehr als ein konventioneller, mit kleineren Raffinessen und pointierten Dialogen über seine Starpower vermarktbarer Thriller geworden. Dem Drehbuch entlockt Lee nur selten eine spürbar eigene Note, und wenn er das tut, wirkt es fast noch wie ein etwas holpriges unbeholfenes Zwischen-Statement, das als Alibi herhalten muß. Da treffen sich Washington und Foster exakt vor einem Erinnerungsplakat an den 11. September mit der immer gleichen Botschaft "We will never forget". Oder die Polizisten schreien eine freigelassene Geisel zunächst fälschlicherweise als "Araber" zusammen, obwohl der Mann ganz klar als Sikh zu erkennen ist, was er dann in einem Monolog zur Rassendiskriminierung wieder aufgreift. Selbst New York fungiert nur als unbeteiligte Kulisse. So gesehen könnte "Inside Man" auch in jeder anderen Großstadt der USA spielen.

Die Stärken des Films liegen klar bei den Duellen zwischen Cop und obercoolem Gangster. Clive Owen gibt einmal mehr eine beeindruckende Darstellung ab, die von Washington nicht mehr gekontert werden kann. Die Sympathien des Publikums teilen sich schnell auf beide Männer auf, wird doch bereits nach kurzer Zeit klar, daß Owens Mastermind eigentlich ein guter Mensch ist, der selbst einer Fliege nicht wirklich etwas zuleide tun könnte (OK, so ganz wörtlich ist das jetzt nicht zu nehmen). Dieser Mann ist kein skrupelloser Krimineller - und während der Zuschauer sich noch fragt, was er denn nun tatsächlich ist, wird derart offensichtlich der milliardenschwere Bankmäzen (Christopher Plummer) auf die Bühne gehoben, daß die Lösung eigentlich nur noch in eine Richtung gehen kann. Man hofft, der Film möge nicht in die Klischeefalle tappen, doch da hängt er bereits bis zum Knöchel drin.

Was "Inside Man" dann aber schlußendlich noch besser als diese uninspirierte Komponente macht, das ist Owen, Foster, Plummer und Washington zu verdanken, die mit ihrer Leinwandpräsenz aus einem dünnen Grundkonstrukt noch einiges herausholen. Auch Willem Dafoe sei nicht vergessen: Er ist zwar nur selten zu sehen, weiß aber dann mit einer Mischung aus schleimiger Ergebenheit und offener Rivalität zu Washingtons Saubermann-Polizist zu gefallen.Selbstredend hat sich Drehbuchautor Russell Gewirtz zum Ende noch einige Twists und Pointen einfallen lassen. Die plakativste ist sicher die Mutation des Gangsters zu einer Art "modernem Robin Hood"; die meisten verpuffen aber, weil der Film nach dem Ende der eigentlichen Geiselnahme lieber politische Statements und Wohlfühlphantasien hegt, als der Realität ins Auge zu blicken. Der Abfall der Spannungskurve verläuft ähnlich rasant wie eine Abfahrt auf der zu Beginn gezeigten Achterbahn. Wir wissen doch alle, daß Denzel Washington ein dufter Typ und "kind-hearted guy" ist - wieso also, um Himmels willen, vollführt der Film diese verkrampfte "David gegen Goliath"-Nummer, die eindeutig besser bei Erin Brockovich aufgehoben wäre?!

Seit Jean-Pierre Melville 1955 mit "Bob le Flambeur" und ein Jahr später Stanley Kubrick mit "Die Rechnung ging nicht auf" so etwas wie die Prototypen aller Heist-Filme ablieferten, versucht sich Hollywood in regelmäßigen Abständen an einer Neuauflage des Banküberfall-Themas, gewürzt mit dramatischen oder gesellschaftskritischen Untertönen. "Inside Man" ist vermutlich zu sehr damit beschäftigt, fortwährend um die eigene Achse zu rotieren, um festzustellen, wie banal die Story im Grunde genommen ist.Das hört sich jetzt negativer an, als es gemeint ist - denn über weite Strecken weiß "Inside Man" dank einer schnittigen Inszenierung, einer tollen Kamera (Matthew Libatique) und durchaus humorvollen Einfällen zu unterhalten. Es ist nur so, daß man sich von Spike Lee einfach mehr wünschen würde, als daß er einen Film dreht, den so auch ein Dutzend andere Regisseure hätten machen können.Wenn der Autor dieser Zeilen zuweilen gedankenverloren vor sich hinphilosophiert, welche 20 Filme er wohl im Fall des Falles auf eine einsame Insel mitnehmen würde, dann sind immer gleich drei Lee-"Joints" darunter: der aufrüttelnde "Do the Right Thing", der zornige "Malcolm X" und der versöhnliche "25 Stunden". Kein anderer Regisseur wäre in seinem ganz persönlichen Kanon öfters vertreten, und niemand anders hätte diese Filme jemals realisieren können.

Zuerst erschienen bei evolver.

Dienstag, März 21, 2006

Zuletzt gesehen - Transamerica


Transamerica USA 2005

+++1/2

Der Film machte mir klar, dass ich lange kein gutes Road Movie mehr gesehen habe und dass der Hunger auf eines schon recht groß war. Denn obwohl der Film von der Suche nach Identität zwischen zwei Geschlechtern und innerhalb einer Familie handelt, versprüht gerade der gekonnt inszenierte Road Movie-Aspekt ein ungemein positives Lebensgefühl. Berührend und lebensbejahend, aber nicht sentimental oder rührselig. Das Drehbuch wartet statt dessen mit vielen skurrilen bis unglaublich heiteren Momenten auf. Die Begegnung mit Brees durchgeknallter Sippe ist da nur das beste Beispiel. Felicity Huffman und Kevin Zegers geben "Transamerica" ein Gesicht, was mit exzellentem Schauspieler-Kino umschrieben werden kann. Huffman ist nicht nur dank Schminke authentisch in dieser diffizilen Rolle. Ich würde den Film als positiven Gegenentwurf zu "About Schmidt" sehen, denn wo dieser gekonnt deprimiert, spricht "Transamerica" den Grundoptimismus in uns an. Am liebsten hätte ich den Film gleich ein zweites Mal gesehen. Sowas kommt selten vor...

Sonntag, März 19, 2006

V für Vendetta - Gehirnschmalz im Actionmantel


V für Vendetta USA 2005

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„Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“
(Victor Hugo)

„Matrix“ war seinerzeit eine Revolution, „Matrix: Reloaded“ war ein Krampf, jedenfalls für mich, „Matrix: Revolutions“ habe ich mir dann wohlweißlich erst gar nicht mehr angetan. Jetzt sind die Wachowski-Brüder zurück, mit dem Drehbuch zu der düsteren Comic-Adaption „V für Vendetta“. Und auch wenn sich ihr Film durch pseudo-tiefsinnige Thesen ins eigene Fleisch schneidet, ist das Comeback der dicksten Brüder des Filmgeschäfts (neben den Weinsteins selbstverständlich) dennoch als rundum gelungen.

Das britische Empire wird in nicht allzu ferner Zukunft von einer totalitären faschistischen Klasse unter Führung von Großkanzler Sutler (John Hurt) regiert. Es herrscht ein Klima der Angst und der Paranoia auf den „Streets of London“. Existenzielle Grundrechte wie die Rede- und Pressefreiheit existieren schon lange nicht mehr. Ein Mann (Hugo Weaving), eher ein Mythos, stellt sich dieser Diktatur entgegen. Er nennt sich V, trägt eine Maske von Guy Fawkes, der einst am 5. November 1605 das britische Parlament in die Luft sprengen wollte, und ergeht sich gerne in intellektuellen Selbstgesprächen. Als jener dunkler Rächer der Entrechteten eines Nachts die junge Evey (Natalie Portman) vor den Polizeischergen der Partei rettet, findet sich diese plötzlich im Fahndungsraster der Geheimdienste wieder. Nachdem V mit mehreren Sabotageaktionen Sutler und die Seinen bis aufs Blut gereizt hat, ist sie als Kollaborateur des Staatsfeinds Nr.1 nirgendwo mehr sicher.

„V für Vendetta“ ist ein Vertreter dieser seltenen Spezies, die sich durch stilistische Perfektion in Form und Inhalt auszeichnet. Überdeutlich schimmert in jeder Einstellung der Comic-Hintergrund der Story durch. Mit einer Ikonographie, die an das Nazi-Regime angelehnt ist, gelingt dem Film ein Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Mechanismen totalitärer Systeme, so der Grundtenor, sind zeitlos. Sie unterscheiden sich nur in ihren Ausprägungen. Seitenhiebe auf die aktuelle Doktrin der Bush-Regierung, ihrer Rhetorik in Bezug auf Andersdenkende würzen einen überraschend intelligenten Plot. Hierbei stellen sich eine Vielzahl kontroverser Fragen. Die wichtigste von allen: wo hört ein Freiheitskämpfer auf und wo fängt der Terrorist an? Denn je nach Blickwinkel kann V sowohl das eine als auch das andere verkörpern.

Gehirnschmalz im Actionmantel ist vielleicht eine griffige Umschreibung für das, was dieses Werk von anderen Filmen des Genres unterscheidet. Denn die Verwandtschaft zum apokalyptischen „Dark City“ ist deutlich größer, als zu „Batman“, „Superman“ & Co. Der eine Outsider, der das System der gezielten Propaganda und Desinformation durchschaut, tritt einen aussichtslos erscheinenden Kampf gegen eine schwarze Übermacht an. Hugo Weaving zeigt als V eine schauspielerische Leistung, die angesichts der Tatsache, dass er zu keiner Zeit seine Guy Fawkes-Maske abnimmt, erstaunt. Mit prägnanten Gesten und unterstützt von einer preisverdächtigen Kamera und Lichtsetzung wird aus einer starren Maskerade ein echter lebendiger Charakter. In Rückblenden lüftet das Drehbuch Zug um Zug das schreckliche Geheimnis seiner Vergangenheit, das zugleich erklärt, wie er zu dem werden konnte, der er jetzt ist. Hierbei konfrontiert uns „V für Vendetta“ mit erschütternden Bildern, ohne Rücksicht auf sichere Sehgewohnheiten, unbequem, historisch überfrachtet und deshalb so schmerzhaft.

Während V am längeren Hebel zu sitzen scheint und gerne zu jeder sich bietenden Gelegenheit Faust oder Shakespeare zitiert, eignet sich Evey als Identifikationsfigur. Möchte man den gesamten Film auf eine symbolische Ebene heben, so stellt sie die Klage an unser Gewissen dar. Wer von uns würde auch alles aufgeben, um für Freiheit und gegen Unterdrückung zu kämpfen? Nicht wenige würden eine geruhsame Existenz im Meer der Mitläufer einem Outlaw-Dasein vorziehen. Und gerade weil wir das wissen, leiden und zittern wir mit ihr. Denn sie könnte das einlösen, was wir uns nicht zutrauen würden. Natalie Portman ist sowohl mit als auch ohne Haupthaar eine Wucht. Zunächst zerbrechlich, zierlich und unscheinbar entwickelt sie ihr Alter Ego zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit, der man später sogar abnimmt, dass sie bereit ist ohne Angst alles in die Wagschale zu werfen. Die Gefängnis-Sequenz mit der zwischen Verhören und Folter eingestreuten Geschichte einer früheren Insassin gehört zu den emotionalsten Momenten, die jemals in einer eigentlich synthetischen Veranstaltung wie dem SF/Action-Genre zu sehen war.

„V für Vendetta“ ist in jedem Moment mehr politische Parabel als platte Unterhaltung. Obwohl das trocken und nüchtern klingen mag, fällt das Resultat ungemein spannend und mitreißend aus. In mehreren extrem dynamisch geschnittenen Bildstafetten besonders zum Ende hin erzeugt Regisseur Jim McTeigue eine suggestive Kraft, die eine zuvor unerwartet dialoglastige Dramaturgie mit einer erschreckend realistischen Zukunftsvision vereint. Denkt man im Nachhinein nochmals über die anfangs etwas lächerlich wirkenden verkopften Holzhammer-Parolen nach, so macht diese Übertreibung tatsächlich Sinn, denn nur so kommen ihre Statements gegen die rauschhaften Bilder der zum Widerstand entschlossenen Menschenmassen an. Da bewahrheitet sich dann wieder einmal Victor Hugos Zitat und auch V’s mit viel Patina vorgetragene Spitze „Beneath this mask there is more than flesh. There is an idea, Mr. Creedy, and ideas are bulletproof” erlebt ihre Aufführung auf ganz großer Bühne.

Erste Veröffentlichung bei kino.de.

Mittwoch, März 15, 2006

The New World - Ein Genie im Größenwahn


The New World USA 2005

++

1607, Virginia. Oder das, was man heute als Virginia kennt. Die englische Flotte erreicht die neue Welt. Die erste Kontaktaufnahme mit den Eingeborenen fällt freundlich, aber zurückhaltend aus. Doch recht bald erwachsen aus der erzwungenen Nachbarschaft von stolzen Europäern und naturverbundenen „Indianern“ erste Spannungen und Konflikte. Als der Stammeshäuptling den zur Erkundung ausgesandten Captain John Smith (Colin Farrell) in Gefangenschaft nimmt, ist dies der Beginn einer der ungewöhnlichsten Liebesbeziehungen des Kinos. Smith ist beeindruckt von der schönen Tochter (Q’Orianka Kilcher) des Häuptlings. Ohne große Worte lernen sich beide zu verstehen. Sie fühlen, dass ein unsichtbares Band sie verbindet, eine tiefe Empathie, die alsbald auf eine harte Probe gestellt werden soll.

Terrence Malick lässt sich gerne Zeit. Das gilt nicht nur für das, was ein Malick-Film zeigt, sondern auch für die Entstehung des Films selbst. Im Schnitt alle 10 Jahre findet eins seiner Werke den Weg ins Kino. Nach einem Ausflug in den Südpazifik zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs in „Der schmale Grad“ hat es den Maestro nun also ins unerforschte Amerika verschlagen. Die im Vorgänger angedeuteten Stilmittel, Voice Over und schwelgerische Kamerafahrten, finden in „The New World“ einen mehr als exzessiven Gebrauch. Wenn die schöne Stammestochter nicht in poetischer Spiritualität versunken das Dasein im Allgemeinen und ihr Schicksal im Speziellen reflektiert, berauscht sich Malick an den zugegeben beeindruckenden Bildern von Kameramann Emanuel Lubezki. Dieser fing ausschließlich mit natürlichem Licht eine von Zerstörung und Ausbeutung gefährdete scheinbar unbefleckte Natur ein. Jede Einstellung ein Stillleben, jedes Bild ein Augenschmauß. Die Idealisierung einer Landschaft und ihrer Bewohner kann man direkter kaum einfangen.

Malick setzt des Öfteren zu ganzen Bildstafetten an, Collagen aus Licht und sphärischer Musikuntermalung aus der Feder von James Horner, die mit immer schnelleren Schnitten einem Rausch der Sinne schon sehr nahe kommen. Ein Erlebnis, was es wenn dann auf der Kinoleinwand zu erleben gilt. Alles andere käme einer visuellen Vergewaltigung gleich. So einzigartig hier Bild- und Klangräume aufgemacht werden, so ermüdend ist dieses langsame Abgleiten in einen halbwachen, halbträumerischen Zustand. Irgendwo entlang dieser Grenze will „The New World“ wandeln, um den Antagonismus zwischen dem Wilden und dem Domestizierten, dem Geistigen und dem Körperlichen, der „neuen“ und der alten Welt zu illustrieren. Film als Umsetzung einer Theorie oder einer Idee zu verstehen und dabei alles andere, was Kino auch sein kann, zu vergessen, erscheint radikal und mutig. Bei Malick ist es wohl mittlerweile auch eine Masche, die in ihrer Vorhersehbarkeit langweilt. Hätte ein Spielberg oder ein Jackson mit ihren plotgetriebenen Erzählweise einen Film wie „The New World“ abgeliefert (wovon ihre Agenten sie bereits abgebracht hätten), wäre das Ergebnis zwar nicht interessanter aber zumindest überraschender ausgefallen.

Stattdessen lässt Malicks Drehbuch Story Story sein und sperrt eine packende Narration dort ein, wo sie garantiert niemand mehr findet. Malick selber am wenigsten. Die Sogkraft der naturbelassenen Bilder lässt spätestens dann nach, wenn Smith und die namenlose Schönheit zum x-ten Mal in den Feldern und Wäldern wie Hippie-Jünger herumtänzeln, sich dabei wortlos anschmachten oder bedeutungsschwanger in den Himmel starren. Jede einzelne Geste will berühren und dabei laut einem „Seht her, welch große Kunst!“ entgegen schreien. Schreien ist tatsächlich der treffende Ausdruck, denn der Anspruch, der der Film wie eine Monstranz vor sich herträgt, ist letztlich nur enervierend einschläfernd. Bereits nach einer knappen Stunde ist es, als ob dieser Ausflug in eine andere Welt kein Ende nehmen will. Von Interesse für die beiden Protagonisten und ihr gemeinsames Schicksal kann da schon lange keine Rede mehr sein. Im spirituellen Klangbrei verlor sich auch meine Empathie und Anteilnahme.

Dabei hätte es gerade die Newcomerin Q’Orianka Kilcher verdient, dass sich der Zuschauer für ihre tolle intuitive Darstellung begeistert. Mit ihren 16 Jahren hat sie mehr Präsenz als alle ihrer erfahrenen Schauspielkollegen zusammen. Christian Bale gebührt dafür bereits jetzt der Preis für den „lustlosesten Auftritt in einem zu langen Ego-Trip eines einst brillanten Regisseurs“. Über Colin Farrells Leistung lege ich lieber den Mantel des Schweigens. Oder hält er selber den immer gleichen monotonen Dackelblick für ein Merkmal großer Schauspielkunst?

The New World“ mag ehrenvolle Absichten hegen und dem Zuschauer ein mystisches Kinoerlebnis bescheren wollen. Leider bleibt es bei dieser Absicht. Malick erliegt endgültig dem egozentrischen Größenwahn, anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, wieso er einen Film im Hinblick auf eine möglichst monotone einschläfernde Konsumierbarkeit konzipiert hat. Hoffentlich findet er bis zu seinem nächsten Projekt irgendjemand, dem ihm erklärt, dass man Kunst nicht erzwingen und den Zuschauer nicht mit plakativem Geschwätz langweilen sollte.

Erschienen bei kino.de.

Dienstag, März 14, 2006

Zuletzt gesehen - Zum Ausziehen verführt


Zum Ausziehen verführt USA 2005

++

Ach, was für ein schöööner Film! Na ja, ist wohl eher eine Floskel, wie der ganze Film auch. Nach Schema-F-RomCom heruntergekurbelt kriegt man genau das, was man vom Film erwartet. Wer sonst auch kein Risiko bei der Wahl seiner Socken eingeht, für den dürfte sich der Kauf eines Kinotickets lohnen. Aber ist eine RomCom nicht irgendwie gescheitert, wenn der Zuschauer sich in jeder Szene mit den beiden Hauptdarstellern danach sehnt, die beiden spaßigen Sidekicks Zooey Deschanel und Justin Bartha wiederzusehen? Zudem stimmte die Chemie zwischen Sarah Jessica Parker (nervt tierisch!) und Matthew McConaughhey so überhaupt nicht. Das konnte das schwache gern auf Plattheiten (Delfin! Streifenhörnchen!! Spottdrossel!!!) setzende Drehbuch nicht kaschieren.

Montag, März 13, 2006

Im Schwitzkasten - Latschenkieferaufguss gegen Hartz IV-Frust


Im Schwitzkasten D 2005

++1/2

Der Versuch, sich dem Thema Arbeitslosigkeit von einer heiteren Seite zu nähern, ist nur bedingt geglückt. Zwar punktet "Im Schwitzkasten" mit seinem charmanten spielfreudigen Ensemble und einigen wirklich skurrilen Einfällen, der immer mal wieder angetestete Ausflug auf sozialkritisches Terrain geht weniger glimpflich ab. Dafür wurden einem als Zuschauer die Charaktere leider als zu schräg vorgestellt, um später tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an ihrem Schicksal haben zu können. Immerhin: der Film ist ein kleiner Lichtblick fürs deutsche Komödienfach und somit Freunden eines "Sommer vorm Balkon" durchaus zu empfehlen. Eine ausführliche Besprechung gibt es von mir bei critic.de.

Donnerstag, März 09, 2006

Das Leben der Anderen - Die Sonate vom guten Menschen?




Das Leben der Anderen D 2006

++++

Da liefert ein Regie-Debütant gleich einen perfekten Film ab. Mit einer erstklassigen Darstellerriege gelingt Florian Henckel von Donnermarcks "Das Leben der Anderen" ein Kinoerlebnis, was man so nur ganz selten erleben darf: Packend, Dramatisch und höchst Intelligent. Nach der Welle an naiven Ostalgie-Komödien ist sein ambivalentes Porträt eines linientreuen Stasi-Hauptmanns (Ulrich Mühe) eine Wohltat für das deutsche Kino und den Zuschauer. Die ausführliche Besprechung gibt es auf critic.de.

Mittwoch, März 08, 2006

Brokeback Mountain - Come to where the Love is


Brokeback Mountain USA 2005

+++1/2

Eine ehrliche schnörkellose Liebesgeschichte vor imposanter Kulisse ist in den USA der Aufreger des Jahres. Dabei greift Ang Lees Film nur die großen ewigen Themen des Kinos auf.

Die Aufregung war groß im prüden Mittleren Westen. Dort, wo Cowboys noch echte Cowboys, Männer noch Männer und die Landschaften wild, rau und unbebaut sind. Im idyllischen Wyoming, Dick Cheneys Heimatstaat, spielt Ang Lees mit Preisen überhäufte Liebesgeschichte zweier Cowboys, die an den Umständen einer bigotten, intoleranten Gemeinschaft zu Grunde gehen. Das Vehikel, worüber sich der Film zunächst definiert, ist die Sexualität seiner Protagonisten. Weil es halt zwei Männer sind, die hier gemeinsam nicht nur Schafe hüten, sorgte „Brokeback Mountain“ für hitzige Diskussionen. Dabei varriiert der Film im Grunde genommen nur das schon bei Shakespeare anzutreffende Thema einer nicht glücklich gelebten Liebe in einer für sie unglücklichen Zeit. Aber das tut er auf eine sehr beeindruckende Weise.

Ennis Del Mar (gut: Heath Ledger) und Jack Twist (besser: Jake Gyllenhaal) verbringen einen Sommer in der malerischen Gebirgslandschaft am „Brokeback Mountain“. Dort sollen sie für den cholerischen Joe Aguirre (Randy Quaid) dessen Schafsherde hüten. Die Zeit des Wartens und des Nichtstun versuchen sie sich mit dem Erleben dieser prachtvollen Natur zu verkürzen. Sie albern herum, gehen auf die Jagd, liegen einfach sorglos im satten Grün der Wiesen herum. Eines Nachts kommen sie sich näher, schlafen miteinander. Eine Sache, die am nächsten Morgen erst einmal tot geschwiegen wird. „Ich bin nicht schwul!“ murmelt Ennis wie zur Selbstbestätigung in sich hinein. Egal, es ist passiert. Und was die Männer erst später merken, dass sie nicht nur diese eine Nacht im Zelt verbindet, sondern auch ein inniges Gefühl der Zuneigung, das stürzt sie in eine tiefe Identitätskrise. Darf es so etwas überhaupt geben? Beide gehen nach diesem Sommer getrennte Wege. Beide heiraten sie. Ennis lernt die sanfte Alma (Michelle Williams) kennen, Jack heiratet Lureen (Anne Hathaway), die Tochter eines reichen Landmaschinenverkäufers. Es fokgen die Kinder. Als Jack Ennis mitteilt, dass er zurück in der Gegend sei, brechen die unterdrückten Gefühle in ihnen wieder auf.

Einen Unterschied zu großen Tragödien wie „Romeo & Julia“ lässt sich bei „Brokeback Mountain“ allerdings ausmachen. Ein wichtiger Unterschied. Denn auch wenn letztlich beide Beziehungen an der Engstirnigkeit ihres jeweiligen Umfeldes scheitern, kommt der Widerstand gegen eine Beziehung zunächst aus Ennis und Jack selber. Vor allem der nach außen hart auftretende Ennis wehrt sich lange gegen die Tatsache, dass er Jack liebt und vermisst. Eigentlich akzeptiert er diese Tatsache erst, als es zu spät ist. Ein Grund wird seine Sozialisation als „Macho-Cowboy“ mit einem traditionellen Rollenverständnis sein. Da ist kein Platz für Schwäche und schon gar nicht für eine Liebe zu einem anderen Mann. Berühren könnes deshalb die Augenblicke, in denen sich Ennis in Jacks Arme fällen lässt, dieser ihn über die Wangen streichelt, als würde er ihm damit zu verstehen geben, dass es okay ist, auch einmal schwach zu sein.

Stark sind in „Brokeback Mountain“ vor allem die Frauen. Alma weiß um das Geheimnis ihres Mannes, dennoch erduldet sie ihr Schicksal mehrere Jahre, bevor sie endgültig die Scheidung einreicht. Sie fungiert für Ennis als seelische Müllkippe, auf die er allen Frust ablädt. Zu Unrecht. Veruretilt sie sein Verhalten doch nicht, weil er sie mit einem Mann betrogen hat, sondern weil er sie überhaupt betrogen und hintergangen hat. Jacks Ehefrau hat sich scheinbar mit den Streifzügen ihres Mannes arrangiert. Solange das heimische Landmaschinengeschäft läuft und Jack als bester (und einziger) Verkäufer funktioniert, erhebt sie keine Anklage. Kompliment an Anne Hathaway und Michelle Williams. Wird doch überall nur über Ledger und Gyllenhaal geschrieben, tragen auch sie zum Gelingen des Films bei. Mit unaufdringlichem und sehr nuanciertem Spiel, ich denke da nur an Hathaways Blicke während des letzten Telefonats mit Ennis, gelingt es ihnen, Gefühle wie verletzter Stolz und ehrliche Trauer ohne lächerliches Overacting zu transportieren.

Von den schwelgerischen Bildern der grandiosen Kulisse, dem verträumten Score von Gustavo Santaolalla und den geschliffenen, unerwartet lakonischen Dialogen geht eine beinahe schon meditative Aura aus. Der Fluss der Bilder und der Sog der Story wird sich kaum jemand entziehen können. Das Drehbuch von Diana Ossana und Larry McMurtry trifft jeden Ton, wenngleich die viel diskutierte Sex-Szene zwischen den beiden „Cuties“ Gyllenhaal und Ledger im ungewöhnlich dunkel, schummerig ausgeleuchteten Zelt anmutet, als sie exakt so einstudiert worden, damit auch latente Homophobiker nicht schreiend den Kinosaal verlassen müssen.

Der US-Taiwanese Ang Lee hat schon so viele beeindruckende Werke gedreht („Ride with the Devil“ als ein Beispiel für einen Film aus dem Western-Genre). Sie alle verbindet eine tiefe Sehnsucht ihrer Charaktere das sein und leben zu dürfen, was sie in sich fühlen. Jack und Ennis, obwohl sie eine auf den ersten Blick sehr spezielle Beziehung führen, werden dabei zu einem Spiegelbild für alle Menschen, denen sich überkommene und übertriebene Moralvorstellungen in den Weg stellen. Das erklärt die Universalität der Geschichte und die große emotionale Schlagkraft von Lees Films. Hier ist es die Sexualität, in anderen Fällen wird es die Religion, die Rasse, das Alter oder die Nationalität sein. Darüber hinwegzusehen, weil es schlichtweg egal ist, das ist die zeitlose Botschaft dieses Ausflugs in die Welt am Brokeback Mountain.

Zuerst veröffentlicht bei evolver.

Dienstag, März 07, 2006

Zuletzt gesehen - Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus AUS 2005

+1/2

Was für ein Schmarrn! Ok, das Wiedersehen mit Rowan "Mister Bean" Atkinson und Patrick Swayze wieder einmal als schmieriger sexbessesener Möchtegernbeau war recht amüsant, wobei amüsant relativ ist, angesichts der harmlosen Scherze, die der Film uns auftischt. Das ist wohl das, was sich manche brave Mütterchen unter einer "schwarzen Komödie" (hoho!) vorstellen. Eher wirkte die ganze Chose wie ein nochmals braveres Abarbeiten von John Waters' "Serial Mom"-Klamotte. Dazu gibt es die übliche Prise "Botschaft mit Herz" und der gemeine Zuschauer ist rundum zufrieden. Ok, ich habe Schlimmeres in den letzten Monmaten in der Sneak sehen müssen, aber in anbetracht der doch guten Besetzung kann "Mord im Pfarrhaus" nur als totale Enttäuschung durchgehen. Obwohl ich mir eigentlich so gar nix davon erwartet habe. Seltsam! Ich geh jetzt den Teich austrocknen...

Montag, März 06, 2006

Oscars 2006 - Zwei Cowboys und der große Crash

- Bester Film: "L.A. Crash"
- Beste Regie: Ang Lee für "Brokeback Mountain"
- Beste Darstellerin (Hauptrolle): Reese Witherspoon in "Walk the Line"
- Bester Darsteller (Hauptrolle): Philip Seymour Hoffman in "Capote"
- Beste Darstellerin (Nebenrolle): Rachel Weisz in "Der ewige Gärtner"
- Bester Darsteller (Nebenrolle): George Clooney in "Syriana"
- Bestes Original-Drehbuch: Paul Haggis und Bobby Moresco für "L.A. Crash"
- Bestes adaptiertes Drehbuch: Larry McMurtry und Diana Ossana für "Brokeback Mountain"
- Bester fremdsprachiger Film: "Tsotsi" (Südafrika)
- Bester Animationsfilm: "Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen"
- Beste Kamera: "Die Geisha"
- Bester Schnitt: "L.A. Crash"
- Bester Ton: "King Kong"
- Beste Toneffekte: "King Kong"
- Beste Filmmusik: "Brokeback Mountain"
- Bester Filmsong: "It's Hard Out Here for a Pimp" aus "Hustle & Flow"
- Beste Kostüme: "Die Geisha"
- Beste Maske: "Die Chroniken von Narnia"
- Beste Ausstattung: "Die Geisha"
- Beste Spezial-Effekte: "King Kong"
- Bester Dokumentarfilm: "Die Reise der Pinguine"
- Bester kurzer Dokumentarfilm: "A Note of Triumph: The Golden Age of Norman Corwin"
- Bester kurzer Trickfilm: "The Moon and the Son: An Imagined Conversation"
- Bester kurzer Realfilm: "Six Shooter"
- Ehren-Oscar für das Lebenswerk: Robert Altman (Regisseur/Autor)

Quelle: stern.de

Wie bereits andernorts geschrieben, bin ich mit den Ergebnissen doch recht zufrieden. Zwar hätte ich auch "Brokeback Mountain" knapp gegenüber "Crash" bevorzugt, das heißt aber noch nicht, dass man von einem Fehlurteil der Academy wie seiner Zeit bei "Shakespeare in Love" sprechen kann, der den Preis gegen Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan" errang. "Brokeback Mountain" ist für mich der bessere Film, weil seine Erzählstruktur nicht so konstruiert wirkt, wie das noch bei "Crash" der Fall ist. Bei "Brokeback Mountain" geschieht alles organisch aus den Charakteren und ihren Verhaltensweisen heraus, jedenfalls hat man als Zuschauer dieses Gefühl, während bei "Crash" immer der große Masterplan des Herrn Haggis hervorlugt. Genaueres zu "BBM" folgt dann in einer Kritik.

Glückwunsch an Philip Seymour Hoffman und Reese Witherspoon. Zwei würdige Sieger in ihren Kategorien. Vor allem Hoffman hat es nach Jahren in der zweiten Reihe verdient. Keine Üebrraschung auch bei den Nebendarstellern. George Clooney darf als Kompensation für seinen übergangenen "Good Night, and Good Luck" einen Oscar mit nach Hause nehmen, auch wenn Jack Gyllenhaal ganz klar die eindrucksvollere Leistung abgeliefert hat. Besondere Freude über den Oscar für "It's hard out there for a Pimp" als "Bester Song" aus dem Film "Hustle & Flow". Ein toller kleiner Film, der seine Musik wunderbar einsetzt. Selbst Rap-Hasser müssen das neidlos anerkennen.

Sonntag, März 05, 2006

Oscars 2006 - Das Rennen ist eröffnet VII

Bester Film:

Oscars-Wahl: Brokeback Mountain (2005) - Diana Ossana, James Schamus
Capote (2005) - Caroline Baron, William Vince, Michael Ohoven
Crash (2004) - Paul Haggis, Cathy Schulman
Good Night, and Good Luck. (2005) - Grant Heslov
Munich (2005) - Steven Spielberg, Kathleen Kennedy, Barry Mendel

Kommen wir zur Königskategorie. Das Rennen um den besten Film ist dieses Jahr doch offener als zuletzt gedacht. "Million Dollar Baby" war 2005 absehbar der Favorit, dieses Jahr läuft alles auf "Brokeback Mountain" hinaus, könnte man meinen. Doch auch die letzten Meldungen von Academy-Mitgliedern, die sich bereits weigern, den Film überhaupt anzusehen, zeigen, dass bei den Oscars offensichtlich noch andere Gesetze gelten. Ich tippe dennoch auf den Cowboy-Streifen, wenngleich ich "Crash" mehr als Außenseiterchancen einräume. Der Film besitzt nämlich alles, was die Acadmey so liebt. Und außerdem könnte man so das für manche pikante Thema "Homosexualität" umgehen. Ich enthalte mich mit einem persönlichen Votum, werde ich "Brokeback Mountain" doch erst morgen oder übermorgen sehen.

Samstag, März 04, 2006

Oscars 2006 - Das Rennen ist eröffnet VI

Beste Regie:

George Clooney für Good Night, and Good Luck. (2005)
Meine Wahl: Paul Haggis für Crash (2004)
Oscars-Wahl: Ang Lee für Brokeback Mountain (2005)
Bennett Miller für Capote (2005)
Steven Spielberg für Munich (2005)

Wenn "Brokeback Mountain" bei den konservativen Oscars einen Sieg sicher hat, dann ist es wohl Ang Lee. Seine Leistung wurde bereits derart lobend hervorgehoben, die Preise auch bei den DGAs sprechen für sich, dass alles andere als ein klarer Sieg (das weiß man natürlich auch hinterher nicht) erstaunen würde. Abgesehen von Lee hat sicher George Clooney geheimste Geheim-Chancen, da er jedoch schon für "Syriana" wohl ausgezeichnet wird, reicht diese eine Lobhuldigung pro Abend aus. Da ich "Brokeback Mountain" noch nicht kenne, fiele meine Wahl auf Paul Haggis für "Crash". Auch wenn der Film seine Schwachstellen hat, ist ihm ein großer Wurf und ein stimmiges Kaleidoskop zum Thema "Rassismus" gelungen. Als Neuling gleich einen Regie-Oscar mit nach Hause zu nehmen, das können nur wenige von sich behaupten.

Capote - Die Truman Show




Capote USA 2005

++1/2

Was für ein arrogantes, pardon, Arschloch. Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) ist der Liebling der New Yorker Intellektuellen. Seine Werke wie „Die Grasharfe“ und „Frühstück bei Tiffany’s“ haben ihn weltbekannt gemacht, weil er wie kaum ein anderer seiner Zeit das Talent zum Schreiben besaß. Und genau dessen war er sich stets bewusst. Für sein neuestes Projekt reist Capote ins ländliche Kansas, wo er für die Zeitschrift „New Yorker“ eine Reportage über einen brutalen Vierfachmord an einer Farmersfamilie verfassen soll. Doch schon bald erkennt Capote, dass dies der Stoff einer neuen Art des Schreibens sein könnte: der Tatsachenroman ist geboren. Er recherchiert die Hintergründe des Verbrechens, trifft sich mit dem Sheriff und den Angehörigen und entwickelt eine intime Beziehung zu einem der beiden verhafteten mutmaßlichen Mörder. Hin-und Hergerissen zwischen Faszination und Abscheu für den smarten Perry Smith (Clifton Collins jr.), versucht Capote zunächst das gefällte Todesurteil über neu engagierte Anwälte anfechten zu lassen. Doch im Laufe der Zeit erkennt er, dass Smith und sein Komplize hängen müssen, damit er seinen Roman beenden kann.

Zunächst verwundert die Tatsache, dass erst Bennet Miller und sein Drehbuchautor Dan Futterman auf die Idee kamen, diese fürs Kino eigentlich prädestinierte Geschichte zu verfilmen. Vermutlich liegt es daran, dass der „große“ Capote für viele lange Zeit nach seinem Tod 1984 noch zu groß war. Niemand traute sich wohl an eine Verkörperung dieses Exzentrikers heran. Da muss erst jemand den Charaktermimen Philip Seymour Hoffman ansprechen, um die perfekte Besetzung für diese etwas andere „American Legend“ zu finden. Und wenn Hoffman an diesem Sonntag keinen Oscar für diese herausragende Leistung bekommt, dann sollte die ganze Verleihung lieber gleich komplett abgesagt werden. Selbst Joaquin Phoenix hat dieser Oper von einem Auftritt nichts entgegenzusetzen. Nicht dass es unmöglich wäre, Capotes Gesten, sein Stil und seine Ausdrucksweise zu imitieren, was beeindruckt, ist wie nebensächlich alles bei Hoffman erscheint, weil er alles parallel laufen lässt. Das geht bis zum unangestrengt wirkenden Zusammenziehen der Nasenflügel. Große Gefühlsausbrüche sind bei der bekennenden Tunte Capote im Film zwar eher selten anzutreffen, dafür sitzen bei Hoffman aber selbst diese für einen Schauspieler äußerst dankbaren Momente.

Fast paradox mutet bei „Capote“ der Eindruck an, dass trotz der Langsamkeit, die beinahe „Straight Story“-Dimensionen erreicht, vieles gehetzt und überhastet inszeniert ist. Die schnellen Wechsel zwischen Kansas und New York, wo Capote für eine weitere Party oder eine Buchpräsentation vorbeisehen muss, und die doch recht kurzen Szenen im Zellenblock, die eine tiefe Beziehung zu Perry Smith lediglich andeuten und nicht erklären können, das alles ist vom Rhythmus nicht unbedingt die klügste Wahl gewesen. Ob Miller Angst davor hatte, das Publikum mit zu langen Dialogen zu langweiligen? Eher langweilt jetzt das Gegenteil, da bis auf die Schlussbeichte von Smith, in der er Capote das Geschehen in der Mordnacht offenbart, eine Beziehung weder zu Smith, noch zu Capote wirklich entstehen mag. Da steht man als Zuschauer eher wie vor einem zu schnellen Daumenkino, bei dem es doch interessant wäre, auch ein einzelnes Motiv etwas länger zu betrachten.

Trotz Hoffmans nicht kleinzuredender Leistung bleibt einem Capote eher als Egozentriker, denn als Künstler oder gar Mensch in Erinnerung. Wir lernen eigentlich nur, wie ihn die Arbeit zu „Kaltblütig“ selber ausbluten ließ bis er, ganz dem Alkohol verfallen, depressiv und vereinsamt starb. Zu oft begnügt sich Miller mit dem Zeigen des öffentlichen Capote, was sicherlich die weniger interessante Seite des Ausnahmetalentes war. Ob ihn beispielsweise auch eine sexuelle Anziehung zu Smith motivierte, ihn in der Zelle zu besuchen, ob er in ihm auch ein Teil seiner eigenen Persönlichkeit sah, wird bestenfalls vage angerissen. „Perry und ich sind im gleichen Haus aufgewachsen. Er ging zur Hintertür raus, während ich die Vordertür nahm!“ Diese Analyse ihrer gemeinsamen Sozialisation in ländlichen, ärmlichen Verhältnissen deutet an, weshalb Capote am Ende ehrlich um ihn trauert. Vielleicht erkannte er, wie ähnlich sie sich im Grunde genommen doch waren. Mit etwas Pech hätte auch er dieses Verbrechen begehen können. Dann würde sich der Strick jetzt um seinen Halz zusammenziehen.

Einen wichtigen, spannenden Aspekt hat „Capote“ zum Ende hin dann aber doch noch zu bieten. Als Capote sich fast sehnlichst die Hinrichtung der beiden Täter wünscht, damit er endlich das Buch beenden kann, wird offen nach den Grenzen der Kunst gefragt. Inwieweit ist es moralisch zu vertreten, was Capote sich egoistisch und aus Eigennutz herbeisehnt? Dass Smith durch „Kaltblütig“ als Individuum und nicht als Monster Eingang in die moderne Literatur fand, dürfte für ihn, vorsichtig formuliert, nur ein schwacher Trost gewesen sein. So provokant und unbequem Capotes Verhalten war, regt es gerade in Zeiten von bewusst missverstandenen Karikaturen und propagandistischen Actionfirlefanz zum Nachdenken über die Verantwortung des Künstlers und seiner Kunst an.

Zuerst veröffentlicht bei kino.de.

Donnerstag, März 02, 2006

Die Wolke - Liebe in Zeiten des Super-Gaus


Die Wolke

D 2006

++1/2

Die Verflimung des Beststellers von Gudrun Pausewang bietet Licht und Schatten. Überzeugen kann die Herangehensweise an die Gefühlswelt der beiden Teenager, die mit dem erhobenen Zeigefinger vorgetragene "Anti Atomkraft"-Botschaft muss dagegen nicht jedem gefallen. Regisseur Gregor Schnitzler, der schon bei "Soloalbum" hinter der Kamera stand, und sein Drehbuchautor Marco Kreuzpaintner sind sichtlich bemüht, keine Zweifel an der Gefährlichkeit der Atomkraft zu lassen. Dabei sprechen die Bilder von Panik und Angst eigentlich für sich. Alles weitere lässt sich in meiner Kritik auf critic.de nachlesen.