Samstag, März 31, 2007

Freedom Writers - Club der guten Vorsätze


USA 2006

++1/2

In dem auf Hochglanz polierten Ghetto-Drama Dangerous Minds nahm Michelle Pfeiffer noch erfolgreich den „Kampf“ gegen jugendliche Gang-Gewalt und Problemschüler mit Null Bock-Attitüde auf. Diese Aufgabe fällt in Richard LaGraveneses Feel Good-Movie Freedom Writers der zweifachen Oscar-Preisträgerin Hilary Swank zu. Obwohl vieles zu gewollt und aufdringlich inszeniert ist, kann man sich als Zuschauer nur schwerlich der emotionalen Wucht der Geschichte entziehen.

Kritik:

Wenn es nach der jungen und engagierten Lehrerin Erin Gruwell (Hilary Swank) ginge, die Welt bestünde nur aus hochmotivierten, wissenshungrigen und aufmerksamen Schülern. Doch die Realität sieht anders aus, ganz anders. Als sie mit dem festen Glauben an ihr idealisiertes Schülerbild zum ersten Mal das Klassenzimmer der Wilson High School betritt, sieht sie sich mit Herausforderungen konfrontiert, die ihr alles abverlangen sollen. Ihre Klasse entpuppt sich als eine Ansammlung an Problemkids unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Gangmitglieder, jugendliche Kriminelle, Schüler mit Lernschwächen und aus zerrütteten Familien. Es ist genau jener soziale Topos, der in Deutschland seit vergangenem Jahr untrennbar mit der Berliner Rütli-Schule verbunden ist. Der eigentliche Schulalltag gerät in einem solchen Milieu zur Nebensache.

Doch so leicht will sich Erin nicht geschlagen geben. In der Folge schildert Regisseur und Autor Richard LaGravenese, wie es der mutigen Pädagogin gelingen soll, die anfänglich explosive Stimmung unter den Schülern, den latenten Rassenhass und die gegenseitigen Anfeindungen Stück für Stück abzubauen. Ihre Methoden mögen bei ihrer Vorgesetzten (Imelda Staunton) auf wenig Gegenliebe stoßen, dafür erreicht Erin die Herzen ihrer Schüler und – so das aus vielen ähnlich gelagerten „Based on a True Story“-Geschichten bekannte Kalkül – auch das des Zuschauers.

Hilary Swank tritt in die Fußstapfen so bekannter Vorgänger wie Michelle Pfeiffer und Antonio Banderas. Während Mr. Latin Lover über das Tanzen renitente Möchtegern-Gangster zu Anstand und Disziplin „erziehen“ wollte – wohlgemerkt mit einem unübersehbaren Augenzwinkern – näherte sich die von Pfeiffer verkörperte toughe Ex-Marine über die Literatur ihrer vermeintlichen Chaostruppe. Swanks Charakter tut es ihr gleich. Mit realistischen Geschichten aus dem Ghetto und Literaturklassikern (Das Tagebuch der Anne Frank, Romeo & Julia) versucht sie, bei den Jugendlichen Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken.

Die feste Verankerung in einem realen Vorbild ist für ein solches kathartisches Drama fast schon obligatorisch. Mit dem Wissen, dass irgendwo da draußen nicht nur eine sondern Tausende engagierter „Erins“ tagtäglich ein scheinbar aussichtloses Gefecht zu führen haben, verzeiht man dem Film und dessen Regisseur diverse melodramatische Peinlichkeiten. Klar ist, dass ein auf 90 oder 120 Minuten konzentriertes Destillat Handlungsverläufe immer glättet und zuspitzt. Warum aber letzteres in Freedom Writers vor allem über penetrante Tränendrückerei – Hilary Swank steht in der zweiten Stunde fast fortwährend das Wasser in den Augen – und zu süßlicher Musikuntermalung geschehen muss, bleibt das Geheimnis von LaGravenese. Von einer Steigerung der emotionalen Durchschlagskraft über eine zurückhaltende Inszenierung hält der renommierte New Yorker Drehbuchautor (Der Pferdeflüsterer, Beloved) offenkundig nichts.

Aber es gibt sie dann doch. Jene Momente, in denen der Funken überspringt. In denen man nicht anders kann, als mitzufühlen und nachzuempfinden, was es heißt, an diesem Ort aufwachsen zu müssen. Wenn die Jugendlichen ihre Erlebnisse mit Gewalt und Perspektivlosigkeit über das Schreiben zu verarbeiten lernen, oder sie mit den schlimmsten Konsequenzen eines fanatischen Rassenhasses unmittelbar konfrontiert werden, dann bewahrheitet sich die von US-Kritikerlegende Roger Ebert formulierte Erkenntnis: „People more readily cry at movies not because of sadness, but because of goodness and courage.“ Güte und Mut, davon haben Erins Kids im Überfluss. Man muss ihnen nur eine Chance geben, es auch zu beweisen.

Für Programmkino.de.

Freitag, März 30, 2007

Triff die Robinsons & The Cemetery Club


Triff die Robinsons

USA 2007

++

Disney versucht sich einmal an mehr an einem CGI-Film und das Ergebnis fällt abermals ernüchternd aus. Überdreht, überhastet mit einer Geschwätzigkeit, die selbst Woody Allen vor Neid erblassen lässt. Die Qualität der Animationen kann sich zwar durchaus sehen lassen, doch wenn die Geschichte höchstens als skurrille Nummernrevue daherkommt, kann das Triff die Robinsons letztlich auch nicht retten. Mein Text steht bei Critic.de online.


The Cemetery Club

ISR 2006

++1/2

Sie diskutieren, streiten und packen für das gemeinsame Essen die Tupper-Dosen aus. Eine Gruppe polnisch-stämmiger Holocaust-Überlebender trifft sich jeden Samstag auf dem Jerusalemer Nationalfriedhof "Mount Herzl". Die israelische Regisseurin Tali Shemesh begleitete die Club-Treffen über ganze fünf Jahre. Herausgekommen ist dabei ein überaus humorvolles, zuweilen intimes Porträt einer Generation, der man einst alles genommen hat. Zu meiner Kritik geht es hier.

Montag, März 26, 2007

The Hills have Eyes II - Wüsten-Koller


USA 2007

+1/2

Wes Craven ist einer der Urväter des modernen Horrorkinos. Mit den Nightmare- und Scream-Filmen gehen gleich zwei der längst zum Kult avancierten Genre-Serien auf sein Konto. Und auch seine älteren Werke aus den 70ern erfreuen sich nach wie vor einer großen Beliebtheit unter Horror-Freunden. Weil manches von dem, was damals mit geringem Budget produziert wurde, aber durchaus eine Frischzellenkur vertragen konnte, lag die Entscheidung für ein Remake recht nahe. Der junge französische Filmemacher Alexander Aja schnappte sich Cravens The Hills have Eyes und verwandelte den eher etwas geruhsamen Wüsten-Mutanten-Mix in einen ultraharten, actionreichen Horror-Schocker mit subversivem Untertönen.

Der Erfolg an den Kinokassen deutete bereits an, dass eine Fortsetzung nicht lange auf sich warten lassen wird. Wenn nicht im Horror-Genre, wo dann? Und so kam es, wie es kommen musste. Altmeister Craven tüftelte mit seinem Sohn Jonathan an einem Skript für das Sequel, in dem eine Gruppe unerfahrener Nationalgardisten als Frischfleischreservoir herhalten muss. Die Soldaten sollen eigentlich nur technisches Equipment bei einer von Wissenschaftlern betriebenen Forschungsstation in der Wüste New Mexicos abliefern, doch der angebliche Routineeinsatz wird alsbald zu einem blutigen Survival-Trip. Regie bei The Hills have Eyes II führte der Deutsche Martin Weisz, der zuletzt mit der Kannibalen-Story Rohtenburg auch international für Aufsehen sorgte. Hierzulande durfte der auf einer wahren Begebenheit basierende Film aufgrund eines richterlichen Beschlusses bekanntlich nicht gezeigt werden.

Kennt man Ajas unbarmherziges und raffiniert inszeniertes Remake, so kann einem dieser jüngste Wüsten-Ausflug die Zornesröte ins Gesicht treiben. Die von Aja und anderen Filmemachern wie Roth vorangetriebene Revitalisierung des Horror-Genres scheint an Weisz spurlos vorbeigegangen zu sein. Sein Werk folgt brav ohne jedwede Überraschung dem starren und ausgelutschten „Zehn kleine Negerlein“-Prinzip. Konnte sich bei Aja niemand sicher fühlen, schien dort zu jeder Zeit einfach alles Denkbare und Undenkbare möglich zu sein, so arbeitet sich das Drehbuch der Familie Craven Punkt für Punkt an der Standard-Dramaturgie der meisten viel zu schlechten Horrorfilme ab. Hier kommen die Schocks mit Ansage und die Opfer können mit der Gründlichkeit eines Steuerbeamten durchnummeriert werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Weisz dem Schauplatz nichts Interessantes abgewinnen kann. Nach einer faden und unspektakulären Einleitung verkrümelt sich der Plot recht schnell in das dunkle und undurchsichtige Stollen-Labyrinth. Die Monotonie des Settings fällt vor dem Hintergrund des abwechslungsreichen Vorgängers besonders negativ auf. Immerhin bietet The Hills have Eyes II zumindest aus handwerklicher Sicht solide Durchschnittskost, was den Film letztlich davor rettet, in die Trash-Ecke abgeschoben zu werden, dort, wo ein gewisser Uwe Boll schon seit Jahren in den eigenen Innereien herumpult. Die Spezial-Effekte der Routiniers Howard Berger und Gregory Nicotero schauen wieder einmal wunderbar gory aus, die Kamera von Sam McCurdy kann zumindest in Ansätzen die Klaustrophobie des Ortes erfahrbar machen. Das war es dann aber auch schon.

Wes und Jonathan Craven versuchen ihren Charakteren zu Beginn zwar einige hintersinnige Statements zur aktuellen US-Politik in den Mund zu legen, diese Seitenhiebe verpuffen aber zwischen den ganzen verbalen Kraftausdrücken weitgehend ungehört. Letztlich freut man sich, dass die Sonne wieder scheint und der Film damit endlich ein Ende gefunden hat. Na ja, die Erleichterung darüber fällt eher gebremst aus. Denn das Schlußbild macht unmissverständlich klar, dass Craven seine Mutanten-Truppe noch nicht in Rente schicken will.

Für BlairWitch.

Sonntag, März 25, 2007

Klang der Stille - Rettungsanker Musik


USA/D 2006

++

Er war ein Genie, das die Musikwelt ebenso wie Mozart verändern sollte: Ludwig van Beethoven. Der eigenwillige Schöpfer solch weltbekannter Werke wie der „9. Sinfonie“ litt in seinen letzten Lebensjahren an zahlreichen körperlichen Gebrechen. Vor allem der Verlust seines Gehörs setzte ihm schwer zu, konnte er doch selber keine Konzerte mehr geben und auch nicht mehr seine Stücke dirigieren. Die mit historischen Stoffen und Künstlerbiographien vertraute Regisseurin Agnieszka Holland (Total Eclipse) verfilmte Beethovens Wirken während seiner Spätphase mit Hollywood-Star Ed Harris in der Rolle des musikalischen Ausnahmetalents. Das Resultat fällt abgesehen von der mitreißenden Musik reichlich unspektakulär aus.

Filmkritik:

Ludwig van Beethoven (Ed Harris) ist mit seinen 54 Jahren für damalige Verhältnisse bereits ein alter Mann, als die Filmhandlung einsetzt. Wien im Jahr 1824 erlebt das Musikgenie schwer gezeichnet von diversen Krankheiten und dem Verlust seines Gehörs. Sein Verleger und Kopist Wenzel Schlemmer (Ralph Riach) sorgt sich um Beethovens Reputation. So fehlt es kurz vor der Uraufführung der „9. Sinfonie“ immer noch an einer fertigen Partitur. In seiner Verzweiflung engagiert er die junge Konservatoriums-Studentin Anna Holtz (Diana Kruger), die gemeinsam mit dem Meister die fehlenden Noten zur Papier bringen soll. Doch wie überzeugt man ein Genie davon, dass es plötzlich auf Hilfe angewiesen ist? Nur widerwillig lässt sich Beethoven auf die arrangierte Zusammenarbeit ein.

Was folgt, ist der bekannte weil abzusehende Sinneswandel eines alten, ganz von sich eingenommenen Exzentrikers. Natürlich wird Beethoven seine Meinung über Anna revidieren müssen. Vor allem lernt er ihre Ehrlichkeit und Offenheit zu schätzen. Auf diese Weise entwickelt sich schon recht bald zwischen beiden eine innige platonische Freundschaft, die Annas Verlobten (Matthew Goode) nichtsdestotrotz mit Sorge erfüllt. Glücklicherweise verzichtet der Film darauf, aus dieser Konstellation in ein klischeebeladenes Eifersuchtsdrama abzudriften und den nur angedeuteten Flirt über Gebühr zu strapazieren.

Nach Bernard Roses Beethoven-Melodrama Ludwig van B. - Meine unsterbliche Geliebte, das den Fokus weit weniger auf den kreativen Prozess des Komponierens legte, stehen bei Agnieszka Holland eindeutig der Mensch Beethoven und dessen Musik im Mittelpunkt. Die Aufführung der „9. Sinfonie“ bildet dabei das emotionale Crescendo, für das sich der Film ausreichend Zeit nimmt. Ohnehin schlägt Holland, die mit dem homoerotischen Total Eclipse über die Liebe zwischen den beiden Dichtern Arthur Rimbaud und Paul Verlaine bereits einen historischen Stoff im Künstler-Milieu verfilmte, ein sehr gemächliches, ja zuweilen sogar zu gemächliches Tempo an. In Verbindung mit der gediegenen, unauffälligen Inszenierung macht sich desöfteren eine gepflegte Langeweile breit. Wie so viele andere „Period Pieces“ auch, vergisst Klang der Stille über eine möglichst akkurate Bebilderung der historischen Ereignisse, für ausreichend emotionale Anknüpfungspunkte zu sorgen.

Ed Harris, in der Darstellung exzentrischer Genies bestens geschult – die Verkörperung des Jackson Pollock brachte ihm zu Recht seine dritte Oscar-Nominierung ein –, hat sich Beethovens überlieferte Eigenarten und Manierismen überzeugend antrainiert. Leider fehlt ihm ein ebenbürtiger Antagonist. Diana Kruger fungiert größtenteils nur als hübsch anzusehende Stichwortgeberin. Ihr Charakter bleibt auffallend unausgearbeitet und blass, was sich beides weniger auf schauspielerische Defizite als auf Drehbuchschwächen zurückführen lässt. Abseits der zweifellos starken und kraftvollen musikalischen Intermezzi dürfte Klang der Stille somit ganz im Gegensatz zu seinem weltbekannten Protagonisten alsbald in Vergessenheit geraten.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, März 21, 2007

The Contract - B-Movie mit A-Stars


USA 2006

++

Um Bruce Beresford (Miss Daisy und ihr Chauffeur, Paradise Road) ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Mit dem altmodischen Thriller The Contract kehrt er nun auf den Radarschirm Hollywoods zurück. Morgan Freeman und John Cusack liefern sich darin ein klassisches Katz- und Maus-Spiel. Hält sich die Spannung auch in Grenzen, so kann Beresfords Comeback zumindest mit der Spielfreude seiner beiden Hauptdarsteller und geschliffenen, pointierten Dialogen punkten.

Filmkritik:

Dem alleinerziehenden Vater Ray (John Cusack) fällt es zunehmend schwer, seinen pubertierenden Sohn Chris (Jamie Anderson) zu erreichen. Gerade seit dem Tod der Mutter zieht sich Chris immer mehr zurück, kommt es zwischen Vater und Sohn des Öfteren zu lautstarken Auseinandersetzungen. Ein Campingtrip in die unberührte Wildnis Washingtons soll helfen, das angespannte Verhältnis wieder zu verbessern. Als Ray und Chris in einem Fluss den Körper eines Mannes treiben sehen, beschließen sie, ihn zu retten. Sie können zu jenem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass dieser als eiskalter Profi-Killer sein Geld verdient. Carden (Morgan Freeman) und seine Männern haben eigentlich den Auftrag, einen exzentrischen Milliardär auszuschalten. Ein Unfall, bei dem Carden in die Hände der Polizei fällt, verhindert zunächst die Durchführung des Mordplans. Als Ray bewusst wird, mit wem er es da zu tun hat, beschließt er den Killer an die Polizei auszuliefern. Cardens Männer wiederum wollen das mit allen Mitteln verhindern.

Von da an entwickelt sich The Contract zu einem geradlinigen Survival-Thriller vor malerischer Kulisse. Während Ray und Anhang ihren Verfolgern stets einen Schritt voraus sind, versuchen das FBI im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Damit knüpft Bruce Beresford zumindest was das Genre angeht an seinen letzten großen Box Office-Erfolg Doppelmord an. Der stark plotgetriebene Film dürfte aber kaum für echte Thrills sorgen. Das Anziehen der Spannungsschraube verläuft eher auf dem Niveau eines gemütlichen durchschnittlichen TV-Krimis, wie auch sonst die Inszenierung reichlich unspektakulär und eher auf Fernsehfilm-Niveau anmutet. Alles solide, aber weit und breit kein Moment, der einem länger in Erinnerung bleiben wird. Sogar die ansonsten äußerst elegante und verspielte Kameraarbeit eines Dante Spinotti fällt nicht weiter auf. In diesem Fall beschränkt er sich darauf, nett anzusehende Panoramabilder von unberührter Natur abzufilmen.

Beresford seinerseits gefällt sich darin, das Tempo aus der Handlung herauszunehmen und seine beiden Leads einem zumeist nur verbalen Schlagabtausch auszusetzen. Die Routiniers Cusack und Freeman nehmen diese Rollen dankbar an. The Contract bot ihnen die Möglichkeit, aus den üblichen Rollen, für die sie gemeinhin besetzt werden, auszubrechen. Freeman darf zumindest anfänglich endlich einmal den „Bad Guy“ geben, der bereit ist, gegen ein entsprechendes Salär über Leichen zu gehen.

Dass die Klassifizierung des Films als Thriller formal zwar richtig aber lange noch nicht aussagekräftig sein muss, spiegelt sich zudem in den für das Genre ungewöhnlich pointenreichen Dialogen vor allem zwischen Freeman und Cusack wider. Die mitunter sarkastischen Kommentare entschuldigen für so manch andere Einfallslosigkeit des Drehbuchs, das in dramaturgischer Hinsicht allenfalls über B-Movie-Qualitäten verfügt. Dank seiner beiden Hollywood-Stars bleibt The Contract jedoch eine Veröffentlichung als Video-Premiere erspart.

Für Programmkino.de.

Sonntag, März 18, 2007

300 - Neues vom Moralisten


USA 2007

+++

Bereits der Trailer trieb so manch einem vor Freude und angespannter Erwartung die Tränen in die Augen. Die nach Sin City nächste Verfilmung eines Werkes von Frank Miller sollte sein historischer Comic-Roman 300 werden. Eine Zahl, um die sich Sagen und Mythen ebenso wie Tatsachen und Fakten ranken. Sie alle haben ihren Ursprung in der Schlacht an den Thermopylen und dem aufopferungsvollen Kampf 300 spartanischer Krieger gegen die Übermacht eines furchteinflößenden persischen Heeres. Unter Führung ihres Königs Leonidas (Gerard Butler) stellten sich die Spartaner, die bis heute für ihren Mut, ihre Opferbereitschaft und ihren Kampfeswillen als der Inbegriff einer selbstdiziplinierten Kriegerkultur gelten, einem Feind entgegen, den sie nicht besiegen konnten. Das war jedem Einzelnen von ihnen klar, egal mit wieviel Überzeugung und Inbrunst Leonidas das Gegenteil beschwor.

Der Tod auf dem Schlachtfeld als einzige Option. 300 ist Epos und Tragödie zugleich, beides verpackt in einen Look, der sich am treffendsten als eine testosterongeschwängerte Mischung aus propagandistischen Körperkult-Filmen und dem ebenfalls vollständig vor Green Screen abgedrehten Sky Captain and the World of Tomorrow umschreiben lässt. Was Regisseur Zack Snyder hier über 117 Minuten an visuellen Spielereien und bombastischen Larger-than-Life-Bildern abbrennt, sucht im modernen Kino seinesgleichen. Sogar Millers Sin City und dessen überstilisierte Film Noir-Ästhetik ziehen gegen die visuelle Wucht von 300 den Kürzeren. Die moderne Computertechnik macht es möglich, Ideen umzusetzen, die das Genre des Sandalenfilms revolutionieren wird.

Dabei ist das Endprodukt eigentlich überhaupt kein Film im Sinne von Klassikern wie Spartacus oder Gladiator. Snyders Style-Orgasmus kennt nur noch einzelne Szenen, Einstellungen und Bilder. Bereits beim ersten Sehen zerfällt 300 in seine Bestandteile. Und das ist erst einmal wertfrei gemeint, denn eine herkömmliche Dramaturgie würde sich an der Grandezza seiner Optik ohnehin erfolglos abarbeiten. In visueller Hinsicht zieht Snyder sämtliche Register. Surreale Verfremdungseffekte, eine desaturierte Farbpalette, perfekt getimte Licht- und Schattenspiele, Unmengen an CGI-Bombast und Zeitlupen-Aufnahmen. Alles, was dazu beiträgt, die antike Schlachtplatte in ein wahres Fest für die Netzhaut zu verwandeln, wird von ihm auch genutzt.

Synder treibt die Ästhetisierung bis zum Exzess. Sogar das digitale Blut spritzt in 300 mit einer nur noch von japanischen Revenge-Movies übertroffenen Finesse. Dazu nackte durchtrainierte Männerkörper, wohin man blickt. Das kann einen als Normalsterblicher schon gehörig einschüchtern. Mit schmerzverzerrten Gesichtern, fest entschlossen das eigene Leben zu opfern, kämpfen sie bis zum letzten Atemzug für ihre Heimat und ihre Freiheit. Ehrfurchtsvoll, beinahe anbetungswürdig nähert sich die Kamera diesen Kolossen in ihrer martialischen Uniform. Leni Riefenstahl wäre begeistert. Der Vergleich – das gilt es klar festzuhalten – beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Inszenierung. Faschistoides Gedankengut findet sich in Millers Comic-Schlacht nicht. Allein das Gerede von Ehre, Ruhm und der Liebe zur Heimat macht aus 300 noch kein Triumph des Willens für das 21. Jahrhundert.

Denn auch wenn dem Film aus jeder Pore ein unglaubliches Pathos quillt, eignet er sich denkbar schlecht, für eine ideologische Sezierung oder Analyse des politischen Status Quo. Leonidas ist nicht George W. Bush und sein Heer führt keinen Kreuzzug gegen den Terror. Miller beschreibt wie schon in Sin City vielmehr fundamentale Wesenszüge, die sich in uns allen in unterschiedlichem Maße wiederfinden. Er glorifiziert die Würde des Individuums und outet sich damit – so paradox es zunächst klingen mag – ein weiteres Mal als waschechter Humanist und Moralist. 300, der über seine gesamte Laufzeit reichlich Angriffsfläche für spöttische Bemerkungen und gesellschaftlich salonfähig gewordenen Zynismus bietet, mag eine Geschichte erzählen, die dünner als ein Blatt Papier ist. Aber wenigstens steht er fest zu seinem eigenen Koordinatensystem in einer ansonsten von Relativismus und Opportunismus verseuchten Zeit.

Erschienen bei BlairWitch.

Mittwoch, März 14, 2007

Am Limit - Wider aller Vernunft


D/Ö 2007

+++1/2

Am Limit lautet nicht nur der Titel der neuen Dokumentation von Pepe Danquart, es könnte zugleich auch in nur zwei Worten das Leben der beiden portraitierten Huber-Brüder zusammenfassen, die zu den weltweit besten Extremkletterern zählen. Ihr größtes Steckenpferd ist das Speed-Klettern, das Überwinden der steilsten Felsmassive in möglichst kurzer Zeit. Danquart begleitete Thomas und Alexander Huber auf ihren Touren ins Yosemite Valley und nach Patagonien, wo sie sich neuen wagemutigen Herausforderungen stellten. Herausgekommen ist dabei eine faszinierende filmische Abhandlung über das menschliche Streben nach Glück und die Überwindung unserer eigenen Ängste.

Filmkritik:

„Was wir da tun, widerspricht aller Vernunft.“ Das sagen diejenigen, die kurz zuvor noch eine gigantische, übermächtige 1.000 Meter hohe Granitwand des „El Capitan“ im Yosemite Nationalpark in einer neuen Rekordzeit zu bezwingen versuchten. Thomas und Alexander Huber sind so etwas wie die Superstars der Kletter-Szene. Die smarten und zielstrebigen Brüder sind ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Aktionen, die niemand vor ihnen bislang wagte. Egal ob Free Climbing, das Klettern auf Zeit oder alpine Bergbesteigungen, der Sport bestimmt ihr Leben. Dahinter hat sich alles unterzuordnen, auch ihre Familien.

Als Dokumentarfilmer Pepe Danquart nach einem Abschluss für seine Sport-Trilogie suchte, die er mit Heimspiel (2000) begann und mit der Tour de France-Doku Höllentour (2004) fortsetze, lernte er die Huber-Brüder kennen. Sofort war ihm klar, dass er einen Film über diesen faszinierenden und gefährlichen Sport drehen wollte. Er begleitete Thomas und Alexander in den letzten beiden Jahren auf mehreren Touren, u.a. nach Kalifornien, wo das Abenteuer rund um den „El Capitan“ auf die zwei scheinbar unerschrockenen Extrem-Kletterer wartete. Nachdem sie im Sommer 2005 die Vorbereitungen für ihren Rekordversuch abgeschlossen hatten, kehrten sie im Februar 2006 an die gleiche Stelle zurück.

Der Zuschauer erlebt in Am Limit hautnah mit, was heißt, wenn zwei Menschen bewusst Grenzen überschreiten, Dinge tun, die sie mitunter dem Tod näher als dem Leben bringen, um einen Traum zu verwirklichen, den sie sich in den Kopf gesetzt haben und von dem sie nunmehr nicht mehr loskommen. Das ist spannender als ein Thriller, gewaltiger als ein Epos und ergreifender als die meisten Dramen, da sich der Film nicht auf den sportlichen Aspekt der Geschichte beschränkt. In Interviews, die Danquart zwischen die verschiedenen Kletter-Partien schneidet, geben sie dem Zuschauer einen tiefen Einblick in das, was sie beschäftigt. Das Bergsteigen und Klettern – so erklären sie an einer Stelle – wurde auch zu einem Kampf mit ihren eigenen Ängsten. Das Gefühl, wenn man diese überwindet, mögen manche mit dem „ultimativen Kick“ umschreiben. Für Thomas und Alexander ist es das, was ihrem Leben einen transzendentalen Sinn verleiht.

In atemberaubenden Einstellungen verfolgt die Kamera die „Huberbuam“ bei ihren adrenalintreibenden Kletter-Aktionen. Vier Kameraleute mussten dazu bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehen. Eine Kraftanstrengung, die sich wahrlich gelohnt hat. Auf der Kinoleinwand lassen die Panorama-Aufnahmen die ganze Faszination dieses Sports wiederaufleben. Und obwohl der Rekordversuch letztlich misslingt, ist Am Limit alles andere als eine Dokumentation des Scheiterns. Dafür hat Danquart zuvor unmissverständlich klar gemacht, dass bei seinem Film nur vordergründig das Klettern die Bühne beherrscht. Sein Blick geht in Wahrheit viel tiefer.

Für Programmkino.de.

Montag, März 12, 2007

Number 23 - 2chumach3rs Rückkehr


USA 2007

++

Geschichten über Menschen, die langsam die Kontrolle über ihren Verstand verlieren, wohnt eine unbeschreibliche Tragik inne. Nicht mehr Realität von Fiktion unterscheiden zu können, nicht mehr Herr über die eigenen Sinne zu sein, das erschüttert unser gesamtes Koordinatensystem in seinen Grundfesten.

Auch in Joel Schumachers – Achtung – 23. (!) Regiearbeit stellt sich der Held (Jim Carrey) die Frage, wem er noch trauen kann und vor allem was überhaupt noch real ist. Denn als er von seiner Frau (Virginia Madsen) ein Buch mit dem geheimnisvollen Titel Number 23 eines unbekannten Autors geschenkt bekommt, beginnen sich die Dinge für den Hundefänger Walter in eine äußerst unangenehme Richtung zu entwickeln. Plötzlich glaubt er, dass es sein Leben ist, das in dem Roman beschrieben wird. Er liest von einer Kindheit, die seiner auf eine frappierenden Weise ähnelt, von einem Vater, der seinem Sohn niemals nahe war, von einer mysteriösen Nachbarin, die tot in ihrem Haus aufgefunden wurde und so weiter. Nur der Fortgang der Geschichte will nicht wirklich zur Walters Situation passen. Denn sein Alter Ego, eigentlich ein Cop, der einem Rätsel um die Zahl 23 auf der Spur ist, begeht darin ein schreckliches und folgenschweres Verbrechen.

Sukzessive führt uns der Film weg von Walters scheinbar bürgerlicher Existenz, hinein in die wilde, kalte und düstere Welt des Romans, die sich wie ein Virus in Walters Leben zu fressen scheint. Bald kann dieser keinen klaren Gedanken mehr fassen. Immerzu muss er an das Buch und die omnipräsente Zahl 23 denken. Wie Karl Koch in Hans-Christian Schmids Hacker-Drama 23 verfällt er der seltsamen Magie dieser zwei Ziffern. Egal ob Geburtstag, Hochzeitstermin, die Attentate vom 11. September oder der Hinrichtungstermin von Ted Bundy, alles lässt sich nach Walters Meinung auf die 23 zurückführen.

Schon lange hat Jim Carrey mit seinem Image als ewig gut gelaunter Spaßmacher und Grimassenschneider gebrochen. Die Truman Show und Vergiss mein nicht! markierten bislang die Höhepunkte seiner Karriere im Charakterfach. In Number 23 darf er – salopp formuliert – die Sau rauslassen und sich in dramatischen Posen, heftigen Gefühlsausbrüchen und finsterer Mimik ergehen. Wer vom Film folglich eine Überdosis Carrey erwartet, dürfte mit Sicherheit nicht enttäuscht werden. All diejenigen, die jedoch zugleich einen packenden und intelligenten Thriller sehen möchten, kommen nur begrenzt auf ihre Kosten. Number 23 gehört zu der Sorte von überambitionierten Genreproduktionen, die mit den letzten Minuten über Gebühr an Strahlkraft einbüßen.

Was zunächst als Mix aus klassischer Film Noir-Handlung im höchst ästhetischen Sin City-Look und einem offenkundig von Stephen King inspirierten Mystery-Puzzle überaus gut unterhält – Walters Paranoia setzt Schumacher über entfesselte Kamerafahrten und visuelle Entfremdungseffekte höchst eindrucksvoll in Szene – löst sich in einem über Gebühr melodramatischen Finale vollständig in Luft auf. Viel Lärm um fast Nichts. Ohne die Pointe an dieser Stelle zu verraten, kann gesagt werden, dass sich der Plot in eine Auflösung verrennt, die gleichsam banal und platt daherkommt. Alles garniert mit einer hoffnungsvollen Botschaft, welche das zuvor erstarrte Herz des Zuschauers wieder zum Schlagen bringen soll.

Dass sich der Film wie ein eitler Pfau vor seinem Publikum aufplustert und auf diese Weise mehr darstellen will als an Substanziellem tatsächlich in ihm steckt, erweist sich schlussendlich als das größte Manko. Carreys Blicke und Gesten werden ohne Unterlass mit bedeutungsschwangerer Musik unterlegt. Dabei funktioniert die Odyssee zwischen surrealem Pulp-Krimi und Shining-eskem Vexierspiel gerade solange, wie Schumacher vor allem seiner Lust für Bilder nachgeht und mit ironischen Zitaten an die bekannten Vorbilder spielt. Die Aufnahmen in der Wohnung der „Suicide Blonde“ stehen beispielhaft für eine fantasiereiche, distinguierte Ästhetik des Verfalls.

„I hope, they’ll never make a movie out of this!“ sagt Walter in weiser Voraussicht an einer Stelle zu seinem Sohn über das geheimnisvolle Buch. Soviel beherzte (Selbst-)Ironie bleibt leider die Ausnahme.

Erschienen bei BlairWitch.

Donnerstag, März 08, 2007

Mitten ins Herz - Zurück in die 80er


USA 2007

+++

Es gibt sie doch: Romantische Komödien, die aus den Versatzstücken und Konventionen des Genres das Maximale herausholen. Mit zwei glänzend aufgelegten Hauptdarstellern (Hugh Grant, Drew Barrymore) und verspielten Anekdoten an die Popkultur der quietschbunten 80er Jahre gelingt Mitten ins Herz - Ein Song für Dich dieses seltene Kunststück. Meine Kritik gibt es auf Critic.de.

Dienstag, März 06, 2007

Hände weg von Mississippi - Twain in Vorpommern


D 2007

+++

Detlev Buck hat das junge Kinopublikum für sich entdeckt. Hände weg von Mississippi ist die Leinwandadaption des gleichnamigen Romans von Erfolgsautorin Cornelia Funke (Die wilden Hühner, Tintenherz) und zugleich sein erster Ausflug in das Genre des Kinder- und Jugendfilms. Mit einer illustren Besetzung und vielen bekannten Gesichtern drehte er eine ungezwungene, beschwingte und höchst humorvolle Abenteuergeschichte über ein mutiges Mädchen und dessen unvergessliche Sommerferien auf dem Land.

Filmkritik:

Die 10jährige Emma (Zoe Charlotte Mannhardt) kann den Beginn der Sommerferien kaum noch erwarten. Doch statt diese Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen, wird sie zu ihrer Großmutter Dolly (Katharina Thalbach) aufs Land geschickt. In dem kleinen Ort ist der alte Klipperbusch soeben gestorben. Der Einzelgänger hinterlässt einen Hof, den sich sein schmieriger und intriganter Neffe Albert (Christoph Maria Herbst) liebend gerne unter den Nagel reißen will. Nur mit der eigenwilligen Stute Mississippi kann dieser nichts anfangen. Er beschließt, das Pferd für ein Paar Euro an den örtlichen Schlachter zu verkaufen. Allerdings hat Albert – von den beiden Nachbarsjungen Leo (Karl Alexander Seidel) und Max (Konstantin Kaucher) wegen seiner gierigen Art nur „Alligator“ genannt – nicht mit Emmas Beharrlichkeit und Ausdauer gerechnet. Sie überredet ihre Großmutter, Mississippi dem „Alligator“ abzukaufen und die Stute auf diese Weise vor dem sicheren Tod zu retten. Erst als das Pferd Emma bereits gehört, beginnt Albert, sich für Mississippi zu interessieren. Emma ist sich sicher, dass wiederentdeckte Tierliebe dafür nicht verantwortlich sein kann.

Es gilt in der Filmbranche als ungeschriebenes Gesetz, dass man nie mit Kindern oder Tieren drehen sollte. Detlev Buck – zuletzt mehrfach ausgezeichnet für sein Großstadt-Drama Knallhart – bricht für Hände weg von Mississippi gleich mit beiden Regeln. Und das nicht zu seinem Nachteil. Vor der Kulisse der ländlichen Idylle Mecklenburg-Vorpommerns erzählt er nach der Vorlage von Cornelia Funke ein mit viel Humor angereichertes Jugendabenteuer. Es weht von Beginn an mehr als nur ein Hauch von Astrid Lindgren und Mark Twain durch den Film. Wenn in der Exposition die Bewohner der beschaulichen Dorfgemeinschaft vorgestellt werden, erinnert das stark an einen „Michel aus Lönneberga“ oder an „Die Kinder aus Bullerbü“. Der Dorftrottel (Milan Peschel) darf im Personenarsenal der Cornelia Funke ebenso wie der gewissenhafte etwas tollpatschige Gesetzeshüter (Buck in einer für ihn typischen Nebenrolle) nicht fehlen. Von Twain und den Tom Sawyer-Geschichten scheinen vor allem die romantisierenden Landschaftsaufnahmen entliehen zu sein. Die Kornfelder sahen seinerzeit in der berühmten „Caro“-Werbung auch nicht goldener und üppiger aus. All das sorgt dafür, dass der Film eine wohlige, entspannte Atmosphäre atmet, was ihn zugleich von vielen hektischen Schnittgewittern abhebt, mit denen bereits die Kleinsten heute im Kino bombardiert werden.

Roman wie Verfilmung zehren von dem Mythos „Sommerferien auf dem Land“. Buck kreiert mit der ihm eigenen norddeutschen Gelassenheit ein Gefühl für den Entdecker- und Abenteuergeist, den die Ereignisse um Mississippi bei Emma und ihren Freunden entfachen. Eltern, die ihre Kinder in Hände weg von Mississippi begleiten, dürften beseelt so von manch einer nostalgischen Kindheitserinnerung selbst einen leisen Seufzer ausstoßen oder einfach beschwingt zum Rhythmus der treibenden Country-Musik mitwippen. Dass Bucks Regiearbeit nie langweilt lässt sich neben den vielen zu entdeckenden liebenswerten Details auch auf die Spielfreude seiner jungen wie erwachsenen Darsteller zurückführen. Zoe Charlotte Mannhardt als 10jährige Emma ist eine echte Entdeckung, Katharina Thalbach gibt in jeder Szene Vollgas und Christoph Maria Herbst sorgt als Widerling vom Dienst für die größten Lacher. Hinzu kommen ein halbes Dutzend weiterer hochkarätiger Schauspieler – darunter auch das Hamburger Urgestein Heidi Kabel – die Hände weg von Mississippi zu einem Spaß für ganze Familie werden lassen, dessen Finale sogar die legendären Dorftumulte der „Asterix“-Comics in den Schatten stellt.

Für Programmkino.de.

Samstag, März 03, 2007

Pathfinder - Search & Destroy


USA 2007

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Was müssen das nur für finstere und barbarische Zeiten gewesen sein. "Auge um Auge, Zahn um Zahn!" lautet die Devise, als fünfhundert Jahre vor der Eroberung und Entdeckung Amerikas durch Kolumbus gewaltgeile Wikingerhorden über ahnungslose Indianerstämme herfallen. Bei einem dieser Gemetzel wird ein verängstigter Wikingerjunge von seinem Clan zurückgelassen. Eine Indianerfrau entdeckt das Kind, adoptiert es und zieht es groß. Mowgli einmal anders. Als aus dem Jungen ein Mann geworden ist, kehren die nordischen Hooligans zurück. Mit scharfen Äxten, noch imposanteren Kopfbedeckungen (diese Hörner!) und jeder Menge Wut im Bauch. Der zum indianischen Krieger mutierte Ex-Wikinger (Karl Urban) – von den Seinen auf den Namen „Ghost“ getauft – wird Zeuge, wie sein Stamm auf brutalste Weise ausgelöscht wird. Starfire (Moon Bloodgood), die Frau, die er liebt, ist darüber hinaus in höchste Gefahr. Intuitiv wird ihm klar, dass er sich der eigenen Vergangenheit stellen und – so wie es die Prophezeiung des Schamanen "Pathfinder" (Russell Means) vorhersieht – den Kampf gegen die Wikinger aufnehmen muss.

Vor knapp vier Jahren debütierte der bis dato sehr erfolgreiche Videoclip- und Werbefilmer Marcus Nispel mit dem Remake von Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre. Selbst Gegner der Neuauflage kamen nicht umhin, Nispel für dessen ästhetisches Bewusstsein und die Kunst, eine düstere, ausweglose Stimmung zu kreieren, Anerkennung entgegen zu bringen. Weil auch der kommerzielle Erfolg alle Erwartungen übertraf – der Film spielte allein in den USA rund 80 Mio. US-Dollar ein, das Neunfache seiner Produktionskosten – durfte der gebürtige Frankfurter sein nächstes Kinoprojekt in Angriff nehmen.

Die Wahl fiel dabei auf Pathfinder. Ein Stoff, der bereits 1987 von dem Norweger Nils Gaup verfilmt wurde. Der epische Kampf zwischen Gut und Böse brachte es sogar auf eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“. War es bei Gaup noch die Einsamkeit Lapplands, die im Mittelpunkt stand, so tauscht Nispel diese für sein sehr freies Remake (Budget: 45 Mio. Dollar) gegen die undurchsichtigen Sumpflandschaften und Wälder British Columbias ein. Statt kühler Farben dominieren bei ihm erdige Braun- und Grautöne. Der ganze Film wirkt, als habe man ihn nachträglich durch den Dreck gezogen. Dazu Nebel, wohin man blickt. In nahezu jeder Szene, in jeder Einstellung haut er uns seine ästhetisierte Sicht um die Augen. Was beim Kettensägermassaker in Ton und Stil zum nihilistischen Inhalt und den perfiden sadistisches Eskapaden des Plots passte, nervt in Pathfinder aufgrund seiner Eindimensionalität und Redundanz spätestens nach einer halben Stunde. Hinzu kommt, dass es schwer fällt, bei all dem verwaschenen Braun und Grau während der hektisch geschnittenen Kampfsequenzen den Überblick zu behalten. Zum Glück tragen die bösen Nordmänner ihren gehörnten Kopfschmuck, was sich bei den teils arg verwackelten Handkameraaufnahmen als unschätzbarer Vorteil erweist.

Nachdem "Ghost" bereit ist, den Kampf aufzunehmen und für die ermordeten Clan-Mitglieder Rache zu nehmen, entwickelt sich der Film zu einer langwierigen mitunter sehr zähen Aneinanderreihung von zumeist blutigen Actioneinlagen mit klassischen Jump’n’Run-Elementen. Die Frage, wo das zugehörige Videospiel bleibt, scheint mehr als berechtigt. Nur selten traut sich Nispel dabei, ironisch die Absurdität der Handlung zu kommentieren. So kann die gezeigte "Schlittenfahrt" samt Erfindung des vermutlich ersten Schneemobils unmöglich ernst gemeint sein. Oder etwa doch? Unfreiwillig komisch ist in jedem Fall vieles von dem, was wir innerhalb der 100 Minuten vorgesetzt bekommen. Sei es das platte Geschmachte der beiden Liebenden, Ralf Möllers Fantasie-Akzent zum untertitelten Wikinger-Kauderwelsch oder die mit dem Holzhammer vorgetragene Wetter-Metaphorik. Ja, für unseren tapferen Helden wird eines Tages die Sonne wieder scheinen.

Niemand wird von einem Film wie Pathfinder Anspruch oder eine intelligente Dramaturgie einfordern. Da Nispel den Zuschauer – wie das Finale an der Felswand und die angedeutete Liebesgeschichte beweisen – jedoch auch auf einer emotionalen Ebene erreichen möchte, muss er sich die Kritik gefallen lassen, dass ihm dies gänzlich missraten ist. Dafür vollzieht sich schon das, was hier nicht einmal in Ansätzen mit dem Begriff "Charakterentwicklung" umschrieben werden kann, nur entlang der üblichen Stereotype. Erst ist der kleine "Ghost" verängstigt, dann steigt in ihm der Hass hoch auf die, die ihm alles genommen haben. Et voilà! Schon ist die Wandlung des edlen Kriegers perfekt. Zwischen den Actioneinlagen ergeht sich das Drehbuch zu allem Überfluss in Dialogen, deren zusammenkopierte Ansammlung an Nonsens-Plattitüden kaum mehr zu überbieten sein dürfte. Karl Urban kämpft an dieser Front gegen einen Gegner, den er nicht besiegen kann.

Ließ sich aus der 80er Jahre-Testosteronschleuder Conan – Der Barbar, die für Nispels Schlachtplatte augenscheinlich Pate stand, zumindest unter dem Trash-Aspekt ein gewisser Unterhaltungswert herausfiltern, so fällt diese Komponente bei der 45 Mio. Dollar-Produktion Pathfinder weg. Nur wer bereit ist, sich über die teils verbissene Ernsthaftigkeit zu amüsieren, dürfte den Gang ins Kino nicht bereuen. Allen anderen, die mal wieder Lust auf eine rasante, nahezu perfekt inszenierte Actionhatz im archaischen Gewand verspüren, sei Mel Gibsons jüngstes Passionsspiel Apocalypto ans Herz gelegt. Letzteres schlägt dort mit Verve von der ersten bis zur letzten Sekunde. Bei Pathfinder findet sich an gleicher Stelle lediglich ein großer, schwarzer Fleck.

Für BlairWitch.