Mittwoch, Oktober 31, 2007

Nach 7 Tagen - Ausgeflittert


USA 2007

+

Der dümmliche deutsche Titel passt zu dieser neuen Komödie der Farrelly-Brüder wie die Faust aufs Auge. Ben Stiller muss ich darin als ergrauter Junggeselle mit einer Frau und Flitterwochen herumschlagen, die beide in die Kategorie "Albtraum" fallen. Das Ganze ist unglaublich unlustig und selbst für einen Film der Farrellys, die wieder einmal ihrem Erfolg Verrückt nach Mary nachrennen, mehr als platt. Gäbe es nicht die respektlosen Wortwechsel zwischen Papa und Sohn Stiller - auch im Film spielt Jerry Stiller den Vater von Ben Stiller -, die Gag-Dichte würde in den nicht messbaren Bereich absinken. Wer dennoch mehr wissen will, kann alles Weitere auf Critic.de nachlesen.

Sonntag, Oktober 28, 2007

Demnächst

Neue Kritiken zu

American Gangster (+++) von Ridley Scott

Nach 7 Tagen - Ausgeflittert (+) von Peter & Bobby Farrelly

Gone Baby Gone (+++1/2) von Ben Affleck

Freitag, Oktober 26, 2007

Tödliche Versprechen - Eastern Promises


GB/KAN/USA 2007

+++

David Cronenbergs Interesse galt seit jeher dem Abseitigen, dem, was wir die meiste Zeit über zu verbergen suchen, was sich jedoch nicht immer verbergen lässt. Passend zu dieser Sphäre des Dunkeln und Geheimnisvollen erscheint der Ort, an dem sein neuester Film Tödliche Versprechen – Eastern Promises spielt. Es ist das London abseits der bekannten Touristenmotive und Sightseeing-Touren. Bereits die ersten Minuten etablieren den Schauplatz des vor allem von Immigranten bewohnten, wenig glamourösen East End als Raum voller Gefahren und Abgründe. Wir sehen, wie ein junger Mann ein kleines Friseurgeschäft betritt. Ein Kunde, dem Akzent nach zu urteilen ein Osteuropäer, erhält dort gerade eine Rasur. Eine auf den ersten Blick alltägliche Situation. Doch irgendwie hängt das Gefühl einer unheilvollen Bedrohung über der gesamten Szene. So wirkt der junge Mann äußerst unsicher und nervös. Eher wir noch über die Gründe für sein auffälliges Verhaltern spekulieren können, entlädt sich die Anspannung auch schon in einem kurzen, dafür aber umso blutigen Exzess.

Wie schon bei seinem Vorgänger A History of Violence, der als Reflexion über Gewalt als Teil der menschlichen Natur angelegt war, stellt Cronenberg ein grausames Verbrechen an den Anfang seiner Geschichte. Diese bewegt sich im Milieu der russischen Mafiaorganisation „Vory V Zakone“, deren Mitglieder sich einem strengen Verhaltenskodex unterwerfen müssen. Drogenschmuggel, Zwangsprostitution, Menschenhandel, scheinbar überall haben die „Vors“ ihre Finger im Spiel, wobei sie stets auf Diskretion und Verschwiegenheit bedacht sind.

Der Zufall will es, dass die Hebamme Anna (Naomi Watts) mit dieser für sie fremden Welt in Kontakt gerät. Nachdem eine junge Mutter, deren Identität zunächst nicht geklärt werden kann, bei der Geburt ihres Kindes stirbt, nimmt sich Anna des Kleinen an. Sie ist fest entschlossen, die Angehörigen des Mädchens ausfindig zu machen. Ihre Nachforschungen gründen sich dabei auf ein in russischer Sprache verfasstes Tagebuch und die Visitenkarte eines transsibirischen Restaurants. Als sie zu der darauf abgedruckten Adresse fährt, trifft sie auf Nikolai (Viggo Mortensen), einen wortkargen, geheimnisvollen Russen, der für Semyon (Armin Müller-Stahl), den Besitzer des Restaurants, arbeitet. Anna ist sich sicher, dass die Männer die Tote kannten. So seltsam, wie sich Semyons aufbrausender Sohn Kirill (Vincent Cassel) verhält, muss sie befürchten, einer schrecklichen Wahrheit auf der Spur zu sein, die auch sie und ihre Familie in höchste Gefahr bringen könnte.

Es mag eingefleischte Cronenberg-Jünger enttäuschen, wenn sie lesen müssen, dass Tödliche Versprechen als die mit Abstand bislang geradlinigste, auf die Sehgewohnheiten des Mainstream zugeschnittene Regiearbeit des Kanadiers durchgeht. Der Film ähnelt in Ton und Struktur mehr einem klassischen Mob-Thriller als Cronenbergs eigenen Werken, die unter der Oberfläche nicht selten an ihrer psychologischen wie allegorischen Komplexität zu ersticken drohten. Auch fehlt es an wirklich verstörenden Themen wie sie von Cronenberg noch für Crash oder Die Unzertrennlichen aufgegriffen wurden, was nicht heißt, der Film sei damit gleich auch zartbesaiteten Gemütern vorbehaltlos zu empfehlen. Denn zumindest die eruptiven Gewaltausbrüche, wie sie für das Genre seit Der Pate charakteristisch sind, dürften bei weiten Teilen des Publikums nicht ihre Wirkung verfehlen.

Vor allem eine Szene dokumentiert Cronenbergs unbestreitbare Qualitäten als Regisseur. In einem Dampfbad gerät Nikolai in einen Hinterhalt. Zwei mit Messern bewaffnete Killer stechen mehrmals auf ihn ein, was diesen jedoch nicht davon abhält, sich seinerseits mit aller Vehemenz zur Wehr zu setzen. Was folgt, ist ein rasanter und mit unglaublicher Präzision montierter Schlagabtausch, der sich zu einem wahren Schlachtfest auswächst und dessen physische Intensität einem bereits beim Zuschauen körperlichen Schmerzen bereitet. Am Ende liegt Mortensens nackter, für die Rolle mit Tattoos präparierter Körper blutüberströmt auf den weißen Fließen. Es ist ein Bild, das sich tief ins Gedächtnis einbrennt und dabei zugleich als einer der immer spärlicheren Belege für Cronenbergs Unangepasstheit gelten kann.

Für das Drehbuch zeichnete sich Steve Knight verantwortlich, der für sein Skript zu Stephen Frears Dirty Pretty Things immerhin eine Oscar-Nominierung erhielt. Wie dieser thematisiert auch Tödliche Versprechen das Leben einer Gruppe von Immigranten in der britischen Hauptstadt. Allerdings erscheinen die Schilderungen des sozialen Zusammenhalts dieses Mal eher wie folkloristisches Beiwerk, auf das Cronenberg getrost hätte verzichten können. So hält sich der Erkenntnisgewinn in Grenzen, wenn im Restaurant des Patriarchen Semyon anlässlich einer Geburtstagsfeier allerlei Spezialitäten aus der Heimat aufgetischt und alte russische Volkslieder intoniert werden.

Kurzweilig, wenngleich auch wenig spektakulär, ist das, was uns der Film über die Struktur und Regeln der „Vory V Zakone“ zu erzählen hat. Die Mitglieder verstehen sich als die letzten Vertreter einer aussterbenden Kriminellenkaste, die sich einem festen Ehrenkodex verbunden fühlen. In dieser Tradition regiert Semyon seinen Clan mit eiserner Hand. Er straft, lobt und maßregelt, wie er es gelernt hat, und wie er es für richtig empfindet. Armin Müller-Stahl begeht glücklicherweise nicht den Fehler, der Filmgeschichte eine weitere Marlon Brando-Don Corleone-Kopie hinzufügen zu wollen. Seine Darstellung orientiert sich vielmehr am Bild eines nach außen hin sanftmütigen Herrschers, dessen wahres Ich sich erst allmählich dem Zuschauer offenbart.

Naomi Watts hat es da deutlich schwerer, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, was weniger an ihr liegt, sondern schlichtweg der Tatsache geschuldet ist, dass Frauen in Mafia-/Mob-Filmen schon immer kaum mehr als eine hübsche Randnotiz abgaben. Ihre Anna erkundet stellvertretend für den Zuschauer die dunkle Welt der russischen Mafia, wobei sie sich ihren eigenen Wurzeln wieder bewusst wird. Das klingt spannender, als es tatsächlich ist. Denn vorrangig bremsen die Szenen mit ihr und ihrer Familie den Rhythmus und die Dynamik des eigentlichen Gangster-Plots aus. Es kann sogar passieren, dass man Anna ganz vergisst, wenn der Film wieder einmal länger bei Nikolai und den Seinen verweilt.

Vielleicht bleibt Watts in ihrer Rolle so blass, weil sie ständig auf ungleich spannendere und geheimnisvollere Charaktere trifft. Kirill und Nikolai heißen die eigentlichen Hauptdarsteller, um die der Plot und unser Interesse kreist. Cassel hatte anfangs Bedenken, erneut den Bad Guy zu geben. Was für ein Glück, dass er sich schlussendlich doch von Cronenberg hat breitschlagen lassen. Ohne ihn würde dem Film ein Unruheherd fehlen, der für ein Gefühl der permanenten Bedrohung und Anspannung sorgt. Wie einst bei Joe Pescis Auftritten kann man sich auch bei Kirill nie sicher sein, welches Programm in seinen Gehirnwindungen gerade abläuft. Eben noch ist er der scheinbar abgebrühte Gangster und schon im nächsten Moment muss er die Rolle des folgsamen Sohnes spielen. Das ist nicht frei von Komik, wie im Übrigen auch Cassels und Mortensens Darstellung zuweilen die Züge einer Parodie auf das Personalarsenal des Genres trägt. So wie William Hurt am Ende von A History Of Violence den Gangsterboss mit hemmungslosem Overacting der Lächerlichkeit preisgab, bewegt sich ihr Spiel oftmals an der Grenze zur Karikatur. Das von Mortensen gesprochene Englisch mit russischem Akzent klingt ganz danach, als ob ein Amerikaner versuchen würde, Englisch mit russischem Akzent zu sprechen. Wenn Nikolai dann sogar bei Nacht die Sonnebrille nicht absetzen will, feiert der Film ohne Boshaftigkeit das Klischee vom zwielichtigen Osteuropäer.

Für Mortensen ist es bereits die zweite Zusammenarbeit mit Cronenberg. Und selbst wenn seine Leistung in A History of Violence ungleich höher einzustufen ist – die Metamorphose des treusorgenden Familienvaters zum eiskalten Killer ist für einen Schauspieler sicherlich eine wesentlich dankbarere Aufgabe – funktioniert Cronenbergs Neuer als Ganzes betrachtet doch einen Tick besser. So finden sich in Tödliche Versprechen dankenswerterweise keine arroganten Belehrungen oder verfilmte Platituden über den Ursprung von Gewalt. In knapp 100 Minuten gibt es dafür eine atmosphärisch dichte Milieustudie, die vor allem eines soll: Unterhalten.

Für BlairWitch.

Donnerstag, Oktober 25, 2007

Jindabyne - Ein Krebsgeschwür


AUS 2006

++1/2

Ein schreckliches Verbrechen reißt im australischen Provinz-Drama Jindabyne alte Narben und Wunden auf. Basierend auf Raymond Carvers Kurzgeschichte „So Much Water So Close to Home“ schildert Regisseur Ray Lawrence mit Gabriel Byrne und Laura Linney in den Hauptrollen auf subtile Weise die Unzulänglichkeiten menschlicher Kommunikation. Vor der malerischen Kulisse einer unberührten Berglandschaft gelingt seiner Adaption ein fesselndes Beziehungspsychogramm, das den Zuschauer immer wieder geschickt auf falsche Fährten lockt.

Filmkritik:

Es sollte ein ruhiger, entspannter Angel-Trip in die raue Berglandschaft von New South Wales werden. Ein Ausflug nur unter Männer. Zumindest haben sich Stewart (Gabriel Byrne) und seine drei Freunde genau darauf im Vorfeld gefreut. Doch dann entdecken sie im Wasser die Leiche einer jungen Frau. Das Mädchen, eine Aborigine, wurde ganz offensichtlich Opfer eines schrecklichen Verbrechens. Anstatt den Leichenfund jedoch zu melden, beschließen die Männer, zunächst weiter zu angeln, ganz so, als wäre nichts geschehen. Erst einige Tage später wenden sie sich mit ihren Informationen an die örtliche Polizei.

Die Ereignisse um das tote Aborigine-Mädchen sind nur der Auslöser für eine Reihe weiterer subtiler und dennoch dramatischer Entwicklungen, die Jindabyne im Laufe seiner 123 Minuten auf eine bemerkenswert unaufgeregte Art und Weise nachzeichnet. Regisseur Ray Lawrence (Lantana), der eine Kurzgeschichte von Raymond Carver verfilmte, die bereits als eine Episode in Robert Altmans Short Cuts Verwendung fand, lässt sich lange Zeit nicht in die Karten schauen. Zu Beginn scheint es noch so, als würde die Handlung der Logik eines klassischen Thrillers oder Kriminalfalls folgen. Dabei spielt der Film tatsächlich mit typischen Motiven dieser Genres – der Mörder erhält mehrere kurze Gastauftritte –, nur um schlussendlich doch ganz woanders zu landen.

Nachdem die Männer von ihrem Ausflug in der Natur zurückkehren und das tote Mädchen identifiziert ist, treten die Risse in der Gemeinde offen zu Tage. Stewart muss sich von seiner Frau Claire (Laura Linney) den Vorwurf anhören, er habe zu spät gehandelt und damit die Würde der Toten verletzt. Die Situation stellt ihre ohnehin konfliktbeladene Ehe auf eine harte Probe. So war Claire bereits nach der Geburt ihres Sohnes für einige Zeit zu ihrer Schwester gezogen, weil sie mit Stewarts abweisenden Verhalten ihr gegenüber nicht mehr klar kam. Jetzt, als sie bemerkt, dass sie erneut schwanger ist, denkt sie über eine Abtreibung nach, da sie Vergleichbares nicht noch einmal erleben will.

Das Seelenleben seiner Protagonisten seziert das Drehbuch von Beatrix Christian mit einer beeindruckenden Präzision und Schärfe. An der Unfähigkeit zur Kommunikation, zur Aussprache unbequemer Wahrheiten droht die Ehe von Stewart und Claire zu scheitern. Je weiter die Handlung voranschreitet und man als Zuschauer über ihr Zusammenleben erfährt, desto deutlicher treten diese Defizite zu Tage. Das, was Linney und Byrne mit ihren Blicken und Gesten sagen, verrät, wie es in Wahrheit um die Beziehung von Stewart und Claire bestellt ist.

Lawrence lässt die Szenen ihrer Ehe auf die betörende Schönheit der australischen Natur treffen. Die zwischengeschnittenen Landschaftsaufnahmen der Snowy Mountains, jener Gegend um das titelgebende Jindabyne, künden von drohendem Unheil, das allmählich – einem Krebsgeschwür gleich – das Leben in der Gemeinde zu vergiften scheint. Das mitanzusehen ist ebenso spannend wie schmerzhaft.

Für Programmkino.de.

Samstag, Oktober 20, 2007

Halloween - Das Ende eines Mythos


USA 2007

+++

Mit der ersten Meldung, dass niemand Geringerer als Horror-Fanatic Rob Zombie sich an ein Remake von John Carpenters Klassiker Halloween wagen würde, begann unter Freunden des legendären Slashers das große Hoffen und Bangen. Denn auch wenn Zombie mit seinen letzten beiden Produktionen Haus der 1000 Leichen und The Devil’s Rejects hinlänglich bewiesen hat, dass für ihn Horror mehr als nur ein Genre sondern eine echte Herzensangelegenheit ist, für die er lebt und der er sich tief verbunden fühlt, lässt sich nicht leugnen, dass Neuauflagen ruhmreicher Originale nur äußerst selten auf ungeteilte Begeisterung stoßen. Alexandre Ajas ultraharte Version von Wes Cravens Mutantensplatter The Hills Have Eyes stellt eines dieser Raritäten im zuletzt immer dichteren Remake-Dschungel dar.

Nun also Halloween, Michael Myers, Haddonfield. Der Psychopath mit der ausdruckslosen Maske und dem tödlichen Appetit auf Babysitter. Es wird sich – zumindest unter Horror-Freunden – kaum jemand finden lassen, der Carpenters Weckruf für den modernen Slasherfilm nicht gesehen hat. Die zugegeben simple Story wurde in sieben Fortsetzungen mal mehr, mal weniger gelungen neu aufgeführt. Warum sollte die Filmwelt also noch einen neunten Halloween mit offenem Armen empfangen?

Vielleicht weil Zombie einen Ansatz wählte, der schon bei Batman Begins und einem ganz anderen „Held“ der Popkultur funktionierte: Er macht sich daran, die Lücken in der Geschichte zu füllen und offene Fragen zu beantworten. Vor diesem Hintergrund erscheint die erste Dreiviertelstunde der Neuauflage wie ein „Was Sie schon immer über Michael Myers verkorkste Kindheit wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten“. Wo Carpenters Original nach einer kurzen Exposition recht schnell fünfzehn Jahre in der Zeit vorwärts sprang, nimmt sich Zombies Version für die Schilderung der Ereignisse vor der eigentlichen Halloween-Nacht deutlich mehr Zeit. Wir lernen den kleinen Michael (Daeg Faerch) im Umfeld seiner von einem saufenden Stiefvater (wunderbar abgewichst: William Forsythe) drangsalierten Familie kennen. Wir erleben, wie er von Mitschülern gehänselt und verspottet wird, eher sich seine Aggressionen und die angestaute Wut ein schreckliches Ventil suchen. Besonders die Beziehung zu seiner Mutter (Sheri Moon Zombie) arbeitet Zombie, der auch das Drehbuch schrieb, in der Einleitung heraus.

Insofern trifft auf den neunten Halloween zumindest für die erste Hälfte mehr die Umschreibung als Prequel denn als Neuauflage oder bloße Kopie zu. Dabei hat der Film jedoch mit ähnlichen Problemen wie schon andere Prequels vor ihm zu kämpfen. Ganz gleich, wie interessant es sein mag, tiefer in Michaels Kindheit einzutauchen und zu beobachten wie aus einem kleinen Jungen einer der „Kultstars“ des Horrorfachs wurde, eine Ikone, deren Insignien bereits unzählige Male in anderen Werken (Scream) Verwendung fanden, geht mit der detaillierten Rückblende auch immer ein Teil des Mythos verloren. Der bei Carpenter noch so geheimnisvolle, weitgehend identitätslose Killer, der gerade aus diesem Grund Angst und Beklemmung erzeugte, wird hier seiner letzten Rätsel beraubt. Zombie erklärt uns, dass niemand als Psychopath geboren wird, sondern dass erst innere wie äußere Faktoren zusammenkommen müssen, bis jemand schlussendlich zum Massenmörder mutiert. Eine Banalität.

Nach zwei Zeitsprüngen landet der Film schließlich in jener Nacht des 31. Oktober, in der für die junge Laurie Strode (Scout Taylor-Compton) der Kampf ums Überleben beginnen soll. Obwohl sich Zombie ab diesem Punkt weitgehend an der Vorlage orientiert, setzt er stilistisch wie inhaltlich erkennbar eigene Akzente. Neben dem abweichenden Ende fällt auf, dass Laurie nur noch eine Nebenrolle zukommt und die Handlung klar auf Michael zugeschnitten wurde. Ging Carpenter in Sachen Gore seinerzeit noch recht zurückhaltend zu Werke, spritzt das Blut in der 2007er-Version aus allen nur erdenklichen Körperöffnungen. Egal ob Michael seine Opfer ganz oldschool mit dem Messer aufschlitzt, ihnen die Kehle durchschneidet oder lieber den Baseballschläger benutzt und ihnen dabei das Gesicht zu Brei schlägt, blutig wird es in jedem Fall. Zweifel scheinen angebracht, ob die zuletzt in Sachen Gewalt recht rigide FSK eine Freigabe ohne zusätzliche Schnitte erlaubt.

Bei Zombie ist nicht mehr viel übrig geblieben, von der reichlich sauberen Kleinstadt-Idylle, die Carpenter einst präsentierte. Dafür atmen die Bilder von Kameramann Phil Parmet eine dreckige Düsternis. Der Eindruck, Zombie habe über dem Original einen Eimer Schmutz ausgeleert, zieht sich bis kleinste Ausstattungsdetails wie Michaels versiffte „Arbeitskleidung“. Und auch die Sprache ist ungleich verrohter und härter. Der Eingangsmonolog von Michaels Stiefvater ist eine einzige widerwärtige verbale Entgleisung.

Indem der Film recht explizit zur Sache geht und das Duell zwischen Laurie und Michael vor allem als eine physische Grenzerfahrung interpretiert, bei dem das Haus zur Kleinholz verarbeitet wird, mangelt es Halloween zuweilen an der psychologischen Raffinesse und dem Thrill des Carpenter-Erstlings. Die Sorgfalt, mit der Zombie die zentralen Charaktere – Michael, seine Mutter, sowie Dr. Samuel Loomis (dargestellt von Clockwerk Orange-Star Malcolm Mcdowell) – einführt, erscheint rückblickend betrachtet nicht ganz nachvollziehbar. Denn für die grobschlächtige letzte halbe Stunde hätte es eines solchen Aufwands gar nicht bedurft. Als Bewunderer des Ur-Halloween dürfte man das Kino nach 110 Minuten folglich mit durchaus gemischten Gefühlen verlassen. Unbestreitbar ist, dass Zombie mit seiner stilistischen Neuordnung und dem ausführlichen Prolog einem bereits tot geglaubten Franchise neues Leben eingehaucht hat. Bleibt abzuwarten, ob wir demnächst tatsächlich ein Sequel zum Remake vorgesetzt bekommen.

Für BlairWitch.

Mittwoch, Oktober 17, 2007

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford


USA 2007

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Mit Legenden ist das so eine Sache. Zumindest für die Betroffenen bringt dieser Status nicht immer nur Annehmlichkeiten mit sich. Viele sterben jung und einsam. So auch Jesse James, einer der letzten Banditen des Wilden Westens. Von vielen ob seines unbändigen Freiheitsdranges und seiner Unangepasstheit bereits zu Lebzeiten kultisch verehrt, war er bei den Familien seiner Opfer eine verhasste Persona non grata. Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford versucht den Mythos beiseite zu schieben und der Person hinter der Legende auf die Spur zu kommen. Regisseur Andrew Dominik verfilmte den gleichnamigen Roman von Ron Hansen, der sich schwerpunktmäßig mit James’ zwiespältiger Beziehung zu seinem späteren Mörder Robert Ford (Casey Affleck) beschäftigt. Was hat diese beiden Männer verbunden? Was dachte der eine vom anderen und wie konnte es schließlich zu jener Tat kommen, für die Ford mehr Verachtung und Hass als Anerkennung und Zuspruch erfuhr?

Bereits die Besetzung der Freunde wie Gegenspieler Jesse James und Robert Ford mit Hollywood-Star Bard Pitt und Casey Affleck weckte hohe Erwartungen. Und diese enttäuscht Dominiks melancholischer Spät-Western nicht. Pitt ist nach seinen Auftritten in Terry Gilliams 12 Monkeys und dem Globalisierungsdrama Babel längst als Charakterdarsteller etabliert, während Ben Afflecks kleiner Bruder Casey wohl durch seine Darstellung von Robert Ford endgültig in die erste Garde Hollywoods aufrücken dürfte. Nicht nur, dass er dem solide aufspielenden Pitt die Schau stiehlt, ihm gelingt zudem das Kunststück, dem überlebensgroßen Jesse James die Person eines in sich verschlossenen, schüchternen und zweifelnden jungen Mannes entgegenzusetzen.

Nicht James, Ford ist hier die Identifikationsfigur. Dessen Verehrung für ein Ikon der amerikanischen Geschichte, seine ambivalente Beziehung zu einem mehrfachen Mörder, beleuchtet Dominik en detail. Sein Film scheut nicht davor zurück, die Psychologie beider Protagonisten in aller Ausführlichkeit und auf über 150 Minuten auszubreiten, was sich nicht immer frei von Längen darstellt. Statt eines klassischen Western entpuppt sich Die Ermordung des Jesse James… als hochkomplexes Charakterdrama, das nur zufällig dem Bild eines Westerns entspricht. Mit Ausnahme eines Raubüberfalls, welcher jedoch recht schnell abgehandelt wird, spielt sich die "Handlung" nahezu ausschließlich auf der psychologischen Ebene ab.

Dominik scheint bewusst in Kauf zu nehmen, dass seine Adaption mit modernen Sehgewohnheiten nur schwer kompatibel ist und viele Zuschauer, die einen traditionellen Western sehen wollen, vor den Kopf stößt. Soviel Mut nötigt Respekt ab. Und tatsächlich entlässt einen der Film mit einer schweren Melancholie – nicht zuletzt dank der Kameraarbeit eines Roger Deakins, bei dem das verschneite Missouri zuweilen vor karger Schönheit zu bersten scheint –, aber auch mit dem Gefühl, insbesondere der Person Robert Ford erstaunlich nahe gekommen zu sein.

Sonntag, Oktober 14, 2007

Trade - Willkommen in Amerika


USA 2007

++

Jährlich werden Schätzungen zufolge über 800.000 Menschen gegen ihren Willen über Ländergrenzen hinweg verschleppt, um später als Sexsklaven missbraucht zu werden. Der erste US-Film des deutschen Nachwuchsregisseurs Marco Kreuzpaintner (Sommersturm) schildert das Schicksal eines mexikanischen Teenagers und einer jungen polnischen Mutter, die in den USA an den Meistbietenden verkauft werden sollen. Das von Roland Emmerich co-produzierte und mit Hollywood-Star Kevin Kline besetzte Werk kann sich nicht so recht entscheiden, ob es ein ernstzunehmendes Drama oder doch eher ein unterhaltsamer Thriller mit Buddy Movie-Touch sein will.

Filmkritik:

Endlose Häuser-Wüsten, ärmliche Vororte, die bekannten Wahrzeichen, Menschenmassen, organisiertes Chaos. Bereits im Vorspann wird uns Mexico-City als ein riesiger, alles verschlingender Moloch vorgestellt. Dort, wo – so suggerieren es jedenfalls die Bilder – Polizisten korrupt und Kriminelle allgegenwärtig sind, lebt die 13jährige Adriana (eine echte Entdeckung: Paulina Gaitan). Das Mädchen wird, als sie eines Morgens allein im Barrio unterwegs ist, von zwei Männern entführt und an einen geheimen Ort gebracht. Recht bald wird ihr bewusst, dass sie in die Hände eines straff organisierten Menschenhändlerrings geraten ist. Auch die junge Polin Veronica (Alicja Bachleda) befindet sich in der Gewalt der Bande. Diese droht, ihren Sohn zu töten, falls sie nicht das tut, was man ihr befiehlt.

Adrianas älterer Bruder Jorge (Cesar Ramos) heftet sich derweil an die Fersen der Menschenhändler, die ihm anfänglich stets einen Schritt voraus sind. Erst als er Ray (Kevin Kline), einen texanischen Versicherungspolizisten, überzeugen kann, ihm bei der Suche zu helfen, keimt auch in ihm neue Hoffnung auf. Zusammen finden sie heraus, dass Adriana im Internet an den zahlungskräftigsten Bieter verkauft werden soll.

Auf Grundlage eines Artikels des Reporters Peter Landesman für das New York Times Magazine entwickelte Drehbuchautor Jose Rivera das Skript zu Trade – Willkommen in Amerika. Adriana und Veronica stehen dabei stellvertretend für all die Frauen, die ähnliches zu erleiden hatten und haben. Den beängstigend realen Hintergrund, das Wissen, wie wenig ein Menschenleben für manch einen zählt, hätte der Film jedoch gewinnbringender nutzen müssen. Regisseur und Hollywoood-Neuling Marco Kreuzpaintner mag zwar in Ansätzen Gefühle wie Isolation und Hilflosigkeit für den Zuschauer erfahrbar machen, doch in die Tiefe geht sein Film nur selten. Denn die stillen Momente des Leidens unterbricht er immer wieder für einen mitunter reichlich lächerlichen Thriller-Plot. Die Unplausibilitäten fangen an, wenn Jorge in der Millionenstadt Mexico-City zufällig entdeckt, dass seine Schwester in einen Transporter gezerrt wird und ziehen sich bis zu den dilettantischen Fluchtversuchen der Mädchen, die an das dümmliche Verhalten von typischen Horrorfilmopfern erinnern.

Besonders irritiert die Entscheidung, das ernste Thema mit harmlosen Smalltalk und Scherzen zwischen Ray und Jorge auflockern zu wollen. Nicht nur, dass die Tonlagen kaum zusammen passen, Jorges Sticheleien über Rays Musikgeschmack sind der Glaubwürdigkeit seines gesamten Charakters wenig zuträglich, wenn er kurz zuvor noch mitansehen musste, wie seine Schwester gewaltsam verschleppt wird. Die Idee, Elemente eines Buddy-Movies in die Geschichte zu integrieren, zeugt davon, dass den Machern – immerhin heißt einer von ihnen Roland Emmerich – der Unterhaltungsaspekt nicht ganz unwichtig war.

Maria voll der Gnade – ein vergleichbarer in den USA und Lateinamerika situierter Film um junge Frauen, die als Drogenkuriere missbraucht werden – konzentrierte sich ganz auf eine möglichst realistische, semi-dokumentarische Bebilderung des illegalen Grenzverkehrs. Die Geschichte kam weitestgehend ohne dramatisierende Kniffe und Thrills aus. Trade will dagegen gleichsam Drama und Milieu-Thriller sein. Schlussendlich findet er sich damit zwischen allen Stühlen wieder.

Für Programmkino.de.

Freitag, Oktober 12, 2007

Invasion - Zu spät, zu hektisch, zu laut


USA 2007

+1/2

Die Körperfresser (Body Snatchers) zählen zu den Klassikern des Science Fiction- und Horror-Genres. In Don Siegels erster Verfilmung von Jack Finneys Roman aus dem Jahr 1956 spielte noch die Angst vor der roten Gefahr namens Kommunismus die eigentliche Hauptrolle, während im Remake Ende der 70er Jahre die Vertrauenskrise in die politische Führung nach verlorenem Vietnam-Krieg und Watergate-Skandal ihren Ausdruck fand. Nun also, 2007, kehrt die mysteriöse Infektion für ein weiteres Gastspiel auf die Erde zurück. Regie führte dieses Mal der Deutsche Oliver Hirschbiegel, der mit seinen letzten Produktionen Das Experiment und Der Untergang auch international für Furore sorgte. Letztere erhielt sogar eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“.

Auch in Invasion kommt die Gefahr aus dem All. Nach der Explosion des Spaceshuttles „Patriot“, tauchen Gerüchte auf, dass die Wrackteile mit einer seltsamen Substanz kontaminiert sein sollen. Während Beamte des Seuchenzentrums die Untersuchung leiten, beginnt sich das Virus über den Kontakt von Mensch zu Mensch auszubreiten. Dabei greifen die Sporen das Erbgut an, bis die Infizierten jedes menschliche Gefühl verloren haben. Die Psychiaterin Carol Bennell (Nicole Kidman) nimmt anfangs kaum Notiz von der Veränderungen, die in ihrer Umgebung von statten gehen. Eine Patientin (Veronica Cartwright, spielte bereits in Philip Kaufmans Remake mit) berichtet, dass sich ihr Mann plötzlich seltsam verhält. „Mein Mann ist nicht mehr mein Mann!“ klagt sie Carol ihr Leid. Erst als diese an den Halloween-Süßigkeiten ihres Sohnes eine merkwürdige klebrige Substanz entdeckt, beginnt sie, misstrauisch zu werden. Schließlich zieht sie ihren guten Freund und Kollegen Ben Driscoll (Daniel Craig) zu Rate. Zusammen wollen sie dem unheimlichen Phänomen auf die Schliche kommen.

Die Filme der Body Snatcher-Reihe waren immer mehr als bloße SciFi-Kost. Zwar funktionierten sie auch auf der Unterhaltungsschiene, aber erst ihr unterschwelliger Kommentar zum gesellschaftlichen Klima der jeweiligen Zeit machte sie populär. Dieser Tradition folgend, darf der neuste Körperfresser-Angriff gleichsam eine Breitseite gegen den politischen Staus Quo abfeuern. Drehbuchautor David Kajganich dachte sich vermutlich, dass es chic wäre, die Neocons um Präsident Bush und Vize Dick Cheney einmal mehr an den Pranger zu stellen. Leider kommt die Kritik an der Angst-Ideologie der aktuellen Administration mindestens fünf Jahre zu spät. Jetzt, wo das Ende von Bushs Amtszeit kurz bevor steht und das konservative Lager sich in einem insgesamt erbärmlichen Zustand präsentiert, wirken manche Spitzen („Bush und Venezuelas Präsident Chavez unterzeichnen ein Handelsabkommen über die Lieferung von Erdöl.“) reichlich feige. Witze über den Papst ist man selbst als Kritiker des Vatikans irgendwann überdrüssig.

Der eigentliche Plot wirkt mit heißer Nadel zusammengestrickt. Der Vorlage gewinnen Hirschbiegel und Kajganich jedenfalls keine neuen Aspekte ab. Dafür ist ihr Film schneller, actionreicher und lauter, wobei vieles keinem erkennbaren Zweck dient. So will sich der Sinn der an mehreren Stellen eingeflochtenen stakkatoartig geschnittenen „Flashforward“-Sequenzen dem Verfasser dieser Zeilen einfach nicht erschließen. Der gesamte Film ist auf eine möglichst leichte Konsumierbarkeit getrimmt. Dass er darüber hinaus aber keine Identität, keine Persönlichkeit entwickelt, sondern sich letztlich vor allem an durchgestylten Bildern delektiert, scheinen die Verantwortlichen mittels einer möglichst hektischen Rennerei kaschieren zu wollen. Zuweilen, wenn die Kidman wieder einmal von Schauplatz zu Schauplatz hetzt, gibt sich Invasion wie die Hochglanz-Version von Lola rennt.

Für Subtilität scheint Hirschbiegel bei seinem Hollywood-Debüt nur wenig übrig zu haben. Die Infizierten müssen wie Karikaturen seelenloser Roboter herumstolzieren, was nicht nur unfreiwillig komisch sondern zugleich auch ideenlos anmutet. Vergleichbares zeigt jeder Zombiefilm, der allerdings nicht gleich den Anspruch erhebt, ungemein subversiv und doppelbödig zu sein. Im Krawall der schlichten Dramaturgie geht die eher stille Bedrohung deshalb weitgehend unter.

Erschienen bei BlairWitch.

Mittwoch, Oktober 10, 2007

Sicko - Der amerikanische Patient


USA 2007

++1/2

Der Berufspolemiker Michael Moore ist wieder da. In seiner neuen sogenannten Doku knöpft sich der streitbare Filmemacher die Mißstände im US-Gesundheitssystem und die menschenverachtenden Methoden der privaten Krankenversicherer vor - mit nicht immer befriedigenden Resultaten. Weiterlesen auf Evolver.

Freitag, Oktober 05, 2007

Operation: Kingdom - CSI Saudi Arabia


USA 2007

++1/2

Der Mittlere und Nahe Osten entwickelt sich für die Weltmacht USA immer mehr zu einem neuen Vietnam: Ein Schauplatz, an dem das eigene Versagen greifbar wird und an dem die hässliche Fratze des Terrors zunehmend die Oberhand gewinnt. Nicht nur im Irak und in Afghanistan, auch in Saudi-Arabien sind die radikalen Fundamentalisten auf dem Vormarsch. Bin Laden, selber ein Saudi, findet in dem absolutistisch regierten Königreich immer mehr Anhänger und Gefolgsleute, die bereit sind, mit allen Mitteln gegen den herrschenden Clan und die im Land auf heiligem Boden lebenden Ausländer zu kämpfen. Vor dem Hintergrund eines solchen Szenarios spielt sich die Dramaturgie des politisch brisanten Actionthrillers Operation: Kingdom ab, der von Altmeister Michael Mann (Heat, Miami Vice) co-produziert wurde.

Während mehrerer Terroranschläge in einer zumeist von Amerikanern bewohnten Anlage in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad sterben über 100 Menschen. Amerika steht unter Schock. Doch so gerne das FBI die Ermittlungen nach den Hintermännern in die Hand nehmen will, die Saudis wollen es zunächst nicht zulassen, dass es so aussieht, als ob sie selber die Lage nicht mehr unter Kontrolle hätten. Schließlich gelingt es dem FBI doch, ein Spezial-Team für wenige Tage an den Anschlagsort zu entsenden. Doch die Terrorexperten unter Leitung von Agent Ronald Fleury (Jamie Foxx) dürfen keine eigenen Nachforschungen aufnehmen sondern lediglich beobachten, wobei ihnen sogar dabei ein Aufpasser der saudischen Polizei zur Seite gestellt wird. Erst als dieser sich mit Fleury und seinen Leuten anfreundet und sie mit wichtigen Informationen versorgt, kommen die Ermittlungen in Gang.

Wurden die Folterbilder von Abu Ghreib im Horrorgenre längst zur Genüge verarbeitet, so durchzieht auch immer mehr Blockbuster-Produktionen ein beißender Nihilismus, der die Sinnhaftigkeit des von Präsident George W. Bush propagierten Anti-Terror-Kampfes ohne Wenn und Aber verneint. Der 80 Mio. Dollar teure Operation: Kingdom nutzt die Mittel des Action- und Suspense-Kinos, um eine ähnliche Kritik auf die Leinwand zu bringen. Regisseur Peter Berg legt den Finger tief in die Wunde, an deren Schmerzen der Glauben an ein friedvolles Zusammenleben der Kulturen zu zerbrechen droht. Dabei überrascht neben allen ungeschönten Gewaltdarstellungen besonders die Radikalität der Schlusspointe. Diese mutet wie eine Generalabrechnung mit einer heuchlerischen Politik an, die auf beiden Seiten nur neuen Hass und Leid produziert.

Im Gegensatz zum thematisch in Teilen durchaus vergleichbaren Syriana halten die Macher von Operation: Kingdom allerdings nichts von vornehmer Zurückhaltung oder Subtilität. Wo Syriana-Autor Stephen Gaghan ein Mosaik aus scharfsinnigen Beobachtungen zu einem viel größeren Bild zusammensetzte, folgt Bergs Regiearbeit der Logik eines recht geradlinigen Actionreißers. Für eine differenzierte Charakterzeichnung ist da ebenso wenig Platz wie für eine wirklich schlüssige Weiterentwicklung der Handlung. Gerade zum Ende hin, wenn die Explosionen nahezu im Sekundentakt auf den Zuschauer einprasseln und das Blut gleich literweise fließt, tritt die Brisanz des Terror-Themas zugunsten plakativer Action in den Hintergrund. Immerhin ist diese handwerklich derart überzeugend inszeniert, dass zumindest Freunde der rustikaleren Gangart auf ihre Kosten kommen dürften.

Stilistisch präsentiert sich der Film wie zuletzt auch Die Bourne Verschwörung als energetisches, mit harten, schnellen Montagen und einer rastlosen Kamera ausgestattetes Kraftpaket. Dass das Bild hierbei ständig in Bewegung ist und nicht einmal für wenige Sekunden eine Person oder eine Szenerie fixiert, erzeugt ein Gefühl der permanenten Verunsicherung. Das Hier und Jetzt erscheint in Hollywoods neuer Actionwelt stets noch einen Tick düsterer, aussichtsloser und bedrohlicher als die ohnehin schon deprimierende Realität. Wenn es also stimmt, dass das Kino immer auch den jeweils herrschenden Zeitgeist abbildet, dann sagt Operation: Kingdom viel darüber aus, wie sich der Westen im Diskurs der Kulturen derzeit fühlt: Ohnmächtig und Schwach.

Erschienen im Smart Investor.

Mittwoch, Oktober 03, 2007

Die Vorahnung - Ein Film für Eva Herman


USA 2007

+1/2

Geschichten, die mit dem Phänomen des Zeitreisens spielen, verheddern sich oftmals in ihrem eigenen Konstrukt, in Inkonsistenzen und logischen Fallstricken, wenn sie ihr Konzept nicht stringent bis zum Ende durchdenken. So unwahrscheinlich und unrealistisch die Prämisse auch sein mag, damit der Film funktioniert, ist es notwendig, entweder eine zumindest im Rahmen der Geschichte verständliche oder – die Alternative – gar keine Erklärung anzubieten und alles im Bereich der Spekulation zu belassen. Oder gab es jemals eine Begründung dafür, warum Bill Murrays Alter Ego in Und täglich grüßt das Murmeltier plötzlich in der Zeitschleife gefangen war? Nein, der Film war auch ohne dies ein Knaller.

Die Vorahnung entscheidet sich für den gefährlichen Mittelweg und verliert sich dabei in einem spirituellen, religiösen Gerede über Schicksal und Vorbestimmung, kurzum über das, was sich nicht ändern lässt oder worauf man als Mensch nur schwerlich einen Einfluss hat. In einer der für das Verständnis des Films zentralen Szenen erhält die von Sandra Bullock verkörperte Heldin von einem Priester eine Unterweisung in die großen Dinge des Lebens. Danach, so scheinen die Macher zu hoffen, werde der Zuschauer schon nicht länger nach dem „Warum?“ für den unglaublich ernst vorgetragenen Visions-Mumpitz fragen, sondern schlicht akzeptieren, dass sich jede Erklärung auf einer metaphysischen Ebene, sprich im Bereich des Glaubens, abspielt.

Die eigentliche Handlung setzt ein, als Linda Hanson (Sandra Bullock) eines Tages die schreckliche Nachricht vom Unfalltod ihres Ehemanns Jim (Nip/Tuck-Star Julian McMahon) übermittelt bekommt. Der Mann, den sie liebt und der der Vater ihrer beiden Töchter ist, soll bei einem Autounfall gestorben sein. Der Schock darüber erschüttert ihr Innerstes. Unfähig überhaupt noch einen klaren Gedanken zu verfassen, verlebt Linda den Rest des Tages wie in Trance. Am nächsten Morgen muss sie dann eine noch unglaublichere Entdeckung machen: Jim lebt! Ganz so, als hätte es nie einen Unfall gegeben. Linda weiß plötzlich nicht mehr, was sie glauben soll. Hat sie sich das alles nur eingebildet? War der Unfall womöglich nur ein Albtraum?

Dass die erste US-Produktion des deutschen Regisseurs Mennan Yapo, der über das stilistisch aufregende, inhaltlich aber reichlich dröge Profikiller-Drama Lautlos von Hollywood entdeckt wurde, auf jede ironische Brechung des Zeitreise-Aspekts verzichtet und nicht wie der thematisch verwandte The Butterfly Effect zumindest ab und an durchblitzen lässt, dass das Ganze eigentlich vor allem unterhalten soll, gehört zu den vielen unglücklichen Entscheidungen von Drehbuchautor Bill Kelly. Eine andere betrifft die Ausgestaltung der beiden zentralen Charaktere. Linda gehören zweifellos alle Sympathien, doch obwohl der Film ganz auf sie und damit auf Publikumsliebling Sandra Bullock zugeschnitten ist und kaum eine Szene ohne sie auskommt, erfährt man recht wenig über ihre Person. Abseits der klischeebeladenen Bilder einer treusorgenden Mutter und Hausfrau – Eva Herman wäre stolz auf Linda – hat Kelly nicht viel zu erzählen.

Selbiges trifft auf Jim zu, der sich zudem mit deutlich weniger Leinwandzeit begnügen muss. Seine Beziehung zu Linda erscheint als Vakuum. Ihre Liebe, das, was sie verbindet, wird nie wirklich greifbar, weshalb es schwer fällt, zu den beiden und ihrer Geschichte eine Bindung aufzubauen. Das Vor- und Zurückspringen in der Zeit, einmal ist Jim bereits tot, ein anderes Mal hat der Unfall noch nicht stattgefunden, böte genügend Ansatzpunkte für ein interessantes Spiel mit Eventualitäten und den Paradoxien des Zeitsprung-Phänomens. Doch auch an dieser Stelle verschenkt der Film ohne Not sein Potenzial, in dem er keinerlei Interaktion zwischen den einzelnen Handlungssträngen zulässt. Filmisch sind sich darüber hinaus beide Zeitebenen einfach viel zu ähnlich. Yapo bleibt geradezu mechanisch einem Tempo, einem Rhythmus von der ersten Szene bis zum Abspann treu. Und so kocht der groß angekündigte psychologische Suspense-Faktor weitgehend auf Sparflamme.

Bedenkt man, mit welcher Leichtigkeit der mit erheblich weniger Aufwand produzierte TV-Film 12:01 bereits Anfang der 90er die Murmeltier-Pointe in das Thriller-Genre überführte, wiegt die Enttäuschung über das wenige, was Die Vorahnung letztlich zu erzählen hat, umso schwerer nach. Hier haben wir es mit einem laut Pressenotiz „emotionalen Thriller“ zu tun, der weder emotional noch Thriller ist.

Für BlairWitch.

Montag, Oktober 01, 2007

Ratatouille - Jede Menge junges Gemüse


USA 2007

+++1/2

Pixar bleibt seinem makellosen Track Record unter den CGI-Animateuren treu. Auch Ratatouille gelingt der Sprung in die erste Liga computeranimierter Familienunterhaltung. Mein Senf zum schmackhaften Pixar-Menü lässt sich auf Critic.de nachlesen.