Montag, Mai 30, 2011

Die Relativitätstheorie der Liebe - 5x2


D 2011

++1/2

Zwei Schauspieler, vier Paare, zehn Rollen. So lautet kurzgefasst das Konzept dieser deutschen Liebeskomödie, in der Olli Dittrich und Katja Riemann einmal mehr ihre enorme Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Ein Experiment letztlich ohne allzu große Risiken. Weiterlesen auf Koeln.de.

Mittwoch, Mai 25, 2011

Wer ist Hanna? - Live & Kill


USA/GB/D 2011

+++1/2


Ein Teenager und sein Vater werden von einer resoluten, eiskalten Geheimdienstagentin und ihren Schergen durch halb Europa gejagt. Aus dem vertrauten Grundriss bekannter Agententhriller erschafft der britische Filmemacher Joe Wright (Abbitte) ein rasantes, verspieltes und hochemotionales Stück Kino, das sich nur schwer in die Vorgaben eines bestimmten Genres einordnen lässt. Wer ist Hanna? verknüpft Elemente des Actionfilms mit Coming-of-Age-Anteilen und den Zutaten eines dunklen Märchens. Ein Erfolg auf ganzer Linie.

Filmkritik:

Hanna (Saoirse Ronan) ist so ziemlich das Gegenteil eines normalen Teenagers. Dieses Anderssein erklärt sich bereits mit dem Ort, an dem sie aufwächst. Sie und ihr Vater Erik (Eric Bana) leben in einem kleinen Holzhaus mitten im Nirgendwo, genauer in den meist schneebedeckten Wäldern nahe des Polarkreises. Während andere Mädchen in ihrem Alter sich das erste Mal vorsichtig für Jungs zu interessieren beginnen, geht sie auf die Jagd nach Rentieren. Ihr Wissen über die Welt da draußen gründet sich nahezu ausschließlich auf die Erzählungen ihres Vaters. Hanna erscheint hungrig auf neue Erfahrungen und Begegnungen. Beim Anblick eines Flugzeugs packt sie endgültig das Fernweh. Sie will fort, auch wenn sie weiß, dass sie sich dadurch in große Gefahr begibt.

Die Gefahr erscheint jedoch zunächst weit weg und ist für Hanna nur in Gegenstand eines kleinen, unscheinbaren Ortungsempfängers sichtbar. Um von hier wegzukommen, muss sie dessen Peilsender aktivieren. Es ist der Beginn einer atemberaubenden, schweißtreibenden zugleich aber auch immer faszinierenden Hatz quer durch Europa, bei der sie und ihr Vater versuchen, auf getrennten Wegen an den zuvor ausgemachten Treffpunkt zu gelangen. Gejagt wird das Duo von mächtigen Verfolgern. Die resolute Geheimdienstlerin Marissa Wiegler (Cate Blanchett), die es augenscheinlich vor allem auf Hannas Vater abgesehen hat, will einen Erfolg um jeden Preis. Zu brisant erscheint das Geheimnis, dass in der DNA des Mädchens verborgen liegt.

Die Dynamik und Spannung, die Joe Wrights Wer ist Hanna? von Beginn an ausstrahlt, ist selbst im Suspensekino eine Seltenheit. Dabei setzt der bislang nicht gerade im Actionfach anzutreffende Regisseur von Filmen wie Stolz und Vorurteil und Abbitte weniger auf aufwändige Materialschlachten denn auf faszinierende Charaktere und die Kraft einer mitreißenden, gleichwohl recht geradlinigen Story. Im Mittelpunkt steht dabei die 16-jährige Hanna. Mit einer Mischung aus Ronja Räubertochter und Lara Croft verkörpert Abbitte-Entdeckung Saoirse Ronan ihren physisch überaus anspruchsvollen Part. Ihr gelingt das Kunststück, dass wir das Interesse an Hanna nie verlieren. Schon in ihren Augen spiegelt sich Hannas faszinierende Wildheit und Kompromisslosigkeit, die beide als Motor und Antriebskraft des Films über die ganzen 110 Minuten hinweg glänzend funktionieren. Aber auch ihre Gegenspieler – und da vor allem Cate Blanchetts eiskalte Vater-Tochter-Jägerin – entwickeln in diesem erbarmungslos geführten, tödlichen Katz-und-Maus-Spiel eine beeindruckende Durchschlagskraft.

Meisterhaft ist schließlich auch die Verpackung. Die Ideen, die Wer ist Hanna? in Bezug auf die Gestaltung von Bild, Ton und Schnitt durchziehen, sind mit dafür verantwortlich, dass sich die Geschichte so vehement in unser Gedächtnis einbrennt. Wright erschafft ein intensives Kinoerlebnis aus schnellen und bewusst entschleunigten Passagen, aus einerseits kinetischen Verfolgungssequenzen, die von den harten Bässen der „Chemical Brothers“ und einer vollkommen entfesselten Montage angetrieben werden, und andererseits ruhigen, intimen Momenten, in denen wir das Mysterium Hanna zu entschlüsseln versuchen. Die Choreografie der einzelnen, sehr harten und direkten Actioneinlagen setzt auf Handgemachtes und verzichtet gleichzeitig auf die schon länger ziemlich angesagte Wackeloptik – ein Segen und eine Seltenheit. Nicht fehlen darf bei Wright hingegen ein längerer One-Take-Shot, den man nach Abbitte fast schon als sein Erkennungszeichen definieren könnte.

Wer ist Hanna? ist letztlich ein Arthousefilm im Gewand eines rasanten Agententhrillers. Dort, wo andere Vertreter des Genres keinen Tiefgang, keine Seele und kein Gefühl entwickeln, schlägt hier ein vitales, sperriges und bisweilen finsteres Herz, das sich nur schwer bändigen oder in Kategorien einordnen lässt. Wrights visuell aufregender Trip quer durch Europa und Nordafrika – Hannas Abenteuer beginnt am Polarkreis und geht von dort aus über Marokko, Südspanien und Frankreich weiter bis nach Berlin – beinhaltet zwar manche Züge eines verschachtelten Geheimdienststücks, viel mehr als das ist er aber ein dunkles Märchen, in dem der böse Wolf ein besonders gerissenes Rotkäppchen jagt. Spätestens mit dem surrealen Finale in einem geschlossenen Freizeitpark dürfte klar sein, dass diese „Hanna“ mehr von den Gebrüder Grimm als von Jason Bourne in sich trägt.

Für Programmkino.de.

Freitag, Mai 20, 2011

Fluch der Karibik - Fremde Gezeiten


USA 2011

+1/2

Bereits zum vierten Mal segelt Johnny Depp als exzentrischer Captain Jack Sparrow über die Weltmeere. Der berühmteste Pirat der Filmgeschichte tritt dabei wie gewohnt von einem Fettnäpfchen ins nächste, was inzwischen leider lustiger klingt als es ist. Mit von der Partie sind dieses Mal auch einige neue Gesichter. Weiterlesen auf Koeln.de.

Montag, Mai 09, 2011

Arthur - The Best Things in Life are Free


USA 2011

++

Der Sprössling einer schwerreichen Unternehmerdynastie will sich nicht so recht in die Tradition der Familie einfügen. Schlimmer noch: Er trinkt, feiert exzessive Partys und ist auch sonst kein Kind von Traurigkeit. Es scheint, als habe der britische Star-Comedian Russell Brand seine Traumrolle gefunden. Weiter geht's auf Koeln.de.

Donnerstag, Mai 05, 2011

Scre4m - Zeitreise in die Neunziger


USA 2011

+++

Wie schnell die Zeit vergeht. Fünfzehn Jahre ist es mittlerweile her, als zum ersten Mal ein maskierter Schlitzer das kleine, beschauliche Woodsboro heimsuchte. Mit Scream, dieser selbstreflexiven und höchst unterhaltsamen Spiegelung des Slasher-Genres, löste Horrorveteran Wes Craven Mitte der Neunziger eine neue Hysteriewelle im davor ziemlich tot geglaubten Genrekino aus. Die Schwemme an Teenie-Gruselfilmchen, von denen manche wie Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast noch akzeptabel, viele andere dagegen vollkommen ungenießbar waren, machte deutlich, wie erfolgreich Cravens Wiederbelebungsversuch letztlich war. Es folgten zwei Fortsetzungen, in denen das Spiel mit Genrezitaten und –regeln auf die Spitze getrieben wurde. So bekamen Ghostface und seine Opfer sogar einen Film-im-Film spendiert. „Stab“ hieß das Ding und wurde laut den Credits im Vorspann von Möchtegern-Grindhouse’ler Robert Rodriguez inszeniert.

Nun also der vierte Streich und der beginnt gleich so, wie man es im besten Falle von Cravens Meta-Slasher erwarten durfte. Dabei geben die ersten Minuten auch gleich die Richtung vor, in die Scre4m marschieren soll. Der Spaßfaktor wurde wie schon im Vorgänger deutlich ausgebaut, wodurch sich die Reihe immer mehr von ihrer noch aus den ersten beiden Teilen gewohnten, recht geradlinigen Slasher-Handlung entfernt. Für Spannung und durchaus überraschende Schockmomente ist zwar weiterhin gesorgt, die Lust am Zitat, am Ich-bezogenen Gedankenspiel überwiegt jedoch dieses Mal um Längen. Mit jeder Einstellung blinzelt uns diese unbändige Freude, die Craven und sein Autor Kevin Williamson augenscheinlich beim Schreiben und dann auch beim Dreh gehabt haben müssen, entgegen. Alles atmet hier Filmgeschichte und alles funktioniert zugleich wunderbar als liebevoll-ironischer Kommentar auf das Genre, das Craven bis zum heutigen Tag entscheidend mitprägt.

Der Schrecken für die Bewohner von Woodsboro beginnt mit dem Jahrestag der gruseligen Ereignisse aufs Neue. Ghostfaces „Lieblingsopfer“ Sidney Prescott (Neve Campbell) ist gerade in ihren Heimatort zurückkehrt, um ihren Selbsthilferatgeber vorzustellen, da greift der maskierte Schlitzer erneut zum Messer. Sidneys Umfeld scheint von da an in höchster Gefahr. Vor allem auf ihre Cousine Jill (Emma Roberts) und deren Freunde hat es der Killer ganz offensichtlich abgesehen. Welches Motiv er dabei genau verfolgt, ist zunächst unklar. Jeden kann es treffen. Sogar die alten Haudegen sind nicht länger sicher. Während Ghostfaces überraschendes Comeback für Sheriff Dewey (David Arquette) und seine neue Kollegin Deputy Hicks (Marley Shelton) jede Menge Überstunden bedeutet, wecken die Morde in Deweys Frau, Ex-Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox), ihren journalistischen Jagdinstinkt.

Mehr über die Story von Scre4m zu verraten, wäre unfair und vermutlich auch nicht in Cravens Sinne. Obwohl der Film im Gegensatz zu vielen Genrekollegen und Scream-Rip-offs weit mehr als ein nacktes Whodunit-Konstrukt anzubieten hat, trägt das Knobeln und Rätseln über die Identität des Maskenmannes doch erheblich zum durchweg hohen Unterhaltungswert dieser weit überdurchschnittlichen Fortsetzung bei. Falsche Fährten gibt es genug, womit Teil vier sowohl die Tradition der Reihe als auch die des Genres konsequent fortsetzt und bedient. Genauso akribisch wurden von Williamson die Gesetzmäßigkeiten des Horrorkinos in den gerade zum Ende hin herrlich absurden Plot eingebaut. Die Liebe zum Detail, zum cineastischen Erbe und insbesondere zu den Figuren, die uns wie Dorf-Sheriff Dewey über all die Jahre ans Herz gewachsen sind, hebt Scre4m mehr als jede zugegeben nette Spielerei mit doppelten und dreifachen Böden aus der oftmals viel zu trüben und fantasielosen Masse des Slasherfilms heraus.

Natürlich lässt sich Teil vier ohne Vorwissen der Vorgänger ansehen und bis zu einem gewissen Punkt auch verstehen. Die meisten Bezüge weisen schließlich längst über die eigene Serie hinaus. Bereits in der genialen, weil an Ironie kaum mehr zu überbietenden Eröffnung bekommen Saw und andere Vertreter der letzten Torture-Porn-Welle auf eine sehr charmante Art ihr Fett weg. Dieses Ping-Pong-Spiel zwischen der eigenen und der Historie des Genres geht fortan munter weiter, wobei Williamson all das in messerscharfe und intelligente Dialoge verpackt. Manch ein Satz dürfte so noch in zehn Jahren zitiert werden. „You forgot one rule about remakes: Don’t fuck with the original!“ hätte sich vermutlich auch als Tagline gut gemacht.

Im Film wird die neue Scream-Garde von Emma Roberts angeführt. Sie ist zugleich das Gesicht einer Generation, die sich ganz selbstverständlich in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter bewegt, was Williamson selbstredend nicht unkommentiert lässt. Schließlich war und ist „Scream“ immer auch Zeitgeist-Kino, das über den Tellerrand des eigenen Genres herausblickte. Für die Fans der ersten Stunde fühlt sich das Wiedersehen mit Neve Campbell, Courteney Cox und David Arquette hingegen fast schon wie ein Klassentreffen an. Die Helden von damals kämpfen inzwischen gegen Falten, graue Haare und erste körperliche Wehwehchen. Ghostfaces Rückkehr ist für sie und für uns das lang ersehnte „Zurück in die Zukunft“ – ein Spaß, der das Bekannte nimmt, umwirft und es zu einem etwas Neuen zusammensetzt. New decade, new rules!

Für BlairWitch.de.

Montag, Mai 02, 2011

Mütter und Töchter - Kreuzende Parallelen


USA 2010

++1/2

Mütter und Töchter ist ein klassischer Frauenfilm - und das nicht, weil die darin verhandelten Themen Männer nicht interessieren würden. Vielmehr weist die Geschichte Männern lediglich eine Nebenrolle zu. Im Zentrum stehen stattdessen drei spannende, miteinander verwobene Frauenschicksale. Rodrigo Garcia, Sohn des Literaur-Nobelpreisträgers Gabriel Garcia Márquez, erzählt in seinem Film von der besonderen Verbindung zwischen Eltern und ihren Kindern, von einer bisweilen schmerzhaften Suche und den Bausteinen der eigenen Identität. Als ausführender Produzent fungierte Alejandro González Iñárritu (Babel).

Filmkritik:

Das Band zwischen Mutter und Tochter scheint unter allen Verwandtschaftsbeziehungen besonders eng geknüpft. So nah beisammen wie an dieser Stelle ist Familie nur selten. Ausgehend von dieser Beobachtung erzählt Rodrigo Garcia in Mütter und Töchter gleich von mehreren, recht unterschiedlichen Banden, die – obwohl abgerissen, unterentwickelt oder scheinbar überhaupt nicht existent – die Leben der mit ihnen verbundenen Eltern und Kinder auf eine sehr bestimmte Art prägen und beeinflussen. Drei Schicksale, die von Garcia zunächst isoliert betrachtet und im letzten Drittel des Films dann zueinander geführt werden, bilden das narrative Gerüst.

Für Karen (Annette Bening) liegt das Ereignis, was sie bis heute nicht losgelassen hat, inzwischen fast vier Jahrzehnte zurück. Damals, mit gerade einmal 14 Jahren, sah sie sich gezwungen, ihre Tochter zur Adoption freizugeben. Während sie unterstützt von ihrem neuen Freund Paco (Jimmy Smits) die Suche nach der mittlerweile erwachsenen Tochter wieder aufnimmt, befindet sich die erfolgreiche Anwältin Elizabeth (Naomi Watts) ihrerseits auf der Suche nach der Mutter, die sie nie hatte. Schnell ist klar, dass Karen und Elizabeth eine gemeinsame Vergangenheit teilen. Welche Rolle hingegen der jungen Lucy (Kerry Washington) zukommt, zeigt sich erst viel später. Zusammen mit ihrem Mann hat sie alles versucht, um schwanger zu werden – vergeblich. Ihre letzte Hoffnung lautet daher Adoption. Doch die Frau, die Lucys Baby auf die Welt bringen soll, plagen Zweifel, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hat.

Über weite Strecken einfühlsam und zurückhaltend erzählt, entwirft Garcia ein stimmiges Bild von Mutterschaft in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Vor allem aus der Abwesenheit von Nähe und gemeinsam verlebter Zeit, die nach Garcias Meinung mehr als die rein biologische Komponente das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern bestimmt, ergeben sich mitunter recht komplexe Fragestellungen. Lässt sich auch nach dreißig oder vierzig Jahren eine „normale“ Mutter-Tochter-Beziehung neu aufbauen? Wie beeinflusst eine solch lange Trennung unsere Identität? Und was geschieht eigentlich mit uns, wenn wir ohne Kenntnis unserer Herkunft aufwachsen? Garcia deutet immer wieder Antworten an. So portraitiert er Elizabeth als eine entwurzelte Frau, die sich im Job vermeintlich männliche Eigenschaften aneignet und gleichzeitig in ihren Beziehungen vor jeder festen Bindung zurückschreckt. Mit dieser naheliegenden Analyse wagt sich der Film allerdings auch sehr auf hobbypsychologisches Glatteis. Vermutlich sind die wahren Folgen vielschichtiger, als dass man sie problemlos in zwei Stunden Kino verpacken könnte.

Spätestens seit L.A. Crash erfreuen sich Filme mit parallel verlaufenden Handlungssträngen und finaler Übereinkunft großer Beliebtheit. Dabei scheint es letztlich egal zu sein, wie kunstvoll ein Regisseur das im Drehbuch angelegte Puzzle am Ende auch auflöst. Der Geschichte haftet stets etwas Künstliches an, da mit Blick auf das Ende Wendungen forciert und Zusammenhänge konstruiert werden. Auch in Mütter und Töchter treten bestimmte Stellschrauben des Drehbuchs überdeutlich hervor und doch mag man hier großzügiger als in anderen Fällen über sie hinwegsehen. Das liegt zum einen an Garcias Fähigkeit, sein sehr persönliches Anliegen in lebendige, glaubhafte Charaktere einfließen zu lassen, zum anderen garantieren die Schauspieler – und da ganz besonders die zuletzt für ihre Rolle in The Kids are all right Oscar-nominierte Annette Bening –, dass man dieser Geschichte über das Suchen und Finden jederzeit mit Interesse und Empathie folgt.

Für Programmkino.de.