Montag, Mai 28, 2007

Wetteraussichten

Now that it's raining more than ever
Know that we still have each other
You can stand under my Umbrella


Was Schultze wohl dazu sagen würde? "Schön!" vermutlich...

Samstag, Mai 26, 2007

GG 19 - Schulfernsehen der ganz üblen Sorte


D 2007

+

Allein das Vorhaben klingt ehrgeizig und nicht frei von Stolpersteinen: Regisseur und Produzent Harald Siebler unternahm zusammen mit 18 Nachwuchsregisseuren den Versuch, die 19 Grundrechte des Grundgesetzes in Form von jeweils in sich abgeschlossenen Kurzgeschichten zu verfilmen. Unterstützt von reichlich Schauspielprominenz – Karoline Eichhorn, Anna Thalbach, Justus von Dohnany und Josef Ostendorf übernahmen jeweils einen Part – und gefördert von öffentlichen wie privaten Finanziers sollte GG19 ein Stück informatives, politisches Kino werden, das sein Publikum zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Soweit die Theorie, denn die Praxis sieht anders aus.

Filmkritik:

Auf den ersten Blick verwundert es schon, dass der Ansatz, sich filmisch den Grundrechten zu nähern, bislang eigentlich noch von niemand ergriffen wurde. Immerhin gilt das Grundgesetz seit 1949, wobei es seitdem zu einigen politisch heftig umstrittenen Änderungen wie der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und der Unverletzlichkeit der Wohnung kam. Aus einer solchen jedem von uns mehr oder weniger vertrauten Vorlage müsse sich doch ein engagiertes Kinoprojekt formen lassen, dachte sich auch Regisseur und Produzent Harald Siebler.

Siebler wollte GG19 in Kooperationen mit jungen Filmemachern – zumeist Absolventen deutscher Filmhochschulen – verwirklichen. Weil sich das Thema augenscheinlich auch zu Unterrichtszwecken eignet, wurde sogar die Bundeszentrale für politische Bildung in die Förderung der Projektentwicklung miteingebunden. Eine Jury, der u.a. der verstorbene Verfassungsrechtler Prof. Jürgen Seifert, die Schauspielerin Maria Schrader und Filmproduzent Richard Schöps angehörten, fiel die keineswegs leichte Aufgabe zu, aus über 480 Einsendungen die 19 Drehbücher auszuwählen.

Wer dem Zynismus nicht abgeneigt ist, kann nach Ansicht des 120-minütigen Endprodukts lange darüber philosophieren, wie schlecht womöglich die anderen Entwürfe gewesen sein müssen, angesichts dessen, was die „Experten“ für umsetzungswürdig erachteten. Vermutlich liegt in dieser Grundkonstruktion schon der entscheidende Fehler, der erklärt, warum GG19 über didaktisch aufdringliches Anschauungsmaterial für den Gesellschaftskundeunterricht nicht hinauskommt. Wenn kollektive, politisch korrekte Entscheidungsfindung den kreativen Prozess des Filmemachens durchkreuzt und ein sicherlich ehrenwertes Ziel wie die Diskussion über Grundrechte das „Wie“ der Umsetzung dominiert, dann kann dabei nur schwerlich etwas Überzeugendes entstehen.

Abgesehen von der Konzeption des Films als ein loser Flickenteppich von einander strikt getrennter Geschichten, krankt Sieblers politische Lehrstunde an der größtenteils fehlenden Abstraktion des jeweiligen Themas, sprich des jeweiligen Grundgesetzartikels. Das eingeschränkte Grundrecht auf Asyl wird plakativ mit herzlosen Beamten und einer einfallslos bebilderten Abschiebeprozedur illustriert, die Versammlungsfreiheit muss selbstverständlich mit einer vor dem Reichstag demonstrierenden resoluten Dame, die ein Plakat mit der Aufschrift „Nie wieder“ trägt, veranschaulicht werden. Zu ihr gesellt sich zu allem Überfluss ein jüngerer Mann, der die Wohlfühlbotschaft „Gemeinsam sind wir stark!“ hochhalten darf. In diesen Momenten erschlägt die ehrenwerte Absicht, über den Film das politische und demokratische Bewusstsein schärfen zu wollen, die Dramaturgie der einzelnen Episoden. Statt sich vielleicht subtil einem Aspekt wie dem in Artikel 5 Absatz 1 verbürgten Zensurverbot zu nähern, werden dem Zuschauer die Pro- und Contra-Argumente in Form einer plakativen Gerichtsverhandlung sprichwörtlich entgegen geschrieen, bei dem der erhobene Zeigefinger omnipräsent ist und sogar eine tolle Schauspielerin wie Karoline Eichhorn auf verlorenem Posten kämpft. So ist letztlich nur gewährleistet, dass einem die Lust, sich näher mit unserer Verfassung zu beschäftigen, garantiert vergeht.

Nach einem skurrilen und surrealen Einstieg, der seinen Autor immerhin als Freund von Franz Kafka und Tim Burton outet und der dabei mit den Absurditäten des öffentlichen Verwaltungsapparates spielt, verflacht die Inszenierung zunehmend auf sehr überschaubarem TV-Niveau. Mausgrau und fade erscheint die Verpackung in Bild und Ton und so kommt es, dass sich der Film äußerst zäh von Grundrecht zu Grundrecht schleppt und man als Zuschauer nach jedem Beitrag das Ende herbeisehnt. Auch die originelle, verspielte Geschichte um ein frisch gebackenes Hausbesitzerpärchen ändert daran nichts mehr. Im Gegenteil: Diese mit leichter Hand erzählten 6 Minuten lassen einen schlagartig erkennen, was GG19 die meiste Zeit über schmerzlich fehlt.

Für Programmkino.de.

Dienstag, Mai 22, 2007

Pirates of the Carribean - Am Ende der Welt


USA 2007

+1/2

Captain Jack is back is back. Zum dritten Mal schickt Disney mit Pirates of the Carribean – Am Ende der Welt den wohl berühmtesten Piraten der Filmgeschichte in das Rennen um den Blockbuster des Jahres. Nach dem überwältigenden Erfolg von Teil 1 entschloss man sich dazu, gleich zwei Fortsetzungen im Doppelpack abzudrehen, die im Abstand von rund einem Jahr starten sollten. Leider zeigte das Disney-Franchise bereits in der zweiten Runde eindeutige Abnutzungserscheinungen, die sich neben der fehlenden Frische des Originals vor allem in Bezug auf die fantasielose Plot-Konstruktion und den Hang zur Überlänge bemerkbar machten. Regisseur Gore Verbinski dehnte den Kampf gegen den untoten Piraten Davy Jones zu einer zweieinhalbstündigen Geduldsprobe aus, bei der sich die eigentlich legitime Substanzlosigkeit des Ganzen mitunter selbst ad absurdum führte.

Denn eigentlich war und ist Fluch der Karibik nichts weiter als die perfekt choreographierte Johnny Depp-Show. Ohne ihn und seine schrullig-tollpatschige Verkörperung des Anti-Freibeuters mit dem besonderen Faible für Cayal und Dreadlocks hätten die Filme niemals diesen kommerziellen Erfolg. Über eine Milliarde Dollar spielte allein die letztjährige Fortsetzung ein. Mal ehrlich: Wie unterhaltsam ist es, Keira Knightley und Orlando Bloom beim gegenseitigen „sich Anschmachten“ zuzusehen? Das wusste auch Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer. Das Kalkül, mit Depp nicht nur einen großartigen Schauspieler sondern zugleich das filmische Äquivalent des Rock’n’Rolls aufzubieten – rebellisch, unangepasst, sexy – ging ohne jeden Zweifel auf.

Teil 3 beginnt damit, dass das Trio aus Will Turner (Orlando Bloom), seiner Geliebten Elizabeth Swann (Keira Knightley) und des von den Toten zurück gekehrten Captain Barbossa (Geoffrey Rush) die Suche nach dem über das Ende der Welt hinaus verbannten Jack Sparrow (Johnny Depp) aufnimmt. Dazu treffen sie in Singapur den mächtigen Piraten-Boss Sao Feng (Chow Yun-Fat). Von ihm erhoffen sie sich Unterstützung bei ihren Vorhaben, einerseits Jack zu finden und zugleich dem Treiben des gerissenen Lord Cutler Beckett (Tom Hollander) Einhalt zu gebieten. Dieser hat mit der East India Trading Company die Kontrolle über die Weltmeere und das Geisterschiff von Davy Jones (Bill Nighy) erlangt. Während er Jones unter seinem Kommando als willigen Handlanger arbeiten lässt, setzt er alles daran, unseren Helden auf die Spur zu kommen.

Nun liegen die Stärken der Reihe weniger auf dem Gebiet der Story als im Bereich der amüsanten Anekdoten und Zitate, die auch mit filmhistorischen und anderen popkulturellen Querverweisen arbeiten. Am Ende der Welt greift in ein recht nahe liegendes auf, das allerdings ungemein charmant. Da Captain Jack Sparrow problemlos den ersten Platz in jedem Keith Richards-Doppelgänger-Wettbewerb abräumen würde, erschien es nur konsequent, Jacks Vater von niemand anderem als Keith Richard himself spielen zu lassen. Ja, er ist es wirklich, der erste Eindruck täuschte nicht. In zwei Szenen darf der Rolling Stone-Bassist Jacks alten Herrn geben. Schon deswegen kann man Teil 3 nicht in Grund und Boden schreiben, auch wenn dieses Mal fast nichts mehr zusammen passt.

Das fängt mit der im Vergleich zu Teil 2 nochmals um rund 20 Minuten aufgeblähten Laufzeit an, steigert sich über die ungemein zähen, einschläfernden Wortduelle vor allem während der ersten Filmhälfte und endet bei den trotz üppigen Budgets recht bieder inszenierten Seeschlachten, ein fader Aufguss alter und damit abgenutzter Ideen. Selbst bewährte Running Gags wie Jacks pathologische Selbstüberschätzung oder die Späße seiner Crew verlieren aufgrund ihrer Redundanz merklich an Schwung. Vieles zieht sich zäh wie Kaugummi. Das gilt insbesondere für die noch in Teil 2 wunderbar überdrehten Action-Intermezzi. Das Duell auf dem Mühlrad bleibt unvergesslich, Jacks Flucht vor dem Eingeborenen-Stamm ein Slapstick-Highlight, das Auftauchen der Krake schlicht überwältigend.

Und in Teil 3? Die zahlreichen Kämpfe auf hoher See ähneln sich zu sehr, als dass sie länger in Erinnerung bleiben würden. Zudem laufen sie stets nach dem selben, auf Dauer ermüdenden Schema ab. Ein Umstand, den Verbinski mittels des monumentalen von Peter Jackson perfektionierten Aha-Effekts zu kaschieren versucht. In Am Ende der Welt reicht ein einfaches Duell Schiff gegen Schiff längst nicht mehr aus. Gleich eine ganze Armada muss als visueller Ballast herhalten. Statt Davy Jones’ bekannter und liebevoll animierter Bouillabaisse-Truppe besteht das Piratenlager nun zusätzlich aus einem halben Dutzend Freibeuterclans. Eine skurrile Folklore-Beilage. Gleichsam verschenkt wurde die Einleitung in Singapur und speziell Chow Yun-Fats Rolle. Diese winzige Prise Asia-Touch hat gegen den Modergeruch der übrigen Einfallslosigkeiten keine Chance.

Sogar Johnny Depp verkauft sich in Teil 3 unter Wert. Irgendwie symptomatisch. So funktioniert er Jacks schizophrenen Geisteszustand zu einer Art Kasperletheater um, in dem er albern grinst und noch grotesker durch die Gegend hüpft. Der schusselige, aber gleichzeitig eine gewisse Nonchalance und Würde ausstrahlende Captain Sparrow wird auf eine Witzfigur reduziert. Natürlich ist weiterhin manches zum Schreien komisch – Jacks Einstand als im Nirwana Gestrandeter beispielsweise (Fitzcarraldo?) – jedoch wiegt das die Langeweile des zerredeten, belanglosen und viel zu brav inszenierten übrigen Films nicht auf. Am Ende der Welt erleidet Schiffbruch mit großem Getöse.

Samstag, Mai 19, 2007

Zodiac - The Phantom Menace


USA 2007

+++1/2

"...Ich werde in Zukunft nicht mehr ankündigen, wann ich meine Morde begehe, sie werden wie normale Raubüberfälle aussehen, wie Totschlag im Affekt oder auch wie vorgetäuschte Unfälle..."

(7.Brief - 9. November 1969)

Die Angst geht um. Der Großraum San Francisco wird Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre von einem Psychopathen terrorisiert, der in die Kriminalgeschichte der USA als einer der grausamsten und gefährlichsten Serienkiller eingehen sollte. Er selber nennt sich „Zodiac“. Das Besondere: Er wendet sich in Briefen an die Presse, verhöhnt darin die Polizei und kündigt weitere Morde an. Einer seiner ersten Schreiben an drei Zeitungsredaktionen fügt er ein mehrteiliges Chiffrerätsel bei, das, wenn einmal dekodiert, seine wahre Identität angeblich preisgeben soll. Das alles erinnert an Jack the Ripper, der die Öffentlichkeit ebenfalls mit Hinweisen auf sein wahres Ich in Atem hielt.

Wie Millionen anderer Amerikaner wuchs Filmemacher David Fincher mit der Furcht vor Zodiac auf. Zum Zeitpunkt der ersten Morde war Fincher gerade sieben. Er lebte in der Nähe von San Francisco, wo das Schreckgespenst des unsichtbaren Monsters besonders präsent war. Entwicklungspsychologen wissen längst, wie sehr Ereignisse und Eindrücke ein Kind in diesem Alter prägen können. Als ihm rund drei Jahrzehnte später die Möglichkeit eröffnet wurde, einen Film über die damaligen Ermittlungen und das Treiben des Zodiac zu drehen, musste er nicht lange überlegen. Die Faszination des – Achtung! Spoiler! – bis heute nicht wirklich aufgeklärten Falls war schlichtweg zu groß. Neben den offiziellen Polizeiakten dienten in erster Linie die beiden Bücher „Zodiac“ und „Zodiac Unmasked“ des Karikaturisten Robert Graysmith als Vorlage für den nun vorliegenden Hollywood-Film.

Graysmith kam seinerzeit eher zufällig in Kontakt mit dem grauenhaften Treiben des Serienkillers. Er arbeitete als politischer Zeichner in der Redaktion des San Francisco Chronicle, an die der Zodiac zahlreiche Briefe adressierte. Der enthusiastische Code-Experte Graysmith – im Film dargestellt von Brokeback Mountain-Star Jake Gyllenhaal – dechiffriert das Rätsel, was ihn auf die Spur des Mörders führt. Dabei geht er andere Wege, als es ihm sein erfahrene und abgeklärte Kollege Paul Avery (manieriert wie immer: Robert Downey Jr.) vormacht, der für den Chronicle über spektakuläre Kapitalverbrechen berichtet. Gleichzeitig versucht der ehrgeizige Inspector Dave Toschi (Mark Ruffalo), dem überheblichen Killer das Handwerk zu legen. Zusammen mit seinem zurückhaltenden, analytisch vorgehenden Partner Armstrong (Anthony Edwards) leitet er die Ermittlungen, welche jedoch desöfteren in Sackgassen enden.

In den USA ist Zodiac an der Kinokasse grandios gefloppt. Gerade einmal rund 30 Mio. Dollar spielte die prominent besetzte Serienkiller-Hatz ein. Und das, obwohl die Sensibilität für das Thema eigentlich vorhanden sein sollte. Wer Finchers Film allerdings sieht, dem erschließen recht schnell die Ursachen für diesen Misserfolg. Denn das mit einer Laufzeit von 158 Minuten nicht unbedingt im Vorbeigehen zu konsumierende Werk erfordert vom Zuschauer einiges an Geduld und Partizipation. Im Gegensatz zu Finchers früherem Psychpathen-Œuvre Sieben lebt Zodiac nicht vom Stilwillen seines Regisseurs oder einer aus Gewalt und Horror erwachsenen Thriller-Komponente. Finchers Neuer funktioniert ausnahmslos als sorgsam chronologisierte, zuweilen penibel genaue Schnitzeljagd, als Visualisierung einer fast schon pathologischen Besessenheit seiner Protagonisten.

Allen voran Graysmith läuft Gefahr, sich in den eigenen Nachforschungen und Gedankenkonstrukten zu verlieren. Der introvertierte Sonderling nimmt den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen den Zodiac auf, was in den beiden in Ich-Form verfassten Tagebücher („Zodiac“, „Zodiac Unmasked“) von ihm akribisch dokumentiert wurde. Damit steht Zodiac in einer langen Tradition großer Kriminalverfilmungen, die sich allesamt mehr für den Jäger als den Gejagten interessieren. Die Frage, wer in Zodiac Jäger und wer Gejagter ist, lässt sich jedoch nicht so leicht beantworten. Spätestens, wenn Fincher nach einem Drittel die Morde in den Hintergrund rückt und sich ganz auf Graysmiths Nachforschungen konzentriert, nehmen diese mitunter zwanghafte Züge an. Es gibt für ihn nur noch einen Gedanken, ein Ziel, das fortan alles andere dominiert. Die Jagd nach dem Killer wird zum einzigen Lebensinhalt und wir als Zuschauer werden Zeuge, wie Graysmith sich selber opfert. Er ist der Gejagte, der nur noch reagieren und nicht mehr agieren kann.

Vom Schöpfer eines Sieben, Fight Club und Alien 3 darf man nicht weniger als den perfekt fotografierten Albtraum erwarten. Zodiac präsentiert sich folglich als ein langer, bedächtiger Fluss aus erstklassigen, stimmig montierten HD-Aufnahmen. Bereits die erste Szene hätte man eleganter kaum filmen können. Mit ihrer matten und saturierten Farbästhetik gelingt den Bildern eine überzeugende Revitalisierung des damaligen gesellschaftlichen Klimas. Kameramann Harris Savides verzichtet allerdings auf die für einen „Fincher“ typischen Spielereien, was der gesamten Inszenierung einen erfrischend beiläufigen Ton verleiht. Von einem nostalgischen 70er Jahre-Feeling fehlt glücklicherweise jede Spur. Man mag von Finchers insgesamt unspektakulärem Regie-Ansatz enttäuscht sein, gerecht wäre es ihm gegenüber in keinem Fall. Das hier ist kein zweiter Sieben, der lediglich das Sex-Symbol der 90er gegen eines des neuen Jahrtausends austauscht und den Schauplatz in das zumeist sonnige San Francisco verlegt.

- Nochmals leichte Spoiler! -

Finchers Prämisse ist eine gänzlich andere. Er begibt sich mit Zodiac auf die Suche nach der Antithese zum Action-orientierten modernen Thrillerkino. Die im Genre zuweilen anzutreffende plakative Darstellung von Gewalt endet bei ihm in der Schwarzblende, was nicht heißt, sein Film käme ohne beklemmende Impressionen aus. Die Szene am Seeufer oder der erste Auftritts des Killers rütteln an Urängsten, weil sie den Einbruch des Terrors in eine idyllische, heile Welt zeigen. Vor allem lehren sie die Irrationalität jener Taten, auf die von Seiten der Polizei ein bürokratisch durchorganisiertes, rationales Arbeitsschema entgegengesetzt wird. Während Toschi und sein Kollege sich darin verfangen, droht Graysmith – wie alle Helden des Film Noir – an der eigenen Obsession zu scheitern. Speziell die Ungewissheit, ein diffuses Gefühl, den Fall vermutlich niemals mehr aufklären zu können, quält alle Beteiligten – bis heute.

Die Dialoglastigkeit des Ganzen ist gewollt und hat wie die schnörkellose, lässige Handschrift Methode. Zuweilen glaubt man, Quentin Tarantino und nicht Fincher habe den Film mit der ihm eigenen Coolness aus den Ärmeln geschüttelt. Jedes winzige Detail kommt zur Sprache, ganz so, als wolle Fincher damit seiner Chronistenpflicht genüge tun. In Wirklichkeit bleibt dennoch vieles im Bereich des Spekulativen, besonders dann, wenn die Handlung die gesicherte Basis der Polizeiakten verlässt und sich ausschließlich auf Graysmiths Tagebucheinträge stützt. Die Arbeit der Ermittler baut Fincher zur tragenden Säule aus. Sogar die pervertierten Fantasien des Täters werden nicht von ihm selber vorgetragen, sondern gelangen erst über den Umweg der Briefe an die Zeitungsredaktionen und damit auch an den Zuschauer. Eine eigene Stimme, einen Raum zur Profilierung, wie ihn John Doe geschenkt bekam, erhält der Killer dieses Mal nicht. Das macht ihm zum Phantom und seine Taten umso erschreckender.

Für BlairWitch.

Donnerstag, Mai 17, 2007

Stomp the Yard - Stepptanz-Gulag


USA 2007

+

Eine Lächerlichkeit reiht sich in diesem missratenen Coming of Age-Drama mit Bravo-Lovestory-Touch an die nächste. Schwarze Studentenverbindungen, die in eine Art von akrobatischem Stepptanz - das heißt hier Stompin' - ihre Fähigkeiten messen und dabei affiges Gepose zum Besten geben, wälzt der Film auf eine Laufzeit von zwei Stunden aus. Dazu gibt es stereotypes Casting mit kalkuliertem Sex-Faktor für die Teenie-Zielgruppe. Dann doch schon lieber Riverdance. Weiterlesen auf Critic.de.

Dienstag, Mai 15, 2007

El Custodio - Der Leibwächter - A Lesson in Loneliness


GB/D/F 2006

++1/2

Whitney Houston hatte Kevin Costner. Doch nicht jeder Bodyguard darf sich in der glitzernden Show-Welt in einen Superstar verlieben. Der Argentinier Rodrigo Moreno entwirft mit El Custodio - Der Leibwächter ein bitterböses und tragisches Kontrastprogramm zu Hollywoods Kitsch-Fantasie. Nicht nur, dass sich der vom diesjährigen Berlinale-Preisträger Julio Chávez (Silberner Bär als „Bester Darsteller“ für seine Rolle in Ariel Rotters El Otro) verkörperte Personenschützer ausgenutzt vorkommt, weil er im Job keinerlei Anerkennung erfährt, auch privat will ihm nichts gelingen. Billiger, gekaufter Sex und eine hysterisch überdrehte Verwandtschaft – viel mehr bleibt ihm nicht.

Filmkritik:

Ein Leben im Hintergrund, eine Existenz, die keine Spuren hinterlässt. Als Leibwächter eines hochrangigen Ministers hat Rubén (Julio Chávez) sein Ich schon vor Jahren aufgegeben. Er ist ein Schattenmann, an dem das Leben mitsamt seinen Freuden vorbeizieht. Obwohl er den Minister ständig begleitet, nimmt kaum jemand von ihm Notiz. Rubén ist anwesend und doch nicht existent. Dass er sich zudem immer wieder Demütigungen ausgesetzt sieht und keinerlei Anerkennung für seine treuen Dienste erfährt, kommt erschwerend hinzu. Aber auch in seinem familiären Umfeld wollen sich die Dinge nicht in eine für ihn positive Richtung entwickeln. Rubén lebt immer noch alleine. So bleibt ihm nicht anderes übrig, als sich Nähe und Zuneigung bei einer Prostituierten zu erkaufen.

Der argentinische Filmemacher Rodrigo Moreno empfiehlt sich mit El Custodio als südamerikanischer Aki Kaurismäki. Die typische Lakonie des Finnen schlägt allerdings bei Moreno noch weitaus deprimierende Wellen. Gemein haben beide Regisseure, dass sie sich mit Verlierern beschäftigen, die in ihrer eigenen fast schon pathologischen Tristesse zu ersticken drohen. Die Kommunikation reduziert Moreno dabei auf das absolute Minimum. Wenn die Kamera auf Rubén verweilt, ihn in quälend langen, ereignislosen Einstellungen beobachtet, ähnelt seine Einsamkeitsstudie einem Werk der Stummfilm-Ära. Mit Ausnahme einer wunderbar überdrehten Szene in einem China-Restaurant, wo Rubén seinen Geburtstag „feiern“ will, zelebriert El Custodio die Kaurismäkische Wortkargheit in beängstigender Perfektion.

Auch die Bildebene spiegelt das absurde Theater wider, das Rubéns gesamtes Leben in eine einzige nicht enden wollende uniforme Warterei verwandelt. Indem Moreno immer einen Schritt auf Distanz bleibt, seinen Protagonisten oftmals von hinten filmt – eine Technik, die in Gus van Sants Schüler-Drama Elephant mit einer ähnlichen Intention eingesetzt wurde – oder ihn ganz an den Rand des Bildausschnitts postiert, wird für den Zuschauer unmittelbar die gesamte Tragik dieser mehr toten als lebendigen Existenz erfahrbar. Daneben dominieren strenge, geometrische Formen und blasse, grau-braunen Farben den Stil des Films. In seiner ebenfalls grau-braunen Jacke scheint der Mann ohne Eigenschaften mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Da wundert es kaum noch, dass niemand von ihm Notiz nimmt.

Morenos Konzept, über eine bewusst herbei geführte Langatmigkeit, ein Gefühl für jene Monotonie zu evozieren, die Rubén tagtäglich zu erleiden hat, mag nicht bei jedem auf ungeteilte Begeisterung stoßen. Denn auch wenn deutlich wird, wie die Ereignislosigkeit des von der ersten bis zur letzten Minute entschleunigten Plots zu verstehen ist, strapaziert El Custodio die Geduld des Zuschauers zuweilen über Gebühr. Immerhin denkt Moreno Rubéns Martyrium konsequent und kompromisslos zu Ende. Mit einem Ausgang, der schmerzt und der zugleich in seiner Schlichtheit mit dem restlichen Film eine in sich geschlossene Charakterstudie ergibt.

Für Programmkino.de.

Samstag, Mai 12, 2007

Das perfekte Verbrechen - Ein Bruch, der nicht verheilt


USA 2007

+++

Es ist ruhig geworden um den Gerichts-Thriller klassischer Prägung. Regisseur Gregory Hoblit, dessen Film Zwielicht wahrlich zu den Highlights des Genres gezählt werden darf, probt die Revitalisierung. Altmeister Anthony Hopkins und Hollywoods Jungstar Ryan Gosling liefern sich in Das perfekte Verbrechen ein packendes Psycho-Duell, das sich jedoch zumeist außerhalb des eigentlichen Gerichtssaales abspielt. Die mitunter etwas zu betuliche Inszenierung im Stile bekannter amerikanischer TV-Serien fällt dabei kaum ins Gewicht.

Filmkritik:

Eigentlich ist der Fall klar. Der erfolgreiche Ingenieur Ted Crawford (Anthony Hopkins) wird von der Polizei in seiner Villa festgenommen. Er gesteht, soeben seine Frau (Embeth Davidtz) in den Kopf geschossen zu haben, die Waffe noch in den Händen haltend. Vermutlich nimmt deswegen auch Willy Beachum (Ryan Gosling) – der aufstrebende Assistent des Bezirksstaatsanwalts – die Ermittlungen und das Verfahren gegen Crawford nicht allzu ernst. Merklich schlecht vorbereitet trifft er in seiner Funktion als Ankläger auf den smarten Taktiker Crawford. Dieser überrascht mit dem Schachzug, sich selbst verteidigen zu wollen. Weil seine Frau noch lebt und in einer Art Wachkoma liegt, muss er sich wegen versuchten Mordes verantworten. Was Beachum zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Detective Rob Nunally (Billy Burke), der Crawford am Tatort verhaftete und dessen Geständnis aufnahm, war in eine heimliche Affäre mit dem Opfer verwickelt.

Zug um Zug, Puzzleteil für Puzzleteil, droht Beachum die Kontrolle über den Fall zu verlieren. Die anfangs noch so eindeutige Beweislage zerrinnt wie Sand in seinen Händen, bis er mit weniger als Nichts dasteht und die intellektuelle Überlegenheit seines Widersachers anerkennen muss – zumindest vorerst. Obwohl es an Crawfords Schuld für ihn keinerlei Zweifel geben kann, laviert sich der Angeklagte geschickt durch den gesamten Prozess.

Es ist vor allem Anthony Hopkins wieder einmal brillanter Darstellung zu verdanken, dass dem Zuschauer dieser Ted Crawford nicht als eindimensionaler, eiskalter Killer erscheint. Der Brite zelebriert wie schon in seiner wohl berühmtesten Rolle als Kannibale Hannibal Lecter die ihm eigene ironisch distanzierte Betrachtung menschlicher Abgründe. In dem über vierzig Jahre jüngeren Ryan Gosling erhielt er zudem einen würdigen Kombattanten. Gosling, der zuletzt mit der Oscar-Nominierung für seine Darstellung eines engagierten Lehrers in dem Sozial-Drama Half Nelson von sich Reden machte, besitzt das handwerkliche Rüstzeug, um neben einem der ganz Großen des Schauspielfachs zu bestehen. Aus den intensiven Wortgefechten und psychologischen Katz-und-Maus-Spielchen zwischen Crawford und Beachum zieht Gregory Hoblits Thriller folglich auch seine Spannung und Sogwirkung. Hier stehen sich zwei Männer gegenüber und können doch nicht anders – jeder in der ihm zugewiesenen Rolle. Das ähnelt einem auf Spielfilmlänge ausgedehnten Showdown, den nur einer für sich entscheiden kann. Hopkins und Gosling und der High Noon. Schon dafür lohnt der Kauf einer Kinokarte.

Trotz seiner Klassifizierung und Vermarktung als „Gerichts-Thriller“ bleibt die Handlung nicht auf diesen einen Schauplatz beschränkt. Im Gegenteil. Die meiste Zeit über folgt der Plot Beachum auf seinen Ermittlungen außerhalb des Gerichtsgebäudes. Zusammen mit der kraftvollen Exposition hebt sich Das perfekte Verbrechen damit wohltuend von vielen mediokren Courtroom-Produktionen mit ihren limitierten dramaturgischen Möglichkeiten ab. Ein vergleichbar frischer Ansatz hätte man sich auch in Bezug auf Hoblits Regie gewünscht. Wie schon in Zwielicht fällt diese reichlich unspektakulär aus. Statt das Kinoformat auszureizen, konzentriert sich der langjährig im TV-Seriengeschäft (NYPD Blue, L.A. Law) aktive Hoblit lieber ganz auf seine beiden Hauptdarsteller. Bei Namen wie Hopkins und Gosling, wer will es ihm verübeln?

Für Programmkino.de.

Mittwoch, Mai 09, 2007

Die Eisprinzen & 1:1


Die Eisprinzen

USA 2007

+++1/2

Hier kommt sie: Die bislang unterhaltsamste, skurrilste Komödie des Jahres. Will Ferrell und Jon Heder geben Die Eisprinzen, das erste männliche Eislauf-Duo, das auf den Spuren bekannter Sportfilm-Idole wie - jawohl - Rocky wandelt. Ein subversiver Spaß auf die Schemata des "Nie aufgeben!"-Kampfes, der gerade im amerikanischen Kino sein Zuhause hat. Weiter geht es auf Critic.de.



1:1

DK/GB 2006

++1/2

Dogma-angehauchtes Kino kommt wieder einmal aus Dänemark. Ein Integrationskonflikt und eine moderne Romeo & Julia-Variante verbindet 1:1 vor der Kulisse einer trostlosen Ghetto-Szenerie. Die Jung-Darsteller überzeugen, manch peinlicher pädagogischer Fingerzeig des Drehbuchs hätte man dagegen lieber uberhört. Alles weitere lässt sich auf Critic.de nachlesen.

Donnerstag, Mai 03, 2007

Unsichtbar - Teenager in Angst


USA 2007

+1/2

Nick Powell (Justin Chatwin) scheint ein Leben zu leben, um das ihn viele beneiden. Aufgewachsen in einem reichen Elternhaus, kann sich der hochbegabte Schüler seine Zukunft eigentlich selbst aussuchen. Jedenfalls glauben das seine Freunde und Klassenkameraden von ihm. Dass er mit dem frühen Tod seines Vaters und den Kontrollneurosen seiner Mutter (Marcia Gay Harden) tagtäglich fertig werden muss, interessiert niemanden. Eines Abends hält das Schicksal für Nick eine folgenschwere Verwechslung bereit. Annie (Margarita Levieva) – die Anführerin einer gewalttätigen und kriminellen Schüler-Gang – glaubt, dass Nick sie bei der Polizei nach einem Einbruch in ein Juweliergeschäft verraten hat. Er wird von der Bande brutal zusammengeschlagen und im nahe gelegenen Wald zurückgelassen.

Am anderen Tag betritt Nick wie gewohnt die Schule, doch recht schnell stellt er fest, dass etwas anders ist. Er ist anders. Niemand nimmt von ihm mehr Notiz, ganz so, als sei er plötzlich für alle unsichtbar. Anfänglich entsetzt und verstört versucht Nick die Hintergründe für seine Verwandlung zu erforschen. Dabei entdeckt er, dass er sich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod befindet. Und mit jeder Minute droht die Waage, sich in Richtung eines endgültigen Abschieds von dieser Welt zu neigen.

Hollywood hat es wieder einmal getan. Die Amerikanisierung erfolgreicher, ausländischer Genre-Produktionen hat eine lange Tradition, doch – wie zahllose Beispiele belegen – unter filmischen Aspekten nur eine sehr bescheidene Erfolgsquote vorzuweisen. Zuletzt erwischte den asiatischen Geister-Schocker die volle Breitseite der gefürchteten Weichspülmaschinerie. Der im Fantasy- und Action-Fach erprobte Regisseur David S. Goyer (Blade: Trinity) nahm sich des schwedischen Überraschungshits gleichen Namens an, um ihn mit Jungstars wie Justin Chatwin (Krieg der Welten) und Chris Marquette (The Girl next Door) zielgruppengerecht neu zu verfilmen. Unsichtbar will augenscheinlich dem derzeit von blassen, langhaarigen Mädchen bevölkerten Genre des Geisterfilms etwas weniger Verstörendes entgegensetzen.

Dabei präsentiert sich Goyers Remake als reichlich süßer Mix aus Teenager-Love Story und übersinnlichem Mystery-Thriller. Etwas Schmalz wie in Ghost – Nachricht von Sam erprobt, eine Prise Butterfly Effect und The Sixth Sense. Das ist schon sein ganzes Rezept. Abseits der durchaus überzeugenden Jung-Darsteller passt hier nicht viel zusammen. Horror-Fans dürften um Unsichtbar ohnehin einen großen Bogen machen, nachdem sie gelesen haben, dass dessen Thrillerpotential erschreckend ungenutzt und auf einige obligatorische angeblich „Scary Moments“ beschränkt bleibt. Dafür wechselt das Skript nach Nicks Eintritt in die Twilight Zone in einen verkitscht-platten Duktus, den der Film bis in die allerletzte Szene hinein nicht mehr ablegen wird.

Der Plot kulminiert in einer religiös eingefärbten Beschwörung der einzigen echten Liebe, einer vermeintlichen Seelenverwandtschaft zwischen Nick und Annie, für die Goyer nur eine dröge Bebilderung bereit hält. In der an eine typische Fast Food-Produktion erinnernden Kulisse will keine Atmosphäre aufkommen, geschweige dass man sich als Zuschauer wirklich mit den Protagonisten identifizieren könnte. Zu schlampig hakt die Einführung wie an einer Checkliste die Standards eines unverstandenen Teenager-Lebens ab. Nick ist ein Junge aus reichem Haus, doch seine Mutter überhört, was er sich für seine Zukunft wünscht. Annie gerät auf die schiefe Bahn, weil sich sonst niemand für sie interessiert. Das reicht vielleicht noch für das Nachmittagsprogramm von RTL & Co., als die tragende Säule eines sich ungemein ernst nehmenden Teenager-Dramas hält es keiner Belastung stand. Das Gefühl bleibt synthetisch, falsch.

Es liegt der Verdacht nahe, dass Goyer mit allen Mitteln einen Kontrapunkt zu seine früheren Projekten wie dem action-vernarrten Blade: Trinity setzen wollte. „Seht her! Ich kann auch anders!“ scheint er mit jeder Einstellung auszudrücken. Doch eine Abkehr von blutgetränkten Vampir-Schlachfesten bedeutet für sich genommen noch keine kreative Weiterentwicklung – im Gegenteil. Unsichtbar liefert den Beweis.

Für BlairWitch.