Sonntag, April 30, 2006

Tsotsi - In The Streets of Sowetho


GB/SA 2005

++1/2

Der erste Oscar für einen afrikanischen Film ging mit „Tsotsi“ dieses Jahr nach Südafrika. Regisseur und Drehbuchautor Gavin Hood, der eine fast vierzigjährige Novelle des Dramatikers Athol Fugard verfilmte, freute sich wie ein kleines Kind über diese Auszeichnung. Wieviel der Oscar auch für Südafrika als Land bedeutet, zeigte sich am Empfang nach der Rückkehr aus Hollywood. Besuche bei Nelson Mandela und Staatschef Thabo Mbeki wurden von Hunderten Journalisten verfolgt. Die Euphorie war groß, fast so groß wie nach dem Zuschlag für die Fußball-WM 2010. „Tsotsi“ ist mittlerweile in viele Länder erfolgreich weiterverkauft worden, in den USA gingen die Rechte an Miramax, und auch in seiner Heimat gehört der Film zu den ganz großen Blockbustern des vergangenen Kinojahres.

Hood erzählt darin die Geschichte eines jungen Johannesburger Ganganführers (Presley Chweneyagae), von allen nur Tsotsi genannt (was soviel wie „Gangster“ heißt), der nach einem bewaffneten Überfall und dem Diebstahl einer Luxuslimousine auf deren Rücksitz ein kleines Baby entdeckt. Wenige Minuten zuvor hatte er die Mutter des Kindes angeschossen und dabei schwer verletzt. Überfordert von dieser ungewöhnlichen Entdeckung, weiß er zunächst nicht, was er mit dem Baby anfangen soll. Tsotsi entschließt sich dazu, das Baby mit nach Hause zu nehmen und es so gut es ihm möglich ist, zu versorgen. Als er in seiner Nachbarschaft im Armenviertel Sowetho eine junge Mutter entdeckt, bringt er das Kind zu ihr. Sie soll der Kleinen die Brust geben. Derweil sucht die Polizei mit Phantombildern nach dem Jungen, der den Überfall begangen hat.

Die Beschreibung des Plots lässt bereits erahnen, dass „Tsotsi“ trotz nahe liegender Vergleiche zu Filmen wie „City of God“ oder den amerikanischen Ghetto-Dramen eine eine andere Richtung einschlägt. Das Milieu in den Townships wie Sowetho ist eher schmückendes Beiwerk, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen konzentriert sich Hood ganz auf seinen Hauptcharakter und dessen Entwicklung hin zu einem geläuterten jungen Mann, die Kulisse kann da einfach keine Hauptrolle spielen. Zum anderen wirken die Schwarzenviertel hübsch arrangiert, aufgeräumt und sehr adrett, fast zu schön, um wahr zu sein. Wie Hood und sein Darsteller Presley Chweneyagae nach Filmende erklärten, wurde der Film mit Ausnahme einiger Innenszenen komplett vor Ort abgedreht. Die meisten der Laiendarsteller und Statisten leben in Sowetho. Nur weil die Menschen dort arm sind, heißt das nicht automatisch, dass sie in verschmutzten Behausungen leben müssen. Hood wandte sich in diesem Zusammenhang auch gegen das verbreitete von Schuld überhäufte Afrika-Bild vieler politisch korrekter Europäer und Amerikaner, deren einziger Gedanke beim Stichwort „Afrika“ um unterernährte weinende Kleinkinder kreist. Afrika hat viele Geischter und ist keine, weder sozial noch ethnisch, homogene Masse.

Die Kategorisierung als Gangsterfilm ist irreführend, weil sie Analogien zu „Menace II Society“ und anderen Vertretern des neuen Black Cinema aufkommen lässt. „Tsotsi“ ist eher eine Meditation, eine innere Odyssee eines Heranwachsenden, der sich ganz plötzlich mit Aufgaben und Fragen konfrontiert sieht, die für ihn Minuten zuvor noch unbeschreiblich weit weg lagen. Die Situation, auf einmal Verantwortung für einen anderen Menschen übernehmen zu müssen, beantwortet er zunächst reflexartig mit seinen einstudierten Gewaltritualen. Er zwingt die Nachbarin mit vorgehalteter Waffe, das Kind zu stillen. Dabei kommen in ihm Erinnerungen an seine Kindheit hoch, an den beherrschenden Vater, für den Gewalt ein legitimes Mittel der Erziehung war. Die teilweise parallel montierten Szenen zwischen Tsotsis Kindheit und der Gegenwart, in der er aufgrund eines von ihm begangenen Verbrechens zu einem Ersatzvater wider Willen geworden ist, sind leider zu plakativ, um eine intelligente Charakterstudie abzugeben. Die Erklärungen sind zu naheliegend, die aufgezeigten Lösungswege zu naiv. Das beschreibt, warum Hood sich den Vorwurf gefallen lassen muss, ein recht harmloses oberflächliches Portrait abgedreht zu haben.

Darüber hinaus kann es der Regisseur nicht lassen, ordentlich und wenig subtil mit dem berüchtigten Holzhammer auf die Tränendrüse zu drücken. Besonders in der finalen Begegnung zwischen Tsotsi und seinen letzten Opfern bricht diese unangenehme Theatralik ungefiltert heraus. Da darf kein Auge trocken bleiben, scheint sich Hood gedacht zu haben. Dass er damit höhere Chancen auf einen Oscar hat, mag sein, dass dies zugleich auch einen besseren Film ergibt, wenn er alle emotionalen Staudämme einreißt, darf dagegen bezweifelt werden. Von einer selbstauferlegten Zurückhaltung scheint er in Punkto Emotionen jedenfalls nicht viel zu halten. Diese Negativpunkte sind leider ein deutlicher Wermutstropfen in einem schauspielerisch außergewöhnlichen Film. Presley Chweneyagae, der zuvor nur auf der Theaterbühne stand, gelingt, lässt man die zuweilen unglückliche Inszenierung außen vor, eine beeindruckende intensive Übersetzung dieses einsamen Kriegers. Er schafft es in einer Situation noch den harten Gangster zu geben, um bereits in der nächsten Einstellung zerbrechlich und unsicher zu wirken. Tsotsi ist in sich zerrissen, er muss nach außen stark sein, obwohl er gerade das eigentlich nicht ist. Chweneyagae kann mit einem Blick mehr sagen, als andere Schauspieler mit minutenlangen Monologen. Auch der übrige Cast weiß zu gefallen, besonders Terry Pheto in der Rolle der Miriam bietet eine denkwürdige Leistung. Kaum zu glauben, dass sie zuvor noch keine Erfahrung als Schauspielerin gesammelt hat.

Letztlich ist „Tsotsi“ der gern zitierte „Mixed Bag“. Die nicht bestreitbaren Qualitäten von Hoods Charakterdrama werden immer wieder von einer aufdringlichen sentimentalen Attitüde untergraben. So sympathisch und eloquent Hood und sein „Star“ Chweneyagae auch in der anschließenden Diskussion auf die Fragen des Publikums antworteten, es darf nicht verschwiegen werden, dass ihr Film an der Wand des eigenen hohen Anspruchs scheitert. Und das obwohl „scheitern“ so gar nicht zum optimistischen Wortschatz der Südafrikaner zu gehören
scheint.

Zuerst erschienen bei kino.de.

Samstag, April 29, 2006

Demnächst auf dieser Seite

Neue Kritiken zu:

Lucy (++1/2) von Henner Winckler

Wenn die Flut kommt (+1/2) von Yolande Moreau und Gilles Porte

Tsotsi (++1/2) von Gavin Hood

Silent Hill (++) von Christophe Gans

Donnerstag, April 27, 2006

Das geheime Leben der Worte - Unausgesprochen


ESP 2005

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Der neue Film von Isabel Coixet ("Mein Leben ohne mich") schildert die ungewöhnliche Beziehung einer Krankenschwester zu einem schwer verletzten Ölarbeiter. Sarah Polley und Tim Robbins liefern in den Hauptrollen Glanzleistungen ab. Und auch sonst weiß das sensible Drama mit einer ausgereiften Bildsprache und viel Gespür für seine Protagonisten zu überzeugen. Meine Besprechung gibt es auf critic.de.

Montag, April 24, 2006

Mord und Magaritas - Das Burnout-Syndrom


USA 2005

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Der erste Eindruck täuscht. Diese Lebensweisheit bestätigt sich auch in der etwas anderen Buddy-Komödie „Mord und Margaritas“ von Regisseur und Autor Richard Shepard. Darin darf Ex-007 Pierce Brosnan mit seinem harten coolen Image als Spion im Dienste ihrer Majestät brechen. Er spielt Julian Noble, von Beruf ein „Vermittler von Todesfällen“ oder direkter formuliert: ein Auftragskiller. Bei einem dieser Aufträge trifft er in Mexico den notorisch erfolglosen von Selbstzweifel und Nervosität geplagten Geschäftsmann Danny Wright (Greg Kinnear). Bei einem Dutzend Margaritas kommen die beiden ins Gespräch. Weil Julian dringend Anschluss sucht und Danny nicht rechtzeitig weglaufen konnte, schleppt er diesen gleich zum Stierkampf mit. Als er Danny beichtet, womit er seine Brötchen verdient, erntet er zunächst nur einen Lacher. Danny glaubt, es handele sich wieder nur um einen von Julians kleinen Späßchen.

Auftragskillerkomödien bilden mittlerweile offenkundig ein eigenständiges Genre, was Filmen wie „Ein Mann, ein Mord“ und „Fargo“ zu verdanken ist. Der wahlweise leicht schrullige oder depressive Hitman eignet sich als wunderbare Projektionsfläche, um mit den Erwartungen des Publikums zu spielen. So auch bei Richard Shepard. Denn Gerhard Schröders Spruch von „den Harten, die nur in den Garten kommen“ trifft auf Julian eigentlich überhaupt nicht zu. Er ist ausgebrannt, halluziniert und fühlt sich nirgendwo daheim. Er hat keine Freunde, keine Familie. Ja, er ist ein ziemlich armes Würstchen und damit in der Selbsteinschätzung seiner Person von dem William H. Macy-Charakter Danny Wright nicht zu unterscheiden. Doch Danny hat etwas, was Julian fehlt: er hat eine liebevolle Frau und ein warmes Nest. Darum beneidet Julian ihn.

Diese Konstellation charakterisiert zugleich, was „Mord und Margaritas“ so erfrischend anders und unterhaltsam macht. Das zunächst übergestülpte Rollenklischee, auf der einen Seite der eiskalte Killer, auf der andere der Prototyp des Losers, kehrt sich im Laufe von 97 Minuten peu à peu in sein Gegenteil. Mit sichtlichem Spaß zur Selbstdemontage agiert Brosnan, der Julian mit Attributen ausstattet, die doch stark in Richtung „Metrosexualität“ gehen. Oder wie sollte man die Lust am Lackieren der eigenen Zehennägel ansonsten interpretieren? Brosnan kann in diesem kleinen Film die Last des ewigen Womanizers genüsslich karikieren, er strahlt einen Spielwitz aus, der sich wunderbar mit Greg Kinnears unschuldig naivem Mienenspiel zu etwas höchst Amüsanten hochschaukelt. Die Chemie zwischen den beiden Darstellern muss exzellent gewesen sein, zusammen mit der gestandenen Bühnenschauspielerin Hope Davis werfen sie sich gekonnt die Bälle zu. Nahezu jedes Hochziehen der Augenbrauen, jedes verkrampfte Grinsen sitzt. Hinzu kommen eine Vielzahl geschliffener sehr pointierter Dialoge. Das erklärt, warum Shepards Drehbuchkünsten u.a. auf dem Sundance Film Festival soviel Beachtung entgegenschlug.

Unter der heiteren bis makabren Oberfläche gährt es gewaltig. Nicht nur, dass Brosnans Testosteron-Chimäre innerlich nach Wärme und Freundschaft giert, auch Greg Kinnears Alter Ego ist ein Suchender. Erst als er von außen darauf hingewiesen wird, was er doch für eine bezaubernde Frau hat und welch glückliche Ehe er führt, kann Danny es mit der ehrlichen Verarbeitung des tragischen Unfalltods seines Sohnes aufnehmen. Shepard ködert sein Publikum mit der Aussicht auf ein skurriles Mörderfilmchen, die eigentliche Rechnung wird jedoch auf den Namen „Burnout-Syndrom während der männlichen Midlife-Crises“ ausgestellt. Das Drama immer behutsam dosiert, überzeugt das Multitalent mit der relaxten Vermischung unterschiedlicher Genres zu einem homogenen Ganzen.

Denkt man etwas länger darüber nach, was die eigentliche Handlung in „Mord und Margaritas“ ausmacht, so stellt man verduzt fest, dass es dem Film an einem klassischen Plot fast gänzlich mangelt. Es sind stattdessen drei lange Szenen, die das Grundgerüst bilden. Im Theater müsste man von drei Akten oder Aufzügen sprechen. Im Vordergurnd stehen die Charaktere mit ihren Macken und Manerismen, nicht eine kohärente Erzählstruktur. Shepard treibt das Spiel mit unseren Erwartungen ziemlich beiläufig am Ende auf die Spitze, in dem er in einer Rückblende mehrmals innerhalb kürzester Zeit für so manches „Aha!“-Erlebnis benutzt, was soviel über diese beiden Männer aussagt, wie es lange dramatische Ploteskapaden nur schwerlich könnten. Und auch wenn ganz bewusst auf eine spektakuläre Handlung verzichtet wird, die „Action“ sich im Grunde genommen auf ein explodierendes Auto beschränkt, besitzt Shepards Tragikomödie eine eigene nur schwer zu beschreibende Dynamik. Vielleicht weil aus aller Beiläufigkeit heraus ein Werk vor unseren Augen entsteht, dass aus dem Vehikel des Auftragskillerfilms etwas herausholt, was wir längst nicht mehr darin vermutet hätten.

Erschienen bei kino.de.

Freitag, April 21, 2006

Die Zeit, die bleibt - Kritik folgt

F 2004

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Kann man einen unsentimentaleren Film über das Sterben drehen? Kann man einen ehrlicheren Film darüber drehen? Ich glaube nicht. Francois Ozons neues Werk besitzt viele Qualitäten, aber auch einige Schwächen, z.B. im Hinblick auf die doch sehr unoriginelle Handlung um die Zeugung eines Kindes, in das der sterbende Protagonist einwilligt, weil er etwas in dieser Welt zurücklassen will. Auch hat die distanzierte Sichtweise zur Folge, dass man als Zuschauer immer etwas auf Abstand bleibt. Herausgekommen ist ein Film zum Nachdenken, mehr als zum Nachempfinden. Nach Veröffentlichung meiner Besprechung bei evolver wird diese auch hier nachzulesen sein.

Sonntag, April 16, 2006

Final Destination 3 - Ego-Shooter

USA 2005

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Fortsetzungen sind nirgendwo beliebter als im Horror-Genre. Von „Nightmare on Elmstreet“ gibt es sieben Sequels, von „Freitag, der 13.“ gar zehn Aufgüsse und weil beides mit Blick auf eine feste Fangemeinde so billig zu produzieren war, wurden Freddy und der kleine Jason in „Freddy vs. Jason“ gleich direkt aufeinander losgelassen. Bei der „Final Destination“-Reihe ist man mittlerweile bei Nummer 3 angelangt. Da ist noch viel Luft nach oben. Der Vorteil der „FD“-Filme liegt in ihrer in sich geschlossenen Funktionsweise. In Teil 3 haben sich die Autoren erst gar nicht mehr die Mühe gemacht, einen direkten Link zu den ersten beiden Storys einzubauen. Vielmehr legten sie das Grundkonstrukt, der Tod kriegt Euch doch noch alle auf eine möglichst spektakuläre Art, auf ein neues Reservoir an Teenie-Frischfleisch.

Der neue Schauplatz besteht aus einer Achterbahn, die für die Passagiere beinahe zur tödlichen Falle wird. Wendy (Mary Elizabeth Winstead) heißt das Mädchen, deren Vision einige ihrer Schulfreunde vor dem sicheren Tod rettet. Dass dieser sich nicht so einfach geschlagen gibt, wissen wir bereits. Er trachtet fortan seinen im letzten Moment entrissenen Mitgliedern in einigen hübsch arrangierten „Incredible Machine“-artigen Settings (Baumarkt, Sonnenbank, Drive In-Restaurant, Feuerwerkshow) nach dem jungen Leben. Hierbei darf natürlich an skurril überzeichneten Splatter- und Gore-Effekten nicht gespart werden. Denn die besonders innovative Art des Ablebens ist schließlich das Markenzeichen eines jeden „Final Destination“-Trips.

Gegenüber den beiden Vorgängern zeichnet sich der dritte Streich durch einen nochmals gesteigerten Spaßfaktor aus. Der schwarze Humor ist deutlich präsenter und macht aus dem Film eher eine Komödie, denn einen Horrorbeitrag. Längst spiegeln die Charaktere keine interessanten Einzelschicksale mehr wider, vielmehr sie sind allesamt unverschämt dröge Stereotypen, die auf Kosten unseres Vergnügens den Löffel abzugeben haben. Einer nach dem anderen, in nochmals in ihrer Komplexität gesteigerten Tötungsapparaturen. Warum also die FSK hier eine Altersfreigabe „ab 18 Jahren“ als berechtigt ansah, während die doch ernsthafteren Teile 1 und 2 bereits „ab 16 Jahren“ freigegeben waren, bleibt wie so oft bei diesem Gremium ein unergründbares Mysterium. Die Computereffekte sind solide, wie so vieles an dieser Produktion, ohne dass die CGI-Inszenierung einen vom Hocker reißen kann. Was den Blutzoll angeht, so reiht sich „Final Destination 3“ eher brav und bieder hinter wirklicher Genrekost der letzten Zeit wie „The Descent“ und „The Hills have Eyes“ ein. Gorehounds bleiben deshalb gleich zu Hause.

Regisseur und Autor James Wong kann nicht verbergen, dass ihm an einer Weiterentwicklung des Konzepts nicht gelegen ist. Eher versteht er die von ihm geschaffene Idee wohl als Lizenz zum sicheren Gelddrucken, denn sein gut kalkulierbares Stammpublikum wird auch der dritte Anlauf wieder ins Kino locken. Dazu greift Wong auf ein williges und billiges Arsenal an jungen Schönheiten zurück, die alternativ auch in „Beverly Hills 90210“ hätten mitspielen können. Vielleicht ist das für Wong Anreiz genug, für den sicheren vierten Teil einmal bei der Produzententochterlegende Tori Spelling anzufragen. Ich hätte da schon eine interessante Idee. Das Abrücken von dem Versuch, tatsächlich so etwas wie Spannung erschaffen zu wollen, zeugt aber von einem gesunden Realitätssinn, der den Machern der eingangs erwähnten Fortsetzungsorgien längst abhanden gekommen war. Freddy Kruger funktioniert jedenfalls nur noch dann, wenn er als Parodie auf sich selber vermarktet wird („New Nightmare“, „Freddy vs. Jason“).

Deutlicher als bei seine beiden Vorgänger stellt „FD 3“ auf eine für das Horrorkino nicht ungewöhnliche sehr konservative Geisteshaltung ab. So wie es oft vorkam, dass Sex und Unkeuschheit mit dem Tod sozusagen „bestraft“ wurden („Scream“ thematisiert diesen Aspekt explizit), geißelt Wong eine ungezügelte Vergnügungs- und Selbstverwirklichkeitssucht der heutigen jungen Generation. Das Ego steht an erster Stelle und die Fassade vom eigenen Ich. Ein solcher Hedonismus karikiert Wongs Film mit den herrlich überspitzten Szenen im Sonnenstudio und auf der Achterbahn. Wem abgebrochene Fingernägel oder das ständige Gieren nach einem aus dem BH entglittenen Brustnippel wichtiger als die Belange seiner Mitmenschen sind, hat es auch nicht anders verdient. Das suggerieren Wong und sein Co-Autor Glen Morgan. Damit wenden sie sich, durchaus subversiv, gegen den Großteil der Lebensentwürfe ihrer Zielgruppe. Ob die Botschaft den Adressaten aber auch erreicht, darf zumindest bezweifelt werden.

Viel gruseliger als jeder Angriff von Gevatter Tod gestalten sich aber die mehrmaligen Anläufe des Drehbuchs in Richtung ernsthafter tragischer Gefühle. Dazu fehlt es diesem an jeglichem über ein rein technisches Verständnis hinausgehendes Gespür, sowie an den schauspielerischen Kapazitäten. Wenn Wendy am Tod ihrer Freunde verzweifelt, kriegt „FD 3“ dann schließlich doch noch die Kurve in Richtung „Horror“. Aber so ganz anders, als zunächst gedacht.

Zuerst erschienen bei kino.de.

Donnerstag, April 13, 2006

Zuletzt gesehen - Königreich der Himmel (DVD)


USA 2004

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"Ich glaube, Gott ist es leid, von beiden Parteien angerufen zu werden."
(Inman zu Ada, „Unterwegs nach Cold Mountain“)


Die Kreuzzüge gehören, vornehm ausgedrückt, nicht zu den ruhmreichsten Kapitel der europäischen Geschichte der letzten 2000 Jahre. Der ins Heilige Land exportierte Exodus an Gräueltaten, Unterdrückung und Ausbeutung wollte am liebsten nicht nur die katholische Kirche lange Zeit vergessen machen. Im Schatten des Kreuzes waren die Europäer für hunderttausendfachen Mord verantwortlich. Im Kampf gegen die „ungläubigen“ Moslems galt es den Vormachtsanspruch der westlichen Welt auf das Land Jesu zu verteidigen. Dazu lockten Reichtum und Macht. Einer, der einst dieser Versuchung nachkam, war Godfrey (Liam Neeson), Baron von Ibelin. Nun kehrte er nach Frankreich zurück, auf der Suche nach seinem Sohn Balian (Orlando Bloom). Dieser hatte gerade Frau und Kind verloren, aus Verzweiflung und Wut tötete er einen Geistlichen. In Jerusalem erhofft er sich, Gott um Vergebung für seine Sünden bitten zu können und das schwere Erbe seines Vaters anzutreten. Godfrey war im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zunft auch bei der Bevölkerung ein angesehener Mann, jemand, der zudem auf Frieden und Versöhnung mit König Saladin (Ghassan Massoud) drängte. Der Sarazenenführer drohte im Gegenzug für die von den Tempelrittern Guy (Martin Csokas) und Reynard (Brendon Gleeson) befohlenen Massakern an der muslimischen Zivilbevölkerung mit dem Sturm auf die heilige Stadt Jerusalem.

Dem allseits gelobten „Gladiator“ konnte ich seinerzeit nur wenig abgewinnen. Außer Russell Crowes physisch beeindruckendem Spiel besaß der Film für mich keinerlei fesselnde Momente, sondern lediglich eine Überdosis schwülstigen Pathos. Augenscheinlich ist das sogar Ridley Scott aufgefallen, weshalb er sich in „Königreich der Himmel“ mit Helden-Beweihräucherung für einen Film dieser Verhältnisse angenehm zurückhält. Was nicht heißt, hier würde nicht dramatisch gekämpft, geliebt und gestorben. Aber alles in einem erträglichen Rahmen. Bereits vor Kinostart kamen die Mahner und Kritiker aus ihren Löchern, die dem Film eine Diffamierung der arabischen Welt vorwarfen. Dieses Urteil werden sie revidieren müssen, sind es doch eindeutig die teils fanatischen Templer unter ihrem Anführer Guy de Lusignan, die bei Scott als Quelle des Übels ausgemacht werden. Der christliche König von Jerusalem, Balduin IV. (Edward Norton), suchte dagegen den Dialog, nicht die Konfrontation mit der anderen Kultur, was sicherlich nicht nur seiner Lepra-Erkrankung, sondern auch der positiven Zeichnung des Drehbuchs geschuldet sein dürfte, als notwendige Abgrenzung zu Guy und seinem Lakaien Reynard.

„Königreich der Himmel“ wird sicherlich keinen Anspruch auf eine historisch 100 % korrekte Wiedergabe der Ereignisse erheben (dafür hätte Scott z.B. nicht den fiktiven Charakter von Balians Vater einführen dürfen), was ich nicht als tragisch erachte, wenn uns der Film stattdessen den wahren Kern eines Konflikts übermittelt und in ihm auch einen relevanten Gedanken für unsere Zeit identifiziert. Um es kurz zu machen: Aktueller und brisanter könnte das Thema nicht sein. Es geht um den „Clash of Cultures“, um das, was zwischen den Menschen steht, was sie entzweit, statt sie zu verbinden. Zu Balians Zeiten waren es die Religionen, dann kamen die Ideologien und heute ist es eine gefährliche Mischung aus beiden. Nur ein Unwissender kann heute noch einen „Kreuzzug“ ausrufen, weiß er wohl kaum, um die Signalwirkung eines solchen Wortes. Wo sich Petersens „Troja“ fast zweieinhalb Stunden in hübschen Fassadenspielen erging, kommt Scott hier recht zügig zum Kern des Konflikts: Er stellt das Kreuz ganz an den Anfang seines Films, im kalten trüben Frankreich erhebt es sich aus der unwirklichen Landschaft. Genau dasselbe Kreuz sehen wir in der Schlußeinstellung wieder. Es symbolisiert eine zerstörerische Macht, die sich längst der Religion nur noch als ein Alibi bedient. Der Glauben wir zur bigotten Chimäre, die es aus Legitimitätsgründen gilt, vor sich herzutragen. Deshalb ist „Königreich der Himmel“ auch kein anti-christliches Werk, weil das, was dort im Namen Gottes verübt wurde, mit christlicher Weltanschauung so gar nichts mehr gemein hat.

An einer Stelle muss man zwangsläufig noch einmal auf „Gladiator“ zurückkommen. Hatte dieser einen unglaublich präsenten Russell Crowe zu bieten, kann Tennie-Schwarm Orlando Bloom nicht ansatzweise in die großen Fußstapfen seines filmischen Vorgängers treten. Er müht sich zwar redlich im großen Bild nicht unterzugehen, guter Wille allein ist aber leider noch keine Garantie fürs Gelingen. Auch ein mühsam „antrainiertes“ Bärtchen kann sein ordinäres Boygroup-Charisma nicht kaschieren. Schreiben wir es der schauspielerischen Unerfahrenheit der Jugend zu, verbunden mit der Hoffnung, dass er sich mit den Jahren zu einem profilierteren Darsteller entwickeln möchte. Um Bloom herum wartet der Film dagegen mit einer ganzen Reihe außergewöhnlich starker Schauspieler auf: Liam Neeson, Eva Green, Brendon Gleeson, Jeremy Irons, Ghassan Massoud, sie alle zeigen, wie sie aus nur wenigen Szenen, eine sehr direkte Brücke zum Zuschauer schlagen können. Eva Green weint als Königin Sybilla derart verloren in sich hinein, dass nicht nur in Balian der Beschützerinstinkt geweckt wird, und der Syrer Ghassan Massoud verleiht seinem Charakter die nötige Weisheit und Würde, die Saladin auch von seinen Feinden attestiert wurde.

Pluspunkte sammelt Ridley Scott für seinen behutsamen Umgang mit dem heiklen Sujet, der höchst positiven Darstellung der Muslime und der technischen Finessen in der Inszenierung. Obwohl nur eine große Schlacht im Film vorkommt (die anderen Scharmützel finden weitestgehend „off-screen“ statt), durchzieht „Königreich der Himmel“ ein Gefühl des echten monumentalen Epos. Dieses zeigt sich eher in den großen Ideen der Toleranz und des Respekts, denn in gigantischen Menschenansammlungen, von denen es selbstverständlich auch einige zu bewundern gibt. Es ist nicht Scotts Schuld, das jeder nach Peter Jacksons „Herr der Ringe“ zumindest unterbewusst Hobbits, Elben und Orks kämpfen sieht, wenn sich in Wirklichkeit Christen und Moslems gegenüberstehen. Eher ist es ein Kompliment, wenn die perfekt choreographierten Kämpfe aus „HdR“ rezitiert werden. Handkameragewackel gehört mittlerweile leider zum guten Ton, was auch John Mathieson mitbekommen hat. Diesen Schönheitsfehler ausgenommen, taucht er den Film und seine Ausstattung (welche weit weniger künstlich als noch in „Alexander“ aussieht) in teils sehr kühle (Frankreich-Episode), teils in verschwenderisch satte und leuchtende Farben (Palast in Jerusalem). Damit unterstützt er dezent die Stimmungen und Spannungen zwischen den einzelnen Lagern.

Bis zuletzt hatte ich gehofft, Scott würde auf die obligatorische „Braveheart“-Ansprache verzichten. Vergeblich. Immerhin ritt unser Held diesmal nicht vor tausenden seiner Männer auf und ab, was den Peinlichkeitsfaktor der Szene etwas abmilderte. Dennoch brach hier unverhohlen das Pathos heraus, was bis dato nur wohl dosiert zum Einsatz kam. Wo „Königreich der Himmel“ aufgrund der eingeschränkten Fähigkeiten seines Hauptdarstellers eine Vater-Sohn-Beziehung nur unzureichend transportieren kann, obsiegt er in der Brisanz und Aktualität seines Themas. Mit der Aufrichtigkeit von Scotts Epos können es nur wenige Filme in letzter Zeit aufnehmen. Seine Botschaft einer Reaktivierung des Dialogs mit anderen Kulturen auf Augenhöhe ist das Extrakt eines spannungsreichen Kinoabends.

Erschienen bei kino.de.

Elsa und Fred - La dolce Vita


ESP/ARG 2005

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Als eine Hommage ein Fellinis "La dolce Vita" (Das süße Leben) will Regisseur Marcos Carnevale seinen Film verstanden wissen, in dem die Romanze zwischen zwei End 70ern manch seltsame Blüte treibt. China Zorrila ist zwar nicht Anita Ekberg und Manuel Alexandre auch kein neuer alter Marcello Mastroianni, aber das schmälert nicht das Vergnügen beim Zusehen. Hier geben sich zwei Oldies fast wie frischverliebte Teenager, was zu der ein oder anderen herrlich skrurrilen Situation führt. Mit viel Empathie und Sprachwitz schildert "Elsa und Fred" diese Zweierbeziehung, vor dem Hintergrund des großen S/W-Klassikers. Sehenswert! Für meine ausführliche Rezension klickt auf critic.de.

Dienstag, April 11, 2006

FC Venus - Das Delling-Universum


D 2005

++1/2

“Elf Paare müsst ihr sein!” Der Untertitel zu einer deutschen Komödie um das Thema Fußball lässt Schlimmes erahnen. Hat sich Doris Dörrie mitsamt ihren ewig gleichen Beziehungsdramödien nun auch auf das für Männer Heiligste vom Heiligen gestürzt? Glücklicherweise führt Dörrie bei diesem munteren Kick nicht Regie, dafür engagierte man mit Ute Wiland aber eine Frau. Ist dieser anfängliche Schock erst einmal verdaut, kann der Film beginnen. Darin verschlägt es den Fußball-Enthusiasten und fanatischen Hobbykicker Paul (Christian Ulmen) angeblich aus beruflichen Gründen zurück in seine alte Heimat. Weg aus der Großtstadt Berlin, willkommen auf dem platten Land. Seine Freundin Anne (Nora Tschirner) ist eine erfolgreiche Architektin und über den Umzug alles andere als glücklich. Wenn sie nur ahnen würde, dass ihr Freund eigentlich nur nach der schweren Verletzung eines einstigen Fußball-Kameraden dessen Position in der dort eigenen Fußballmannschaft übernehmen soll, würde es für Paul ziemlich ungemütlich werden.

In Zeiten von Vogelgrippe, Angela Merkel und der Fußball-WM im eigenen Land war es nur eine Frage der Zeit bis das Kino geschickt den Ball aufnehmen und ein entsprechendes Filmchen ins Rennen schicken würde. „FC Venus“ gehört dabei zu den seltenen Fällen, in der das Remake eines bereits im Ausland erfolgreichen Stoffes vor dem Original bei uns startet. Denn der Film basiert mehr oder weniger auf der finnischen Komödie gleichen Titels. Während der Finne im Allgemeinen eher wortkarg und latent depressiv daherkommt, ist der Germane für seine Philosophierfreudigkeit bekannt, besonders dann, wenn es um das Runde geht, was ins Eckige musst. Eigentlich tauscht das Drehbuch von Jan Berger nur das Spielfeld aus, die Grundbestandteile seiner Story (bzw. der von Outi Keskevaari) waren bereits in den 90er Jahren unter dem Oberbegriff „Neue deutsche Komödie“ ein Publikumserfolg. Zwischen den Geschlechtern wird viel gewitzelt, gestänkert, Zoten gerissen und sich abwechselnd geliebt respektive gehasst.

Nach den zahlreichen missratenen Angriffen auf unsere Lachmuskeln in den letzten Wochen und Monaten („Mord im Pfarrhaus“ und „Big Mama’s House 2“ als zwei der eher gruseligen Beispiele) lässt sich bei diesem heimischen Kegelausflug in die geheime Hochkultur unserer Nation zumindest vom Start weg ein deutlich messbarer Spaßpegel konstatieren. Zwar schlägt der Seismograph nicht durchweg auf der höchsten Stufe aus, das wäre aber auch angesichts des verbrauchten Sujets der Spocht-/Beziehungskomödie nicht zu erwarten gewesen. Dass viele der recht simpel gestrickten Pointen zünden, liegt an der Spielfreudigkeit und Selbstironie des gesamten Ensembles. Neben Ex-U96-Mitglied Heinz Hoenig, der wieder einmal als alter cooler Sack auflaufen darf, müssen Ulmen und Tschirner als größtes Plus von „FC Venus“ gelten. Die Wiedervereinigung der einstigen MTV-Chaoten (lief da wirklich nie was zwischen den beiden?) war nur eine Frage der Zeit, nachdem beide doch recht erfolgreich als Schauspieler tätig sind. Die Chemie zwischen beiden stimmt, das spürt man als Zuschauer. Das erklärt, warum dieser deutsche Versuch einer romantischen Komödie auf ungewohntem Terrain gegenüber synthetischer Fließbandware wie „Zum Ausziehen verführt“ ganz klar vorzuziehen ist.

Überhaupt Nora! Die junge Dame aus Berlin-Pankow lässt mein Herz höher schlagen, ja ich gebe es offen zu. Wenn sie mit strengem strafendem Blick ins Kamerobjektiv schaut, so entschlossen zur Tat schreitet und dabei keine Gefangenen macht, möchte ich am liebsten das runde Leder sein. Einmal von Nora getreten werden, oh wie wär das schön. Ok, genug der masochistisch aufgeladenen Kritikerphantasien, es reicht auch einfach mitanzusehen, wie Nora sich in den Schlamm wirft. Schauspielerisches Talent hat sie unbestritten.

Wer etwas an „FC Venus“ aussetzen will, der findet dafür genug Angriffspunkte. Nicht nur, dass Ute Wielands Film ungeniert mit seiner vorhersehbaren uninspirierten Dramaturgie bei bekannten US-Sportfilmen klaut, das Aufbauen einer vermeintlichen Gurkentruppe zu einem schlagkräftigen Team ist spätestens seit Burt Reynolds in „The Longest Yard“ (1974) ein echter Klassiker, es werden auch keine platten Rollenklischees ausgelassen. Wenn dann doch einmal für kurze Zeit dieser Typisierungs-Strafraum verlassen wird, beispielsweise als Anne verbissen Konsolenspiele zockt und die Spielerfrauen zu Hardcore-Fussi-Fans mutieren, bricht das kurzzeitig gegen den Strich gebürstete garantiert in der nächsten Szene wieder zusammen. Ganz eindeutig versagt „FC Venus“ bei seinen geradezu lächerlichen Ansätzen eine Spur von Ernsthaftigkeit und Melodramatik in die Parade aus Fotzeleien und Yogi Löw-tauglichem Humor einbauen zu wollen. Eher geschmacklos als alles andere gestalten sich die Sprüche rund um Pauls im Koma liegenden Fußball-Kameraden. Da treten sogar kurzzeitig Irritationen auf, ob das denn alles tatsächlich ernst gemeint sein kann. Es kann.

Nun aber genug der Nörgelei, denn in diesem Jahr brauchen wir den Klinsmann’schen Optimismus, um die WM einigermaßen unbeschadet überstehen zu können. Für Ute Wieland und ihren „FC Venus“ hätte sich jedoch auch der gänzlich fußballdesinteressierte Kinozuschauer gewünscht, dass, so viel wie hier mit Ballweisheiten um sich geworfen wird, auch Sepp Herbergers Spruch „Das Spiel dauert 90 Minuten!“ beherzigt wird. So geht dieser weitgehend sinnfreien Bildstaffette in der zweiten Halbzeit leider merklich die Puste aus. Eine vorzeitige Auswechslung hat es nicht gegeben.

Sonntag, April 09, 2006

Good Night, and Good Luck - Passen Sie gut auf sich auf!


USA 2005

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Dass früher entgegen dem landläufigen Klagen nicht alles besser war, beweist George Clooneys ambitionierte Regiearbeit “Good Night, and Good Luck” über den Kampf couragierter Journalisten in den von Paranoia und Hysterie gekennzeichneten 50er Jahre der berüchtigten “McCarthy-Ära”. Der Senator aus Wisconsin, wie er von dem CBS-Aushängeschild Edward R. Murrow (David Strathairn) etwas abschätzig genannt wird (ein Freund wies mich auf die Parallele zu dem „Professor aus Heidelberg“ hin), verbreitete mit seinem Ausschuss zu jener Zeit Angst und Schrecken. Wer jemals nur den geringsten Kontakt zu einer kommunistischen Organisation oder einer mit einer kommunistischen Organisation befreundeten Organisation hatte oder auch nur jemand kannte, der wiederum einen Kommunisten kannte, stand kollektiv unter dem Verdacht des Landesverrats. Vor allem auf Intellektuelle, Journalisten und Künstler hatte es Senator John McCarthy (spielt sich in Archivaufnahmen selbst) abgesehen.

Das Team der CBS-Nachrichtensendung „See it now!“ um den Produzenten Fred Friendly (George Clooney) will diesen unerträglichen Zustand nicht länger hinnehmen. Sie entscheiden sich dazu, einen kritischen Bericht über den Fall eines aus der U.S. Air Force entlassenen Major zu senden. Weil ihm fälschlicherweise das Stigma einen kommunistischen Sympathisanten anhaftete, was ihn seinerzeit automatisch zu einem „nationalen Sicherheitsrisiko“ machte, verlor er seinen Job. Murrow kritisiert in seiner Sendung direkt die Methoden des Senatsauschusses und im speziellen die Arbeit des eifrigen Kommunistenjägers McCarthy. Kein Wunder, dass die Gegenseite das so nicht auf sich sitzen lassen will. Das Duell um die Meinungshoheit, ein Spiel mit nicht immer ganz fairen Mitteln, hat begonnen.

„Good Night, and Good Luck“ versteht sich als eine detailgenaue Rekonstruktion der damamligen Ereignisse, die jeder journalistischen Überprüfung standhalten soll. Das war Clooney sehr wichtig, der gemeinsam mit Grant Heslov auch das Drehbuch verfasste. Somit wird sein Film zu einem neuen alten historischen Dokument über ein Amerika, das um den eigenen Platz in der Welt noch kämpfte, während sich ein neuer Gegenblock zu den freitheitlichen westlichen Demokratien formte: der Kommunismus und Sozialismus. Die Post-Weltkriegs-Atmosphäre durchzog ein Klima der diffusen Verdächtigung, ausgelöst von Leuten wie McCarthy, ein übereifriger Karrierist in Washington, der sich selber schon zu gern im Amt des Präsidenten sah. Dort saß aber noch der so populäre Dwight D. Eisenhower (dieser hat gegen Ende einen äußerst pointierten Gastauftritt). Wenn Clooneys Film eine Schwachstelle hat, dann ist sie mit dem Begriff des realistischen „historischen Dokuments“ bereits umschrieben. Alles atmet ein Gefühl der Überkorrektheit, jeder Satz klingt sorgfältig abgewogen, was eigentlich niemand verwundern dürfte, spielt der Film doch in einem Milieu gestandener Nachrichtenmänner. Sprache ist wichtig, sie ist ihre Waffe, die sie aber nicht als solche verstanden wissen wollen, sondern als ein Instrument zur Aufklärung.

Murrows Vorstellungen über das, was das Fernsehen leisten soll, bilden die formale Klammer in „Good Night, and Good Luck“. Fernsehen kann der Unterhaltung dienen oder der Information und Erziehung. Das klingt pädagogisch und offenbart Murrows nicht unbedingt positives Bild über den amerikansichen Durchschnittsbürger, der sich nach dessen Meinung nur allzu gern von der kleinen Flimmerkiste ablenken und verführen lässt. Somit nutzen Clooney und Heslov ihr Werk nicht nur als mahnendes Beispiel für das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit, sie appelieren auch direkt an den Zuschauer, kritisch die ihm heute in den unterschiedlichen Medien übermittelten „Informationen“ zu reflektieren. Merke: die Wahrheit von Fox News und CNN muss nicht immer auch die ganze Wahrheit sein.

Das komprimierte Kammerspiel in den Räumen der CBS-Truppe entwickelt nach einer kurzen Phase der Orientierungslosigkeit, immerhin werfen die Akteure mit Namen und Daten nur so um sich, eine intensive intellektuelle Spannung. Das Duell Murrow gegen McCarthy elektrisiert auch in seiner Aufbereitung in einem Spielfilm, zumal die Nutzung der Archivaufnahmen ein cleverer Schachzug in Bezug auf eine fast nicht mehr zu überbietende Authentizität darstellt. Die einzig richtige Entscheidung in Schwarz-Weiss zu drehen rundet das stimmige Bild ab. Kameramann Robert Elswit gelingen ästhtetisch überaus ansprechende Einblicke in die verwinkelten Gänge der Nachrichtencrew und in die kleinen heimeligen Studios. Oftmals verschmelzen seine Bilder mit dem historischen Filmmaterial. Auf diese Weise kann eine Synthese zwischen zwei unterschiedlichen Zeitebenen entstehen, die eigentlich über fünf Jahrzehnte auseinander liegen. Dann ist die Illusion perfekt und der Zuschauer kann ganz tief in das stress- und schweißbeladene Geschehen eintauchen. Und überhaupt: soviel wie hier geraucht und gequalmt wird, das sähe in Farbe weit weniger elegant und mondän aus.

Indem Clooney das Brennglas ganz auf die Arbeit in der Redaktion legt, fallen zwangsläufig andere Aspekte unter den Tisch. Über den „privaten“ Edward R. Murrow erfährt man so gut wie nichts. Zwar sind seine Überzeugungen und Ansichten auch in seiner Arbeit allgegenwärtig, einen tieferen Einblick in Murrows Psyche erlauben sie jedoch nicht. Was ihm bei so manch verlorenem Blick durch den Kopf schießt, das überlässt Clooney der Phantasie des Zuschauers. Lediglich die in den konservativen 50er Jahren nicht gern gesehene Liasion zwischen zwei CBS-Angestellten thematisiert „Good Night, and Good Luck“ am Rande. Was das alles heute noch mit uns und unserer heutigen modernen Informationsgesellschaft zu tun hat? Diese Frage beantwortet sich spätestens, wenn Murrow in einem seiner geschliffenen Statements folgendes zur Sprache bringt:

„We will not walk in fear, one of another, we will not be driven by fear into an age of unreason. (..) We proclaim ourselves as indeed we are, the defenders of freedom where ever it still exists in the world. But we cannot defend freedom abroad by deserting it at home.”

Dieser Text würde sich auch als Präambel jeder Regierungserklärung gut machen.

Veröffentlicht bei kino.de.

Samstag, April 08, 2006

Running Scared - Ein Hauch von Nichts


Running Scared USA 2006

+

Kaum zu glauben, dass hinter der Kamera beim Action-Wettlauf-Mob-Thriller „Running Scared“ der gleiche Wayne Kramer steht, der zwei Jahre zuvor noch den melancholischen „The Cooler“ über einen notorischen Pechvogel drehte. Denn im Gegensatz zu „The Cooler“, ein kleiner Film, der wusste, dass er dies war, gibt sich „Running Scared“ als großspuriger Genremix aus, der hinter einer durchgestylten Fassaden so öde wie die berühmten Potemkinschen Dörfer daherkommt.

Gleich mit der ersten Szene wirft uns Kramer in die Handlung hinein, als ob er sich filmisch vor seinem Publikum den Siff aus der eigenen Nase rotzen müsste. Nach einem immer gern genommenen Anreißer, der zeigt, dass ein kleiner an Asthma leidender Junge scheinbar aus dem Bauch blutet, dreht Kramer die Uhr 18 Stunden zurück. Nach einem harten „Sin City“-ähnlichen Shootout zwischen Gangstern, korrupten Bullen und noch mehr Gangstern, wird dem Bandenmitglied Joey Gazelle (Paul Walker) aufgetragen, die dabei benutzen Waffen verschwinden zu lassen. Immerhin haben die Jungs gerade sogar einen Cop kalt gemacht. Zu Hause angekommen versteckt Joey die Knarren in einem scheinbar sicheren Verschlag. Dummeweise kriegt der russische Nachbarsjunge Oleg (Cameron Bright) Wind von der Sache. Nach einem Streit mit seinem Stiefvater greift der Junge zum Corpus delicti, was Joey in arge Schwierigkeiten bringt. Fortan hetzt er dem fahnenflüchtigen Oleg hinterher, gejagt von der Polizei und der russichen Mafia.

Zwei Filme kommen einem sofort ins Gedächntis, wenn die ersten Bilder über die Leinwand flimmern. Neben dem bereits erwähnten „Sin City“ und seiner Ästhetisierung roher Gewalt wird auch das Rache-Thema der Marvel-Verfilmung „The Punisher“ immer mal wieder aufgenommen. Und es gibt hierbei verdammt viele zweilichtige Typen, die dem einen oder anderen noch etwas krumm nehmen und eine Rechnung zu begleichen haben. Wie uns andere schon lehrten, wird Rache bekanntlich kalt serviert, und so zelebriert auch Regisseur und Autor Kramer das Sterben vor schönem Hintergrund. Gestorben wird hier an jeder Ecke, möglichst blutig und in Nahaufnahme. Dabei sorgen die dynamische Kamerafahrten und die an Videoclips erinnernden Ausleuchtung für eine falsche Idealisierung von Gewalt. Es fehlt, wie noch in „Sin City“, an einem sichtbaren „Zuviel“ des Ganzen, womit der Film keine ironische Distanz zulässt. Sowas geht nur selten gut („The Devil’s Rejects“ als ein Beispiel mit seiner Vorbeugung vor den cineastisch düsteren 70er Jahren). Meistens erweckt das den Eindruck, das zur Schau stellen von Körperflüssigkeiten solle nur das Nichts an Handlung und den eingeschränkten Grundstock an Motiven überdecken.

Überhaupt kann der Eindruck entstehen, dass Kramer mangels eigener Ideen auf das Vorbild „Sin City“ starrt. Sogar eine Marv nicht unähnliche Zuhälterpersönlichkeit darf hier in weißem Plüsch auftreten. Mehr als einen Lacher gibt dieser aber auch nicht ab, ganz im Unterschied zu „Romantic M“. Nur zu gern würde man „Running Scared“ das Spiel mit den Muskeln abnehmen, doch leider wird spätestens nach einem Drittel überdeutlich (also nach rund 40 Minuten, denn zwei Stunden dauert der angeblich so harte Spuk), dass sich Kramer längst nur noch von einer Szene zur nächsten schleppt. Es ist ein Fortgang der Story nach dem immer gleichen ermüdenden Schema: Erst kommt Joey in Nähe der begehrten Tatwaffe, dann ist diese wieder verschwunden, und unser herzensguter „Bad Boy“ muss mitsamt kindlichem Anhang erneut die Verfolgung aufnehmen.

Auf langen Strecken kommt auch der beste Autofahrer schon mal von der Ideallinie ab, weshalb es nicht verwundert, dass auch „Running Scared“ geschmacklose Schwenker in für den eigentlichen Plot nicht notwendige Gefilde unternimmt. Auf diese Weise lenkt Kramer einerseits von dem dünnen Konzept ab, andererseits wird einem als Zuschauer zugleich die scheinbare mit den Händen zu greifende Verzweiflung des Autors in ihrem ganzen Ausmaß bewußt. Was sollte bloß diese vollkommen deplazierte Pädophilien-Kiste mitsamt ihrer unreflektierten gefährlichen Selbstjustiz-Beweihräucherung? Nur Kramer kennt die Antwort. Verraten wird er sie uns dennoch wohl kaum, käme es doch einem Eingeständnis der eigenen kreativen Unzulänglichkeit gleich. Über die gesamte Lauflänge irrt Joey und mit ihm der Zuschauer durch eine bleigetränkte Nacht, die schon im Dunkeln vor Drehbuchfehlern und Logikschwächen derart hell erstrahlt, dass selbst „11:14“ oder „L.A. Crash“ daneben glaubwürdig erscheinen.

Mindestens genauso peinlich mutet das Spiel von Möchtegern-Raser/Surfer Paul Walker an. Ganz so, als ob man ihm vor jeder Szene „Paul, Du bist jetzt ganz wütend! Hau gegen jede Wand, die Du siehst und benutzt das böse F-Wort, wo Du nur kannst!“ ins Ohr geflüstert hat, hampelt der hier ganz auf hart dressierte Schönling durch die Szenerie. Diese derbste Art des Overacting lasse ich nur Musicals, ZAZ-Komödien und richtigem Schund wie „Braindead“ durchgehen. Aber da „Running Scared“, wie das zu mythischen Klängen unterlegte Finale beweist, sogar ernsthaft die dramatische Karte spielt, ist diese Holzhammer-Performance einfach unerträglich. Zu Walker gesellen sich auch die Kollegen Palminteri, Roden und der kleine Knirps Cameron Bright (bekannt aus „Birth“), alles ist um Längen zu dick aufgetragen.

Die zum Teil begeisternden Reviews, die der Film bislang erhalten hat, loben unisono die technische Realisation der hier praktizierten kalkulierten Bildergeilheit. Sie verschweigen dabei die Einfallslosigkeit und Gewaltfixiertheit der Story, ebenso wie die in nahezu jedem „Dialog“ zynisch abgefeierte Homophobie der Charaktere. Wenn die Gangster nicht gerade in den Ar*** gef***t werden, weil die Cops ihren Schw*** da reinstecken, krieg es die Frau der verw***en Schwuchtel natürlich in den Ar*** besorgt. Ein weiterer Kommentar erübrigt sich.

Zuerst erschienen bei kino.de.

Donnerstag, April 06, 2006

Zuletzt gesehen - Big Mama's House 2


USA 2005

+1/2

Eins gleich vorweg: Der "Film" war weniger grässlich, als ich befürchtet hatte, aber noch weit von einer wenigstens halbwegs brauchbaren Klamotte entfernt. Vor allem nervt Martin Lawrence mit seiner ächzenden Tonlage als Eddie Murphy-Spaßimitator, ganz zu Schweigen von den platten peinlichen Gags. Hier wird garantiert nichts ausgelassen. Was ich aber "Big Mama's House 2" anrechne, ist die Tatsache, dass dieser offenkundig auch nichts weiter als billiger Klamauk sein will. Höhere Ambitionen wie zuletzt „Mord im Pfarrhaus" beispielsweise in Richtung schwarzer Komödien hat dieser hier keine. Und mit dem egozentrischen Kleinkind, das von Schränken, Tischen und Klettergerüsten herunterplumpst, gibt es einen wirklich gelungenen Running Gag. Jetzt lass es aber auch gut sein, Martin! Die finale Drohung "Big Mama kommt wieder!" solltest Du besser nicht mehr wahr machen, okay?

Montag, April 03, 2006

Mord im Pfarrhaus - Not Amused


AUS 2005

+1/2

Es ist schon einige Wochen her, seitdem mich „Mord im Pfarrhaus“, dieser unsäglich unlustige und biedere Versuch einer „schwarzen“ Komödie, in der Sneak ereilte. Das war ein Tiefschlag in das Gesicht der großen britischen Humortradition mit Filmen wie „The Ladykillers“, „Immer Ärger mit Harry“ und den ganzen Monty Python-Absurditäten. Jetzt habe ich für eine Besprechung auf critic.de meinen Qualen nochmals Ausdruck verleiht. Mehr Worte will ich jetzt aber auch nicht mehr verlieren. Vielleicht halte ich zumindest einen Leser davon ab, für diesen filmischen Verkehrsunfall Geld auszugeben. Dann hieße es bereits: Mission Accomplished!