D 2011
++In fünf Jahren ist aus der Erde, wie wir sie heute kennen, ein lebensfeindlicher, fast menschenleerer, verwaister Ort geworden. Mit diesem Szenario eröffnet
Hell, ein Genrefilm aus heimischen Gefilden und damit irgendwie auch eine filmische Rarität. Die wenigen Versuche, die deutsche Regisseure und Autoren in den letzten Jahren in diese Richtung unternahmen, fuhren nahezu ausnahmslos gegen die Wand – und das wie beim Großstadt-Vampirthriller
Wir sind die Nacht oder beim düsteren Heimatthriller „Tannöd“ sogar meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur wenige Zuschauer verirren sich in Filme „Made in Germany“, wenn diesen nicht das Etikett der unverfänglichen Komödie oder des Denkerdramas anhaftet.
Diese traurige Tatsache, welche angesichts der durchaus bescheidenen Qualität des deutschen Genrekinos nicht ganz unverständlich erscheint, macht es gerade jungen Filmemachern beinahe unmöglich, ihre Ideen aus dem Horror- oder Thrillersujet für die große Leinwand umzusetzen. Tim Fehlbaum ist dieses Kunststück trotz aller Widrigkeiten gelungen. Dabei erwiesen sich seine teils preisgekrönten Kurzfilme wie der mit dem „Shocking Shorts Award“ ausgezeichnete
Für Julian als Visitenkarte und Türöffner. Auch hilft es, wenn dadurch jemand wie Roland Emmerich auf einen aufmerksam wird. Schwabens Hollywoodexport war von Fehlbaums Idee zu seinem Langfilmdebüt derart angefixt, dass er die Geschichte als ausführender Produzent begleitete. Mit Emmerich an Bord konnte zumindest aus betriebswirtschaftlicher Perspektive kaum mehr etwas schief gehen. Die Finanzierung stand und die Dreharbeiten in den bayerischen Wäldern und auf Korsika konnten beginnen.
In
Hell, dessen doppeldeutiger Name von der ersten Einstellung an Programm ist, begleiten wir zwei Schwestern auf ihrer gefährlichen und beschwerlichen Reise durch ein apokalyptisches Endzeitszenario. Die Sonne ist darin zum Feind jeden Lebens geworden. Ihre plötzlich millionenfach erhöhte Strahlkraft hat weite Teile der Erde inzwischen in eine öde Wüsten- und Steppenlandschaft verwandelt und sie praktisch unbewohnbar gemacht. Marie (Hannah Herzsprung) und ihre kleine Schwester Leonie (Lisa Vicari) zieht es dorthin, wo sie noch Wasser und Leben vermuten. Sie wollen mit ihrem abgedunkelten Auto und Maries Freund Phillip (Lars Eidinger) das Gebirge erreichen. Unterwegs treffen sie auf Tom (Stipe Erceg), einen Gestrandeten, der wie sie auf Rettung, etwas Wasser und Essen hofft. Mit ihm setzen sie schließlich ihre Reise durch eine inzwischen gänzlich fremde Welt fort.
Fehlbaums Endzeitvision besteht größtenteils aus gleißendem Licht, verlassenen Ruinen, endlosen Staubwüsten und ausgezehrten Blicken. Jede Hoffnung scheint hier verloren ebenso wie die Farben, die aus
Hell mit Ausnahme verschiedener Erdtöne restlos getilgt sind. Es ist ein Szenario, das sich sehr nahe an Cormac McCarthys
The Road entlang bewegt und das im direkten Vergleich jedoch eher auf die Methode „Holzhammer“ setzt. Schließlich positioniert sich Fehlbaums Film nach einer eher ruhigen und noch recht zurückgenommenen – manchmal auch etwas langweiligen – Einleitung immer stärker in Richtung des klassischen Survival-Horrors. Dazu passt auch der Schauplatzwechsel, der
Hell nach knapp der Hälfte seiner Laufzeit eine neue Dynamik verleihen soll.
Ohne jemals zuviel zu zeigen, zieht Fehlbaum die Stellschrauben seines in der Perspektive doch sehr beengten Endzeitthrillers sukzessive an. Mit der Verdichtung auf einen einzigen Ort gleicht sich die Geschichte zudem immer stärker den Spielregeln des Genres an. Dazu gehört es, im unerwarteten Moment die richtigen Schocks zu platzieren und seine anfangs scheue Heldin in ein zupackendes Final Girl zu verwandeln. Die große Apokalypse rückt unterdessen zunehmend in den Hintergrund, wobei
Hell die moralischen und sozialen Folgen des tödlichen Sonnenschauspiels ohnehin nur am Rande streift. Das lässt den Film einerseits etwas eindimensional und flach erscheinen, auf der anderen Seite verfängt sich Fehlbaum wie viele seine Kollegen – man denke nur an Lars Kraumes gefloppter Terroristen-Utopie
Die kommenden Tage – nicht in einem Netz aus wirren Umwelt- und Sozialthesen.
Insofern fällt das Ergebnis recht zwiegespalten aus. Für einen deutschen Film, noch dazu, wenn er augenscheinlich als Genrekino verstanden werden will, mag es ein Schritt in die richtige Richtung sein. Jetzt müssen aber auch weitere folgen. Ansonsten bleibt
Hell ein – zumindest stellenweise – talentierter Einzelkämpfer ohne wirkliche Streitmacht, womit er seiner Hauptfigur ähnlicher wäre, als es sich Fehlbaum und der deutsche Film wünschen dürften.
Für
BlairWitch.de.