No Country for Old Men - Das richtige Leben im Falschen
USA 2007
+++1/2
Mit der Adaption von Cormac McCarthys Roman No Country for Old Men kehren Joel und Ethan Coen zu ihren kreativen Wurzeln zurück. In bester Blood Simple-Tradition zeichnet ihr schwarzhumoriges Crime-Drama ein düsteres Portrait der menschlichen Natur. Folgt man ihrer Argumentation, so lassen wir uns nur allzu oft von falschen Hoffnungen, Gier und sogar Wahn leiten. In den Hauptrollen liefern sich Josh Brolin und Javier Bardem ein elektrisierendes und dabei vor allem blutiges Duell.
Filmkritik:
Eine karge Landschaft, schweigsame Menschen, ein missglückter Drogendeal und der Traum von einem besseren Leben. Das sind die Zutaten der neusten, in Cannes uraufgeführten Arbeit der Coen-Brüder. Joel und Ethan, die seit ihrem Erstling Blood Simple immer wieder die zweifelhafte Moral der Spezies Homo sapiens sapiens erforschten, bleiben sich und ihrem Gesamtwerk mit der recht losen Verfilmung von Cormac McCarthys Roman No Country for Old Men treu. Irgendwo zwischen tiefschwarzer Komödie, aufrichtigem Drama und perfekt arrangierten Suspense-Kino lässt sich die Geschichte um einen einfachen Mann einordnen, dessen Leben durch den Fund eines Koffers und 2 Millionen Dollar eine neue Wendung nehmen soll.
Eigentlich wollte er nur einige Tiere schießen. Doch während Llewelyn Moss (Josh Brolin) noch darauf wartet, dass ihm etwas Essbares vor das Zielfernrohr seines Gewehrs läuft, macht er eine ganz andere Entdeckung. In der Einöde der texanischen Wüste sollte augenscheinlich ein Drogengeschäft abgewickelt werden. Davon zeugen ein paar tote Mexikaner, eine Wagenladung Heroin sowie ein Koffer randvoll mit Dollarnoten. Llewelyn überlegt nicht lange. Er nimmt das Geld und macht sich aus dem Staub. Dass sich im Koffer ein Peilsender befindet, der ihn zur Zielscheibe eines psychopatischen Killers (Javier Bardem) werden lässt, davon ahnt Llewelyn zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nichts.
Die Parallelen zu alten Coen-Glanzstücken wie Blood Simple und Fargo liegen auf der Hand. Auch in No Country für Old Men ergeben Gier, Wahnsinn und Verzweiflung einen tödlichen und äußerst blutigen Cocktail. Für die Aussicht auf das schnelle Geld ist Llewelyn bereit, alle Skrupel und jedwede Moral abzulegen. Alles was in diesem Moment für ihn von Bedeutung ist, passt in einen unauffälligen Silberkoffer. Und wie in Fargo wimmelt es auch hier von skurrilen, wunderbar verschrobenen Charakteren. Der von Tommy Lee Jones mit einer stoischen Ruhe verkörperte Sheriff Bell – gewissermaßen die männliche Reinkarnation von Marge Gunderson – ist für einen Großteil der Pointen zuständig. Sein nüchterner Blick auf die Welt ist typisch für viele Figuren aus dem Coen-Universum, in dem trotz aller Gewalt und Bitternis stets Raum für ein melancholisches Erinnern an die „Good ol’ Days“ bleibt.
No Country for Old Men vereint ein mehr als außergewöhnliches Schauspiel-Ensemble. Allen voran Josh Brolin und Javier Bardem liefern unter der Regie der Coens die vielleicht stärksten Leistungen ihrer bisherigen Karriere ab. Brolin, der zuletzt in Ridley Scotts American Gangster den Bad Cop gab, übernahm den Part des fast schon bemitleidenswerten Anti-Helden, der halb sehend, halb blind in sein Verderben rennt. Brolins Präsenz und Ausstrahlung erinnert desöfteren an Nick Nolte, dessen Spezialität bekanntlich auch in der Darstellung gebrochener Existenzen lag. Kam es bei Llewelyn darauf an, dass sein Handeln zu jedem Zeitpunkt für den Zuschauer verständlich und nachvollziehbar erscheinen sollte, galten vergleichbare Regeln für Bardem allenfalls in der Theorie. Llewelyns Verfolger ist ein in ein Bolzenschussgerät vernarrter Sadist, ein Irrer, der keine Gefangenen macht. Bardem transportiert all dies mit einer beängstigenden Kälte und Präzision. Während einer recht frühen Strangulationsszene genügt ein Blick in seine Augen, damit sich einem die Nackenhaare aufstellen.
Die Coens lieben es, Geschichten aus dem Herzen Amerikas zu erzählen. Dort, wo die Weite der Landschaft alles überragt, setzen sie eine Spirale aus Gewalt und Chaos in Gang, aus der es letztlich kein Entrinnen gibt. Mit jeder neuen Szene – vom ersten Aufeinandertreffen der Kombattanten im versifften Motel bis zur Schießerei auf offener Straße – kommen hier die tödlichen Einschläge ein kleines Stück näher. Auf blutigen Pfaden und verpackt in lakonische Bilder erzählt No Country for Old Men von der trügerischen Hoffnung auf ein richtiges Leben im Falschen.
Für Programmkino.de.