Pandorum - Völlig losgelöst
USA 2009
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Das Weltalt – unendliche Weiten. Christian Alvarts SciFi-Thriller Pandorum beginnt wie eine typische Star-Trek-Folge. Das Panorama des Universums, dazwischen ein Raumschiff, das größer und größer wird. Schnell erfahren wir, dass es sich bei dem Gefährt um die „Elysium“ handelt, ein Raumschiff, das sich auf einer Kolonisationsfahrt zum Planeten Tanis befindet. Dort herrschen angeblich ähnliche Lebensbedingungen wie auf die Erde und genau dort soll sich die Menschheit neu ansiedeln. Das Szenario klingt vertraut und spielt mit dem alten Entdeckergeist und Wagemut, den einst Abenteurer wie Christoph Kolumbus oder James Cook verkörperten, als sie mit ihren Schiffen in eine für sie unbekannte Ferne aufbrachen.
Für derartige Entdecker-Romantik ist in Pandorum allerdings kein Platz. Als die beiden Astronauten Payton (Dennis Quaid) und Bower (Ben Foster) urplötzlich aus einem langen, tiefen Schlaf erwachen, bietet sich ihnen vielmehr ein recht trostloses Bild. Nicht wissend, was genau ihre Aufgabe ist und wo sie sich überhaupt befinden, beginnen sie, die dunkle Gänge des Raumschiffs Meter um Meter zu erforschen. Dabei zeigt sich, dass die Energieversorgung kurz vor dem Zusammenbruch steht. Um keine Zeit zu verlieren und die Funktionstüchtigkeit des Schiffs zu sichern, entscheiden sich beide für eine Aufgabenteilung. Während Bower das scheinbar endlose Labyrinth aus Gängen, Räumen und Korridoren erkundet, soll Payton ihn per Funk zum Reaktorraum lotsen.
Ab da entwickelt sich Alvarts Sci-Fi-Horror zu einem düsteren Survival-Trip aus Egoshooter-Perspektive. Wie der Spieler eines Videospiels erlebt der Zuschauer zeitweilig Bowers gefährliche Mission, bei der dieser nicht nur auf neue Mitstreiter stößt, sondern sich zugleich äußerst aggressive Gollum-artige Kreaturen vom Leib halten muss. Seinem Captain ergeht es zur selben Zeit nicht viel besser. Ein unerwarteter Besucher strapaziert die Nerven des erfahrenen Piloten. Corporal Gallo (Cam Gigandet) wirkt verstört und traumatisiert. Er berichtet, dass er seine beiden Mitstreiter töten musste, nachdem diese angeblich Symptome der heimtückischen Weltraumkrankheit „Pandorum“ zeigten.
Lange Zeit ergeht es uns Zuschauer wie Alvarts Protagonisten. Wir tappen im Dunkeln – mehr oder weniger. Denn um zu ahnen, dass nichts so ist, wie es zunächst scheint, muss man kein Kenner des Genres sein. Vielmehr lässt die ganze Wahrheit auch in Pandorum eine gefühlte Ewigkeit auf sich warten. Dass die einzelnen Plot-Twists überdies mit Pauken und Trompeten angekündigt werden, trägt ebenfalls nicht zur Steigerung des Überraschungsmoments bei. Eher legt die dramatische Zurschaustellung jeder Wende den Verdacht nahe, dass die Macher ihren eigenen Film für wahnsinnig originell und innovativ halten (was er nicht ist). Dabei setzt sich das zu entschlüsselnde Puzzle letztlich aus vielen bekannten Bausteinen zusammen, die schon in anderen Horror- und Sci-Fi-Geschichten Verwendung fanden.
Pandorum könnte sodann problemlos als Weltraum-Klon des britischen Höhlenschockers The Descent durchgehen. Wie seinerzeit Neil Marshall setzt auch Christian Alvart vornehmlich auf die Enge und Unübersichtlichkeit der Räumlichkeiten. Hinter jeder Ecke und jeder Tür kann der Tod in Gestalt hungriger Monstermutanten auf unseren Helden lauern. Die abscheulichen Kreaturen wirken gar wie eine 1-zu-1-Kopie der blutgeilen Höhlenbewohner. Mehr noch: Des Öfteren beschleicht einen das Gefühl, Alvart habe gleich ganze Szenen in Copy-and-Paste-Manier nachdrehen lassen. Wenn Bower und seine Mitstreiter durch einen blutigen See aus Kadaver schwimmen, scheint lediglich das Hintergrundbild ausgetauscht worden zu sein.
Der Rückgriff auf erprobte Ideen ist grundsätzlich keine cineastische Todsünde. Gerade im Horrorfach gehört das Nachstellen, Imitieren, Kopieren und Aufwärmen praktisch zum Tagesgeschäft. Wer aber wie Alvart derart fleißig die Genre-Kiste plündert, der sollte zumindest sein Handwerkszeug beherrschen. Davon kann in diesem Fall jedoch nur sehr eingeschränkt die Rede sein. Allein die Kameraführung und Montage der Jagdszenen bereiten ernsthaft Kopfschmerzen. Vor allem der Schnitt ist eine Frechheit. Unübersichtlich und unnötig hektisch erinnert die gesamte Bildgestaltung an ein schlampig produziertes C-Movie (was Pandorum mit einem Budget von 40 Mio. Dollar definitiv nicht ist). Über die handwerklichen Mängel können am Ende selbst einige nette, computergenerierte Establishing Shots nicht hinwegtäuschen.
Fleißig werden von Alvart auch Danny Boyles SciFi-Glanzstück Sunshine, der Klassiker Alien und die Filme der Resident Evil-Reihe zitiert. Letzteres verwundert am wenigsten, immerhin ist Paul W.S. Anderson als Produzent mit an Bord. Während dessen Videospieladaptionen allerdings keine größeren Ambitionen an den Tag legten, beschweren Alvart und sein Drehbuchautor Travis Milloy Pandorum mit pseudophilosophischen Ballast („Freiheit ohne Moral? Unmöglich!“) und einer ausgelutschten, religiös eingefärbten Adam-und-Eva-Metaphorik. Dass ein Film mehr als nur reine Unterhaltung sein will, ist legitim. Nach gut anderthalb Stunden schlecht choreographierten Gerenne, Gefluche und Gekreische nehme ich Alvarts zähem Weltall-Horror seine sozioökologischen Lippenbekenntnisse jedoch nicht mehr ab.
Für BlairWitch.de.