Donnerstag, November 30, 2006

Bye Bye Blackbird - Trapez-Tristesse

D/ÖST/LUX/UK 2005

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In früheren Zeiten galt vor allem der Zirkus als Ort der Imagination und der Fantasie. Bevor die Bilder laufen lernten und das Kino diesen Platz einnahm, drängte es die Menschen noch in Scharen in die für sie andere Welt unter der Zirkuskuppel. Der in seiner Heimat Frankreich bislang als Porträtfotograf bekannte Robinson Savary wählte diesen Schauplatz, um die Geschichte einer tragischen und unerfüllten Liebe zu erzählen. Auch wenn die höchst ästhetischen Bilder die Faszination des Zirkus erahnen lassen, bleibt das anfängliche Interesse an den Charakteren letztlich in einem zu hoch gewählten künstlerischen Anspruch stecken.

Filmkritik:

Paris um 1900, zur Zeiten der Weltausstellung. In der Stadt der Liebe und der Künste sucht auch der Wanderarbeiter Josef (James Thierree) eine neue Anstellung. Seine letzte Arbeit brach er nach einem tragischen Unfall ab. Dort musste er mitansehen, wie aus großer Höhe ein Kollege beim Bau des Eiffelturms in die Tiefe stürzte. Als Josef gedankenverloren durch die geschäftigen Gassen und Straßen Paris schlendert, fällt sein Blick plötzlich auf ein Zirkusplakat. Es zeigt die wunderschöne Trapezkünstlerin Alice (Izabella Miko). Ihm ist sofort klar, dass sie die Frau seines Lebens ist.

Ohne zu zögern bewirbt er sich in „Dempsey’s Zirkus“, dessen ruhmreiche Tage bereits länger zurückliegen. Zirkusdirektor Lord Dempsey (Derek Jacobi) führt dennoch ein strenges Regiment über seine Mitarbeiter. Er will sich nicht damit abfinden, dass der Glanz und die Tradition seines Namens immer mehr verblasst. Aus diesem Grund nimmt er nach anfänglicher Skepsis Josefs Angebot bereitwillig an, mit Alice eine gemeinsame Trapeznummer aufführen zu wollen. Während Josef hofft, so Alices Herz gewinnen zu können, glaubt der Patriarch an eine Renaissance seines Familienbetriebs. Beides soll sich schlussendlich als eine trügerische Illusion erweisen.

In seiner stimmungsvollen Exposition entführt uns Bye Bye Blackbird in eine fremde und mysteriöse Welt. Dem Zirkus haftet auch im ersten Kinofilm des französischen Regisseurs Robinson Savary der Eindruck eines surrealen Kosmos an, dessen Magie und Faszination aus dem Spiel mit unseren Fantasien und Träumen erwächst. Die grazile, kunstvolle Akrobatik auf dem Trapez im Schein der illuminierten Zeltkuppel erstaunt und regt unterschwellig die eigene Sensationslust an. Gemeinsam mit Kameramann Christophe Beaucarne erschuf der gelernte Fotograf Savary einen Bildertraum, dessen elegante und zugleich schlichte Ästhetik zu beeindrucken weiß. Parallelen zu dem ähnlich stilvoll fotografierten Der Himmel über Berlin sind unübersehbar. Die vorherrschende Farbgebung mittels Braun-, Grau- und Rottönen verortet „Dempsey’s Zirkus“ auf die Schwelle zwischen geheimnisvoller Traumwelt und Realität.

Aber nicht nur Optik und der Schauplatz erinnern an Wenders Schwarz-Weiss-Märchen. Auch die Engelsmetaphorik greift Savary überdeutlich auf. Gerade während der letzten halben Stunde, in der sich die sanfte Liebesgeschichte in ein beinahe philosophisches, existenzielles Drama verwandelt, droht der Film, im symbolischen Nirvana zu enden. Die Dynamik und Atmosphäre der Einleitung ist verschwunden, stattdessen spannt Savary die Geduld des Zuschauers mit dem Anziehen der dramaturgischen Handbremse auf eine harte Probe. Wir erleben in langen redundanten Einstellungen, wie Josef an seinem Schicksal zerbricht, und wie er sich nach den Geschehnissen um Alice in Trauer und Einsamkeit flüchtet. Trotz Thierees physisch sehr präsentem Schauspiel erstarrt Bye Bye Blackbird dabei in einer artifiziellen Tristesse, die einen ratlos und unbefriedigt zurücklässt.

Erschienen bei Programmkino.de.

Sonntag, November 26, 2006

Little Miss Sunshine - Schönheit im Anderssein

USA 2006

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Die eigene Sippe als Keimzelle des ganz alltäglichen Irrsinns. Der Überraschungserfolg Little Miss Sunshine der beiden ehemaligen Videoclip-Regisseure Jonathan Dayton und Valerie Faris spürt im Schoß der Familie allerlei skurrile, heitere bis tragikomische Momente auf.

Anspruch und Realität klaffen auch bei Familienvater Richard Hoover (Greg Kinnear) weit auseinander. Während er davon überzeugt ist, ein neunstufiges Patentrezept zu persönlichen wie beruflichen Erfolg gefunden zu haben, können sich nur wenige seiner Zuhörer für Richards Motivationsinjurien begeistern. Und zu Hause hört sowieso schon lange niemand auf ihn. Sein Vater (Alan Arkin) fliegt nach mehrmaligem Drogenkonsum aus dem Seniorenheim und sein Sohn (Paul Dano) flüchtet in ein selbst auferlegtes Schweigegelübde. Wäre da noch Richards Ehefrau Sheryl (Toni Collette), die jedoch nach dem Selbstmordversuch ihres Bruders Frank (Steve Carell) andere Sorgen hat, als sich um die ins Stocken geratene Karriereplanung ihres Mannes zu kümmern. Einzig Olive (Abigail Breslin), seine siebenjährige Tochter, scheint Daddys unerschütterlichen Optimismus geerbt zu haben. Als sie die Nachricht erreicht, sie könne an der Wahl zur „Little Miss Sunshine“ teilnehmen, kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr – zumindest bei Olive.

Nach längeren Diskussionen entscheidet die Familie schließlich, gemeinsam im alten VW-Bus nach Kalifornien zur Miss-Wahl zu reisen. Von da an begibt sich Jonathan Daytons und Valerie Faris erste Regiearbeit zielstrebig auf Road Movie-Kurs. Die sechsköpfige Truppe, deren illustre Zusammensetzung akribisch durchgeplant wurde, stolpert von einem Malheur zum nächsten. Weil die durchweg erstklassige Besetzung die nur leidlich originelle Ausgangslage Vergessen macht und sogar manch platte Gags mit einem verschmitzten Charme verkaufen kann – Opas Kauf der Sexheftchen passt eher in einen Zotenreißer mit Ben Stiller und Owen Wilson – stellt sich zwischen der Chaostruppe und uns schnell eine wohlige Vertrautheit ein. Dass sich Autor Michael Arndt dabei auch im filmhistorischen Fundus bedient und Klassiker wie Hitchcocks Immer Ärger mit Harry zitiert, verstärkt dieses Gefühl nochmals.

Obwohl jeder Einzelne des Sechserpacks stets eine Überzeichnung bekannter und gängiger Stereotypen in sich trägt – der depressive Intellektuelle trifft auf Dad, den geborenen Verlierer – ist der Spaß beim Zusehen nie in Gefahr. Dafür spielt das Drehbuch zu pointiert mit den nicht nur bei den Hoovers weit verbreiteten Ritualen des Alltags. Allein die Diskussion über die Art der Reisegestaltung, wer mitkommt oder zuhause bleibt, besitzt einen unschlagbaren Wiedererkennungswert.

Je näher Olive ihrem Ziel kommt, desto mehr wünscht man sich, der Trip möge den einen oder anderen Schlenker mehr einlegen. Ist es ein Klischee der Filmkritik, das sie nur zu gerne mit Begrifflichkeiten wie Anteilnahme operiert? Anteilnahme entscheidet letztlich darüber, ob wir zufrieden oder enttäuscht das Kino verlassen. Bei Little Miss Sunshine ist sie im Überfluss vorhanden. Ganz besonders für die kleine Schönheitskönigin, die so gar nicht zu dem eingeschnürten und dressierten Lächeln ihrer zu auffrisierten Püppchen erstarrten Konkurrentinnen passen will. Unser Herz hängt am Underdog, speziell dann, wenn dieser die Niederlage nicht als solche versteht, sondern sich abseits von Leistungskategorien über seine eigene Persönlichkeit definiert.

Das Finale in dem vom Elternehrgeiz infiltrierten Miss-Contest funktionieren Dayton und Faris kurzerhand in ein leidenschaftliches Plädoyer gegen herrschenden Schönheitswahn und Konformitätsdruck um. Die Story scheint sich in der Absurdität der Hoover’schen Bühneneinlage aufzulösen, während die Familienmitglieder dem eigenen Bewegungsdrang freien Lauf lassen. Nachdem der Film über weite Strecken eher brav den Konventionen seines Genres folgte, bricht er auf der Zielgeraden aus. Das dürfte nicht nur auf Olives Gesicht ein breites Grinsen herbeizaubern. Die Hoovers haben sich soeben als die legitimen, verschrobenen Nachfolger der Griswolds empfohlen.

Freitag, November 24, 2006

Eden - Leichter Genuss mit fadem Nachgeschmack

D 2006

++1/2

Charlotte Roche ist das jüngste Mitglied im Club der "Ehemaligen Musikfernsehen-Moderatorinnen, die jetzt in Schauspielerei machen". In Michael Hoffmanns Tragikomödie Eden sind ihre schauspielerischen Defizite aber offensichtlich. Dafür reißt ihr Partner Josef Ostendorf in der Rolle des genießerischen und sich verzehrenden Gourmet-Kochs die Kohlen aus dem Feuer. Ohne ihn würde die gesamte Konzeption des Films nicht aufgehen. Dieser krankt daran, dass sich die Geschichte kaum etwas zutraut, sondern lieber brav und bieder einer langweiligen "Feel Good"-Atmosphäre nachrennt. Meine Besprechung findet sich auf Critic.de.

Mittwoch, November 22, 2006

Zuletzt gesehen - Pulse

USA 2006

+

Gerade quält sich noch der zweite Grudge-Auflauf durch unsere Kinos, da kündigt sich mit dem Remake des japansichen Gruslers Kairo ein weiterer Tiefpunkt durch den Hollywood-Fleischwolf gedrehten asiatischen Horrors an. Bleiche, hagere junge Menschen ersetzen das seit Filmen wie Ringu auch in der westlichen Populärkultur bekannte schwarzhaarige Geistermädchen. Davon abgesehen halten sich die Innovationen und wünschenswerten Verbesserungen aber in überschaubaren Grenzen. Dass verquere Theorien zu einem erschreckend banalen Schauerhintergrund großspurig aufgeblasen werden - dieses Mal muss eine technologiefeindliche Message als Blaupause herhalten - gehört ebenso wie das lieblose, stereotype Casting der Figuren scheinbar zum Standardprogramm einer solchen Produktion. Kristen Bell und Christian Milian (ja, genau die) verirren sich in einem ganz auf lächerliche selbst-referentielle Spezialeffekte und kurze Schockmomente getrimmten Plot, der ohnehin nur notdürftig das sinnlose Geschreie der knapp bekleideten Mädels zusammenhalten kann. Immer dann, wenn zumindest kurzzeitig in der konsequenten Tristesse der Bilder atmosphärisch sich vielleicht etwas entwickeln könnte, reißt einen das Geheule eines schrillen Sound-Effekts aus dem sanften Übergang in die REM-Phase heraus.

Produziert von den umtriebigen Gebrüder Weinstein und unter der Regie von Jim Sonzero ist so etwas entstanden, dass sich selbst als beliebiges Fast-Food-Kino enttarnt. Nur die konsequente Nichtbeachtung an der Kinokasse kann uns in Zukunft wohl davor bewahren, weitere derart verquere Destillate asiatischer Filmkunst vorgesetzt zu bekommen.

Montag, November 20, 2006

Departed - Unter Feinden

USA 2006

+++1/2

2002 machte die verglichen mit Korea und Japan etwas ins Hintertreffen geratene Hong Konger Filmindustrie mit dem Action-Thriller Infernal Affairs auch international wieder auf sich aufmerksam. Die Geschichte um zwei Männer, die auf jeweils unterschiedlichen Seiten des Gesetzes undercover ermitteln, hätte mit seinen bleihaltigen Shoot-Outs und raffinierten Plot-Wendungen auch einem Altmeister wie John Woo zur Ehre gereicht. Kein Wunder, dass Hollywood auf den Stoff aufmerksam wurde. Niemand Geringeres als Martin Scorsese nahm sich der diffizilen Aufgabe an, ein Remake zu drehen, das neben dem fesselnden, rasanten Original bestehen kann. Nach Ansicht von Departed – Unter Feinden lässt sich eigentlich nur eines konstatieren: Scorsese hat die wenigen Schwächen der Vorlage eliminiert ohne deren Stärken zu vernachlässigen. Seine Version ist vitaler, rauer, atmosphärischer – kurzum (noch) besser.

Filmkritik:

Die Prämisse ist simpel, und doch trägt sie bereits alle folgenschweren Konsequenzen in sich. Der junge Undercover-Cop Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) wird im Auftrag der Bostoner Polizei in das Reich der Unterweltgröße Frank Costello (Jack Nicholson) eingeschleust. Es gelingt ihm, dessen Vertrauen zu gewinnen. So zählt er nach kurzer Zeit zu Costellos innerem Zirkel, zu den Männern, auf die der selbsternannte Pate von South-Boston für die Abwicklung seiner Deals und die tägliche Drecksarbeit zurückgreift. Währenddessen macht einer von Costellos Jungs, der ehrgeizige Kriminelle Colin Sullivan (Matt Damon), bei der Polizei Karriere. Er wird Mitglied einer Spezialeinheit, die sich die Zerschlagung der Mafia zum Ziel gesetzt hat. Das ermöglicht ihm, Costello vorab über jeden Schritt der Ermittler zu informieren, was jedoch nicht folgenlos bleibt. Schon bald geht bei den Cops das Gerücht über einen Maulwurf um und auch die Gangster ahnen, dass einer in ihren Reihen ist, dem man besser nicht vertrauen sollte. Für Costigan und Sullivan beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel auf Leben auf Tod.

Mit Departed – Unter Feinden kehrt Martin Scorsese nach zwei epischen Ausflügen in Amerikas Vergangenheit zurück zu seiner filmischen Heimat und dem Genre des Mob-Thrillers, das er einst mit Werken wie Mean Streets, Taxi Driver und Goodfellas maßgeblich prägte und populär machte. Scorseses Ruhm als einer der einflussreichsten Regisseure unserer Zeit ist untrennbar mit den Geschichten und Anekdoten rund um die New Yorker Unterwelt verbunden, mit Gangstern wie Henry Hill, Tommy DeVito, John 'Johnny Boy' Civello und Charlie Cappa. Für das Remake von Infernal Affairs verlegte Drehbuchautor William Monahan den Schauplatz von Hong Kong nach Boston und tauschte die chinesischen Triaden gegen die irische Mafia aus.

Auch wenn die Story in Massachusetts und nicht in New York situiert ist, merkt man sofort, dass Scorsese hier ganz in seinem Element ist. Es wird gelitten, gemordet, gestorben, grausam und ohne Unterlass. Die im Vergleich zur Hong Konger-Version ausführlichere Exposition vermittelt bis ins Detail ein Gespür für die raue, unbarmherzige Realität in den Straßen von South-Boston. Dort, wo das Gesetz des Stärkeren gilt, muss sich Costigan den physischen wie psychischen Herausforderungen seines lebensgefährlichen Auftrags stellen. Die energetische, ruhelose Kamera von Michael Ballhaus folgt den Protagonisten bei jeder ihrer Aktionen. Sie ist immer mittendrin im Geschehen, so dass einem als Zuschauer die Kugeln förmlich um die Ohren zu fliegen scheinen.

Passend zu dieser Dramaturgie der Gewalt schießen die Dialoge MG-Salven-gleich aus jeder Ecke. Der typische verrohte Slang des Milieus – gefühlte Tausend Mal findet das von amerikanischen Jugendschützern nicht gern gehörte F-Wort Verwendung – spiegelt konsequent die von Machismen durchzogenen Welten der Gangs und der Polizei wider. Scorsese, der Männerfilmer, hat nur selten das Interesse für starke Frauenfiguren aufbringen können. Vermutlich lassen sich diese an einer Hand abzählen. In Departed durchbricht lediglich Vera Farmiga in der Rolle der Polizeipsychologin und Geliebten zwischen zwei Männern die uneinnehmbare Festung aus Testosteron. Darin haben sich DiCaprio und Damon eingemauert. Ersterer entwickelt sich zunehmend zu einem zweiten DeNiro, ohne den Scorsese wohl keinen Film mehr drehen will. DiCaprio war selten präsenter und überzeugender in der kompromisslosen Härte und Verlorenheit, die er als Billy Costigan ausstrahlt. Wie Matt Damon porträtiert er einen Mann, der seinen Wurzeln beraubt und für eine höhere Sache instrumentalisiert wurde. Zurück bleibt ein Wrack, ein Getriebener. Allen die Show stiehlt jedoch Jack Nicholson. Der egozentrische Unterweltboss ist für ihn ein später Glücksfall einer an Höhepunkten nicht gerade armen Schauspielkarriere. Die Mitglieder der Academy werden es zu würdigen wissen.

Der unweigerliche Vergleich mit Infernal Affairs braucht Scorsese nicht zu scheuen. Seine Version legt deutlich mehr Gewicht auf eine atmosphärisch dichte Schilderung der unterschiedlichen Milieus, auf die Ängste und Konflikte, die vor allem Costigan plagen. Während sich die Handlung nah an die Vorlage hält, fällt die Action noch eine Spur kompromissloser und härter aus. Die beiden Hong Konger-Regisseure Wai Keung Lau und Siu Fai Mak konzipierten dagegen einen geradlinigeren Thriller, der in seiner zuweilen gelackten Optik ganz nebenbei die Schwäche vieler neuerer HK-Produktionen offenlegt, denen es an einer eigenständigen Handschrift mangelt. In dieser Hinsicht stellt Scorseses Film auch ein Novum dar. Es ist das erste Hollywood-Remake, das sich nicht nach einer Kopie sondern dem Original anfühlt.

Erschienen bei Programmkino.de.

Donnerstag, November 16, 2006

Die Super-Ex - Debiles für Erwachsene

USA 2006

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Uma Thurmans letzter Ausflug ins Komödienfach fiel mit Couchgeflüster überaus charmant, witzig und intelligent aus. Die Super-Ex ist nun offensichtlich der Versuch, diesen Attributen ihr entsprechendes Gegenteil entgegenzusetzen. Da kann selbst Uma nichts mehr retten. Meine Besprechung gibt es auf Critic.de.

Montag, November 13, 2006

Zuletzt gesehen - Wo ist Fred!?

D 2006

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Til Schweiger in einer deutschen Komödie. Ok, man sollte fair sein und zumindest seine Aversion gegen den nuschelnden Unschauspieler etwas zurückstellen können. Aber dennoch ändert das nur wenig daran, dass Herr Schweiger nach wie vor ein wandelndes Untalent ist, der einen zuweilen recht ordentlichen und unterhaltsamen Spaß deutlich abwertet. Der neue Film von Kebab Connection-Regisseur Anno Saul ist eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits geriert sich Wo ist Fred!? als politisch unkorrekte Komödie, die auch gerne mal das ein oder andere Späßchen über Behinderte abfeuert (von denen einige jedoch nur unsäglich platt sind), dann mutiert er im letzten Drittel zur treuherzigen, braven Liebesburleske, die sich keinen Deut von dem Gros deutscher Beziehungsfilmchen unterscheidet. Die Besetzung mit Alexandra Maria Lara in ihrer Standardrolle als unschuldiges Mädel, das große Rehaugen machen darf, passt da nur zu gut in diese Schiene. Da denkt man doch mit Wehmut an Nora Tschirners beherzten Auftritt in dem weitaus erfrischenderen Kebab Connection zurück.

Einige der Pointen sind wahrlich zum Schreien komisch, das meiste davon geht auf das Konto von Christoph Maria Herbst, der einen fanatischen Alba Berlin-Fan gibt. Mit Schweigers Langweiler-Behinderten-Simulant liefert er sich ein sinnfreies Duell um einen handsignierten Basketball. Herbst hat all das, was Schweiger fehlt: Gespür für Situationskomik, Timing, Talent. Vielleicht überlegt sich Saul, sein nächstes Projekt nur mit ihm zu realisieren und den Schwiegermama-Darling und Hollywood-Heimkehrer Schweiger auf die Auswechselbank zu setzen.

Sonntag, November 12, 2006

Goyas Geister - Ein tiefer Blick

ESP/F/USA 2006

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Wenn Regie-Veteran und Oscar-Preisträger Milos Forman ein neues Projekt startet, werden Kinofreunde fast zwangsläufig hellhörig. Wie seinerzeit bei Amadeus hat er auch in Goyas Geister eine historische Figur zum Ausgangspunkt eines dramatischen Sitten- und Zeitgemäldes genommen, das sich als ein zeitloser Kommentar auf gesellschaftlichen wie politischen Opportunismus versteht.

Filmkritik:

Spanien Ende des 18. Jahrhunderts durchlebt turbulente Zeiten. Während im Nachbarland Frankreich die Revolution im Gange ist und der König gewaltsam vom Thron gestürzt wird, halten Klerus und Adel auf der iberischen Halbinsel die Macht weiterhin in ihren Händen. Das Tribunal der Inquisition unter Führung des eifernden Mönches Lorenzo (Javier Bardem) macht mit angeblichen Ketzern kurzen Prozess. Auch Inés (Natalie Portman), die junge Muse des berühmten Hofmalers Francisco de Goya (Stellan Skarsgard), muss sich vor dem Tribunal verantworten. Sie wird verurteilt und inhaftiert – 16 Jahre lang bis Napoléons Truppen in das Land einmarschieren, und sie schlussendlich befreit werden kann. Lorenzo, der zuvor selbst fliehen musste, kehrt innerlich geläutert als glühender Verfechter republikanischer Werte zurück.

Die größte Überraschung für den Zuschauer steckt in der Figurenkonstellation und dem Fortgang der Geschichte. Der titelgebende spanische Hofmaler Goya wird bei Forman zu einem dramaturgisch notwendigen Ausgangspunkt, einem Anker, an dem das, was der Film eigentlich erzählen will, andocken kann. Und dabei geht es dem Regie-Veteran weder um historische Korrektheit noch um die Biografie eines bedeutenden Künstlers – beides ließe sich ohnehin in einer Dokumentation weitaus treffender aufarbeiten – Forman nutzt das Spanien der Napoléonischen Zeit, um etwas ganz Allgemeingültiges über die menschliche Natur zu erzählen. Goyas Geister zeigt, was Revisionisten und Wendehälse sogar in einem durchaus ehrlich gemeinten Glauben an eine gute und höhere Sache bereit sind zu opfern, und was sie ihresgleichen antun, nur damit sie selber den eigenen Ansprüchen gerecht werden können.

Formans neueste Arbeit ist ein über weite Strecken kunstvolles, intellektuell packendes Vexierspiel, das gute Absichten als bloßes Kalkül, große Losungen als Phrasen und Werte als Mittel zum Zweck enttarnt. Es gäbe hunderte ja vermutlich tausende Beispiele, die das in Goyas Geister zur Schau gestellte so mechanisch anmutende Konstrukt mit zum Teil schauerlichen Inhalt füllen können. Von der Hexenjagd der frühen Neuzeit und einer falsch verstandenen bigotten Frömmigkeit bis in unsere Gegenwart, wo Diktaturen immer noch mit dem Verweis auf das Dogma der eigenen Unfehlbarkeit Unterdrückung und Folter rechtfertigen. Es ist nur logisch und konsequent, dass ein Regisseur, der selber in der damaligen Tschechoslowakei Unterdrückung und Repressalien erleben musste, einen solchen Stoff verfilmt.

Kein Geringerer als Saul Zaentz (Einer flog über das Kuckucksnest, Der englische Patient) zeichnete sich für die Produktion und Finanzierung des Films verantwortlich. Dementsprechend opulent und eindrucksvoll fällt die technische Umsetzung dieser historischen Parabel aus. Kostüme, Kulissen, Kamera, Musik, bei Zaentz und Forman arbeiten nur die Besten ihres Fachs. Sie sorgend dafür, dass den Schauspielern eine perfekte Bühne bereitet wird. Dass Stellan Skarsgard gegen Bardems zwischen Manie und Demut chaotisch oszillierendem Spiel nicht ankommt, liegt weniger an ihm, sondern – ohne Bardems Leistung schmälern zu wollen – an dem Zuschnitt ihrer jeweiligen Rollen. Goya ist nur eine blasse Randfigur, während Lorenzo im Zentrum des Wirbelsturms steht, um den Kamera und Plot kreisen. Natalie Portman kann in einer fordernden Doppelrolle einmal mehr ihr schauspielerisches Talent beweisen. Die schöne Aktrice darf vor allem eines: Leiden. Leiden und dabei die Wunden ihrer tragischen zwischen den Regimen zugrunde gerichteten Figur nach außen tragen. Die Oscar-Jury sieht so etwas bekanntlich gerne.

Nimmt man hin, dass sich die Handlung zuweilen in den Wirrungen der komplizierten geschichtlichen Ereignisse verliert, so steht einem überaus intelligenten Kinoerlebnis nichts mehr im Wege.

Donnerstag, November 09, 2006

Der letzte Zug - Martyrium ohne Wiederkehr

D 2006

++1/2

Deutschland im Jahr 1943. Die Deportation der Juden nach Auschwitz und in die anderen Vernichtungslager wird von den Nazis rigoros geplant und umgesetzt. Auch Berlin soll schon bald „judenfrei“ sein. Nachdem bereits über 70.000 Juden aus der Hauptstadt abtransportiert worden, rollt im April ein weiterer Zug mit 688 Personen – darunter viele Alte, Frauen, Kinder und sogar Säuglinge – vom Glas 17 im Bahnhof Grunewald in Richtung Auschwitz los. Unter ihnen befindet sich auch das Ehepaar Henry (Gedeon Burkhard) und Lea (Lale Yavas) Neumann. Henry, einst ein gefeierter Profi-Boxer, macht sich Vorwürfe, warum er nicht auf die Bitte seiner Frau gehört hatte, in den Untergrund zu gehen. Die junge Ruth Zilberman (Sibel Kekilli) und ihr Verlobter (Roman Roth) hatten gehofft, in einem Geheimversteck vor den Nazis sicher zu sein – eine nur allzu naive Vorstellung. Vor ihnen allen liegt eine qualvolle Reise von sechs Tagen, die direkt in den Tod führen soll.

Nachdem ursprünglich Namen wie Armin Müller-Stahl und Rolf Schübel für den Regieposten im Gespräch waren, übernahm schließlich der mit historischen Stoffen bestens vertraute Joseph Vilsmeier (Stalingrad, Comedian Harmonists) gemeinsam mit seiner Ehefrau Dana Vávróvá die künstlerische Gesamtverantwortung für das Projekt. Was ihren Film von der Vielzahl anderer Arbeiten über den Holocaust und die Nazi-Zeit unterscheidet, ist der kammerspielartige Ton, der sich nahezu zwangsläufig aus der Limitierung des Schauplatzes – ein Güterwaggon – ergibt. Die ausweglose, klaustrophobische Situation, in der vierzig oder fünfzig Menschen zusammengepfercht wie Tiere auf engstem Raum geplagt von Hunger und Hitze ein Martyrium durchleiden müssen, vermittelt Der letzte Zug mit einer Reduktion der filmischen Mittel und einem über weite Strecken überzeugenden Schauspielensemble.

Die seit Fatih Akins Gegen die Wand zu den großen Nachwuchshoffnungen des deutschen Kinos zählende Sibel Kekili liefert mit der Darstellung der couragierten Ruth Zilberman einen erneuten Beweis ihrer schauspielerischen Qualitäten ab. Sie lässt sich trotz der realen historischen Grausamkeiten, auf denen das Drehbuch von Stephen Glantz basiert, nicht zu melodramatischen Reflexen hinreißen. Auf den jungen Ludwig Blochberger kam eine besondere Herausforderung zu: Er musste die Rolle des sadistischen, skrupellosen SS-Obersturmführers Crewes ausfüllen. Eine Feuertaufe, die er souverän besteht.

Die übrige Besetzung mit dem bislang vor allem im TV- und Serienfach erprobten Gedeon Burkhard hält zwar ebenfalls den psychischen wie physischen Belastungen der Geschichte stand, was jedoch nicht heißt, dass es nicht auch zu manch peinlichen Moment platter Sentimentalität käme. Die gruppendynamischen Eskalationen und Spannungen mögen sich tatsächlich so zugetragen haben, dennoch wollen die darin fantasielos eingebundenen Rückblenden, die einzelne Charaktere in zu oft gesehene schlichte Schablonen pressen, nicht zu dem ansonsten nüchtern-realistischen Inszenierungsstil passen. Das auch gemessen an anderen Filmen über den Holocaust oftmals nur schwer zu ertragene Drama schickt den Zuschauer auf eine Reise ohne Wiederkehr, die einen leer und entkräftet zurücklässt.

Montag, November 06, 2006

7 Jungfrauen - Spaniens Antwort auf Larry Clark

ESP 2005

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Spanien, das ist mehr als Flamenco, Stierkampf und El Arenal. Die ärmlichen Vororte und Außenbezirke der Metropolen Madrid, Barcelona oder Sevilla passen so gar nicht in das hauptsächlich aus Urlaubserinnerungen und Reisereportagen zusammengesetzte Bild eines mediterranen Idylls. In stimmungsvollen Cinemascope-Aufnahmen und getrieben von einem harten, energetischen Erzählrhythmus fängt Regisseur Alberto Rodríguez den Lebenshunger und Übermut der Jugend ein. Die Zusammenarbeit mit vorwiegend jungen Darstellern ohne vorherige Schauspielerfahrung verleiht seinem Film eine auf anderem Wege nur schwer herstellbare Authentizität.

Filmkritik:

Es ist Sommer. Wir befinden uns in der Vorstadt, im Barrio von Sevilla. Anlässlich der Hochzeit seines älteren Bruders Santacana (Vincente Romero) wird der 16jährige Tano (Juan José Ballesta) für zwei Tage und zwei Nächte aus der Besserungsanstalt entlassen. Die Warnung des Bruders, er solle nichts anstellen und sich gefälligst benehmen, verhallt ungehört. Denn Tano zieht es zu seinem besten Kumpel Richi (Jesús Carroza). Gemeinsam mit ihm und seiner Freundin Patri (Alba Rodríguez) will er die kurze Zeit in Freiheit genießen – ohne dabei Rücksicht auf jemand anders nehmen zu müssen. Was zählt, ist der Augenblick. Als Richi in einem Einkaufszentrum eine Brieftasche stiehlt, um so an Geld für einen Anzug und einen für Tanos Oma gedachten Fernseher zu kommen, müssen die Jugendlichen vor der Polizei fliehen. Und plötzlich ist Tano wieder mittendrin in dem Ärger, aus dem er sich eigentlich heraushalten sollte.

Die Konstruktion und der raue Ton von 7 Jungfrauen – der Titel verweist im übrigen auf ein Spiel, in dem einen nach andalusischen Glauben die Zukunft vorhergesagt werden kann – erinnert stark an Larry Clarks ungeschönte und oftmals angefeindete Jugenddramen. Rodríguez hält ebenso wie Clark nichts von faulen Kompromissen und einer gelackten Inszenierung. Sein Film besitzt Ecken und Kanten, die Schilderung der Situation im Barrio verweigert sich konsequent einer Romantisierung der Verhältnisse. Dass das Leben dort seine eigenen Gesetze hat, muss auch Tano schmerzlich erfahren. So wie sich die Hitze des Tages fast zwangsläufig in einem Sommergewitter entladen muss, liegt auch in Rodríguez Film eine Anspannung in der Luft, die nur darauf wartet, die sorglose Oberfläche aus jugendlicher Unbekümmertheit aufzubrechen.

Unter den Produktionswerten sticht besonders Alex Cataláns Kameraarbeit heraus. Das eindrucksvolle Wechselspiel aus unruhigen Nahaufnahmen und im Zeitraffer abgedrehten Totalen der Stadt spiegelt auf formaler Ebene den schwankenden Erzählrhythmus wider. Tano, der mit seinen Kumpels durch die Straßen jagt, erlebt nur selten einen Moment der Ruhe. Einer dieser Augenblicke stellt ihn in das Zentrum eines Hurrikans. Der Bilderfluss stoppt, als er, von der Clique zurückgelassen, aus dem Auto heraus eine wilde Schlägerei mit einer anderen Jugend-Gang beobachtet. Für wenige Sekunden, so scheint es, ist er sich bewusst, dass er in seinem Leben bereits zu viele falsche Entscheidungen getroffen hat. Er könnte im Auto sitzen bleiben oder aussteigen, um seinen Freunden beizustehen. Ob ihm die Warnungen des großen Bruders, er möge sich aus allem Ärger herauszuhalten, da noch präsent sind?

In Spike Lees 25 Stunden nutzte der von Edward Norton verkörperte Drogendealer Monty Brogan den letzten Tag vor dem Antritt einer langjährigen Haftstrafe, um einen intensiven Abschied im Kreise seiner engsten Freunde zu verleben. Tano befindet sich in einer vergleichbaren Situation. Er weiß, dass diese Stunden in Freiheit nur vorübergehend sind. Die Türen der Besserungsanstalt werden sich bald wieder hinter ihm schließen und seinen jugendlichen Übermut einsperren. Dem zuletzt mit dem spanischen Filmpreis Goya ausgezeichneten Juan José Ballesta ist es auch zu verdanken, dass einen Tanos Schicksal nicht unberührt lassen dürfte – trotz aller Schattenseiten, die der Film keineswegs verschweigt. Indem Rodríguez die Inszenierung ganz auf sein erstklassiges junges Ensemble ausrichtet, bleibt 7 Jungfrauen als eine authentische und mit viel Leidenschaft vorgetragene Geschichte über das Erwachsenwerden in Erinnerung.

Für Programmkino.de.

Samstag, November 04, 2006

China Blue - Ein böser Traum, der keiner ist

USA 2005

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Der amerikanische Dokumentarfilmer Micha X. Peled gibt der Globalisierung ein filmisches Gesicht. Er zeigt am Fall einer chinesischen Jeans-Fabrik, was der abstrakte und viel zitierte Begriff Globalisierung im Konkreten bedeuten kann. Unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren die dortigen Arbeiter Kleidung, die in alle Welt exportiert wird, um schließlich in den Regalen der großen Einzelhändler und Bekleidungsketten zu landen. Für einen Stundenlohn von sechs Cent verkaufen sie ihre Arbeitskraft und Gesundheit.

Filmkritik:

China gilt als die Wirtschaftsmacht der Zukunft. Weil das riesige Reich über einen scheinbar unerschöpflichen Pool an willigen und billigen Arbeitskräften verfügt, lassen sich dort Güter zu konkurrenzlos günstigen Preisen herstellen. Als Verbraucher mögen wir uns über Schnäppchenpreise und Sonderangebote freuen, die Kehrseite dieser „Geiz ist geil!“-Mentalität wird jedoch allzu gerne ausgeblendet. Micha X. Peled versucht mit seinem Film China Blue gegen diese Ignoranz und das Nichtwissen-Wollen anzugehen. Ohne dabei selber das Wort zu ergreifen oder sich in den Vordergrund zu drängen, wie es beispielsweise Michael Moore gerne tut, schildert er am Beispiel junger Frauen, welche pervertierten Ausmaße der Globalisierungsprozess mittlerweile angenommen hat und auf wessen Kosten sich das Reich der Mitte sein eindrucksvolles Wirtschaftswachstum erkauft.

Jasmin ist auf dem Lande in der Provinz Szechuan aufgewachsen. Mit 20 Jahren verlässt sie zum ersten Male ihre Familie, um in die zwei Tagesreisen entfernte Stadt Shax zu fahren. Sie hofft, einen Job in der Textilfabrik Lifeng zu erhalten. Jasmin kann sofort anfangen, als Fadenabschneiderin. Was sich nach monotoner Arbeit anhört, entwickelt sich für die junge Frau zu einem „bösen Traum“, wie sie selbst ihre Situation einmal beschreibt. In langen Schichten von bis zu 20 Stunden und an sieben Tagen die Woche muss sie im Akkord überflüssige Stofffäden entfernen. Wie die meisten ihrer Kollegen wohnt sie in einer ärmlichen Unterkunft auf dem Fabrikgelände, so etwas wie Freizeit kennt sie kaum. Neben Jasmin begleiten Peled und sein Team die Reißverschlussnäherin Orchidee. Beide Frauen müssen unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen Geld verdienen, beide versuchen sie auf ihre Art diesem Elend zu entfliehen. Orchidee, indem sie von einer Karriere als Modell und einer gemeinsamen Zukunft mit ihrem Freund träumt, Jasmin, indem sie sich fantasievolle Abenteuergeschichten ausdenkt.

Die ungefilterten Einblicke in den tristen Arbeitsalltag lassen einen fassungslos zurück. Manches würde man vermutlich für das Hirngespenst eines Zynikers halten, wäre es nicht tatsächlich auf Video festgehalten worden. Wenn Fabrikbesitzer Mr.Lam – seines Zeichens ehemaliger Polizieichef von Shax –die vermeintlichen Vorzüge seines Betriebs im Gespräch mit potentiellen Kunden anpreist („Wir haben viele Ressourcen, vor allem menschliche Ressourcen!“) oder ernsthaft mit Slogans wie „If you don’t work hard today, you’ll look hard für tomorrow!“ die Moral seiner Arbeiter anheben will, befinden wir uns plötzlich in einer bitterbösen Realsatire.

Dennoch hütet sich Peled vor simplen und vorschnellen Schuldzuweisungen in Richtung des Firmenchefs. Er verengt die Perspektive nicht auf einen neuen Klassenkampf innerhalb der Fabrikmauern, sondern lenkt den Fokus auf weitere Beteiligte im Wirtschaftskreislauf, an dessen Ende wir, die Verbraucher, stehen. Mr. Lam ist gezwungen, in den knallharten Verhandlungen mit Zwischenhändlern und Einkäufern um jeden Cent wie auf einem Basar zu feilschen. In China, der Werkbank der Welt, gibt es immer jemanden, der noch billiger für das Ausland produzieren kann. Den Schriftzug „Made in China“ wird man als Zuschauer zukünftig mit anderen Augen sehen. Wir werden an Jasmin denken müssen und an ihre traurigen Augen. Peled hat der Globalisierung ein Gesicht gegeben.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, November 01, 2006

Wicker Man - Die Rache des Matriarchats

USA 2006

+1/2

Das Original aus den 70ern ist längst zum Kult avanciert. Nun versucht sich Regisseur Neil LaBute an einer zeitgemäßen Neuverfilmung und Neuinterpretation des "Wicker Man"-Stoffes. Wichtigste Änderung: Auf der weitab von der Zivilisation gelegenen Insel der Aussteiger-Sekte herrscht ein Matriarchat. Mit Nicolas Cage und Ellen Burstyn durchaus prominent besetzt, stellt sich lange Zeit die Frage, was man als Zuschauer von dem eigentümlichen und immer leicht surrealen Geschehen halten soll. Gelingt es LaBute anfangs eine zumindest mysteriöse, subtil bedrohliche Stimmung aufzubauen, kollabiert der Film mit seiner lieblosen und überhasteten Auflösung, die eher unfreiwillig komisch als angsteinflößend ist. Alles weitere findet sich in meinen Text auf Critic.de.