Montag, Juli 31, 2006

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Neue Kritiken zu

TKKG - Das Geheimnis um die rätselhafte Mind Machine (++1/2) von Tomy Wigand

Die Erde von oben (++1/2) von Renaud Delourmé

Sehnsucht (+1/2) von Valeska Grisebach

Donnerstag, Juli 27, 2006

Rang de Basanti - Bollywood-Reloaded

IND 2006

++1/2

Bollywood einmal anders. Auch wenn in "Rang de Basanti-Die Farbe Safran" getanzt, gesungen und geschmachtet werden darf, fällt der Film deutlich aus der Reihe der klasssichen indischen Herz-Schmerz-Dramen. Denn mit seiner schicken Optik, die einem Videoclip entliehen sein könnte, seinen jungen erfrischenden Darstellern und der gerade im letzten Drittel stark politischen Geschichte, die vom Aufstand gegen Institutionen und zivilem Engagement erzählt und dabei an die indische Kolonialzeit anknüpft, schlägt dieses Werk ganz andere, viel ernstere Töne an. Meine Besprechung gibt es bei Critic.de.

Montag, Juli 24, 2006

Das Mädchen aus dem Wasser - Von Narfs, Scrunts und Tartutics

USA 2006

+++

Wann haben Sie zuletzt eine Gutenachtgeschichte erzählt bekommen? Wer sich nicht mehr erinnert, kann zwecks Auffrischung M. Night Shyamalans (The Sixth Sense, The Village) fantastisches Märchen Das Mädchen aus dem Wasser im Kino bestaunen. Der für seine mysteriösen, meta-physischen Stoffe und finalen Plot-Twists bekannte Filmemacher entführt den Zuschauer dieses Mal in das Universum einer Bedtime Story, die von unterschiedlichen Fabelgestalten, gut wie böse, bevölkert wird. Das titelgebende Mädchen ist eines dieser geheimnisvollen Wesen. Sie hat als Grenzgängerin zwischen den Welten eine äußerst gefährliche Mission zu erfüllen.

FILMKRITIK:

Cleveland Heep (Paul Giamatti) ist alles andere als ein lebensbejahender Optimist. Der Hausmeister einer Wohnblockanlage bemüht sich im Alltag möglichst wenig aufzufallen. Wenn er nicht Glühbirnen auswechselt oder Ungeziefer verjagt, lebt er zurückgezogen in seiner kleinen Wohnung. Kontakte zu anderen Menschen scheut er.

Eines Abends entdeckt Cleveland im Swimming Pool eine junge Frau (Bryce Dallas Howard). Story nennt sie sich. Sie offenbart ihm, dass sie in den Kanälen unter dem Pool leben musste, weil ihr der Weg zurück in ihr Reich versperrt wurde. Cleveland findet heraus, dass das Mädchen ein „Narf“ ist, ein nymphenähnliches Wesen, das über seherische Fähigkeiten verfügt. So ist sie nicht nur in der Lage in Clevelands Zukunft sondern auch in die der anderen Mieter zu blicken. Die Bewohner stellen erstaunt fest, dass ihre Leben untrennbar mit dem Schicksal des Mädchens verbunden sind. Gemeinsam versuchen sie schließlich, Storys sichere Heimkehr zu organisieren. Ein gefährliches, lebensbedrohliches Unterfangen, sind doch bösartige Kreaturen hinter dem Mädchen her, die genau dieses zu verhindern suchen. Erst allmählich wird den Bewohnern bewusst, dass auch sie Teil einer irrealen Geschichte sind, die sich mit der realen Welt zu vermischen droht.

Shyamalan entwickelte den Plot des Films auf Basis einer Gutenachtgeschichte, welche er für seine beiden kleinen Töchter erdachte. Beherrschte sein vorangegangenes Mystery-Drama The Village noch die Frage, was der Mensch bereit ist, für eine vermeintlich sichere Existenz aufzugeben, was er freiwillig seinen Kindern vorenthalten will, um sie vor den Gefahren dieser Welt zu beschützen, stehen dieses Mal wie schon in Signs die großen spirituellen Fragestellungen klar im Zentrum der Handlung. Gibt es einen höheren Sinn hinter allem? Weshalb bin ich hier? Wo gehe ich hin? Shyamalans Filme waren immer schon mehr profunde menschliche Dramen als simple Gruselschocker, was den Verleih aber nicht daran hinderte, diese unter der Bezeichnung „Horror“ zu vermarkten. Enttäuschte Publikumsreaktionen waren oftmals die Folge.

Ähnliches könnte auch auf Das Mädchen aus dem Wasser zukommen. Immerhin schaffte Warner es, den abermals zu sehr auf Action ausgerichteten Trailer mit dem Zusatz „Eine Gutenachtgeschichte“ zu versehen, was den kindlich-naiven Kern des Films pointiert widerspiegelt. Shyamalan ist ein Meister des reduzierten und deshalb so effektiven Einsatzes filmischer Mittel, die er stets in den Dienst seiner Filmhandlung stellt. Die ruhige, fast elegische Kamera, der sparsame Einsatz der Tonspur und der traumwandlerische Score von James Newton Howard erschaffen auch in seinem neuesten Werk eine wohlig schaurige Aura, in der Schicht um Schicht ein klassisches Märchen zum Vorschein kommt. Mit Paul Giamatti in der Hauptrolle des eigenbrötlerischen Cleveland Heep konnte Shyamalan einen der profiliertesten Charakterdarsteller Hollywoods für sein Projekt gewinnen. Der schwierige Balanceakt zwischen komischen und tragischen Augenblicken gelingt dem bereits mehrfach oscar-nominierten Giamatti derart überzeugend, dass man als Zuschauer sogar über die nur bescheidenden schauspielerischen Fähigkeiten des Regisseurs hinwegsieht, der erstmals selber eine größere Nebenrolle übernahm.

Bewahrt hat sich Shyamalan dafür sein unverwechselbares Gespür für hochemotionale Momente, die sich konsequent dem herrschenden Zeitgeist aus Coolness und Zynismus verwehren. Wenngleich er dieses Mal mitunter die Originalität seiner früheren Werke vermissen lässt, da er viele bekannte Aspekte lediglich in einem anderen Umfeld über das Vehikel einer Fantasy-Geschichte neu zusammenstellt, gehört dieses Märchen für Erwachsene zu den wirklich bereichernden Kinoerfahrungen der letzten Monate.

Getextet für Programmkino.de.

Sonntag, Juli 23, 2006

Lauschangriff #2 - Tokyo Drift, Das Mädchen aus dem Wasser

Lange angekündigt, endlich bin ich dazu gekommen. Und wenn man dann einmal ins Reden kommt, wird es schwer einen Punkt zu machen. Deshalb fällt dieser Lauschangriff mit 12,8 MB auch deutlich größer aus, als der letzte (obwohl ich die Tonqualität schon etwas heruntergenommen habe). Aber mit einem schnellen Inet-Zugang, den heute fast jeder hat, geht der Download auch ganz fix.

Ein Dank auch an Hänning, dafür dass er mit seinen Webspace zur Verfügung stellt (hey, die Tokyo Drift-Besprechung hätten wir auch zu zweit aufnehmen können, hab nicht dran gedacht, dabei wär doch ein Sidekick, wie Du mal treffend festgestellt hat, nicht schlecht, um mich mal zu bremsen)!

Lauschangriff #2

Imdb-Eintrag zu The Fast and the Furious: Tokyo Drift

Imdb-Eintrag zu Das Mädchen aus dem Wasser

Ach ja: Vorneweg noch ein kurzes "Sorry", denn ab und zu bin ich dem Mikro etwas zu nahe gekommen, wie mir beim anhören aufgefallen ist. Also vielleicht die Lautstärke nicht bis zum Anschlag aufdrehen! *g*

Eine für meinen Geschmack faire und zutreffende Kritik zu Shyamalans Film gibt es bei Movies for Guys. Meine Besprechung folgt morgen.

Donnerstag, Juli 20, 2006

Lauschangriff #2 in Vorbereitung!

...mit einer interessanten Kombination:

"The Fast and The Furious - Tokyo Drift" und "Das Mädchen aus dem Wasser"!

Mittwoch, Juli 19, 2006

Darwins Albtraum - Die Hölle auf Erden

D/Ö/F/BEL 2004

++++

„Darwins Albtraum“ ist eine Dokumentation, die mich im Innersten erschüttert hat. So tief und unmittelbar wie nur selten ein Film zuvor. Der österreichische Regisseur Hubert Sauper fand am ostafrikanischen Viktoriasee das vielleicht irrwitzigste, zynischste und menschenverachtendste Fallbeispiel für den durch sämtliche Zeitungen wabernden Begriff der „Globalisierung“. Was in Deutschland zumeist eher abstrakt in Bezug auf Standtortnachteile und potentielle Absatzmärkte diskutiert wird, zeigt sich im entwürdigenden Elend an den Ufern des weltweit zweitgrößten Sees von seiner schrecklichsten Seite. Alles begann vor rund vierzig Jahren. Experten setzten eines schönen Nachmittags einige Nilbarsche in das Gewässer aus, mit fatalen Folgen für diesen Landstrich und dessen Bevölkerung. Denn die gefräßigen Räuber rotteten in den nächsten drei Jahrzehnten sämtliche anderen Fischarten radikal aus. Heute ist Kannibalismus, mangels Alternativen, unter den Tieren sehr weit verbreitet.

Im Zuge dieser ökologisch bedenklichen Entwicklung entstanden rund um den Viktoriasee zahlreiche Fischfabriken, in denen aus Nilbarschen Fischfilets werden, die dann ihre Reise nach Europa antreten. Die Afrikaner selber können sich ihren eigenen Fisch nicht leisten. Sie müssen sich stattdessen mit den Abfällen begnügen. Diese werden unter hygienisch katastrophalen Bedingungen auf riesigen Holzvorrichtungen zum „Räuchern“ aufgehängt. Fortwährend kriechen Maden über die verwesenden Fischkadaver. Ein beißender Amonniakgeruch liegt über dem gesamten Ort. Ein Albtraum. Parallel zeigt der Film das Leben der Straßenkinder, die ihre Eltern teils nicht kennen, teils bereits an AIDS haben sterben sehen. Er gewährt einen Einblick in den Alltag der Fischer, die oftmals auch das tödliche Virus in sich tragen, weil sie sich bei einer Prostituierten infiziert haben. Und er beleuchtet die andere Seite, die Welt der Fabrikbesitzer und Profiteure der Nilbarsch-Epidemie. Sauper freundete sich über viele Jahre mit den russischen Piloten an, welche für den Abtransport der Fischfilets nach Europa zuständig sind. Sie erzählten ihm von ihren Familien daheim in Russland und der Einsamkeit ihres Nomaden-Daseins. Nur darüber, was sie eigentlich aus Europa mit nach Afrika bringen, wollten sie keine Auskunft geben: Waffen für den Bürgerkrieg.

Dieser in sich logische, aber bis auf die Grundfesten inhumane Kreislauf wird vom Schmiermittel der Profitgier am Laufen gehalten. Hierbei spielt es letztlich keine Rolle, ob wir es mit Fischen, anderen Tieren, Pflanzen oder Rohstoffen zu tun haben. Das zugrunde liegende Prinzip ist stets dasselbe. Wenn der See endgültig ausgebeutet ist, weil die letzten Barsche zu Filets verarbeitet worden sind, bauen die Fabrikbesitzer ihre Zelte ab und ziehen an den nächsten Ort weiter. Die dann arbeitslosen Fischer, die Straßenkinder und Huren bleiben zurück und werden sich selber überlassen. Kommentarlos deckt „Darwins Albtraum“ die fast schon grotesken Zusammenhänge auf. Die Spitze der zynischen Verkettungen ist erreicht, wenn die Kinder aus den weggeworfenen Plastik-Verpackungen der Fabrik flüssigen Klebstoff gewinnen. Alles hängt direkt oder indirekt mit der Installation der Fischindustrie zusammen. Dass in Afrika Millionen Menschen von Hunger, Seuchen und Prostitution bedroht sind, wissen wir alle. „Darwins Albtraum“ geht es deshalb auch nicht um die Reaktivierung dieses Problembewusstseins, sondern um eine Verdichtung und Illustration an einem konkreten Beispiel.

Hubert Sauper, der bei der Vorpremiere in Köln selber anwesend war und sehr anschaulich von seinen Erfahrungen aus der Region berichtete, wollte keine investigative Dokumentation abliefern. Der letzte Beweis für den regen Waffenexport nach Afrika hat er zwar gefilmt, jedoch nicht in den fertigen Film eingefügt, weil er es schlichtweg für nicht notwendig hielt. Auch konfrontierte er den Zuschauer mit keinen Statistiken oder sonstige Zahlenkolonnen, diese kann jeder ohnehin mit ein paar Klicks im Internet selber aufrufen. Viel wichtiger war für ihn an dem Leben der Menschen dort am See teilzuhaben, ihre Perspektive einzufangen. Bevor Rafael, der Wachmann der Fischfabrik, so offenherzig über seine Vergangenheit als Soldat berichtete, bedurfte es eines monatelangen Annäherungsprozesses. Im Gegensatz zu manch anderen seiner Kollegen, bleibt Sauper immer unsichtbar, hält er sich stets im Hintergrund auf. Er richtet lieber das Objektiv auf seine Gesprächspartner. Was wir da zu hören bekommen, reicht von ignoranten Statements der Fabrikbosse („In Tansania gibt es eine Hungersnot? Keine Ahnung!“) bis hin zu einer ehrlichen Liebeserklärung an das Heimatland, gesungen von der Prostituierten Eliza, die, wir wie später erfahren müssen, von einem ihrer Freier brutal ermordet wurde.

Trotz des unbegreiflichen Elends strahlt „Darwins Albtraum“ zugleich eine seltsam versöhnliche Stimmung aus. Es grenze an ein Wunder, dass die Afrikaner noch nicht jedem Weißen, der ihnen begegne, einfach den Kopf abschlagen, resümiert Sauper nach Filmende. Dazu passen die sehnsuchtsvollen Blicke der Menschen den startenden Iljuschins hinterher. Obwohl diese den Reichtum ihres Landes gerade ausfliegen, hegen sie keinen offenen Hass gegenüber den Europäern. Dabei verlassen nicht nur die Fische Tansania, sondern wenig später auch die eingenommenen Devisen, die das Land größtenteils für die Rückzahlung seiner Kredite aufwendet. Im Grunde genommen stellt der Film eine einzige simple Frage: „What the fuck are we doin’?“ Sauper gibt offen zu, selber keine schnelle Lösung für diese pervertierte Art des Globalisierungsgedankens zu haben. Alles andere wäre auch unehrlich dem Zuschauer gegenüber. Das Argument, Arbeit schaffe Wohlstand, ist uns mittlerweile so tief ins Mark eingebrannt, dass selbst gut gemeinte Hilfsgelder und Kredite der EU oder Weltbank (z.B. für den Bau einer Fabrik) den Teufelskreis nur noch weiter anheizen. Auch aus Unwissenheit über die tatsächlichen Lebensverhältnisse vor Ort werden diese Fehlentscheidungen getroffen (Sauper erzählte, dass es einen ganzen Abend dauerte eine EU-Delegation von dieser Realität und der Kausalität der Probleme zu überzeugen).

„Nachhaltigkeit“. Dieses schöne, eigentlich aus der Umweltökonomik stammende, Wort wird heutzutage nur allzu gerne von Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten benutzt. Diese prangern die mangelnde inter-generationale Gerechtigkeit bei der Nutzung natürlicher Ressourcen an, Saupers Film ergänzt diese Sichtweise um den inter-kulturellen Aspekt. Wenn wir nicht schleunigst etwas an unserem Handeln gegenüber der sogenannten „Dritten Welt“ ändern, werden wir früher oder später alle an der vorherrschenden „Weiter So!“-Attitüde zugrunde gehen. Und das nachhaltig.

Nachtrag: Saupers Film wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. U.a. erhielt er den Europäischen Filmpreis für die "Beste Dokumentation" und einen César für den "Besten Debütfilm". Zudem wurde "Darwins Albtraum" für den Oscar in der Kategorie "Beste Dokumentation" nominiert, den er zweifellos hätte auch gewinnen müssen.

Seinerzeit veröffentlicht bei kino.de.

Sonntag, Juli 16, 2006

Zuletzt gesehen - Hard Candy

USA 2005

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Ein Chat, ein erstes Treffen: ein 32jähriger Modefotograph und ein 14jähriges Mädchen durchleben ein "Date", das bis an die Grenzen gehen soll. Natürlich ist der Fortgang der Geschichte nicht überraschend, aber was Regisseur David Slade und seine Darsteller Ellen Page und Patrick Wilson in diesem Designer-Kammerspiel in klinischen Ambiente machen, ist beeindruckend und hoch spannend. Hayleys Zynismus schneidet in Jeffs offene Wunden, immer wieder enttarnt sie dessen falsche Winkelzüge. Starker Tobak für einen Psycho-Thriller mit Exploitation-Anleihen. Selbstjustiz, Pädophilie sind nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtige Themen, aber dennoch elektrisieren sie in einem moralisch fragwürdigen Vabanque-Spiel auf Leben und Tod. Der Regisseur schafft mit irritierenden Kameraeinstellungen, verwackelten Bilder (scf, nur für Dich *g*), schnellen Schnitte und fast surrealen Farbspielen eine Veranschaulichung des verwirrten Geisteszustandes beider Protagonisten. Fast sieht das Ganze zu gut und zu cool aus. Der Film nutzt Miikes Setting aus "Audition", um am Ende aber dennoch auf eine andere Straße abzubiegen. Sehenswert!

Samstag, Juli 15, 2006

Wolf Creek - Das ist ein Messer

AUS 2005

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Australien, Heimat possierlicher Beuteltiere und einer größtenteils noch unberührten, atemberaubenden Natur, ist für viele ein Traumreiseziel. Die Routen durch die scheinbar endlosen Weiten des Outback locken jedes Jahr Hunderttausende Rucksacktouristen aus aller Welt an. Diesen Kontinent, so der einhellige Tenor der Heimgekehrten, muß jeder zumindest einmal erlebt und erfahren haben.Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Greg McLean setzt an diesem idealisierten Bild des fünften Kontinents an und entwickelt auf dessen Basis eine radikale, erschütternde Terrorgeschichte.

Zusammen mit seinen Freundinnen Kristy (Kestie Morassi) und Liz (Cassandra Magreth) will der abenteuerlustige Ben (Nathan Phlilips) das verlassene, rauhe Hinterland erkunden. Auch wenn das von Ben auf die Schnelle organisierte Gefährt nicht den zuverlässigsten Eindruck macht - die drei lassen sich von den üblichen Reisewidrigkeiten ihre gute Stimmung nicht vermiesen. Die Erfahrung der menschenleeren Natur entschädigt schließlich für so manche Unannehmlichkeit. Nach der Ankunft in Wolf Creek, wo es einen gewaltigen Meteoritenkrater zu bestaunen gibt, findet der Trip dann aber sein vorzeitiges Ende. Das Auto will nicht mehr anspringen, auch die Uhren verweigern urplötzlich ihren Dienst. Da erscheint die Hilfe eines freundlichen Truckers (John Jarratt) wie ein Geschenk des Himmels. Bereitwillig nehmen sie sein Angebot einer Mitfahrgelegenheit an - ein tödlicher Fehler.

Zunächst möchte einen die Prämisse des Films nicht wirklich packen. Würde McLean den exotischen Schauplatz Australien mit der texanischen Einöde vertauschen, wäre der Zuschauer wohl versucht zu glauben, er befände sich in einem weiteren Remake von Tobe Hoopers "Blutgericht in Texas". Ahnungslose Touristen, die unbedacht in ihren schlimmsten Alptraum hineinstolpern, sind im Horrorgenre bereits zu oft zur billigen Befriedigung sadistischer Phantasien mißbraucht worden. Doch wer "Wolf Creek" trotz seiner bekannten Ausgangslage eine Chance gibt, wird positiv überrascht. McLean gelingt es, einen anderen Blickwinkel auf das Grauen hinter einer sympathischen Fassade aufzuzeigen. Vor der malerischen Kulisse des Outback, den einsamen, im heißen Sonnenlicht gleißenden Straßen und den romantischen Sonnenuntergängen übernimmt bei ihm der Horror die Funktion eines kontrastreichen Gegenpols.

Im Rückgriff auf naheliegende Vergleiche wurde "Wolf Creek" von Kritikern etwas vorschnell als die blutige Ausgabe des "Blair Witch Project" betitelt. Zwar dürfte der Verweis auf den Independent-Langweiler manch einen Zuschauer zu falschen Schlüssen verleiten, im Kern lenkt die Analogie aber die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche dieser Low-Budget-Produktion (die nur eine Million amerikanische Dollar gekostet haben soll): McLean erzählt seinen auf dem Papier zugegeben mäßig interessanten Plot mit einer nicht nur für das Genre außergewöhnlichen inszenatorischen Raffinesse. Knallharter Realismus und Naturalismus bestimmen den Look des Films. Die gezielt eingesetzte, vibririende Handkamera macht das Leiden der Opfer erfahrbar - Kristys und Liz Schreie während der Folteraktionen bleiben nachhaltig in Erinnerung. In der Gewißheit, daß sich der Regisseur zudem an realen Begebenheiten orientiert, erreicht die Spannungskurve in diesen Augenblicken ihr Maximum. Der zurückhaltende Einsatz der Tonspur sowie die auf diffuse bedrohliche Klangmuster reduzierte Musik potenzieren den Adrenalinausstoß.

McLean wartet erstaunlich lange, bis er das Grauen auf die drei Reisenden und den Zuschauer losläßt. Erst nach einer sicher kürzungswürdigen Exposition von 45 Minuten beginnt der eigentliche Horrortrip. Die Gefahr, daß sein Konzept kollabiert, weil keine Identifikation mit den späteren Opfern gelingen will, umgeht er zu Lasten einer zuweilen langatmigen und die Geduld arg strapazierenden ersten Hälfte. Die Konzentration auf lediglich drei Hauptfiguren, wo andere Genrevertreter wie "The Hills Have Eyes" und "Saw 2" auf Großfamilien respektive ganze Gruppen potentieller Todeskandidaten setzen, erweist sich dagegen als cleverer Schachzug. Aus der personellen Verdichtung erwächst eine besonders intensive Bindung zum Filmgeschehen.

Beherrscht seit Tarantinos "Reservoir Dogs" mitunter ein gefährlicher, weil unpassender und verharmlosender Unterton die Bebilderung von Folterszenen, so kann sich die in Bezug auf Gewaltdarstellungen übersensible deutsche FSK gewiß sein, daß "Wolf Creek" keine Ästhetisierung und Verharmlosung der Perversion betreibt. Obwohl die Kamera in den entscheidenden Momenten nur selten direkt draufhält und sich damit vieles nur in den Köpfen der Zuschauer abspielt (was echte Gore-Fetischisten verärgern dürfte), verfehlen die Geschehnisse in der Baracke des Psychopathen nicht ihre Wirkung. Die aufgezeigte Isolation, das Gefühl, vollkommen ausgeliefert und machtlos zu sein, wird einen so schnell nicht verlassen. Seit "Irreversible" und Monica Bellucis viel diskutierter Vergewaltigungsszene kam kein Werk der eigenen Schmerzgrenze so nahe. Greg McLean wird das als Kompliment verstehen.

Zuerst erschienen bei evolver.

Freitag, Juli 14, 2006

Fluch der Karibik 2 - Willkommen zur Johnny Depp-Show

USA 2006

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Belacht, bemitleidet, verkannt. Die Skeptiker und Mahner waren zahlreich, als Disney vor drei Jahren einen Piraten-Film basierend auf einer Fahrattraktion in die Kinos bringen wollte. Manche sahen in diesem Schritt bereits eine Bankrotterklärung des legendären Studios. Heute wissen wir, dass es anders kommen sollte. Auch ganz anders, als es sich womöglich selbst die optimistische Disney-Truppe hat vorstellen können. „Fluch der Karibik“ wurde zu dem Blockbuster des Kinojahres 2003, Johnny Depp erhielt für seine unnachahmliche Darstellung des an notorischer Selbstüberschätzung leidenden Captain Jack Sparrows eine Oscar-Nominierung und Millionen Fans lechzten fortan nach einer Fortsetzung der im besten Wortsinne altmodischen Abenteuergeschichte.

Was Peter Jackson mit seiner „Herr der Ringe“-Trilogie begonnen hatte, greift nun auch bei anderen Filmprojekten um sich. Es werden gleich mehrere Sequels hinter einander abgedreht, in dem sicheren Wissen, dass der Name, die Starbesetzung und eine gewaltige Werbekampagne die Zuschauer erneut in Scharen ins Kino locken werden. Wie sehr das Konzept von Disney aufgeht, zeigte sich eindrucksvoll am Startwochenende von „Fluch der Karibik 2“ in den USA. Rekordeinnahmen von 132 Mio. US-$ bescherte den Machern bezogen auf die ersten drei Tage das beste Einspielergebnis aller Zeiten. Captain Jack ist zurück und mit ihm gleich eine Schar illustrer Untoter, die nach der ihnen versprochenen Seele des extravaganten Selbstdarstellers verlangen. Angeführt von ihrem Captain Davy Jones (Bill Nighy), einer obskuren Gestalt angesiedelt irgendwo zwischen Zombie-Pirat, Feingeist und Oktopus, sind sie aus den Untiefen des Ozeans aufgetaucht, um die Herausgabe des wertvollen „Gegenstands“ zu erzwingen. Doch Captain Jack ist nicht der einzige, der bis zum Hals in Schwierigkeiten steckt. William Turner (Orlando Bloom) und seiner Herzensdame Elizabeth (Keira Knightley) droht der Galgen. Jetzt rächt sich, dass sie Jack einst bei seiner Flucht aus der Gefangenschaft behilflich waren. Nur wenn William dessen magischen Kompass beschafft, können beide auf eine Begnadigung hoffen.

Natürlich ist die Story nur ein leicht zu durchschauender Vorwand, um ein beispielloses Effektgewitter abbrennen zu können. Wo Bruckheimer drauf steht, ist eben auch Bruckheimer drin. Doch anders als die Zynismus-Schleuder „Bad Boys II“ oder das simplifizierende Actionspektakel „Armageddon“, stört der knallbunte, laute Anstrich bei den Piratenabenteuern keineswegs. Das liegt vornehmlich daran, dass dies eigentlich die „Johnny Depp-Show“ in karibischer Verpackung ist und kein Actionkracher, der seine Schauwerte über alles stellt. Ohne Depp, das dürfte keine gewagte Prognose sein, würde das ganze Sandkastenspiel für erwachsene Jungs (und Mädels) nicht funktionieren. Er ist es, der ein weiteres Mal mit seiner unbändigen Spielfreude und Verwandlunsgfähigkeit die Herzen des Publikums erobern wird. Captain Jack stolziert, rennt und zickt derart sympathisch durch die pittoreske karibische Landschaft, dass jede Szene ohne ihn, dem Film einen großen Teil seiner Faszination nimmt. Orlando Bloom ist nicht mehr als eine Randnotiz, gleiches gilt für Keira Knightley. Immerhin liefert letztere sich ein ironisches, smartes Wortgefecht mit unserem einzig wahren Freibeuter der Meere. Erwähnen sollte man dagegen Naomie Harris und Bill Nighy. Beide treten in ihren jeweiligen Rollen aus der imposanten Freitzeitpark-Kulisse heraus. Harris als geheimnisvolle Voodoo-Priesterin mit denkwürdigem Akzent, Nighy mit einer so noch nie dagewesenen Gesichtsverkleidung.

„Fluch der Karibik 2“ steht nicht nur in der Tradition seines Vorgängers, sondern auch in einer langen Reihe großer Abenteuergeschichten wie „Meuterei auf der Bounty“ und den zahlreichen Verfilmungen des Robert Louis Stevenson Klassikers „Die Schatzinsel“ (von der 1934er Version mit Wallace Beery bis hin zur „Muppets-Version aus dem Jahre 1996). Das Rezitieren der Vorbilder macht den Film aber längst nicht zu einer platten Nummernrevue im „Scary Movie“-Stil. Regisseur Gore Verbinski verneigt sich vielmehr im Stillen und anhand vieler kleiner Details vor der filmischen Vergangenheit des Genres (so wurde die echte „Bounty“ extra für den Dreh aus dem Norden der USA über Tausende von Seemeilen angekarrt). Sogar Anleihen an die Stummfilmzeit mit ihren ausufernden Slapstick-Einlagen finden sich in Captain Jacks zweiter Karibik-Kreuzfahrt. Die bereits für den Trailer verwendete Fecht-Sequenz auf einem hölzernen Mühlrad gehört dazu. Irrwitzig, beinahe albern in einem kindlichen Sinn, wie Verbinski und die Stunt-Choreographen den Kampf Mann gegen Mann auf die Spitze treiben.

Gibt der Spannungsbogen, die Odyssee nach rätselhaften Goodies aller Art (Kompass, Schatztruhe usw.), auch in Bezug auf narrative Originalität und Dynamik nicht allzu viel her, so kompensiert „Fluch der Karibik 2“ die sicherlich vorhandenen Schwächen des Plots mit einer unbändigen Freude am Zelebrieren des einzelnen Moments. Selbstredend muss dazu nicht nur das omnipräsente Action-Motiv gewaltiger, verspielter, überdimensionierter ausfallen, auch die Spezialeffekte haben seit der ersten Untoten-Jagd auf tropischen Gewässern einen kleinen Quantensprung hinter sich gebracht. Davy Jones und seine „fishy“ Crew bringen einen zum Staunen. Eigentlich möchte man das Bild für kurze Zeit anhalten, um alle Nuancen ihres kunstvoll arrangierten Outfits bewundern zu können. „Fluch der Karibik 2“ gehört definitiv zu den Blockbustern, denen man anmerkt, dass sie Unsummen von Dollars verschlungen haben müssen. Der CGI-Gott kennt einfach seinen Preis.

Doch es ist nicht alles Gold, was hier glänzt. Abgesehen von fragwürdigen Drehbucheinfällen, wie den Liebesscharmützeln zwischen Captain Jack, Elizabeth und William, leidet der Disney-Franchise wie ein Preisboxer unter der eigenen filmischen Muskelkraft. Bei aller Wertschätzung für Depp, Verbinski und ihrer Revitalisierung des Piratenfilms eine Laufzeit von zweieinhalb Stunden überspannt den Bogen und stellt die Geduld des Zuschauers bei so manch überflüssiger Kampfeinlage auf eine harte Probe. Eine Straffung um 20 bis 30 Minuten hätte dem Film nicht nur unter erzählökonomischen Gesichtspunkten gut getan, „Fluch der Karibik 2“ ist eben ein Spaß-Trip und kein Freibeuter-Epos. An Captain Jacks Ego perlt solch profane Kritik rückstandslos ab. Aber vielleicht sollten Verbinski und Bruckheimer für Teil 3 von ihrem Vorhaben abrücken, Peter Jacksons Laufzeitrekord überbieten zu wollen. Andernfalls könnte es unter den treuen Piraten-Fans doch noch zu einer Meuterei kommen.

Dienstag, Juli 11, 2006

Born to Fight - Gute Menschen tragen Adidas

TH 2004

Keine Wertung

Die spinnen doch, die Thais! Jedenfalls ist es dieser Satz, der einem zunächst durch den Kopf schießt, nachdem man soeben den vollkommen an Action, Pathos und Peinlichkeiten überdosierten "Born to Fight" gesehen hat. Dagegen sind selbst die schlimmsten Jerry Bruckheimer-Blockbuster Waisenknaben. Im Finale darf hier zur pathosgetränkter Musik Marke thailändischer Schlagerkitsch (oder auch der Nationalhymne) die eigene Flagge geschwenkt werden, während man sich todesmutig und ohne Rücksicht auf Verluste in das donnernde Kugelfeuer begibt. Wer das alles ernst nimmt und nicht über die höchst amüsanten Stunt-Einfälle (Stichwort: Fußball, Geräteturnen!) lachen kann, muss Panna Rittikrais Film wohl grässlich bis unerträglich finden. Die "Story", blutrünstige Rebellen überfallen die Bewohner eines kleinen Dorfes und nehmen sie als Geisel, ist wie so vieles hier ein schlechter Witz. Dass sich eine Gruppe von kampfbereiten Sportathleten (sponsored by Adidas und damit leicht von den bösen Buben zu unterscheiden) zufällig dort tummelt, gehört auch dazu.

Dennoch gelingt es "Born to Fight" auf seine eigene, eigentlich platte Art zu unterhalten. Stört einen auch die Rücksichtlosigkeit, wie hier Kinder ziemlich dreist und unverhohlen für den dramatischen Kick missbraucht werden, entschädigt deren überdrehte Antwort auf den Terror für so manche Geschmacklosigkeit. Der Thailänder hat auch einen eigenwilligen Humor, das ist mir seit "Tears of the Black Tiger" klar geworden, hier übertrifft er sich aber nochmals mit einer Vielzahl geradezu lächerlicher Action-Einlagen, die einen ob ihrer extremen Rasanz staunen lassen. Was ich jetzt definitiv weiß, ist, dass ich mir Thailands Sensationserfolg "Ong-bak" mit Tony Jaa und den Nachfolger "Revenge of the Warrior" unbedingt auch ansehen muss. Wer beim Abspann Sitzen bleibt, erlebt die etwas besorgten Gesichter der Crew, die nach den Action-Einlagen zu den sich am Boden wälzenden Stuntleuten mit Schaufeltrage und Erste Hilfe-Köfferchen eilen.

Fazit: Action total, vollkommen losgelöst von Logik und Verstand. Reinsetzen, die Absurdität des Gezeigten genießen, über den ernst gemeinten Pathos leise schmunzeln und auf dem Nachhauseweg das eigene Schwarz-Rot-Goldene-Fähnchen am Autofenster hissen.

Montag, Juli 10, 2006

Lauschangriff #1 - Fluch der Karibik 2

Bevor es dann zum Kinostart eine ausführliche Kritik zum sehnsüchtig erwarteten Sommer-Oberblockbuster geben wird, habe ich meine ersten Eindrücke, wie gewohnt etwas ungeordnet, als Audio-Take festgehalten:

Fluch der Karibik 2-Hörtest

Imdb-Eintrag zum Film

Donnerstag, Juli 06, 2006

Ultraviolet - Eine ernstgemeinte Warnung

USA 2006

Null Sterne

Sony Pictures sah sich nicht in der Lage, dieses Machwerk vorab der Presse zu zeigen. Aus Angst vor einer Flut von Verrissen sicherlich eine nachvollziehbare, wenngleich feige Taktik. Unglüchlicherweise wurde Kurt Wimmers Science-Fiction-Aderlass jedoch in zahlreichen Sneak Previews aufgeführt. In einer davon ereilte es mich. Mein Verriss steht ab sofort bei critic.de online. Mehr Warnung geht nicht.

Sonntag, Juli 02, 2006

Demnächst auf dieser Seite

Neu aus den Pressevorstellungen:

Open Water 2 (++) von Hans Horn

Volver (++) von Pedro Almodovar

Wolf Creek (+++) von Greg McLean

An alle Lesefaulen! Es ist ein Versuch: Ab sofort (für eine begrenzte Zeit jeweils) gibt es meine ersten Eindrücke zu Volver, Open Water 2 und Wolf Creek als Audio-Datei zum Herunterladen!